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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 05.10.2009
Aktenzeichen: 4 Ta 164/09
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 11 a
ArbGG § 12 a Abs. 1 Satz 2
ZPO § 114
ZPO § 114 Abs. 1 Satz 2 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 4 Ta 164/09

05.10.2009

In dem Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe in dem Rechtsstreit

Tenor:

wird die Beschwerde des Klägers vom 8. September 2009 gegen den Prozesskostenhilfe teilweise zurückweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 31. August 2009 - 2 Ca 1931/09 - auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger erhob durch seine prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin am 6. Juli Klage mit den Anträgen:

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juni 2009 nicht mit Ablauf des 31. August 2009 endet und

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Für diese beiden Anträge beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits in der Klage Prozesskostenhilfe für den Kläger unter ihrer Beiordnung.

Im Gütetermin vom 17. August 2009 schlossen die Parteien einen Abfindungsvergleich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2009.

Das Arbeitsgericht beabsichtigt, den Wert für den Feststellungsantrag auf drei Bruttomonatsgehälter und für den Weiterbeschäftigungsantrag auf ein Bruttomonatsgehalt festzusetzen.

Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 31. August 2009 Prozesskostenhilfe für den Feststellungsantrag und den Mehrwert des Vergleiches unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten. Den Antrag auf Prozesskostenhilfe beziehungsweise Beiordnung gemäß § 11 a ArbGG für den Weiterbeschäftigungsantrag wies das Arbeitsgericht zurück und führte zur Begründung aus, die gewählte Antragstellung sei mutwillig und entspreche nicht dem Grundsatz sparsamer Prozessführung, denn kostenreduzierend hätte der Weiterbeschäftigungsantrag als sogenannter unechter Hilfsantrag gestellt werden müssen.

Der Kläger hat durch seine Prozessbevollmächtigte gegen diesen ihm am 3. September 2009 zugestellten Beschluss am 8. September 2009 Beschwerde eingelegt und ist der Auffassung des Arbeitsgerichts entgegengetreten, der unbedingt gestellte Weiterbeschäftigungsantrag sei mutwillig erhoben worden. Es sei zu beachten, dass der Kläger habe dafür Vorsorge treffen müssen, dass der Arbeitgeber im Gütetermin säumig wird. Mutwillig handele derjenige, der davon abweiche, was eine verständige, ausreichend bemittelte Partei in einem gleichliegenden Fall tun würde. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Weiterbeschäftigungsantrag von jeder verständigen Partei bereits in der Klagschrift unbedingt angekündigt werde. Im Übrigen gebe es keine empirischen Untersuchungen darüber, ob nichthilfsbedürftige Parteien den Weiterbeschäftigungsantrag nicht stellen würden. Andere Kammern des Arbeitsgerichts Lübeck (Kammern 1 und 5) hätten in verschiedenen Verfahren Prozesskostenhilfe auch für den Weiterbeschäftigungsantrag gewährt. Es bestehe keine sachliche Rechtfertigung für eine abweichende Handhabung.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. September 2009 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt und zur Begründung ausgeführt, der Hinweis auf eine mögliche Säumnis des Arbeitgebers sei zwar grundsätzlich zutreffend, es sei aber zu berücksichtigen, dass in einem solchen Fall es möglich sein müsse, den Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung gegebenenfalls durch einstweilige Verfügung geltend zu machen und dafür Prozesskostenhilfe zu beantragen, wenn keine freiwillige Weiterbeschäftigung erfolge.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Es kann dabei offen bleiben, ob - wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat - der Kläger den Antrag aus Kostengründen als sogenannten unechten Hilfsantrag hätte stellen müssen (vgl. zur Wertberechnung insoweit mit eingehender Begründung Germelmann, ArbGG § 12 Rn. 118). Denn die Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsantrages - ob als echter Antrag oder unechter Hilfsantrag - bereits in der Klagschrift vor dem Gütetermin erweist sich in diesem konkreten Fall als mutwillig. Jede verständige Partei, die die Kosten des Prozesses selbst hätte tragen müssen, hätte jedenfalls in diesem Fall mit der Erhebung des Weiterbeschäftigungsantrages bis zum Scheitern des Gütetermins gewartet.

1. Gemäß § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe unter anderem nur dann zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. In § 114 Abs. 1 Satz 2 a. F. ZPO war der wichtigste Fall des Mutwillens definiert: "Die Rechtsverfolgung ist auch dann als mutwillig anzusehen, wenn mit Rücksicht auf die für die Betreibung des Anspruchs bestehenden Aussichten eine nicht das Armenrecht beanspruchende Partei von einer Prozessführung absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde." Daran hat sich sachlich durch die Streichung des § 114 Abs. 1 Satz 2 a. F. ZPO nichts geändert. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nichthilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde.

