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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 112/09
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 140
BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
1. Von einem vertraglich begründeten Prozessarbeitsverhältnis ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer keinen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat oder die Parteien eine Beschäftigung vereinbaren, die von dem bisherigen Vertragsinhalt nicht gedeckt ist.

2. Nimmt der Arbeitnehmer den Abschluss eines ihm von der Arbeitgeberin während des Laufs eines Kündigungsschutzverfahrens angebotenen Prozessarbeitsverhältnisses nicht an, rechtfertigt die daraus resultierende Arbeitsverweigerung weder eine außerordentliche noch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 112/09

Verkündet am 01.09.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 01.09.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts K. vom 19.02.2009 - Az. 2 Ca 2244 b/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer durch die Beklagte ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise fristgerechten, Kündigung.

Der 40-jährige Kläger ist sei dem 02.05.2007 bei der Beklagten als stellvertretender Leiter der Abteilung Mietebuchhaltung zu einem Monatsgehalt von € 4.000,00 brutto beschäftigt.

In einem Vorprozess (ArbG K. 2 Ca 165 b/08 = LAG Schleswig-Holstein 5 Sa 292/08) stritten die Parteien über die Rechtswirksamkeit einer personenbedingten ordentlichen Kündigung vom 10.01.2008 zum 31.03.2008 wegen behaupteter Eignungsmängel des Klägers. Mit Urteil vom 09.06.2008 gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Die hiergegen seitens der Beklagten eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 27.11.2008 - zwischenzeitlich rechtskräftig - zurück.

In § 2 des zugrunde liegenden Arbeitsvertrages ist die vom Kläger geschuldete Tätigkeit wie folgt festgelegt:

"(1) Der Angestellte wird als stellvertretender Leiter der Abteilung Mietebuchhaltung eingestellt. Eine anderweitige Verwendung und anderweitigen Einsatz behält sich der Arbeitgeber vor.

(2) Er stellt seine gesamte Arbeitskraft und sein ganzes Wissen in den Dienst des Arbeitgebers.

(3) Der Angestellte hat seine Arbeitsdienste in K. zu erbringen."

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils in dem Vorprozess (2 Ca 165 b/08) teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 24.06.2008 Folgendes mit (Bl. 19 d. A.):

"... wir halten an unserer Auffassung fest, dass das Arbeitsverhältnis mit Ihnen aufgrund der Kündigung vom 10.01.2008 am 31.03.2008 endet. Während der Dauer des Kündigungsschutzstreites bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis vorläufig als Prozessarbeitsverhältnis fortzuführen. Das Prozessarbeitsverhältnis endet automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit dem Tag der Verkündigung des Berufungsurteils.

Wir bitten Sie, sich gemäß § 2 Abs. 1, Satz 2, des Arbeitsvertrages am Dienstag, den 01.07.2008, um 8:00 Uhr in ..., Freiheit 6, einzufinden.

Sie werden vier Wochen zu Buchhaltungsarbeiten (Vorbereitung, Nebenkostenabrechnung) für das O.-Portfolio in B. arbeiten.

Melden Sie sich bitte am 01.07.2008 bei Herrn U.. Er wird Ihnen dann weitere Anweisungen erteilen. ..."

Mit Anwaltsschreiben vom 25.06.2008 antwortete der Kläger hierauf u. a. wie folgt (Bl. 20 f. d. A.):

"Herr Z. wird wie von Ihnen gewünscht die Beschäftigung am 01.07.2008 in B. aufnehmen, er wird sich dort mit Herrn U. in Verbindung setzen, um weitere Anweisungen entgegen zu nehmen, da wir unterstellen, dass sie uns plausible Gründe nennen werden, weshalb Herr Z. in B. arbeiten soll.

Wir gehen davon aus, dass die weiterhin Bedingungen des streitigen Arbeitsverhältnisses gelten. Danach ist bekanntlich Arbeitsort für unseren Mandanten ausschließlich K.. Dementsprechend bestätigen Sie kurz zu unseren Händen, dass Ihrerseits die Kosten für Übernachtung und Anreise von K. nach B. von Ihnen getragen werden.

