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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 25.11.1993
Aktenzeichen: 4 TaBV 27/93
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
BetrVG § 37 Abs. 6
BetrVG § 40 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
ArbGG § 98
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 TaBV 27/93

Verkündet lt. Sitzungsprotokoll

IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUß

am 25. November 1993

In dem Beschlußverfahren

hat die IV. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein nach Anhörung der Beteiligten am 25. November 1993 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und die ehrenamtlichen Richter ... und ... beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1., 3. und 4. gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24. Juni 1993 - 2 BV 36/93 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beteiligte Arbeitgeberin verpflichtet ist, die beteiligten Betriebsratsmitglieder, die Beteiligten zu 3. und 4., von den Schulungskosten wegen Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung freizustellen und ob sie verpflichtet ist, dem Beteiligten zu 3. die entstandenen Fahrtkosten zu erstatten.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und den Inhalt der in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst deren An lagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Antragstellers sowie der beteiligten Betriebsratsmitglieder Sch... und W... ist zulässig. Sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Die Beschwerde war aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen ausdrücklich gemäß § 543 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung Bezug genommen wird, zurückzuweisen.

Die Beschwerdebegründung gibt keinen Anlaß, von der Entscheidung abzuweichen.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen:

Die in den Schulungen nach § 37 Abs. 6 im Betriebsverfassungsgesetz vermittelten Kenntnisse müssen für die Betriebsratsarbeit erforderlich sein. Den Begriff der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat verkannt. Erforderlich ist die Vermittlung eines Schulungsstoffes nur dann, wenn er zur Zeit - sofort - oder in ab sehbarer Zeit - in Kürze - unter Berücksichtigung der konkreten Situation des einzelnen Betriebes und des Wissensstandes des Betriebsrats für die Betriebsratsarbeit tatsächlich benötigt wird. Die vermittelten Kenntnisse müssen mithin für die Arbeit des Betriebsrats nicht nur verwertbar nützlich, sondern notwendig sein. Das ist nur dann der Fall, wenn ohne sie das Betriebsratsamt nicht ordnungsgemäß ausgeübt werden kann (so BAG in ständiger Rechtsprechung seit der Entscheidung vom 06.11.1973 - 1 ABR 26/73 - in DB 1974, 633 = BB 1974, 416 und 462; vgl. zur eingehenden Rechtssprechungsübersicht auch Loritz in NZA 1993, Seite 3 Fußnote 5).

Auf diesen Rechtsstreit übertragen bedeutet es, daß der Betriebsrat das auf der Schulungsveranstaltung "ISDN - Neue Möglichkeiten zur Überwachung und Kontrolle durch die Technologieberatungsstelle in K... vermittelte Wissen für seine Betriebsratsarbeit tatsächlich hätte benötigen müssen. Es handelt sich nämlich bei dem in Frage stehenden Seminar nicht um eine die Vermittlung vom Grundwissen betreffende Schulungsveranstaltung, sondern um eine recht spezielle auf eine besondere Technik - ISDN - ausgerichtete Unterrichtung. Die Notwendigkeit wäre zu bejahen gewesen, wenn die beteiligte Arbeitgeberin die "ISDN - Technik" bereits eingeführt oder die feststehende A gehabt hätte, sich einer derartigen Technik zu bedienen und hiervon unmittelbare Wirkungen auf die im Betrieb tätigen Arbeitnehmer ausgegangen wären bzw. in naher Zukunft ausgehen würden und wenn dadurch Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berührt würden. Die rein theoretische Möglichkeit, daß eine Frage im Betrieb einmal auftauchen werde und der Betriebsrat hierfür noch nicht die erforderlichen Kenntnisse besitze, genügt nicht (BAG im Beschl. v. 25.04.1978 - 6 ABR 22/75 in DB 1978, 1796). Hier fehlten unstreitig technische Gegebenheiten, um den sogenannten ISDN-Einsatz durchzuführen. Darüber hinaus hatte die Beklagte dem Betriebsrat nach seiner Beschlußfassung und vor der Entsendung der Beteiligten zu 3. und 4. ausdrücklich versichert, den ISDN-Einsatz der Telefonanlage nicht durchzuführen. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht zutreffend Mitbestimmungsrechte im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erst dann als gegeben gewertet, wenn die Einrichtung zur Überwachung objektiv und unmittelbar geeignet ist, der technische Standard der Einrichtung also bereits mit den Kontrollfunktionen und den entsprechenden Speichergeräten versehen ist (vergl. BAG v. 09.09.1975 - 1 ABR 20/74 - in DB 1975, 2233; BAG Beschl. v. 14.09.1984 in DB 1984, 2513). Das Gerät muß folglich mit den Kontrollvorrichtungen bezüglich der Leistung oder des Verhaltens der Bediener versehen sein (so eingehend LAG Niedersachen v. 25.03.1982 in DB 1982, 2039 und LAG Schl-Holst. Beschl. v. 09.06.1982 - 5 TaBV 4/82 - in DB 1983, 995). Es kann da her auch nicht der Argumentation des Betriebsrats gefolgt werden, wenn er meint, sich über das ISDN-System schulen lassen zu müssen, um mitbeurteilen zu können, welche Intormations-, Beratungs-, Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte ihm bei der Einführung des ISDN-Systems entstehen. Diese möglichen kollektiven Befugnisse setzen voraus, daß der Arbeitgeber bei der Einführung neuer technischer Geräte zugleich die Möglichkeit der technischen Kontrolle der Mitarbeiter eröffnet hat. Daran fehlt es hier.

