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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 4 TaBV 7/09
Rechtsgebiete: BetrVG, AÜG
Vorschriften:
BetrVG § 7 | |
BetrVG § 9 | |
BetrVG § 19 | |
AÜG § 14 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss
Aktenzeichen: 4 TaBV 7/09
Verkündet am 02.07.2009
Im Beschlussverfahren
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 02.07.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 18.12.2008 - 1 BV 45 b/08 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Wahlanfechtung um die Frage, ob bei der Bestimmung der Größe des Betriebsrates gemäß § 9 BetrVG Leiharbeitnehmer zu berücksichtigten sind. Antragstellerin und Wahlanfechtende ist die Arbeitgeberin. Antragsgegner ist der im Betrieb R... der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der D.T... AG mit deutschlandweit 20 Standorten. Zum Leistungsspektrum der Arbeitgeberin zählen sämtliche Facetten der Customer Services im Customer Relationship Management und im Vertrieb. Das reicht von Kundenservice, Kundenbindung und Kampagneservice über Vertriebsunterstützung, Fulfillment & Logistics sowie Consulting & Training bis hin zu Business Outsourcing und Bereitstellung einer Infrastruktur über sämtliche multimediale Kanäle. Einen dieser Standorte unterhält die Arbeitgeberin in R... .
Der Wahlvorstand zur Betriebsratswahl im Standort R... erließ am 02.06.2008 ein Wahlausschreiben, in dem er darauf hinwies, im Betrieb seien 303 Frauen und 211 Männer beschäftigt. Der Betriebsrat habe aus 11 Mitgliedern zu bestehen. Auf die damit seinerzeit 514 wahlberechtigten Personen entfielen 287 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin sowie 227 Leiharbeitnehmer.
Die Arbeitgeberin führt Projekte durch, wobei je nach Auftragslage und Anzahl der Projekte die Gesamtzahl der Beschäftigten am Standort R... schwankt. Die Leiharbeitnehmer werden der Arbeitgeberin nicht von einer "internen Konzerngesellschaft" verliehen, sondern von externen gewerblichen Verleihfirmen.
Trotz des Hinweises der Arbeitgeberin, die Leiharbeitnehmer seien bei der Staffel des § 9 BetrVG nicht zu berücksichtigten, ließ der Wahlvorstand einen Betriebsrat mit 11 Mitgliedern wählen und gab das Ergebnis der Wahl am 23.07.2008 beziehungsweise spätestens am 25.07.2008 bekannt. Die Arbeitgeberin hat die Wahl am 28.07.2008 angefochten.
Wegen der in erster Instanz geäußerten streitigen Rechtsauffassungen über die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der Staffel des § 9 BetrVG und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die Darstellung im angegriffenen erstinstanzlichen Beschluss.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Wahlvorstand habe die Leiharbeitnehmer zu Unrecht bei der Ermittlung der Betriebsratsgröße berücksichtigt. Denn die Leiharbeitnehmer zählten nicht zu den Arbeitnehmern gemäß § 9 Satz 1 BetrVG. Dies ergebe eine Auslegung dieser Vorschrift nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck und Historie. Das Arbeitsgericht hat sich insoweit orientiert an der ständigen Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts. Wegen der weiteren Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen auf die dortigen Ausführungen.
Der Betriebsrat hat gegen den ihm am 21.01.2009 zugestellten Beschluss am 23.02.2009 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 21.04.2009 am 15.04.2009 begründet.