2. Müsste der Kläger für das Klagverfahren die Kosten mit eigenen Mitteln bestreiten, so hätte er als verständige Partei zunächst bis zum Scheitern des Gütetermins nur den Feststellungsantrag gestellt und mit dem Weiterbeschäftigungsantrag - egal, ob mit einem unbedingten Hauptantrag oder unechten Hilfsantrag - zunächst bis zum Scheitern des Gütetermins abgewartet. Der Hinweis des Klägers auf eine etwaige Säumnis des Arbeitgebers im Gütetermin mit der Möglichkeit der Beantragung eines Versäumnisurteils steht der Annahme von Mutwillen nicht entgegen.

a. Gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist der Mandant vor Abschluss der Vereinbarung über die Vertretung von dem Rechtsanwalt auf den Ausschluss der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Schon vor dieser Normierung war nach dem Standesrecht der Rechtsanwalt verpflichtet, die Partei auf das Entstehen besonderer Kosten hinzuweisen, die Hinweispflicht erstreckte sich dabei auf alle Besonderheiten, die für die Partei von Bedeutung sein konnten. Der Hinweis muss bezüglich des gesamten Bereichs der Begrenzung der Kostenerstattung in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht erfolgen. Der Hinweis muss vor Abschluss des Vertrages über die Vertretung erfolgen, die Partei muss also noch frei entscheiden können, ob sie sich selbst vor dem Arbeitsgericht vertreten will, ob sie sich vertreten lassen möchte und welche Anträge sie stellen will. Dabei gilt, dass bei Gewährung von Prozesskostenhilfe beziehungsweise einer Beiordnung nach § 11 a ArbGG die Belehrungspflicht nicht entfällt, da unter Umständen von der Partei Kosten getragen werden müssen, sei es, dass die Beiordnung des Anwalts nur unter Festlegung von Raten erfolgt, sei es, dass im Nachhinein von der Landeskasse Erstattungsansprüche gegenüber der Partei geltend gemacht werden.

b. Wird eine verständige Partei darüber belehrt, dass die Stellung des Weiterbeschäftigungsantrags bereits zum Gütetermin kostenerhöhende Auswirkungen hat mit der Folge, dass die Partei - wenn sie keine Rechtsschutzversicherung hat - auf jeden Fall diese Kosten selbst tragen muss und auch bei Obsiegen nicht erstattet erhält, so ist äußerst naheliegend, dass sich eine verständige Partei nur dann bereits vor dem Scheitern des Gütetermins zur Erhebung des Weiterbeschäftigungsantrages entschließt, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die Gegenseite im Gütetermin säumig sein wird. Bei der Säumnis des Arbeitgebers im Gütetermin im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses handelt es sich wiederum um die absolute Ausnahme. So war es auch hier, denn der Arbeitgeber erschien zu dem Gütertermin. Der Kläger hatte bei Klagerhebung überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte nicht zum Termin kommt. Bereits die ausführlich formulierte Kündigung aus betriebsbedingten Gründen, in der auch inhaltlich zum Kündigungsgrund Stellung genommen wird, belegt, dass die Annahme einer Säumnis zum Gütetermin völlig abwegig war. Dies hätte auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers erkennen können. Hätte sie den Kläger gemäß § 12 a Satz 2 ArbGG über diese Situation und die Kostenfolgen aufgeklärt, dann hätte der Kläger aus der Sicht eines verständigen Dritten zunächst bis zum Scheitern des Gütetermins Abstand vom Erheben des Weiterbeschäftigungsanspruches genommen. Denn warum sollte er bereits bis zum Gütetermin das zusätzliche wirtschaftliche Risiko übernehmen, aus eigenen Mitteln die Anwaltsgebühren nach einem durch den Weiterbeschäftigungsanspruch erhöhten Streitwert tragen zu müssen?

Nach alledem hat der Kläger mit der Erhebung des Weiterbeschäftigungsanspruchs bereits in der Klage vor dem Gütetermin mutwillig gehandelt, weil ein verständiger Dritter, müsste er die Kosten des Prozesses selbst aus eigenen finanziellen Mitteln bestreiten, in diesem konkreten Fall keinen Anlass gehabt hätte, den Antrag bereits vor Scheitern des Gütetermins zu stellen.

Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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