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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 277/05
Rechtsgebiete: SGB IX


Vorschriften:

SGB IX § 81 Abs. 2
SGB IX § 82
1. Wird ein Schwerbehinderter entgegen § 82 Satz 2 SGB IX auf seine Bewerbung auf eine von einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch geladen, obwohl ihm die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle nicht offensichtlich fehlt, begründet dies die Vermutung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft i. S. v. § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX.

2. Die Vermutungsregelung führt nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers. Dieser kann sich von der Vermutung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot nur entlasten, wenn er nachweist, dass die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers auch als noch so untergeordneter Aspekt in einem Motivbündel überhaupt keine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt hat.

3. Sofern die Beweislastumkehr nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX greift, muss der Arbeitgeber die Voraussetzungen des § 82 Satz 3 SGB IX darlegen und beweisen, mithin nachweisen, dass dem schwerbehinderten Bewerber offensichtlich die erforderliche fachliche Eignung fehlt.

4. Maßstab für die Beurteilung der offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung i. S. v. § 82 Satz 3 SGB IX sind stets das mit der Stellenausschreibung wiedergegebene Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle einerseits und die vom Bewerber eingereichten Bewerbungsunterlagen andererseits.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 277/05

Verkündet am 08.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 08.11.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 13. Mai 2005, Az. 3 Ca 2823 c/04, wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.500,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 3. November 2004 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz trägt der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Entschädigung zu zahlen hat, weil sie ihn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt hat.

Die Beklagte schrieb Stellen für "IT-Systemspezialisten für den Prüf- und Beratungsdienst" aus. In der Stellenanzeige legte sie das Anforderungsprofil wie folgt fest:

"Es kommen Diplom-Informatiker/innen, Diplom-Wirtschaftsinformatiker/innen oder Diplombetriebswirte/innen mit Schwerpunkt Informatik ebenso in Betracht, wie Mitarbeiter aus der Verwaltung mit mehrjähriger Erfahrung in der Administration von IT-Systemen. Es sollen sich aber auch "Quereinsteiger" angesprochen fühlen, die über fundierte IT-Systemkenntnisse (vergleichbar MCSE-Qualifikation) verfügen."

Hierauf bewarb sich der am ....1964 geborene und zu 60 % schwerbehinderte Kläger fristgerecht mit Schreiben vom 01.07.2004 und fügte seinen Lebenslauf, diverse Zeugnisse und Bescheinigungen sowie den Schwerbehindertenausweis bei (Bl. 6 ff. d. GA.). Der Kläger besitzt die allgemeine Hochschulreife, absolvierte eine Ausbildung zum technischen Assistenten für Informatik, legte jeweils die Vordiplome in den Studiengängen technische Informatik und Softwaretechnik an der Fachhochschule W... bzw. H... ab und studierte von 1995 bis 1997 an der Fernuniversität H... Wirtschaftsinformatik (ohne Abschluss). Parallel zu seiner Ausbildung arbeitete der Kläger seit 1985 freiberuflich als EDV-Dozent. Seit 1988 ist er selbstständiger Geschäftsführer der Fa. B... EDV Systemhaus.

Auf die ausgeschriebenen Stellen bewarben sich insgesamt 216 Interessenten, unter ihnen 11 Personen, die ihre Schwerbehinderteneigenschaft offen gelegt hatten. Wegen der einzelnen Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber wird auf die anonymisierte Bewerberübersicht verwiesen (Bl. 54 ff. d. GA.). Der Kläger ist in der Bewerberliste unter der Nr. 209 aufgeführt. Die Beklagte lud die Bewerberinnen und Bewerber der Bewerberliste mit den Nrn. 16, 92, 98, 103, 112, 169, 173, 186, 193 und 195 zu einem Vorstellungsgespräch ein. Unter ihnen befand sich kein Schwerbehinderter. Nachdem der zunächst favorisierte Bewerber Nr. 16 seine Bewerbung zurückgezogen hatte, entschied die Beklagte, den bei ihr seit ca. fünf Jahren beschäftigten Mitarbeiter Nr. 186 unbefristet einzustellen. Die Beklagte stellte für die befristet ausgeschriebene Stelle den Bewerber Nr. 193 ein. Mit Schreiben vom 06.09.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Wahl auf "zwei noch qualifiziertere Bewerber" gefallen sei und sandte ihm die Bewerbungsunterlagen zurück (Bl. 32 d. GA.). Mit Schreiben vom 06.10.2004 beanspruchte der Kläger gegenüber der Beklagten eine Entschädigungszahlung nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX in Höhe von € 15.000,-- (Bl. 42 d. GA.).

