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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 26.08.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 153/08
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 75 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
Schließen die Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine geplante Betriebsänderung einen Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung und vereinbaren sie, dass der Arbeitnehmer Leistungen aus einem noch abzuschließenden Sozialplan bekommen solle, falls dieser günstiger sei, so hat eine solche Nachbesserungsklausel regelmäßig den Sinn, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Sozialplanleistungen gerade für den Fall einzuräumen, dass der Arbeitnehmer vom zeitlichen Geltungsbereich des Sozialplans wegen seines frühzeitigen Ausscheidens nicht mehr erfasst wird (BAG Urt. v. 06.08.1997 - 10 AZR 66/97 ).

Schließen die Parteien indessen zur Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses einen Aufhebungsvergleich unter Zahlung einer Abfindung und vereinbaren zugleich, dass für den Fall, dass noch vor dem Ausscheiden des Klägers ein Sozialplan in Kraft tritt, der von seinem zeitlichen und persönlichen Anwendungsbereich auch den Kläger erfasst, die einzelvertragliche Abfindung auf eine etwaige höhere Abfindung aus dem Sozialplan angerechnet wird, handelt es sich nicht um eine Nachbesserungsklausel, sondern um eine Anrechnungsklausel. Diese kommt nur zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des künftigen Sozialplans fällt, d.h. einen betriebsverfassungsrechlichen Anspruch auf die Sozialplanabfindung erwirbt.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 153/08

Verkündet am 26.08.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 26.08.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 25.02.2008, Az.: 2 Ca 2207 a/07, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus einem Sozialplan eine weitere Abfindung in rechnerisch streitiger Höhe von 5.706,13 Euro zusteht.

Die 52-jährige Klägerin war vom 04.05.1991 bis zum 30.11.2007 als Mitarbeiterin im zentralen Schreibdienst beschäftigt. Die Höhe der der Klägerin zuletzt zustehenden Bruttomonatsvergütung ist unter anderem zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 14.05.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum Ablauf des 30.11.2007. Die Klägerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage (ArbG Kiel: 2 Ca 1031 a/07). Auf Initiative der Klägerin führten die Parteien in jedem Verfahren außergerichtliche Vergleichsverhandlungen. Nach Anzeige durch die Parteien wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichtes vom 22.08.2007 festgestellt,

"dass zwischen den Parteien gem. § 278 VI ZPO folgender Vergleich zustande gekommen ist:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen, fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2007 zum 30. November 2007 aus dringenden betrieblichen Gründen seine Beendigung finden wird.

2. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 14.000,00 Euro brutto in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG. Die Abfindung ist entstanden mit Abschluss dieses Vergleiches und fällig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

3. Sollte vor dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis ein Sozialplan in Kraft treten, der von seinem zeitlichen und persönlichen Anwendungsbereich auch die Klägerin erfasst, wird die unter Ziffer 2. vereinbarte Abfindung auf eine etwaige höhere Abfindung aus dem Sozialplan angerechnet.

4. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und die sich jeweils ergebenden Nettobeträge an die Klägerin auszuzahlen.

5. Die Beklagte erteilt der Klägerin bei deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, entsprechend dem bereits erteilten Zwischenzeugnis.

6. Mit der Erfüllung dieses Vergleichs ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt."

Am 09.10.2007 vereinbarten die Beklagte und deren Gesamtbetriebsrat "über den materiellen Ausgleich von Nachteilen aus personellen Maßnahmen infolge der zukünftigen Unternehmensentwicklung und strukturellen Anpassungen" einen Sozialplan (Bl. 15 ff. d. A.). In § 1 des Sozialplans ist der Geltungsbereich wie folgt festgelegt:

"Der Sozialplan gilt für alle Betriebsangehörigen der R... H... N... AG und der R... P... (R...) mit Ausnahme von Mitarbeitern, auf die zum Zeitpunkt einer Kündigung/Änderungskündigung/Versetzung das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet.