Der Betriebsrat weist darauf hin, dass sich nach den bisherigen Beschlüssen des 7. Senats die Situation in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verändert habe. Seit dem 01.01.2004 könnten nunmehr Arbeitnehmer beim Entleiher unbefristet eingesetzt werden. Dies habe dazu geführt, dass die Zahl der Verleihfirmen kontinuierlich angestiegen sei und die Bedeutung der Leiharbeitsverhältnisse im Wirtschaftsleben deshalb entsprechend zugenommen habe. Diese aufgrund der rechtlichen Veränderung eingetretenen tatsächlichen Änderungen müssten bei der Rechtsfindung berücksichtigt werden. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Thesen seien deshalb mit Rücksicht auf die allgemeinen Veränderungen zur Bedeutung der Leiharbeit und mit Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb der Arbeitgeberin zu prüfen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Betrieb der Arbeitgeberin in R... eine Kapazität für 270 Arbeitsplätze habe, wobei im 2-Schicht-System gearbeitet werde. 540 Arbeitsplätze könnten daher besetzt werden. Der Geschäftszweck der Arbeitgeberin in R... solle mit ca. 500 Arbeitnehmern verwirklicht werden. Die Leiharbeitnehmer seien auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt. Sie blieben dort so lange, bis diese Dauerarbeitsplätze von Mitarbeitern besetzt werden könnten, die von der D... T... AG vermittelt würden. Die Personalplanung ziele darauf ab, die Leiharbeitnehmer als "Statthalter" für T...mitarbeiter zu beschäftigen, die Leiharbeitnehmer würden daher nicht nur vorübergehend für Auftragsspitzen eingesetzt. Ziel der Arbeitgeberin sei es, die Leiharbeitnehmer durch T...mitarbeiter zu ersetzen. Die Beschäftigung der Leiharbeitnehmer stelle sich daher als vollständige Eingliederung dieser Arbeitnehmer in den Betrieb der Arbeitgeberin dar. Ihre Tätigkeit unterscheide sich nicht von den Aufgaben der Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit der Arbeitgeberin abgeschlossen hätten.
Würde die Arbeitgeberin statt der Leiharbeitnehmer befristet eigene Arbeitnehmer einstellen, so würde niemand daran zweifeln, diese bei der Feststellung der Größe des Betriebsrates zu berücksichtigen, und zwar selbst dann, wenn die Befristung jeweils dann enden soll, sofern der Arbeitsplatz mit einem T...mitarbeiter besetzt werden kann. Diese Ungleichbehandlung der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zu befristet Beschäftigten sei auch vor dem Hintergrund von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 91/383/EWG nicht zu rechtfertigen.
Weiterhin sei zu beachten, dass die Erwägungen des 7. Senats auch in rechtstatsächlicher Hinsicht nicht aufrecht zu halten seien. Der Arbeitsaufwand des Betriebsrats für ständig Beschäftigte und Leiharbeitnehmer unterscheide sich nicht. Bei einem Verhältnis von 55 % zu 45 % lasse sich die vom 7. Senat vorgenommene Differenzierung nicht mehr begründen.
Er - Betriebsrat - gestalte in seiner Tätigkeit wesentlich die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer mit. § 87 BetrVG sei auch für diese zu berücksichtigen. Die Leiharbeitnehmer verursachten Arbeit, sie wählten den Betriebsrat mit, sie würden von ihm repräsentiert. Die durch § 9 BetrVG angestrebte Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats führe dazu, dass deren Zahl zu berücksichtigen sei. Hinzu komme, dass die beschäftigten Leiharbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wahl im Betrieb der Arbeitgeberin überwiegend länger als ein Jahr tätig gewesen seien und zum Zeitpunkt der Wahl der Wahlvorstand auch davon habe ausgehen müssen, dass diese Leiharbeitnehmer in der absehbaren nächsten Zeit im Unternehmen beschäftigt werden würden.
Im Übrigen spreche auch § 7 Abs. 2 BetrVG für die von ihm vertretene Auffassung. § 9 nehme Bezug auf die wahlberechtigten Arbeitnehmer. Eine Trennung der Leiharbeitnehmer von Arbeitnehmern, die auch einen Arbeitsvertrag mit dem Entleiher hätten, sei betriebsverfassungsrechtlich im Hinblick auf die Wahl, die Repräsentation und den Arbeitsumfang nicht zu rechtfertigen.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 18.12.2008 - 1 BV 45 b/08 - abzuändern und den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertieft ihre Argumentation unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des 7. Senats.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerde wird Bezug genommen auf den Inhalt der dortigen Schriftsätze.
II.