Der Kläger hat vorgetragen,

dass die Beklagte ihn bei der Einstellung wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt habe. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie ihn entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nach § 82 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Ausweislich der den Bewerbungsunterlagen beigefügten Qualifikationsnachweisen sowie seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten ergebe sich, dass er die von der Beklagten in der Ausschreibung geforderten Qualifikationen erfülle. Das Anforderungsprofil sei in Bezug auf die "Quereinsteiger" sehr weit gefasst. Der Begriff "fundierte IT-Systemkenntnisse" sei auch unter Berücksichtigung der vergleichsweise herangezogenen MCSE-Qualifikation wenig konkret und auslegungsbedürftig. Innerhalb von 14 Tagen könne eine Doppelqualifizierung auf MCSA und MCSE erworben werden, sofern der Kursteilnehmer mindestens zwei Jahre praktische Erfahrungen mit Windows 2000 Server oder Windows NT 4 in Verbindung mit Computernetzwerken vorweisen könne. Durch seine 16-jährige Praxis im IT-Bereich verfüge er zweifellos über Qualifikationen, die mit einer MCSE-Qualifikation vergleichbar sei. Da die Beklagte ihn gleichwohl nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen habe, sei sie verpflichtet, ihm eine Entschädigung nach § 81 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX i. V. m. § 82 Satz 2 SGB IX zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 15.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe den Kläger nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Der Kläger sei nicht berücksichtigt und nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, weil seine fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle offenkundig gefehlt habe, zumal der Kläger über keine Verwaltungserfahrung verfüge. Aus den Bewerbungsunterlagen hätten sich auch keine Fachkenntnisse in Bezug auf die vorgesehene Stelle ergeben. Insbesondere verfüge der Kläger über keine Qualifikation in Systemkontrolle, Beratungstätigkeit und im Audit-Verfahren. Die Bewerbung und die bisherigen Tätigkeiten des Klägers wiesen keinen Zusammenhang zum Datenschutz auf. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass er über fundierte, d. h. der MCSE-Qualifikation vergleichbare, IT-Systemkenntnisse verfüge.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.05.2005 abgewiesen. Der Kläger sei auf Grundlage seiner Bewerbung für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich ungeeignet. Der Kläger erfülle ausweislich seiner Bewerbungsunterlagen keine der formellen Qualifikationsvoraussetzungen des Anforderungsprofils. Auch über die Ansprache so genannter "Quereinsteiger" gelange der Kläger nicht in den Bereich der für die Stelle in Betracht kommenden Qualifikanten. Es seien fundierte IT-Systemkenntnisse gefordert, die der Qualifikationsstufe einer MCSE-Qualifikation entsprächen. Hierbei handele es sich um eine zertifizierte und standardisierte Ausbildung in Betriebssystemen des Software-Herstellers Microsoft und zugrunde liegender Netzwerktechnologie. Die vom Kläger mit der Bewerbung eingereichten Nachweise seien nicht geeignet gewesen, fundierte IT-Systeme vergleichbar einer MCSE-Qualifikation nachzuweisen.

Gegen dieses ihm am 09.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.06.2005 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 08.08.2005 begründet.

Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung die Rechtsnormen §§ 81, 82 SGB IX verkannt und seinen Tatsachenvortrag unzutreffend gewürdigt. Nach der Gesetzesintention des § 82 Satz 2 SGB IX solle zur Förderung der Beschäftigung grundsätzlich allen Schwerbehinderten die Gelegenheit gegeben werden, in einem persönlichen Gespräch gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber das sich durch die schriftlichen Unterlagen ergebende Bild abzurunden, um so ggf. ihre Einstellungschancen zu verbessern. Insoweit seien sehr strenge Anforderungen an das Erfordernis der "Offensichtlichkeit" in § 82 Satz 3 SGB IX zu stellen. Aus der Stellenanzeige ergebe sich, dass sich jeder, der über fundierte IT-Systemkenntnisse verfüge, sich angesprochen fühlen sollte. Obgleich er keine MCSE-Qualifikation habe, verfüge er aufgrund seiner praktischen Erfahrungen über vergleichbare Kenntnisse. Seit 1985 sei er kontinuierlich im EDV-Bereich tätig und habe an diversen, zertifizierten Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen im EDV-Bereich teilgenommen und teilweise als Programmierer gearbeitet, wie seinen Bewerbungsunterlagen zu entnehmen gewesen sei. Seine fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle ergebe sich schließlich auch daraus, dass er zwischenzeitlich vom Kreis ... für eine dort ausgeschriebene Stelle eines "System- und Netzwerkadministrators/ -administratorin" aufgrund der gleichen Bewerbungsunterlagen unter zahlreichen Bewerber/innen ausgewählt und - unstreitig - zum 15.08.2005 eingestellt worden sei (Bl. 158-161 d. GA.). Bezeichnend sei, dass beim Kreis... die Betriebssysteme NOVELL 6.x (mit ZEN und GroupWise) sowie Windows 2000 Server eingesetzt würden, mithin Betriebssysteme, mit denen man vertraut sein sollte, um die Doppelqualifizierung auf MCSA und MCSE zu erreichen. Im Übrigen sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte den von ihr eingestellten Bewerber Nr. 186, der zwischen 1985 und 1999 ein Studium der Soziologie, Philosophie und Psychologie - ohne Abschluss - absolviert habe und seit ca. fünf Jahren bei ihr beschäftigt sei, für fachlich qualifizierter gehalten habe als ihn, den Kläger. Der Kläger rügt weiter, dass die Beklagte gegen § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX verstoßen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 13.05.2005, Az. 3 Ca 2823 c/04, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen an den Kläger € 15.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Entgegen der Auffassung des Klägers sei das Anforderungsprofil in Bezug auf die "Quereinsteiger" weder weit gefasst noch auslegungsbedürftig. Durch den Bezug auf die MCSE-Qualifikation seien die geforderten "fundierten IT-Systemkenntnisse" konkretisiert. Der Erwerb einer derartigen Qualifikation setze mindestens 18 Monate Erfahrungen im Bereich eines Windows NT/2000-Netzwerkes voraus, über die der Kläger nicht verfüge. Auch der Umstand, dass der Kläger zwischenzeitlich vom Kreis ... eingestellt worden sei, verhelfe der Klage nicht zum Erfolg. Die dort ausgeschriebene Stelle sei mit der hiesigen nicht vergleichbar. Die ausgeschriebene Tätigkeit bei der Beklagten sollte darin bestehen, u. a. die Kommunalbehörden, daraufhin zu überprüfen, ob die von ihnen betriebenen IT-Systeme den Datensicherheitsvorschriften entsprechen und daran mitzuwirken, die Behörden bezüglich des Systemdatenschutzes zu beraten und Verarbeitungsprozesse auditieren zu lassen. Dies setze aber mehrjährige Erfahrungen in der Administration von IT-Systemen voraus, über die der Kläger nicht verfüge und für die er auch nicht die notwendige Qualifikation besitze. Der von ihr ausgewählte Bewerber Nr. 186 sei durch seine wissenschaftliche und publizistische Beschäftigung mit Fragen der Netzwerktechnologie etc. sowie dessen praktische Systemadministratoren-Tätigkeiten einschließlich der Konzepterstellung und Systemdokumentation bereits vor dessen Einstellung bei der Beklagten im Jahre 1999 vergleichbar mit einem einschlägigen Hochschulabsolventen gewesen. Dies gelte erst recht nach dessen fünfjährigen einschlägigen Tätigkeit in ihrem, der Beklagten, Hause. Im Übrigen komme es auch gar nicht darauf an, ob der Kläger "offensichtlich" nicht für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen sei. Denn der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die vermuten ließen, dass er wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt worden sei. Es gebe keinen Automatismus, dass bei einem möglicherweise vorliegenden Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX ohne weiteres eine Entschädigung nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX zu zahlen sei. Die Beklagte habe den Kläger nicht wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt, was sich schon daraus ergebe, dass sie in der Bewerberliste die Schwerbehinderung ausdrücklich aufgenommen habe. Es seien ausschließlich Eignungsgesichtspunkte gewesen, die sie veranlasst hätten, den Kläger nicht zum Vorstellungsgespräch zu laden. Die Beklagte beruft sich insoweit auf die BAG-Entscheidung vom 15.02.2005 - 9 AZR 635/03 - (NZA 2005, 870-873).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 08.11.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache selbst hat die Berufung teilweise Erfolg.

Die Klage ist dem Grunde nach begründet, in der Höhe jedoch überwiegend unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von € 3.500,--.

