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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 12/07
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 616
Die Einigungsstelle überschreitet ihre Kompetenz, wenn sie durch Spruch die Vergütungspflicht einer Raucherpause regelt.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 4 TaBV 12/07

Verkündet am 21.06.2007

Im Beschlussverfahren

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 23.01.07 (3 BV 69 c/06) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum Thema Nichtraucherschutz. Der Antragsgegner (Beteiligter zu 4.) ist der im Betrieb der Antragstellerinnen (Beteiligte zu 1. - 3.) gebildete Betriebsrat.

Am 10. Oktober 1996 schlossen die Beteiligten zur Regelung der Arbeitszeiten die Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit". Darin vereinbarten sie, dass alle Beschäftigten beim jedem Betreten und bei jedem Verlassen der Arbeitsstätte den Gleitzeitterminal zu bedienen haben. Wegen der Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie, Bl. 5 - 10 d. A.

Anlässlich der Verlagerung der Betriebsstätte von Hamburg nach Lübeck-Travemünde und der Zusammenführung des Travemünder Betriebs mit dem Hamburger Betrieb im neuen Hafenhaus am Travemünder Skandinavienkai verhandelten die Beteiligten im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens über eine Betriebsvereinbarung zum Nichtraucherschutz im neuen Hafenhaus. Das Einigungsstellenverfahren endete am 18. September 2006 durch Spruch der Einigungsstelle. Dieser sieht ein generelles Rauchverbot in den Räumen der Antragstellerinnen vor. Das Rauchen wird jedoch auf bestimmten ausgewiesenen Plätzen gestattet. Hierzu heißt es in dem Einigungsstellenspruch wie folgt:

"3. Ausnahmen:

Raucher haben die Möglichkeit, in den dafür vorgesehenen Plätzen in den öffentlich zugänglichen Räumen des Hafenhauses zu rauchen. Dies sind zurzeit die ausgewiesenen Flächen des Gastronomiebereiches, die Terrasse (Außenfläche) vor dem Gastronomiebereich, der Balkon in der Ebene Atrium (im Außenbereich, Richtung Lübeck) sowie der Bereich vor der Eingangstür.

Die Gelegenheit zum Rauchen darf während der Arbeitszeit nur dann wahrgenommen werden, wenn eine Beeinträchtigung des Geschäftsablaufes nicht eintritt. Ein Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal ist nicht erforderlich."

Der Spruch der Einigungsstelle ist der Beteiligten zu 1. am 21. September 2006 zugeleitet worden.

Die Antragsstellerinnen haben unter dem 2. Oktober 2006 bei dem Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren mit dem Antrag auf Feststellung eingeleitet, der Spruch der Einigungsstelle vom 18. September 2006 sei unwirksam.

Am 1. November 2006 schlossen die Beteiligten zur Regelung der Bedienung des Zeiterfassungsterminals durch die Beschäftigten der Antragstellerinnen die Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft. In der Anlage 2 der Betriebsvereinbarung vereinbarten sie, dass sich die Beschäftigten bei jedem Betreten und bei jedem Verlassen der Geschäftsräume am Zeiterfassungsterminal ein - und beziehungsweise auszustempeln haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 44 - 52 d. A.).

In den Betrieben der Antragstellerinnen finden die Manteltarifverträge für kaufmännische Angestellte des Verkehrsgewerbes in Schleswig-Holstein beziehungsweise Hamburg aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Beide Tarifverträge sehen Regelungen zur vergütungspflichtigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie zur bezahlten Freistellung von der Arbeit vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Kopien (Bl. 39 - 43 d. A.).

Die Antragstellerinnen haben die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle habe mit der Regelung in Ziffer III Abs. 2 Satz 2 des Spruchs, wonach ein Ausstempeln für die Zeit des Rauchens nicht erforderlich ist, ihr Ermessen überschritten. Diese Regelung stehe im Widerspruch zu der Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit" vom 10. Oktober 1996, nach der bei jedem Betreten und bei jedem Verlassen der Arbeitsstätte der Gleitzeitterminal zu betätigen sei. Zudem stelle die Regelung einen Verstoß gegen die im Betrieb geltenden Manteltarifverträge dar. Beide Tarifverträge differenzierten zwischen Arbeitszeit und Pausen. Dort gebe es in § 8 beziehungsweise § 9 eine abschließende Regelung für die Gewährung bezahlter Freizeit. Darüber hinaus könne ein Arbeitgeber nicht gezwungen werden, Freizeitaktivitäten während der Arbeitszeit zu dulden und dafür auch noch eine Vergütung zu zahlen, zumal der Einigungsstellenspruch noch nicht einmal eine zahlenmäßige Begrenzung der Raucherpausen vorsehe.