Die Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat überzeugend und sorgfältig begründet unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts zutreffend dem Antrag stattgegeben. Die Leiharbeitnehmer sind bei der Staffel des § 9 BetrVG nicht zu berücksichtigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Beschwerdegericht Bezug auf die Begründung des Arbeitsgerichts und macht sich diese ausdrücklich im vollen Umfang zu eigen. Die Angriffe der Beschwerde rechtfertigen keine abändernde Entscheidung.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des insoweit zuständigen 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts sind Arbeitnehmer im Sinne von § 9 BetrVG nur die betriebsangehörigen Arbeitnehmer (BAG, Beschluss vom 16.04.2003 - 7 ABR 53/02 - zitiert nach juris, Rnr. 16; BAG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 ABR 43/03 - zitiert nach juris, Rnr. 16). Betriebsangehörige Arbeitnehmer sind wiederum nach dieser Rechtsprechung nur die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert sind. Es gilt also die sogenannte "Kumulationstheorie" oder auch "Zwei-Komponenten-Lehre", wonach nur solche Arbeitnehmer betriebszugehörig gemäß § 9 BetrVG sind, die in die Betriebsorganisation eingegliedert sind und darüberhinaus in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen. Da dies für Leiharbeitnehmer nicht gilt, sind sie bei der Staffel des § 9 BetrVG nach der Rechtsprechung des 7. Senats nicht zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies überzeugend mit den bekannten Auslegungskriterien entwickelt. Von einer nochmaligen Darstellung der Argumentation des Bundesarbeitsgerichts soll hier abgesehen werden.
2. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates führt die zum 01.01.2004 in Kraft getretene Streichung der bis zu diesem Zeitpunkt auf 24 Monate begrenzten höchstzulässigen Verleihdauer nicht zu einer anderen Betrachtung. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Betriebsrat behaupteten angeblichen übrigen tatsächlichen Veränderungen im Hinblick auf die Integration der Leiharbeitnehmer in den Verleihbetrieb und der sich daraus angeblich ergebenden höheren Belastung des Betriebsrates.
a. Richtig ist, dass der 7. Senat in seiner Entscheidung vom 10.03.2004 (7 ABR 49/03) in der Begründung darauf hinwies, auch die längerfristige Überlassung führe mangels einer arbeitsvertraglichen Bindung zum Entleiher nicht dazu, dass die überlassenen Arbeitnehmer zu Betriebsangehörigen des Entleiherbetriebs im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes würden, sofern sichergestellt sei, dass die Arbeitnehmer nicht auf Dauer überlassen würden (zitiert nach juris, Rnr. 19). Mit dieser Formulierung im Urteil des 7. Senates stellt sich also die Frage, ob sich mit der Gesetzesänderung zum 01.01.2004 die Notwendigkeit einer anderen Betrachtung ergibt, weil mit dem Wegfall der 24monatigen Höchstdauer zweifelsohne nicht mehr sichergestellt werden kann, dass der Leiharbeitnehmer nicht auf Dauer dem Betrieb überlassen wird.
aa. Dörner (Der Leiharbeitnehmer in der Betriebsverfassung, Festschrift für Wißmann, S. 298) führt aus, im Einzelfall könne auch ohne arbeitsvertragliche Bindung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher eine Betriebszugehörigkeit zum Entleiherbetrieb angenommen werden, und zwar in den Fällen, in denen die Leiharbeitnehmer ohne zeitliche Begrenzung oder aber wiederholt langfristig über die frühere öffentlichrechtliche Begrenzung von 2 Jahren hinaus eingesetzt würden, zudem der Verleiher wie ein Arbeitsvermittler außer der Entgeltzahlung keinerlei Arbeitgeberrechte mehr ausübe.
Dieser Ansatz wurde auch schon von zwei Landesarbeitsgerichten aufgegriffen, und zwar vom Landesarbeitsgericht Hamburg (Beschluss vom 03.09.2007 - 8 TaBV 17/06 - zitiert nach juris, Rnr. 52 ff.) und vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Beschluss vom 24.05.2007 - 1 TaBV 64/06 - zitiert nach juris, Rnr. 65). Beide Beschlüsse dieser Landesarbeitsgerichte bezogen sich jedoch nicht auf die Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Staffel des § 9 BetrVG, sondern machten eine Ausnahme von den Grundsätzen der Kumulationstheorie für den Fall der dauernden Überlassung von Personal an ein Unternehmen im Rahmen einer "Gestellung".
bb. Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt besteht keine Veranlassung, trotz der vorgenannten Ausführungen eine Ausnahme von der Kumulationstheorie zu akzeptieren.