1. Die Anspruchsgrundlage für die Entschädigungsleistung ist § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Bewerber, den er bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses entgegen dem in Abs. 2 Nr. 1 statuierten Benachteiligungsverbot benachteiligt hat, eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Dieses gilt selbst dann, wenn der schwerbehinderte Bewerber selbst bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, in diesem Fall ist lediglich die Höhe der Entschädigungsleistung auf drei Monatsverdienste beschränkt, § 81 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SGB IX. Letzteren Entschädigungsanspruch macht der Kläger vorliegend geltend; denn er beruft sich gerade nicht darauf, dass die Beklagte bei benachteiligungsfreier Auswahl und den Auswahlgrundsätzen der Bestenauslese nach Art. 33 GG nur die Möglichkeit gehabt hätte, ihn als bestgeeigneten Bewerber auszuwählen.

a) Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln muss der schwerbehinderte Bewerber, der eine Entschädigungszahlung wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot geltend macht, darlegen, dass er beim Auswahl- bzw. Einstellungsverfahren wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in der vergleichbaren Situation erfahren hat oder erfahren würde. Der Kläger wäre danach diskriminiert wenn er ausschließlich wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft für die ausgeschriebene Stelle nicht in Betracht gezogen wäre (BAG, Urt. v. 15.01.2005 - 9 AZR 635/03 -, aaO.).

Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige schwerbehinderte Bewerber genügt indessen nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX seiner Darlegungspflicht, wenn er Tatsachen glaubhaft macht, die den Schluss nahe legen, dass eine Ungleichbehandlung zwischen ihm und anderen vergleichbaren Bewerbern vorliegt. Der klagende Bewerber kann eine Beweislast des Arbeitgebers dadurch herbeiführen, dass er Hilfstatsachen darlegt und ggf. unter Beweis stellt, die eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lassen (BAG, Urt. v. 15.01.2005 - 9 AZR 635/03 -, aaO.). Dies begründet im Regelfall die Vermutung, dass die Ungleichbehandlung durch die Behinderung verursacht ist. Die Benachteiligung wegen der Behinderung ist dann zu bejahen bzw. zu vermuten, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft zumindest ein von mehreren Motiven, d. h. Beweggründen, für die ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers ist (LAG Nürnberg, Beschl. v. 01.04.2001 - 7 SHa 4/04 -, AP Nr. 6 zu § 81 SGB IX). Dies folgt schon daraus, dass nicht nur der bestplatzierte Bewerber benachteiligt sein kann i. S. v. § 81 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX, wie sich insbesondere aus den Regelungen in § 81 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 SGB IX ergeben (LAH Hamm, Urt. v. 04.06.2004 - 15 Sa 2047/03 -, zit. n. Juris). Dem aufgrund der Beweislastumkehr darlegungspflichtigen Arbeitgeber wäre es anderenfalls im Nachhinein möglich, andere als die Schwerbehinderteneigenschaft betreffende Gründe (z. B. Leistungskriterien) für die Nichtberücksichtigung des schwerbehinderten Bewerbers anzuführen. Solche Gründe lassen sich - wie der vorliegende Fall zeigt - immer finden. Der mit den §§ 81, 82 SGB IX verfolgte und durch § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX sanktionsbewährte Schutz der Schwerbehinderten könnte zu leicht unterlaufen werden. Von der Benachteiligungsmaßnahme (hier: Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch) wird mithin auf den Benachteiligungsgrund (hier: wegen der Behinderung) geschlossen. Das Gericht muss letztlich die Überzeugung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Schwerbehinderteneigenschaft und Nachteil gewinnen (vgl. BAG Urt. v. 05.02.2004 - 8 AZR 112/03 -, AO Nr. 23 zu § 611 a BGB).

aa) Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger zunächst Hilfstatsachen vorgetragen, die vermuten lassen, dass er wegen seiner Behinderung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses benachteiligt worden ist. Der Kläger ist von der Beklagten unstreitig nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, obgleich er in dem Bewerbungsschreiben auf seine Schwerbehinderteneigenschaft ausdrücklich und unter Beifügung einer Kopie des Schwerbehindertenausweises hingewiesen hat.