Bitte teilen Sie uns ferner mit, aus welchen Gründen Herr Z. seine Beschäftigung in B. aufnehmen soll, obwohl nach Kenntnis unseres Mandanten die von ihm zu erledigenden Arbeiten bisher sämtlichst in K. erledigt werden.

Wir betrachten die Fahrtzeiten unseres Mandanten von K. nach B. dementsprechend auch als Arbeitszeit, die zu vergüten ist. Auch um dessen Bestätigung bitten wir kurzfristig nach hierher. ..."

Hierauf erwiderte die Beklagte an die klägerischen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 30.06.2008 wie folgt (Bl. 22 d. A.):

"... Herr Z. soll die Tätigkeit in B. aufnehmen, da eine Tätigkeit in K. aufgrund der atmosphärischen Störungen nicht in Betracht kommt.

Die Fahrtzeit nach B. ist Anreisezeit, nicht Reisezeit und nicht Arbeitszeit, also nicht zu vergüten.

Die 4-wöchige Tätigkeit in B. soll nicht dazu genutzt werden, Herrn Z. einzuweisen. Herr Z. ist Buchhalter. Wir gehen nicht davon aus, dass er eine 4-wöchige Einweisung benötigt, wie man bucht. Andernfalls bitten wir um entsprechende Mitteilung.

Eine Erstattung der angemessenen Kosten findet im arbeitsrechtlich vorgesehenen Umfang statt. ..."

Mit Anwaltsschreiben vom 30.06.2008 teilte der Kläger mit, dass ihm unter den genannten Bedingungen und Umständen nicht zumutbar sei, seine Tätigkeit in B. aufzunehmen.

Mit Schreiben vom 02.07.2008, dem Kläger zugegangen am 03.07.2008, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos wegen Arbeitsverweigerung (Bl. 6 d. A.).

Hiergegen hat der Kläger am 04.07.2008 vor dem Arbeitsgericht Kündigungsfeststellungsklage erhoben.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz, insbesondere des streitigen Sach- und Rechtsvortrags der Parteien sowie der erstinstanzlichen Anträge, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Mit Urteil vom 19.02.2009 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung liege nicht vor. Zwar sei eine beharrliche Arbeitsverweigerung an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Indessen habe sich der Kläger den Anordnungen der Beklagten, seine Tätigkeit in B. auszuüben, weder unzulässig verweigert, noch beharrlich widersetzt. Die strittige Anordnung sei nicht durch das Weisungsrecht der Beklagten gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte habe den Kläger mit Schreiben vom 24.04.2008 nur zu einer Prozessbeschäftigung unter Aufrechterhaltung der fristgemäßen Kündigung aufgefordert und damit die Leistung des Klägers nicht als Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrages annehmen wollen. Ein Angebot auf Weiterarbeit unter der auflösenden Bedingung, dass eine vorangegangene Kündigung für wirksam erklärt wird, sei etwas anderes; darauf brauche sich der Arbeitnehmer nicht einzulassen. Der Arbeitgeber sei nur "dienstberechtigt", wenn zwischen den Parteien ein wirksames Arbeitsverhältnis bestehe. Hiervon könne nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich an seiner Rechtsauffassung festhalte, dass eine Kündigung das Arbeitsverhältnis bereits beendet habe. Die Aufrechterhaltung der Kündigung sei mit dem Angebot, die Arbeit wieder aufzunehmen, nicht vereinbar. Die Beklagte habe lediglich ein Prozessarbeitsverhältnis begründen wollen und damit die Arbeitsleistung des Klägers im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses nicht als Erfüllung des gekündigten Arbeitsverhältnisses annehmen wollen. Zur Annahme eines Prozessarbeitsverhältnisses sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Der Hilfsantrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, gehe ins Leere und sei unzulässig.

Gegen dieses ihr am 18.03.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.04.2009 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 02.06.2009 am 02.06.2009 begründet.

Der Beklagte trägt vor,

das Arbeitsgericht habe zwar im Ergebnis zutreffend die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB verneint, habe indessen gemäß § 140 BGB fehlerhaft keine Umdeutung derselben in eine ordentliche Kündigung abgelehnt.