Die Antragsstellerinnen haben beantragt

festzustellen, dass der Beschluss der Einigungsstelle vom 18. September 2006 zu Thema Nichtraucherschutz im Hafenhaus unwirksam ist.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle habe über die Regelungskompetenz verfügt, die Frage des Ausstempelns zu entscheiden. Dies betreffe nicht in erster Linie die Arbeitszeit, sondern die Frage, wer die Kosten dafür zu tragen habe, dass das Rauchen am Arbeitsplatz nicht mehr gestattet sei. Die Kostenbelastung für die Arbeitgeberin ergebe sich als Annex aus dem Mitbestimmungsrecht bei Rauchverboten, da es sich um notwendigerweise damit verbundene Kosten handele. Auch ein Verstoß gegen die Tarifverträge sei nicht zu erkennen. Zudem stelle der Spruch der Einigungsstelle einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Raucher und Nichtraucher dar. Das Regelungsziel Nichtraucherschutz müsse mit der geringsten Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit der Raucher umgesetzt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es vor dem Umzug in das neue Hafenhaus den Beschäftigten gestattet gewesen sei, während der Arbeitszeit am Arbeitsplatz zu rauchen. Auch wäre es möglich gewesen, den Rauchern in den neuen Geschäftsräumen einen Raucherraum zur Verfügung zu stellen. Diese Möglichkeiten hätten die Arbeitgeberinnen von Anfang an nicht ernsthaft in die Planung einbezogen. Zudem duldeten die Arbeitgeberinnen auch andere Formen der Arbeitsunterbrechung ohne die Verpflichtung des Ausstempelns, etwa um ein Getränk aus dem Getränkeautomat zu holen. Hätte die Einigungsstelle Raucherpausen im Gegensatz zu allen anderen kurzzeitigen Arbeitsunterbrechungen von der Arbeitszeit abgezogen, so würde dies zu einer unzulässigen Benachteiligung der Raucher führen. Ein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vom 10. Oktober 1996 sei nicht erkennbar, denn es gelte der Grundsatz, dass die neuere Betriebsvereinbarung die ältere ablöse.

Die Antragstellerinnen haben behauptet, dass es in der Vergangenheit lediglich geduldet worden sei, in der Nähe des Arbeitsplatzes in Hörweite des Telefons an besonderen Stellen zu rauchen. Dies sei jedoch immer mit dem Hinweis erfolgt, dass es nach dem Umzug in das neue Hafenhaus wohl ein generelles Rauchverbot in den Geschäftsräumen geben werde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Vermieter des neuen Hafenhauses das Rauchen nur in den ausdrücklich dafür vorgesehenen Räumlichkeiten im Erdgeschoss sowie außerhalb des Hafengebäudes erlaube. Eine unzulässige Benachteiligung der Raucher gegenüber den Nichtrauchern liege nicht vor. Den Rauchern werde gegenüber den Nichtrauchern vielmehr eine zusätzliche private Verrichtung erlaubt, die nicht zu den Tätigkeiten am Arbeitsplatz gehöre.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Einigungsstelle habe ihre Regelungskompetenz überschritten. Denn sie habe Fragen der Vergütung mitgeregelt. Dazu sei sie nicht berechtigt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bestehe lediglich hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit. Ein Initiativrecht zur Einführung vergütungspflichtiger Pausen bestehe nicht. Wegen der weiteren Begründung wird Bezug genommen auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses.

Der Betriebsrat hat gegen den ihm am 21. Februar 2007 zugestellten Beschluss am 21. März 2007 mit Fax- und am 23. März 2007 mit Originalschriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 23. April 2007 mit Fax- und am 25. April 2007 mit Originalschriftsatz begründet.