(1) Tatsächlich ist insoweit zunächst festzuhalten, dass die Arbeitgeberin die Leiharbeitnehmer nicht entleiht von einem Arbeitsvermittler, der außer der Entgeltzahlung keinerlei Arbeitgeberrechte mehr bezogen auf seine Leiharbeitnehmer ausübt. Auch kann überhaupt keine Rede davon sein, dass es sich bei den hier tätigen Verleihfirmen lediglich um ein sogenanntes "externalisiertes Personalbüro" (dazu Hamann in NZA 2003, 526, 527) handelt. Vielmehr entleiht die Arbeitgeberin die Leiharbeitnehmer von Firmen, die außerhalb des Konzerns stehen und die bundesweit sogar teilweise europaweit Firmen gewerblich Leiharbeitnehmer zur Verfügung stellen. Diese Verleiher treten nicht lediglich als bloße Arbeitsvermittler auf, die keinerlei Arbeitgeberrechte ausüben, sondern sich nur auf die Entgeltzahlung beschränken. Vielmehr behalten sie weiterhin die Disposition über die Arbeitnehmer, die entweder dazu führen kann, dass die Arbeitnehmer wieder in den Betrieb des Vertragsarbeitgebers oder auf Geheiß des Vertragsarbeitgebers in einem anderen Betrieb eingesetzt werden. Die Aufhebung der starren zeitlichen Obergrenze für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung hat nichts daran geändert, dass für diese Verleihfirmen die Arbeitnehmerüberlassung ihrem Wesen nach zeitlich begrenzt ist. Sie ist daher mit der sogenannten "Gestellung" von Arbeitnehmern, sofern diese auf Dauer gerichtet ist, nicht vergleichbar (so auch LAG Hamburg - Beschluss vom 03.09.2007 - 8 TaBV 17/06 -, zitiert nach juris, Rnr. 51).
Auch der Betriebsrat geht in der Beschwerdebegründung grundsätzlich davon aus, dass die Beschäftigung der Leiharbeitnehmer sich zwar als vollständige Eingliederung dieser Arbeitnehmer in den Betrieb der Arbeitgeberin darstelle, andererseits aber die Personalplanung der Arbeitgeberin darauf abziele, die Leiharbeitnehmer als "Platzhalter" für T...mitarbeiter zu beschäftigen, wobei es Ziel der Arbeitgeberin sei, die Leiharbeitnehmer durch T...mitarbeiter zu ersetzen. Auch dies belegt, dass es - unabhängig vom Vortrag der Arbeitgeberin, sie beschäftige die Leiharbeitnehmer abhängig von der Auftragslage - bei der Überlassung der Leiharbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin wesensmäßig sich weiterhin nur um eine vorübergehende Überlassung handelt, mag diese für eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern bereits auch schon länger als ein Jahr andauern.
Der Einsatz der Leiharbeitnehmer bei der Arbeitgeberin bewegt sich daher also im klassischen Bereich der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung. Der Umstand, dass die Höchstdauer von zwei Jahren entfiel, veranlasst daher in diesem konkret zu beurteilenden Sachverhalt nicht, eine Ausnahme von der Kumulationstheorie anzunehmen. Denn anderenfalls müsste - da potentiell jede Arbeitnehmerüberlassung nunmehr auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet werden kann - auch jeder Leiharbeitnehmer, der länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt wird, bei der Staffel des § 9 BetrVG berücksichtigt werden. Dies lässt sicher aber weder mit der vom Bundesarbeitsgericht aus der Gesetzessystematik entwickelten Kumulationstheorie in Einklang bringen, noch dürfte Dörner mit seinen Hinweisen in der Festschrift für Wißmann so weit gehen, da er ausdrücklich darauf hinweist, dass nur im Einzelfall ohne arbeitsvertragliche Bindung allenfalls dann eine Ausnahme von der Kumulationstheorie anzunehmen sein könnte, sofern der Verleiher keinerlei Arbeitgeberrechte ausübe, wovon hier jedoch nicht die Rede sein kann.