Der Sozialplan findet nur auf zukünftige arbeitsrechtliche Maßnahmen (Kündigungen, Änderungskündigungen, Versetzungen) Anwendung, die aufgrund betriebsbedingter Gründe erfolgen und bei Ausspruch der Kündigung Grundlage der Kündigungsentscheidung waren."

Mit Schreiben vom 22.11.2007 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Differenzbetrag zwischen der ihr gezahlten Abfindung in Höhe von € 14.000,00 brutto und der nach dem Sozialplan vom 09.10.2007 errechneten Abfindung geltend. Mit Schreiben vom 29.11.2007 wies die Beklagte die Zahlung des von der Klägerin noch geforderten Differenzbetrages zurück (Bl. 18 d. A.).

Mit ihrer am 14.12.2007 bei dem Arbeitsgericht eingehenden Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage mit Urteil vom 25.02.2008 abgewiesen. Die Klägerin sei vom Geltungsbereich des Sozialplans vom 09.10.2007 nicht erfasst. Nach § 1 des Sozialplans finde dieser nur u.a. auf zukünftige betriebsbedingte Kündigungen Anwendungen. Der den streitbeendenden Vergleich auslösende Umstand sei indessen die der Klägerin am 15.05.2007 zugegangene ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Diese arbeitsrechtliche Maßnahme sei mithin lange vor der Sozialplanvereinbarung getroffen worden. Die im Sozialplan getroffene Stichtagsregelung "09.10.2007" sei auch nicht zu beanstanden und verstoße nicht gegen § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Der in dieser Norm statuierte Gleichbehandlungsgrundsatz verbiete eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Beschäftigten in vergleichbarer Lage. Bei der Aufstellung eines Sozialplans seien die Betriebsparteien grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sie in welchem Umfang ausgleichen oder mildern wollen. Die durch die Stichtagsregelung vorgesehene Unterscheidung sei sachlich nachvollziehbar und verstoße nicht gegen § 75 BetrVG. Die für die Klägerin aus der Differenzierung folgende unvermeidbare Härte sei hinzunehmen, da die Betriebsparteien im Rahmen des ihnen zur Seite stehenden weiten Regelungsermessens sachgemäß eine Bestimmung des Zeitpunktes vornehmen könnten, Abfindungszahlungen nur für solche Beschäftigten vorzusehen, die von personellen Maßnahmen nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Betriebsvereinbarung betroffen sein würden. Der Klaganspruch folge auch nicht aus Ziff. 3 des Prozessvergleichs. Die Klägerin werde gerade nicht vom "zeitlichen und persönlichen Anwendungsbereich" des Sozialplans erfasst. Hiergegen spreche auch nicht der Umstand, dass sie während des Inkrafttretens des Sozialplans noch bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Diesem Umstand habe bereits der erste Halbsatz der Ziff. 3 des Sozialplans Rechnung getragen. Sollten die Parteien eine sogenannte "Nachbesserungsklausel" zugunsten der Klägerin gewollt haben, hätten sie den "zeitlichen" Geltungsbereich des Sozialplans nicht zur Voraussetzung machen dürfen. Nachbesserungsklauseln dienten dazu, solche Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich eines Sozialplanes einzubeziehen, die ohne die Nachbesserungsklausel von dem zeitlichen Anwendungsbereich nicht erfasst würden.

Gegen dieses ihr am 03.04.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 05.05.2008 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese sogleich begründet.