Der Betriebsrat wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts regele der Spruch der Einigungsstelle keine vergütungspflichtigen Pausen. Die Raucherpausen würden lediglich, in gleicher Weise wie andere Zeiten, in denen nicht gearbeitet werde, als kurzfristige Arbeitsunterbrechungen definiert, für die nicht ausgestempelt werden müsse. Aus diesem Grund berühre der Spruch der Einigungsstelle auch nicht die wöchentlich geschuldete Arbeitszeit, weshalb auch kein Verstoß gegen geltende Tarifverträge vorliege. Im Übrigen ergebe sich die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen zur Bezahlung der Vergütung für die Zeit der Raucherpausen aus § 616 BGB. Nikotinabhängigkeit sei eine Krankheit, Ausfallzeiten wegen einer solchen Abhängigkeit seien nicht verschuldet. Auch die Betriebsvereinbarung "Zeitwirtschaft" vom 1. November 2006 sei nicht vorrangig. Der streitgegenständliche Spruch sei die speziellere Norm und gehe vor.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 23. Januar 2007 - 3 BV 69 c/06 - abzuändern und den Antrag der Antragstellerinnen zurückzuweisen.

Die Antragstellerinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss und vertreten die Auffassung, das Entgeltfortzahlungsgesetz schließe als Spezialgesetz die Anwendung von § 616 BGB bei Krankheiten aus.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Beschwerde gewechselten Schriftsätze.

II. Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag mit zutreffender Begründung stattgegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen und zur Begründung nimmt das Beschwerdegericht ausdrücklich vollständig auf die erstinstanzliche Begründung Bezug. Die Argumente des Betriebsrats in der Beschwerde rechtfertigen keine abändernde Entscheidung. Der Spruch der Einigungsstelle vom 18. September 2006 ist unwirksam, da die Einigungsstelle ihre Regelungskompetenz überschritten hat.

1. Die Einigungsstelle hat nicht die Regelungskompetenz besessen, die Frage des Ausstempelns für die Zeit der Raucherpausen zu entscheiden. Die Regelungskompetenz der Einigungsstelle reicht nach § 87 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 BetrVG nur so weit, wie ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Ein solches Recht hinsichtlich der Regelung der Vergütung für die Zeit der Raucherpausen existiert nicht. Durch die Regelung, dass ein Ausstempeln für die Zeit der Raucherpausen nicht erforderlich ist, hat die Einigungsstelle die Raucherpausen der vergütungspflichtigen Arbeitszeit gleichgestellt. Die Arbeitgeberinnen sind damit verpflichtet, Raucherpausen als Arbeitszeit zu bezahlen. Dadurch hat die Einigungsstelle sowohl Fragen der Vergütung als auch zumindest mittelbar Fragen des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit geregelt. Hierzu war sie nicht berechtigt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und damit verbunden ein Initiativrecht ist insoweit nicht gegeben.

a. Das Mitbestimmungsrecht zur Regelung des Nichtraucherschutzes folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese Norm betrifft alle Maßnahmen des Arbeitgebers, die sich auf die allgemeine Ordnung des Betriebs und/oder das Verhalten der Arbeitnehmer oder von Gruppen von Arbeitnehmern im Betrieb beziehen. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist die gleichberechtigte Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung der betrieblichen Ordnung. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts wiederum ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber durch sein Direktionsrecht oder seine Organisationsbefugnis beeinflussen oder koordinieren kann. Dazu gehört auch der Regelungsgegenstand Nichtraucherschutz im Betrieb.

Entgegen der Auffassung des Betriebsrates ist damit nicht verbunden unter dem Gesichtspunkt der Annexkompetenz ein Initiativrecht des Betriebsrates zur Einführung vergütungspflichtiger Pausen, sofern ein Arbeitnehmer zum Zwecke des Rauchens seinen Arbeitsplatz verlässt.

Zwar weist der Betriebsrat zutreffend darauf hin, dass der Arbeitgeber die Kosten zu tragen hat, die sich aus der Ausübung des Mitbestimmungsrechts ergeben. Darum geht es hier jedoch nicht. Die Frage der Kostentragung und Kostenverteilung betrifft nach der Rechtsprechung des ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts weder die Ordnung im Betrieb noch das (Ordnungs-) Verhalten der Arbeitnehmer. Durch sie wird das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer weder unmittelbar noch mittelbar geregelt. Es besteht im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dazu auch keine so genannte Annexkompetenz. (BAG, Beschluss v. 13.02.2007 - 1 ABR 18/06 -) Eine solche Annexkompetenz könnte im Ausnahmefall allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die zu regelnde mitbestimmte Angelegenheit ohne die ergänzende Regelung nicht sinnvoll ausgestaltet werden kann. An einem solch engen Zusammenhang zwischen Raucherpause und der Frage der Vergütung dieser Pause fehlt es jedoch. Die Einführung eines Nichtraucherschutzes setzt nicht notwendig eine von den Betriebsparteien zu treffende Regelung über die Vergütung der Raucherpause voraus. Denn der Nichtraucherschutz kann auch ohne eine solche Regelung sinnvoll eingeführt und umgesetzt werden. Eine Annexkompetenz besteht im Rahmen der Einführung des Nichtraucherschutzes nur hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit die Raucher berechtigt sind, den Arbeitsplatz während der Arbeitszeit zu verlassen und an einem bestimmten ausgewiesenen Ort zu rauchen.