(2) Unabhängig davon sieht sich das Beschwerdegericht aus Gründen der Gewaltenteilung aber auch nicht befugt, in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt die Kumulationstheorie aufzugeben. Denn das Beschwerdegericht geht von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers aus, im Jahre 2002 durch § 7 Satz 2 BetrVG den Leiharbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen das aktive Wahlrecht zuzusprechen, sie aber im Übrigen bei § 9 BetrVG nicht zu berücksichtigen. Insoweit ist zunächst auf die überzeugende Auslegung des § 9 BetrVG in Verbindung mit §§ 7, 5 BetrVG durch das Bundesarbeitsgericht hinzuweisen. Der einfachen Aufgabe der Kumulationstheorie steht das Gesetz entgegen. Der Gesetzgeber geht in § 14 AÜG und nunmehr sogar verdeutlicht in § 7 Satz 2 BetrVG von der Maßgeblichkeit der arbeitsvertraglichen Grundlagen aus. Wer auf die beiden Merkmale der Betriebszugehörigkeit verzichten will, muss auch die differenzierten Bestimmungen dieser Normen für obsolet halten, dem Gesetzgeber also Makulatur seiner von ihm nicht beseitigten, sondern erhaltenen Bestimmungen bescheinigen oder weitergehende Schlüsse ziehen (Dörner, Der Leiharbeitnehmer in der Betriebsverfassung, Festschrift für Wißmann, S. 296). Ein solches Vorgehen verbietet sich, weil Gerichte nicht befugt sind, bewusste Entscheidungen des Gesetzgebers nicht zu berücksichtigen und - weil es vielleicht aus rechtspolitischen Gründen wünschenswert sein könnte - den Anwendungsbereich einer Norm zu erweitern. Angesichts der überzeugenden Auslegung durch den 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts kann keine Rede davon sein, dass der Gesetzgeber im Jahre 2002 beziehungsweise mit der Änderung des AÜG zum 01.01.2004 eine "unbewusste" Regelungslücke schuf, die mit den bekannten Instrumenten durch Gerichte geschlossen werden darf. Die Möglichkeit, dass nun ein Leiharbeitnehmer über mehrere Jahre hinweg in demselben Entleiherbetrieb tätig wird und vielleicht faktisch dieselben Interessen wie die Stammarbeitnehmer hat, mag Unbehagen auslösen. Dieses Unbehagen kann jedoch nur der Gesetzgeber beseitigen (Brose, NZA 05, 797 ff., 800; Thüringer Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.03.2007 - 8 TaBV 12/06 - zitiert nach juris, Rnr. 19). Ebenso wie das Thüringer Landesarbeitsgericht sieht sich das Beschwerdegericht außerstande, angesichts der gefestigten und nachvollziehbaren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Haltung des Gesetzgebers bei der Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes die einschlägigen Rechtsnormen anders als die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung auszulegen und eine ausdehnende Anwendung aus rechtstatsächlichen und rechtspolitischen Erwägungen vorzunehmen.
Hätte der Gesetzgeber es beabsichtigt, Leiharbeitnehmer auch bei der Staffel des § 9 BetrVG zu berücksichtigen, so hätte er sich nicht darauf beschränken dürfen, dem § 7 BetrVG bezogen auf die Leiharbeitnehmer für deren aktives Wahlrecht einen Satz 2 hinzuzufügen. Es wäre dann naheliegend gewesen, beispielsweise in § 5 BetrVG den Leiharbeitnehmer auch als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes zu definieren oder aber ausdrücklich in § 9 - wie in § 7 für das aktive Wahlrecht geschehen - auch eine Regelung für die Leiharbeitnehmer vorzunehmen. Da weder dies geschehen ist noch der § 14 AÜG anlässlich des Wegfalls der Höchstdauer zum 01.01.2004 geändert wurde, muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber insoweit eine bewusste Entscheidung traf, die eine Aufgabe der Kumulationstheorie verbietet. Hätte der Gesetzgeber in § 9 BetrVG auch die Leiharbeitnehmer berücksichtigen wollen, so wäre es ohne weiteres möglich gewesen, statt des Begriffes "wahlberechtigten Arbeitnehmern" in Betrieben bzw. Arbeitnehmern in Betrieben allein auf den Begriff der Wahlberechtigten abzustellen, womit insoweit dann Einklang zu § 7 Satz 1 und § 7 Satz 2 BetrVG hergestellt worden wäre. Auch dies belegt die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, Leiharbeitnehmer nicht bei der Staffel des § 9 BetrVG zu berücksichtigen.
Wenn der Betriebsrat insoweit in der Beschwerdeverhandlung nochmals auf die Äußerung eines Vertreters der Bundesregierung bei der Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales hinwies, und zwar als vermeintlichen Beleg dafür, es könne keineswegs von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden, so trägt diese Argumentation nicht. Zutreffend weist Dörner in seinem Beitrag in der Festschrift für Wißmann (S. 292) darauf hin, dass derartige Aussagen nur bei der Auslegung Berücksichtigung finden können, wenn der Gesetzestext die im Gesetzesverfahren genannten Ziele auch wiedergibt. Solche Anhaltspunkte sind unter Berücksichtigung der bekannten Auslegungskriterien nicht erkennbar. Man mag die gesetzlichen Regelungen bezogen auf § 7 und § 9 BetrVG als Flickschusterei kritisieren. Dies ändert aber nichts an der Erkenntnis, dass insoweit eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für die Nichtberücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der Staffel des § 9 BetrVG unter Beachtung der bekannten Auslegungskriterien feststellbar ist.