Die Klägerin vertritt die Auffassung,

der Anspruch ergebe sich aus Ziff. 3 des Prozessvergleichs. Schlössen die Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine geplante Betriebsänderung einen Auflösungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung und vereinbarten, dass der Arbeitnehmer Leistungen aus einem noch abzuschließenden Sozialplan erhalte, falls dieser günstiger sei, so habe eine solche Nachbesserungsklausel regelmäßig den Sinn, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Sozialplanleistungen gerade für den Fall einzuräumen, dass der Arbeitnehmer vom zeitlichen Geltungsbereich des Sozialplans wegen seines frühzeitigen Ausscheidens nicht mehr erfasst werde. Eine teleologische Auslegung von Ziff. 3 des Vergleichs ergebe, dass sie, die Klägerin, in den Genuss von eventuellen Vergünstigungen aus einem noch zu verfassenden Sozialplan kommen sollte. Hätten die Parteien die Begünstigung der Klägerin von der Formulierung des zukünftigen Sozialplans abhängig machen wollen, so hätte folgende Formulierung von Ziff. 3 ausgereicht: "die unter Ziff. 3 vereinbarte Abfindung wird auf eine etwaige höhere Abfindung aus dem Sozialplan angerechnet." Im Übrigen betreffe die Formulierung im Sozialplan "zukünftige arbeitsrechtliche Maßnahmen" nur den sachlichen, aber nicht den zeitlichen Geltungsbereich. Ungeachtet dessen handele es sich bei der Stichtagsregelung im Sozialplan um eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur stufenweise durchgeführten Betriebsänderung (BAG Urt. v. 09.12.1981 - 5 AZR 549/79 -).

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils vom 25.02.2008 die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von € 5.706,13 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt

das angefochtene Urteil. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Ziff. 3 des Prozessvergleichs werde allein geregelt, dass die dort vereinbarte Abfindung auf eine etwaige höhere Abfindung aus dem Sozialplan angerechnet werde, soweit dieser überhaupt auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finde. Es handele sich gerade nicht um eine Nachbesserungsklausel. Der Sozialplan verstoße auch nicht gegen § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Die Stichtagsregelung sei sachlich nachvollziehbar und damit zulässig. Dies gelte gerade vor dem Hintergrund, dass vorliegend ein Prozessvergleich abgeschlossen wurde und danach ein Sozialplan, der dauerhaft zukünftige betriebliche Kündigungen abmildern sollte. Ein wirtschaftliches Gesamtgeschehen habe mithin nicht vorgelegen. Insoweit sei die vorliegende Fallkonstellation mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.1981 - 5 AZR 549/79 - nicht vergleichbar. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.03.1995 - 5 AZR 869/93 - berufen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 26.08.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen weiteren Abfindungsanspruch in Höhe von € 5.706,13. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann und soll auf die sorgfältigen und umfassenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Die hiergegen mit der Berufung erhobenen Einwände der Klägerin überzeugen nicht und rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Lediglich ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Die Klägerin hat keinen weitergehenden, originären um die Vergleichsabfindung gekürzten Anspruch auf eine Sozialplanabfindung nach § 2 des Sozialplans.

a) Die Klägerin fällt nicht unter den zeitlichen Geltungsbereich des Sozialplans.

Der zeitliche Geltungsbereich ist auf die Zeit vom 09.10.2007 bis zum 31.05.2010 (§§ 5, 6 des Sozialplans) beschränkt. Den Geltungsbereich haben die Betriebsparteien in § 1 des Sozialplans festgelegt. Während Abs. 1 den persönlichen Geltungsbereich betrifft, ist in Abs. 2 sowohl der zeitliche als auch der sachliche Geltungsbereich festgelegt. Hiernach findet der Sozialplan nur auf "zukünftige" betriebsbedingte "arbeitsrechtliche Maßnahmen (Kündigungen, Änderungskündigungen, Versetzungen)" Anwendung. Während mit der Formulierung "zukünftige" der Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs festgelegt ist, bezieht sich die Formulierung "arbeitsrechtliche Maßnahmen" auf den sachlichen Geltungsbereich. Der Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs folgt auch aus der Präambel. Danach haben die Betriebsparteien einen Sozialplan "über den materiellen Ausgleich von Nachteilen aus personellen Maßnahmen infolge der zukünftigen Unternehmensentwicklung und strukturellen Anpassungen" vereinbart. Gegenstand des Abschlusses des Sozialplans sind mithin nicht bereits durch ausgesprochene Kündigungen abgeschlossene oder eingeleitete strukturelle Anpassungen, sondern nur zukünftige Strukturveränderungen, die arbeitsrechtliche Maßnahmen erfordern.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die in dem Sozialplan durch die Formulierung "zukünftige" enthaltene Stichtagsregelung auch nicht zu beanstanden.