Insoweit geht auch der Hinweis des Betriebrates fehl, das Regelungsziel des Nichtraucherschutzes müsse mit der geringsten Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Raucher umgesetzt werden. Dies mag so sein. Entscheidend ist aber, dass dem dadurch entsprochen werden kann, dass die Raucher berechtigt sind, ihren Arbeitsplatz während der Arbeitszeit zu verlassen, um im Rahmen der ihnen zustehenden allgemeinen Handlungsfreiheit die Arbeit zu unterbrechen und zu rauchen. Keineswegs setzt aber ein angemessener Ausgleich und das Erfordernis der geringsten Beeinträchtigung der Raucher voraus, dass die von ihnen in Anspruch genommene Unterbrechung der Arbeitszeit zu vergüten ist.

b. Die Einigungsstelle hat durch ihren Spruch mit der Regelung in Abschnitt III Abs. 2 Satz 2 auch eine Regelung zur Vergütungspflicht der Pause getroffen. Es handelt sich um eine Frage der Arbeitszeit, denn es wird geregelt, dass die Unterbrechung der Arbeit zum Zwecke des Rauchens als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen ist.

Verlässt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz, um an dem ausgewiesenen Ort zu rauchen, so nimmt er eine Pause. Pausen sind kürzere Unterbrechungen einer bestimmten Tätigkeit, die der Erholung dienen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bezieht sich hinsichtlich der Pausen jedoch auf die bloße Festlegung ihrer zeitlichen Lage. Denn ein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht - darauf hat das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen -, welches ein Initiativrecht des Betriebsrates auch bezüglich der Einführung und Dauer der Pausen einschließt, setzt voraus, dass es um Beginn und Ende unbezahlter Pausen geht. Für ein Initiativrecht zur Einführung vergütungspflichtiger Pausen und der Feststellung ihrer Dauer besteht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht keine Rechtsgrundlage. Andernfalls könnte der Betriebsrat über die Durchsetzung entsprechend langer Pausenzeiten den Umfang der Vergütungspflicht des Arbeitgebers beeinflussen. Dementsprechend hat der erste Senat des Bundesarbeitsgerichts weder bezahlten Lärmpausen noch bezahlte Unterbrechungen der Arbeit an Bildschirmgeräten als Pausen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG angesehen, deren Einführung der Betriebsrat verlangen könnte (BAG, Beschluss v. 01.07.2003 - 1 ABR 20/02 -, zit. n. Juris).

Daraus folgt, dass die Einigungsstelle mit der streitgegenständlichen Regelung ihr Ermessen überschritten hat. Denn sie hat dort die Einführung bezahlter Pausen geregelt, wofür der Betriebsrat jedoch aus den obigen Gründen kein Mitbestimmungsrecht hat.

c. Auch der Hinweis des Betriebsrates darauf, dass die Arbeitgeberinnen es allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Vergangenheit gestattet hätten, während der Arbeitszeit zu rauchen, ohne dafür den Arbeitsplatz zu verlassen, führt zu keiner anderen Betrachtung.

Zwar zählen zu den Pausen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch vergütungspflichtige tarifliche Kurzpausen, wobei mitbestimmungspflichtig auch nur die Festlegung ihrer zeitlichen Lage ist. (BAG, Beschluss v. 01.07.2003 - 1 ABR 20/02 -, zit. n. Juris, Rn. 22) Ist also eine solche Freistellung von der Arbeit aufgrund besonderer vertraglicher oder tariflicher Bestimmungen zu vergüten, so handelt es sich um eine Pause, bei deren Lage der Betriebsrat mitzubestimmen hat. Eine solche unabhängig vom Spruch der Einigungsstelle bestehende vertragliche Verpflichtung der Arbeitgeberinnen zur Gewährung einer Raucherpause mit Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers besteht jedoch nicht.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem Grundsatz der betrieblichen Übung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine betriebliche Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle die Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Für das Entstehen eines solchen Anspruchs kommt es auf den Verpflichtungswillen des Arbeitgebers nicht an. Maßgeblich ist, ob die Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände auf einen entsprechenden Bindungswillen schließen dürfen und das entsprechende Vertragsangebot stillschweigend annehmen konnten. Eine betriebliche Übung erfordert danach eine bestimmte Verhaltensweise des Arbeitgebers, die den Schluss darauf erlaubt, dass er sich vertraglich auf Dauer entsprechend binden will. Diese Verhaltensweise hat der Arbeitnehmer konkret vorzutragen, weil sie den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung bestimmt. (BAG, Urteil v. 19.06.2001 - 1 AZR 598/00 -, zit. n. Juris, Rn. 18, 19)