b. Auch die übrigen vom Betriebsrat behaupteten angeblichen Veränderungen im Tatsächlichen führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar will insoweit das Beschwerdegericht nicht verkennen, dass bei einem Anteil von nahezu 50 % Leiharbeitnehmer die Tätigkeit des Betriebsrates auch maßgeblich beeinflusst wird durch die Berücksichtigung der Belange dieser Leiharbeitnehmer und der sich aus ihrem Einsatz ergebenen betrieblichen Probleme. Es mag insoweit auch sein, dass die Arbeitgeberin ihren Geschäftszweck zur Zeit der Wahl mit ca. 500 Arbeitnehmern verwirklichen wollte. Dies ändert aber nichts an dem Befund des Bundesarbeitsgerichts, wonach nur für die betriebsangehörigen Arbeitnehmer der Betriebsrat sämtliche nach dem Betriebsverfassungsgesetz bestehenden Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen hat. Die Leiharbeitnehmer werden nur partiell von ihm repräsentiert. Sie verursachen zwar ebenfalls erhebliche Betriebsarbeit, die die Berücksichtigung bei der Betriebsratsgröße rechtfertigen könnte. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser im Vergleich zu betriebsangehörigen Arbeitnehmern wegen der nur partiellen Vertretung regelmäßig geringer einzuschätzende Arbeitsaufwand für Leiharbeitnehmer vom Gesetzgeber gewollt bei der Bemessung der Betriebsratsgröße in § 9 BetrVG zu berücksichtigen ist (BAG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 ABR 49/03 - zitiert nach juris, Rnr. 22). Hinzu kommt, dass - wie bereits ausgeführt - die Leiharbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin nicht von einem sogenannten externalisierten Personalbüro zur Verfügung gestellt werden, vielmehr die Verleiher wesentliche Arbeitgeberrechte als Vertragsarbeitgeber weiter ausüben. Es handelt sich um klassische Arbeitnehmerüberlassung. § 14 Abs. 1 AÜG ist auch weiterhin anzuwenden, wonach Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers bleiben.
c. Das Beschwerdegericht verkennt im Übrigen nicht, dass die Möglichkeit, Leiharbeitnehmer über einen langen Zeitraum unbefristet im Entleiherbetrieb einzusetzen, möglicherweise rechtspolitisch Veranlassung sein könnte, den § 9 BetrVG bezogen auf Leiharbeitnehmer zu ändern. Diese rechtspolitische Entscheidung hat aber der Gesetzgeber zu treffen. Angesichts der klaren Gesetzessystematik, die sich aus den überzeugenden Entscheidungen des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts ergibt, müssen sich die Gerichte für Arbeitssachen zurückhalten bei der ausdehnenden Interpretation des § 9 BetrVG. Sie stehen insoweit in einer sich aus der Gewaltenteilung ergebenden Verantwortung und haben weiterhin zu beachten, dass jede sich an einem vermeintlichen Sinn und Zweck einer Vorschrift orientierte Ausnahme einen Verlust an Rechtssicherheit bedeutet. Die Rechtmäßigkeit von Betriebsratswahlen wäre noch weniger berechenbar als bisher (Dörner, Festschrift für Wißmann, S. 299).
Nach alledem ist die Beschwerde des Betriebsrates zurückzuweisen. Auch wenn es bereits eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage der Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer im Rahmen von § 9 BetrVG gibt, wird die Rechtsbeschwerde dennoch zugelassen, und zwar im Hinblick darauf, dass derzeit in Rechtsprechung und Literatur diskutiert wird, ob sich aus der Aufhebung der Höchstdauer der zulässigen Überlassung eine neue Sichtweise ergeben könnte. Ob das Bundesarbeitsgericht allerdings Gelegenheit haben wird, sich in diesem Verfahren zu dieser Frage zu äußern, erscheint aus tatsächlichen Gründen eher zweifelhaft, weil in Anbetracht von § 13 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wohl im Frühjahr 2010 ein neuer Betriebsrat gewählt werden muss.
Ende der Entscheidung
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