Die streitgegenständliche Kündigung sei als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe durch unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit am 01.07.2008 in kündigungsrelevanter Weise seine Arbeitspflicht verletzt. Der Kläger sei zwar nicht verpflichtet gewesen, ihr Angebot auf Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses anzunehmen. Indessen habe der Kläger das Angebot auf Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses angenommen. Dies ergebe sich aus dem klägerischen Schreiben vom 25.06.2008. Darin habe er eindeutig erklärt, dass er die Beschäftigung wie gewünscht am 01.07.2008 in B. aufnehme. Über die Hauptleistungspflichten aus dem Prozessarbeitsverhältnisses habe Einigkeit bestanden. Einigkeit habe mithin bestanden über die Tätigkeit als Buchhalter in B. bei Zahlung der ursprünglich vereinbarten Vergütung von € 4.000,00 brutto monatlich, des Urlaubsanspruchs von 25 Tagen, der Geheimhaltungspflicht, des Zustimmungsvorbehalts bei Nebentätigkeiten und der Verpflichtung zur Krankmeldung am ersten Tag der Krankheit. Der Kläger sei mithin zur Arbeitsaufnahme verpflichtet gewesen. Insbesondere habe ihm kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB wegen vermeintlicher Gegenansprüche zugestanden. Der Kläger habe angesichts seines Fehlverhaltens auch nicht damit rechnen können, dass sie, die Beklagte das unentschuldigte Fehlen lediglich mit einer Abmahnung ahnden würde. Die Interessenabwägung falle schließlich zulasten des Klägers aus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.02.2009 - 2 Ca 244 b/08 - abzuändern als das Arbeitsverhältnis festgestellt habe, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 02.07.2008 zum 30.09.2008 geendet habe und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt

das angefochtene Urteil. Solange die Beklagte nicht unmissverständlich klarstellte, dass sie das angefochtene Urteil vom 09.06.2008 akzeptiere, habe für ihn, den Kläger, jedenfalls keine Verpflichtung zur Wiederaufnahme der Arbeit bestanden. Im Übrigen sei keine Einigung über die Begründung eines Prozessarbeitsverhältnisses erzielt worden. In dem Schreiben vom 25.06.2008 habe er, der Kläger, erkennbar daran festgehalten, dass Arbeitsort weiterhin K. sein sollte. Eine Einigung über den Arbeitsort B. habe es nicht gegeben. Es komme auch nicht darauf an, ob die Kündigung vom 02.07.2008 gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten sei, weil eine solche gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nicht sozial gerechtfertigt sei. Insbesondere habe er keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Die Beklagte habe nach deren Schreiben vom 30.06.2008 nicht erwarten können, dass er, der Kläger, seine Arbeit am 01.07.2008 in B. aufnimmt, solange sie, die Beklagte, die ungeklärten Bedingungen nicht klargestellt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 01.09.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg, sie ist unbegründet.

Im Berufungsverfahren verfolgt die Beklagte nur noch die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 02.07.2009 zum 30.09.2008 endete und die Klage im Übrigen abzuweisen sei.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch eine in eine ordentliche Kündigung umzudeutende Kündigung vom 02.07.2008 zum 30.09.2008 aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass das Arbeitsverhältnis mangels sozialer Rechtfertigung auch nicht durch eine ordentliche Kündigung endete.

1. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung jederzeit in eine mögliche und wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann.

a) Die Voraussetzungen für eine Umdeutung richten sich nach § 140 BGB. Die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung setzt hiernach voraus, dass eine ordentliche Kündigung dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dass dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkennbar geworden ist (BAG Urt. v. 15.11.2001 - 2 AZR 310/00 -, AP 13 zu § 140 BGB; KR-Friedrich, 8. Aufl., Rn. 76 zu § 13 KSchG; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 12. Aufl. § 123 Rn. 77). Da die außerordentliche Kündigung regelmäßig den Willen enthält, das Arbeitsverhältnis in jedem Falle beenden zu wollen, ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine unberechtigte außerordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt gewollt ist. Hiervon muss auch der verständige Arbeitnehmer in aller Regel ausgehen(allg. A: vgl. nur KR-Friedrich, a.a.O., Rn. 79 zu § 13 KSchG m. w. Nachw.). Die Umdeutung verlangt weder einen besonderen Antrag des Kündigenden noch muss dieser sich ausdrücklich auf die Umdeutung berufen. Vielmehr muss das Gericht von sich aus prüfen, ob auf Grund der feststehenden Tatsachen unter den gegebenen Umständen eine Umdeutung des Rechtsgeschäfts in Betracht kommt oder nicht (Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 80).

b) Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass sich die Beklagte unter allen Umständen durch die streitgegenständliche Kündigung vom 02.07.2008 von dem Kläger trennen wollte. Hierfür spricht bereits, dass sie trotz Aufforderung zur Arbeitsaufnahme und dem nachfolgenden Ausspruch der hier strittigen außerordentlichen Kündigung vom 02.07.2008 an der erstinstanzlich bereits für unwirksam erklärten Kündigung vom 10.01.2008 ausdrücklich festgehalten hat. Die Beklagte hat mithin auch die im Vorprozess (5 Sa 292/08) strittigen Kündigungsgründe (fehlende Eignung des Klägers für arbeitsvertraglich vereinbarte Position) aufrecht erhalten und sich neben dem eigentlichen im vorliegenden Verfahren strittigen Kündigungsgrund (Arbeitsverweigerung) zudem auf die Unzumutbarkeit der Beschäftigung in K. wegen "atmosphärischer Störungen" berufen. Die Beklagte hat durch den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 02.07.2008 demzufolge deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger in jedem Falle beenden wollte. Hierfür spricht nicht zuletzt auch der erstinstanzlich gestellte Auflösungsantrag.

2. Indessen kommt gleichwohl keine Umdeutung der nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 02.07.2008 in eine ordentliche Kündigung zum 30.09.2008 in Betracht. § 140 BGB gestattet eine Umdeutung nur dann, wenn die vom Arbeitgeber erklärte außerordentliche Kündigung als ordentliche Kündigung rechtswirksam wäre. Die mangels wichtigen Grundes unwirksame fristlose Kündigung vom 02.07.2008 ist auch nicht als ordentliche Kündigung rechtswirksam. Da der Kläger auch eine ordentliche Kündigung zum 30.09.2008 nicht akzeptiert und zudem unstreitig Kündigungsschutz genießt, müssten zur Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Denn auch eine in eine ordentliche Kündigung umgedeutete außerordentliche Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein, wenn sie zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll.

Die Kündigung vom 02.07.2008 ist nicht aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG.

a) Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, die zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG Urt. v. 13.12.2007 - 2 AZR 818/06 -, AP Nr. 64 zu § 4 KSchG 1969 m. w. Rspr.-Nachw.). Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt dabei das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG Urt. v. 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 -, AP Nr. 57 zu § 1 KSchG 1969 ,Verhaltensbedingte Kündigung'). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (ErfK/Oetker 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 197) . Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (ErfK/Oetker a.a.O. Rn. 199).

b) Dies zugrunde gelegt hat der Kläger am 01.07.2008 keinen Anlass zur ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gegeben. Entgegen der Behauptung der Beklagten hat der Kläger durch den Nichtantritt der ihm in B. angebotenen Arbeit nicht gegen irgendeine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen. Der Kläger hat weder gegen Pflichten aus einem Prozessarbeitsverhältnis verstoßen (aa) noch gegen solche aus dem auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 30.03.2007 begründeten Arbeitsverhältnis (bb).

aa) Die Beklagte geht fehl in der Annahme, die Parteien hätten mit Wirkung ab dem 01.07.2008 ein sogenanntes Prozessarbeitsverhältnis abgeschlossen. Bei der Beurteilung der Beschäftigung des Arbeitnehmers während eines Kündigungsrechtsstreits ist zwischen der vertraglich begründeten Beschäftigung (Prozessarbeitsverhältnis) und einer reinen Beschäftigung zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Prozessbeschäftigung) zu unterscheiden. Von einem vertraglich begründeten Prozessarbeitsverhältnis ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer keinen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat oder die Parteien eine Beschäftigung vereinbaren, die von dem bisherigen Vertragsinhalt nicht gedeckt ist (Schaub, a.a.O., § 40 Rn. 60).

Vorliegend kommt unstreitig nur die Begründung eines vertraglichen Prozessarbeitsverhältnisses in Betracht. Ein Prozessarbeitsverhältnis ist ein zweiseitiger Vertrag, der durch Angebot und Annahme zustande kommt. Ein Vertragsschluss setzt zwei kongruente, d. h. deckungsgleiche Willenserklärungen voraus. Die Vertragspartner müssen eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile getroffen haben.

Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die Parteien durch das Angebot der Beklagten vom 24.06.2008 und die Erwiderung des Klägers vom 25.06.2008 bereits eine Einigung über die essentialia negotii (Art der Tätigkeit, Arbeitsort, Vergütung und Umfang der Tätigkeit) erzielt hatten, denn in dem Schreiben vom 25.06.2009 hat der Kläger das ihm unterbreitete Angebot der Beklagten vom 24.06.2008 nicht nur schlicht angenommen, sondern weitergehende Bedingungen an die Arbeitsaufnahme in B. gestellt. Insbesondere war er hiernach nur bereit, die angebotene Tätigkeit in B. anzunehmen, wenn Fahrt- und Übernachtungskosten von der Beklagten getragen und die Fahrten von K. nach B. von ihr als Arbeitszeit vergütet würden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Änderungen handelt (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., Rn. 2 zu § 150). Eine Annahmeerklärung unter geänderten Bedingungen gilt gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot. Dieses Angebot hat die Beklagte ihrerseits indessen ausweislich ihres Schreibens vom 30.06.2008 gerade nicht angenommen. Die Parteien haben mithin nicht durch kongruente Angebots- und Annahmeerklärungen ein Prozessarbeitsverhältnis mit Arbeitsort in B. begründet. Infolgedessen hat der Kläger am 01.07.2008 auch nicht gegen irgendwelche arbeitsvertraglichen Pflichten aus einem Prozessarbeitsverhältnis verstoßen.

bb) Der Kläger war indessen auch nicht im Rahmen seines Arbeitsvertrages vom 30.03.2007 verpflichtet, am 01.07.2008 seinen Dienst in B. anzutreten. Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Arbeitsvertrag liegt nicht vor. Zum einen haben die Parteien in § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ausdrücklich vereinbart, dass der Kläger seine Dienste in K. zu erbringen hat. Die Beklagte kann folglich nicht von dem Kläger verlangen, in B. zu arbeiten. Dies ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages. Soweit sich die Beklagte dort eine "anderweitige Verwendung und einen anderweitigen Einsatz" vorbehalten hat, bezieht sich dies eindeutig auf die in Satz 1 des gleichen Absatzes geregelte Art der Tätigkeit (Leiter der Abteilung Mietebuchhaltung), nicht aber auf den Arbeitsort.

Das Arbeitsgericht hat darüber hinaus zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger auch nicht verpflichtet war, seinerseits seine arbeitsvertraglichen Leistungspflichten zu erfüllen, obgleich die Beklagte weiterhin an der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 10.01.2008 zum 31.03.2008 festhielt. Die Beklagte war nach wie vor nicht bereit, die Arbeitsleistung des Klägers als Erfüllung des bisherigen Vertrages anzunehmen, sondern nur im Rahmen eines auflösend bedingten Prozessarbeitsverhältnisses. In einem solchen Fall würde der Arbeitnehmer faktisch einem Vertragszwang unterworfen, weil er sich auf eine Vertragsänderung einlassen müsste, um seinen Vergütungsanspruch nicht zu verlieren, selbst wenn er den Kündigungsschutzprozess gewinnen würde und somit feststünde, dass sein bisheriges Arbeitsverhältnis unverändert und ununterbrochen fortbesteht (BAG Urt. v. 14.11.1985 - 2 AZR 98/84 -, AP Nr. 39 zu § 615 BGB; BAG Urt. v. 13.07.2005 - 5 AZR 578/04 -, AP Nr. 112 zu § 615 BGB). Der Arbeitnehmer ist mithin arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, während eines noch laufenden Kündigungsschutzverfahrens einer Prozessbeschäftigung zuzustimmen. Die Weigerung der Arbeitsaufnahme im Rahmen einer Prozessbeschäftigung oder eines Prozessarbeitsverhältnisses kann folglich auch nicht zu den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdenden Sanktionen (Abmahnung, Kündigung) führen. Sie hat allenfalls Auswirkungen auf nachfolgende Ansprüche auf Annahmeverzugslohn (§ 11 Ziff. 2 KSchG).

3. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ein gesetzlich begründeter Anlass zur Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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