aa) Sie verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Zwar muss auch eine durch eine Stichtagsregelung erfolgende Gruppenbildung mit dem in § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG normierten betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Indessen sind Stichtagsregelungen in Sozialplänen üblich und grundsätzlich zulässig. Den Betriebsparteien kommt bei ihrer Festlegung ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Stichtagsregelungen dienen in aller Regel der Rechtssicherheit. Die mit ihnen bisweilen verbundenen Härten müssen hingenommen werden, wenn die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft. In einem Sozialplan sind Stichtagsregelungen insbesondere dann gerechtfertigt, wenn sie dem Zweck dienen, die Leistungen auf diejenigen Arbeitnehmer zu beschränken, die von einer Betriebsänderung betroffen sind und durch diese Nachteile zu besorgen haben (BAG Urt. v. 19.02.2008 - 1 AZR 1004/06 -, m. w. Rspr.-Nachw., DB 2008, 1384 ff.).

bb) Hiernach ist die strittige Stichtagsregelung in § 1 Abs. 2 des Sozialplans nicht zu beanstanden. Sie dient eindeutig der Rechtsklarheit und betrifft nur solche arbeitsrechtlichen Maßnahmen, die aufgrund zukünftiger struktureller Änderungen notwendig werden. Die sachliche Rechtfertigung der Gruppenbildung (zwischen Arbeitnehmern, denen vor oder nach dem 09.10.2007 betriebsbedingt gekündigt wurde) ist dadurch gerechtfertigt, dass sie auf unterschiedlichen Unternehmensentscheidungen bzw. strukturellen Anpassungen basieren. Die Kündigungen vor oder nach dem 09.10.2007 sind mithin nicht auf ein und dieselbe Betriebsänderung zurückzuführen. Insoweit sind die Arbeitnehmer, die vor dem Stichtag bereits eine Kündigung erhalten hatten, nicht mit denjenigen vergleichbar, denen aufgrund der sich erst ab dem 09.10.2007 ergebenden zukünftigen Unternehmensentwicklung und strukturellen Anpassungen sodann gekündigt werden muss.

c) Zudem erscheint zweifelhaft, ob die Klägerin unter den sachlichen Geltungsbereich des Sozialplans fällt. Der sachliche Geltungsbereich ist beschränkt auf "arbeitsrechtliche Maßnahmen (Kündigungen, Änderungskündigungen, Versetzungen) ..., die aufgrund betriebsbedingter Gründe erfolgen und bei Ausspruch der Kündigung Grundlage der Kündigungsentscheidung waren." Vorliegend endete das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung, sondern aufgrund einer einvernehmlichen Aufhebungsvereinbarung. Eine Aufhebungsvereinbarung ist eine arbeitsvertragliche Maßnahme, indessen handelt es sich bei den im Klammerzusatz genannten Beispielen ausschließlich um arbeitsrechtliche Maßnahmen in Form einseitiger Willenserklärungen. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der in Klammern gesetzten Auflistung um eine abschließende oder nur beispielhafte Aufzählung arbeitsrechtlicher Maßnahmen handelt. Die Klägerin fällt vorliegend bereits nicht unter den zeitlichen Geltungsbereich.