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist von einer diesbezüglichen betrieblichen Übung nicht auszugehen. Selbst wenn die Arbeitgeberin es in der Vergangenheit gestattet hat, dass die Mitarbeiter am Arbeitsplatz rauchen, so konnten die Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt Vertrauen dahin bilden, dass die Arbeitgeberin sich auf Dauer binden wollte, ihnen dies bei Fortzahlung der Vergütung außerhalb des Arbeitsplatzes zu gestatten. Denn die Mitarbeiter mussten damit rechnen, dass dieser Zustand jederzeit beendet beziehungsweise verändert werden kann. Dies ergibt sich bereits aus der Existenz des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, mit dem er initiativ werden kann zur Einführung des Nichtraucherschutzes. Damit musste jeder Arbeitnehmer zu jedem Zeitpunkt rechnen, weshalb von einer betrieblichen Übung keine Rede sein kann, schon überhaupt nicht bezüglich der Bezahlung solcher Pausen.

d. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates kann der Befreiung vom Ausstempeln für die Zeit des Rauchens auch nicht auf das Argument gestützt werden, die Raucher wären sonst durch das Rauchverbot am Arbeitsplatz unverhältnismäßig belastet. Ein Ausstempeln für die Zeit des Rauchens stellt keine unverhältnismäßige Belastung der Raucher dar. Die Raucher leisten während der Raucherpause keine Arbeit, weshalb schon aus diesem Grund ein Ausstempeln gerechtfertigt ist. Zudem ist zu beachten, dass der erforderliche Ausgleich zwischen den Interessen der Nichtraucher und der Raucher dadurch hergestellt wurde, dass es den Rauchern gestattet ist, während der Arbeitszeit den Arbeitsplatz zu verlassen, wobei es sich dabei auch keineswegs um eine unerhebliche Zeit handelt. Üblicherweise dürfte der Genuss einer Zigarette einige Minuten in Anspruch nehmen. Wird dann noch berücksichtigt, dass der betroffene Arbeitnehmer zunächst den ausgewiesenen Ort aufsuchen muss, so ist es keineswegs abwegig, davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme einer Raucherpause sicherlich einen Zeitaufwand von fünf und mehr Minuten bedeutet.

Beachtet man weiterhin, dass der Spruch der Einigungsstelle keine zahlenmäßige Begrenzung der Raucherpausen enthält, so liegt es auf der Hand, dass ein Raucher sich während seiner Arbeitszeit in einem durchaus nicht unerheblichen Umfang vom Arbeitsplatz entfernt. Gerade weil der Spruch der Einigungsstelle dem Raucher das Verlassen des Arbeitsplatzes gestattet, sieht er einen verhältnismäßigen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vor. Es würde jedoch - unabhängig vom Überschreiten der Regelungskompetenz - eine unverhältnismäßige Belastung des Arbeitgebers bedeuten, sofern er auch noch für die Arbeitszeitunterbrechungen die Vergütung zahlen müsste.

e. Auch ist eine Ungleichbehandlung der Raucher nicht festzustellen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, diese sei schon deshalb nicht erkennbar, weil auch die Raucher die Möglichkeit hätten, die den Nichtrauchern erlaubten bezahlten Arbeitsunterbrechungen in Anspruch zu nehmen. Es liegt vielmehr eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Nichtraucher vor, wenn es den Rauchern gestattet wäre, zusätzlich eine den Nichtrauchern nicht gewährte bezahlte Raucherpause in Anspruch zu nehmen.