Der Hinweis der Beschwerdeführer, daß wegen der Schwierigkeit und Komplexität sowie der technischen Neuheit, die mit Fragen der Datenverarbeitung und Computertechnik verbunden seien, die Erforderlichkeit der Schulung über derartige Informationssysteme bereits dann zu bejahen seien, wenn die Eigenart des Betriebes die Einführung bzw. Erweiterung bereits vorhandener computergestützte Technologien latent mit sich bringe, führt im vorliegen den Rechtsstreit nicht zu einem anderen Verständnis. Es geht hier nicht um eine Behandlung neuer Technologien von Anfang an mit Blick auf die betrieblichen Gegebenheiten (so LAG Düsseldorf im Urt. v. 07.03.1990 in RDV 1990, 264 ff.), sondern um eine ganz spezielle Informationstechnik, die zu kennen erst notwendig ist, wenn die Technik auch eingeführt und verwendet werden soll. Die von den Beschwerdeführern angezogene Entscheidung des LAG Düsseldorf (RDV 1990, 264 ff.) hat einen anderen Sachverhalt vor Augen. Sie geht davon aus, daß die Einführung neuer bzw. die Erweiterung bestehender computergestützter Technologien in dem Be trieb der Beklagten jenes Rechtsstreits gerade keine Maßnahmen wären, die irgendwann einmal in ferner Zukunft anstehen konnten, sondern daß die Eigenart des Betriebes jener Beklagten die Einführung bzw. Erweiterung computergestützter Technologie stets mit sich brachte. Die Eigenart jenes Betriebes brachte jederzeit die Einführung bzw. Erweiterung computergestützter Systeme mit sich, weshalb das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in jenem Falle die entsprechenden Kenntnisse für die Betriebsratstätigkeit als erforderlich angesehen hatte. Derartige Umstände sind hier aber für das in Frage stehende Telefonsystem nirgendwo zwingend erkennbar.

Indem der Betriebsrat die Beteiligten zu 3. und 4. zu einer Veranstaltung entsandt hat, deren Besuch für seine Arbeit nicht erforderlich war, bestand auch kein Anlaß für die Beklagte, die Schulungskosten nebst Reisekosten gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zu erstatten. Die Beteiligten zu 1., 3. und 4. sind zwar von dem zunächst gestellten unzulässigen Feststellungsbegehren auf das zulässige Leistungsbegehren übergegangen. Der Antrag ist damit nicht mehr unzulässig, aber, wie bereits oben dargestellt und vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, in der Sache unbegründet.

Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden, wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 98 ArbGG Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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