2. Der Klägerin steht aber auch kein einzelvertraglicher Anspruch aus dem Prozessvergleich vom 22.08.2007 zu.

a) Gemäß Ziff. 2 des Prozessvergleichs schuldet die Beklagte der Klägerin Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 14.000,00 für den Verlust des Arbeitsplatzes. Diesen Anspruch der Klägerin hat die Beklagte unstreitig beglichen.

b) Die Zahlung einer darüberhinausgehenden Abfindung kann die Klägerin auch nicht nach Ziff. 3 des Prozessvergleichs verlangen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. 3 des Vergleichs handelt es sich um eine schlichte Anrechnungsklausel zur Vermeidung doppelter Ansprüche.

aa) Von einer Nachbesserungsklausel ist dann auszugehen, wenn die Parteien im Hinblick auf eine Betriebsänderung einen Aufhebungsvergleich gegen Zahlung einer Abfindung abschließen und zugleich vereinbaren, dass der Arbeitnehmer Leistungen aus einem noch abzuschließenden Sozialplan bekommen soll, falls dieser günstiger sei. Durch die Nachbesserungsklausel werden die Sozialplanleistungen dem Arbeitnehmer gerade für den Fall zugesichert, dass der Arbeitnehmer vom zeitlichen Geltungsbereich des Sozialplans wegen seines frühzeitigen Ausscheidens nicht mehr erfasst wird (BAG Urt. v. 06.08.1997 - 10 AZR 66/97 -, AP Nr. 116 zu § 112 BetrVG 1972).

bb) Bei der hier strittigen Ziff. 3 des Prozessvergleichs handelt es sich jedoch nicht um eine sogenannte Nachbesserungsklausel. Gemäß §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie den Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAG Urt. v. 26.09.2001 - 4 AZR 544/00 -, AP Nr. 21 zu § 1 TVG ,Bezugnahme auf Tarifvertrag'; BAG Urt. v. 19.09.2007 - 4 AZR 710/06 -, AP Nr. 54 zu § 133 BGB).

cc) Die Parteien haben in Ziff. 3 des Prozessvergleichs vereinbart, für den Fall, dass vor dem Ausscheiden der Klägerin ein Sozialplan in Kraft treten sollte, der von seinem zeitlichen und persönlichen Anwendungsbereich auch die Klägerin erfasst, die unter Ziff. 2 des Prozessvergleichs vereinbarte Abfindung auf eine etwaige höhere Sozialplanabfindung angerechnet wird. Schon dieser Wortlaut spricht gegen die Annahme, es handele sich um eine sogenannte Nachbesserungsklausel. Nach der Diktion der Vertragsklausel ging es den Parteien darum, einen doppelten Anspruch, d. h. einen Abfindungsanspruch sowohl aus dem Aufhebungsvertrag als auch aus einem Sozialplan auszuschließen. Dies ergibt sich aus der Formulierung "die unter Ziff. 2 vereinbarte Abfindung (wird) auf eine etwaige höhere Abfindung aus dem Sozialplan angerechnet". Gegenstand der Ziff. 3 des Prozessvergleichs war mithin nicht die Zusicherung einer ggf. höheren Sozialplanabfindung, sondern die Anrechnung der einzelvertraglichen Abfindung auf einen möglicherweise bestehenden höheren Sozialplanabfindungsanspruch.

cc) Die Klägerin beruft sich auch zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.08.1997 - 10 AZR 66/97 -. Die in jenem Verfahren zugrunde liegende Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Dort hatten die Parteien Folgendes vereinbart: "Sollte noch während des Beschäftigungsverhältnisses ein Sozialplan abgeschlossen werden, dessen Bedingungen für Sie günstiger wären, so gelten diese anstelle der in Ziffer 2 + 4 genannten." Diese Formulierung zielt darauf ab, dem Arbeitnehmer die ggf. höhere Sozialplanabfindung zu sichern. Die einzelvertragliche Zusicherung einer ggf. höheren Sozialplanabfindung macht indessen nur dann Sinn, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des frühen Abschlusses eines Aufhebungsvertrages gerade nicht unter den zeitlichen Geltungsbereich des noch abzuschließenden Sozialplans fallen würde.