2. Das Arbeitsgericht hat ferner zutreffend festgestellt, dass auch schon aufgrund des Eingangssatzes des § 87 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und damit auch eine Regelungskompetenz der Einigungsstelle nicht gegeben ist. Der Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG sieht vor, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nur hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht existiert. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. In den Betrieben der Arbeitgeberinnen finden die Manteltarifverträge für kaufmännische Angestellte das Verkehrsgewerbes in Schleswig-Holstein beziehungsweise Hamburg Anwendung. Diese sehen vergütungspflichtige wöchentliche Arbeitszeiten vor, die aufgrund des Eingangssatzes des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht zur Disposition der Betriebsparteien stehen.

3. Auch der Hinweis des Betriebsrates auf § 616 BGB trägt nicht. Nicht jeder Raucher ist nikotinabhängig. Ist der Raucher nicht nikotinabhängig, so kann er sich auf § 616 BGB bereits deshalb nicht stützen, weil er nicht ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert war. Ist er wiederum nikotinabhängig mit dem Grad eines Krankheitsfaktors, so ist § 616 BGB nicht anwendbar. Es würde dann allenfalls das Entgeltfortzahlungsgesetz gelten. Aber auch dessen Anwendung ist nicht möglich. Denn es ist nicht erkennbar, dass insoweit der Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vorliegt bezogen auf den Zeitraum der Pause. Sofern ein Mitarbeiter nikotinabhängig sein sollte, bedeutet dies noch nicht, dass er während seiner Arbeitszeit nicht auf den Genuss einer Zigarette verzichten kann. Die diesbezügliche Ausführung des Betriebsrates ist viel zu pauschal. Das Beschwerdegericht will nicht ausschließen, dass es im Einzelfall denkbar ist, dass bei einem Mitarbeiter die Nikotinabhängigkeit derart gravierend ist, dass er aufgrund dieser Sucht zu bestimmten Zeitpunkten nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen, sofern er nicht eine Zigarette geraucht hat. Wenn er aber dann für diese Zeit der Arbeitsunterbrechung Fortzahlung der Vergütung in Anspruch nehmen möchte, müsste er zunächst gegenüber den Arbeitgeberinnen die gemäß § 5 Abs. 1 EFZG erforderliche ärztliche Bescheinigung über krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorlegen. Mit der Argumentation des Betriebsrates lässt sich aber nicht eine allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers unter Heranziehung von § 616 BGB zur Bezahlung der Raucherpause begründen. Wenn im Übrigen sich der Betriebsrat schon auf Nikotinabhängigkeit und den diesbezüglichen Krankheitsfaktor bezieht, so ist er zudem darauf hinzuweisen, dass die Ansprüche aufweisen, dass die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf sechs Wochen beschränkt sind.

4. Schließlich ist der Spruch der Einigungsstelle vom 18. September 2006 aufgrund der unwirksamen Regelung in Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 auch insgesamt für unwirksam zu erklären.

Gemäß § 139 BGB führt die Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn nicht anzunehmen ist, dass es ohne den nichtigen Teil vorgenommen wäre. Diese Vorschrift ist ihrem Rechtsgedanken nach auch auf die Regelungen in Betriebsvereinbarung anzuwenden (BAG, Beschluss v. 25. Januar 2000 - 1 ABR 1/99 -, AP BertrVG 1972 § 112 Nr. 137). Vorliegend ist nicht anzunehmen, dass der Spruch der Einigungsstelle auch ohne die Regelung in Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 zustandegekommen wäre. Die Regelung, dass für die Zeit der Raucherpause ein Ausstempeln nicht erforderlich ist, war nach den umfassenden Ausführungen des Betriebsrats wesentlicher Bestandteil des Einigungsstellenspruches. Denn durch diese Vereinbarung sollten die Raucher vor unzumutbaren Belastungen geschützt werden.

Auch die Berücksichtigung des Normcharakters des Einigungsstellenspruchs führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar gebietet es der Normcharakter einer Betriebsvereinbarung, im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit der durch sie geschaffenen Ordnung diese insoweit bestehen zu lassen, wie sie auch ohne den unwirksamen Teil ihre Ordnungsfunktion noch entfalten kann. Allerdings hat die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen die Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung zur Folge, wenn der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen keine geschlossene Regelung mehr enthält. (BAG, Beschluss v. 15. Mai 2001 - 1 ABR 39/00 -) So liegt der Fall hier. Die Betriebsvereinbarung zum Nichtraucherschutz, insbesondere die Regelung zur Einführung der Raucherpausen, ist ohne eine Entscheidung der Frage des Ausstempelns für die Zeit der Raucherpausen nicht als abgeschlossene Regelung anzusehen.

Nach alledem ist Beschwerde zurückzuweisen.

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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