Die Ausdrucksweise der hier strittigen Ziff. 3 des Prozessvergleichs zielte nicht auf die Zusicherung einer ggf. höheren Sozialplanabfindung anstelle der einzelvertraglich vereinbarten Abfindung, sondern auf die Kürzung einer der Klägerin ggf. zustehenden höheren Sozialplanabfindung. Insofern handelt es sich nicht um eine Nachbesserungs-, sondern um eine Anrechnungsklausel. Diese kommt nur dann zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des künftigen Sozialplans fällt, d. h. einen unmittelbaren und unabdingbaren betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch auf die Sozialplanabfindung erwirbt, § 77 Abs. 4 BetrVG.

dd) Die Anrechnungsklausel war vorliegend auch nicht überflüssig, da die Ansprüche auf eine Abfindung aus einem Prozessvergleich, der zur Beilegung eines Kündigungsrechtstreits abgeschlossen worden ist, und auf eine Sozialplanabfindung nicht identisch sind und somit grundsätzlich nebeneinander bestehen (BAG Urt. v. 19.10.1999 - 1 AZR 816/98 -, zit. n. Juris).

Sofern sowohl in dem Prozessvergleich als auch in dem Sozialplan eine derartige Anrechnungsklausel fehlt, hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber sowohl einen Anspruch auf die einzelvertraglich im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung als auch auf die Sozialplanabfindung, sofern er unter den Geltungsbereich des Sozialplans fällt. Es handelt sich um zwei verschiedene Ansprüche, einen einzelvertraglichen und einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch. Der auf zukunftsorientierte Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion gerichtete Zweck einer Sozialplanabfindung ist grundsätzlich nicht identisch mit demjenigen einer Abfindung, die die Arbeitsvertragsparteien vergleichsweise vereinbaren, um den Streit über eine betriebsbedingte Kündigung beizulegen und das Einverständnis des Arbeitnehmers mit der einvernehmlichen Vertragsaufhebung zu erwirken, wie dies hier der Fall ist (BAG Urt. v. 19.10.1999 - 1 AZR 816/98 -, zit. n. Juris). Den Parteien war bei Abschluss des Aufhebungsvertrages bewusst, dass bereits seit über einem Jahr Verhandlungen über den Abschluss eines "freiwilligen ständigen" Sozialplans geführt wurden. Der Abschluss desselben war noch nicht absehbar. Um der möglicherweise doppelten Inanspruchnahme auf Abfindungszahlungen vorzubeugen, haben die Parteien die strittige Klausel in den Aufhebungsvertrag mit aufgenommen.

ee) Diese Zielsetzung ergibt sich nicht zuletzt auch aus den Umständen des Zustandekommens des Prozessvergleichs. Der durch Beschluss festgestellte Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO erfolgte nicht auf Vorschlag des Gerichts, sondern auf übereinstimmenden Vorschlag der Parteien, nachdem die Beklagte die Abfindungsforderung der Klägerin zunächst abgelehnt hatte. Die Klägerin hatte während der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen ein Abfindungsangebot der Beklagten über € 11.000,00 (Schreiben vom 20.07.2007) abgelehnt, woraufhin die Beklagte in dem Vorprozess (2 Ca 1031 a/07) mit Schriftsatz vom 27.07.2007 mitteilte, dass sie nicht bereit sei, das Abfindungsangebot zu erhöhen und somit die Vergleichsverhandlungen gescheitert seien. Die Beklagte war mithin erkennbar nicht bereit, die von der Klägerin geforderte Abfindung in Höhe der von ihr errechneten mutmaßlichen Sozialplanabfindung zu zahlen. Vor diesem Hintergrund wäre es widersinnig, wenn die Beklagte der Klägerin durch Ziff. 3 des Prozessvergleichs gleichwohl freiwillig, d. h. auch für den Fall, dass die Klägerin nicht unter den Geltungsbereich des noch abzuschließenden Sozialplans fällt, eine etwaig höhere Sozialplanabfindung zusichern wollte. Das Gegenteil war der Fall. Mit der in Ziff. 3 des Prozessvergleichs vereinbarten Anrechnungsklausel wollte die Beklagte einer möglicherweise doppelten Inanspruchnahme auf Zahlung einer Abfindung aus dem Vergleich und dem Sozialplan vorbeugen.

3. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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