bb) Gemäß § 82 Satz 2 SGB IX ist der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Ein Verstoß gegen dieses gesetzliche Gebot löst die Vermutungswirkung aus, dass der betreffende Bewerber wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft beim Einstellungsverfahren benachteiligt worden ist (ArbG Berlin, Urt. v. 10.10.2003 - 91 Ca 1787/03 -, LAGE § 82 SGB IX Nr. 1; offen gelassen: BAG, Urt. v. 15.02.2005 - 9 AZR 635 -, NZA 2005, 125 ff.). § 82 Satz 2 SGB IX spricht nicht nur eine Empfehlung in Form einer Sollvorschrift aus, sondern begründet eine gesetzliche Verpflichtung gegenüber einem schwerbehinderten Bewerber. Das Vorstellungsgespräch mit dem schwerbehinderten Bewerber ist Pflicht für die personalverwaltende Behörde. Selbst wenn sie sich aufgrund einer anhand der Bewerbungsunterlagen getroffenen Vorauswahl von vornherein die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl einbezogen werden sollte, muss sie den schwerbehinderten Bewerber nach der gesetzlichen Intention einladen und ihm ein Vorstellungsgespräch gewähren (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl., Rn. 5 zu § 82 SGB IX). Dem schwerbehinderten Bewerber soll dadurch die Möglichkeit gegeben werden, im mündlichen Gespräch nochmals - ggf. klarstellend und vertiefend - seine spezielle Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle unter Beweis zu stellen. Wenn der öffentliche Arbeitgeber den schwerbehinderten Bewerber gleichwohl nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, löst dieser, die Rechte des Schwerbehinderten einschränkende Gesetzesverstoß die Vermutung einer Diskriminierung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft aus.

Die Vermutungsreglung in § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX führt zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers, d. h. vorliegend zu Lasten der Beklagten.

b) Die Beklagte ihrerseits hat nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts darzulegen vermocht, dass sie den Kläger ausschließlich aus Sachgründen und nicht zumindest auch wegen seiner Schwerbehinderung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, d. h. im Rahmen des Bewerbungsverfahrens, benachteiligt hat.

Eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 81 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX liegt nicht nur dann vor, wenn Personen, die an sich für die Tätigkeit geeignet wären, von vornherein und ausschließlich nur wegen ihrer Schwerbehinderung nicht für die Einstellung in Betracht gezogen werden, sondern bereits dann, wenn die Schwerbehinderung einer von vielen Auswahlkriterien war. Der Arbeitgeber kann sich von dem Diskriminierungsverbot mithin nur dann erfolgreich entlasten, wenn er nachweist, dass das verbotene Diskriminierungsmerkmal, d. h. die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers, auch als noch so untergeordneter Aspekt in einem Motivbündel überhaupt keine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt hat (Brors, jurisPR-ArbR 27/2005, Anm. 6).

Eine derartige Entlastung ist der Beklagten vorliegend indessen nicht gelungen.

aa) Insbesondere kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass dem Kläger aufgrund der eingereichten Bewerbungsunterlagen nach § 82 Satz 3 SGB IX offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle gefehlt habe. Nach dieser Vorschrift ist die Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch entbehrlich, wenn ihm die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Offensichtlich bedeutet unzweifelhaft. Damit ist die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch nur dann entbehrlich, wenn der schwerbehinderte Bewerber ganz augenscheinlich unter keinem Gesichtspunkt für die ausgeschriebene Stelle geeignet ist (ArbG Berlin, Urteil vom 10.10.2003 - 91 Ca 1787/03 -, a.a.O.). Maßstab für die Beurteilung der offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung sind stets das mit der Stellenausschreibung wiedergegebene Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle einerseits und die vom Bewerber eingereichten Bewerbungsunterlagen andererseits. Die Beurteilung der offensichtlichen Ungeeignetheit hat aus der Sicht eines objektiven, verständig urteilenden Arbeitgebers zu erfolgen.

bb) Ausweislich der Stellenanzeige sollten sich auch "Quereinsteiger" angesprochen fühlen, die über fundierte IT-Systemkenntnisse (vergleichbar MCSE-Qualifikation) verfügen. Einstellungsvoraussetzung war mithin weder eine abgeschlossene Fach-/Hochschulausbildung zum Diplominformatiker, Wirtschaftsinformatiker oder Betriebswirt mit Schwerpunkt Informatik noch eine mehrjährige Tätigkeit in der Verwaltung im Bereich Administration von IT-Systemen. Es konnten sich mithin auch Bewerber mit fundierten IT-Systemkenntnissen Erfolg versprechend auf die ausgeschriebene Stelle bewerben. Dies stellt die Beklagte selbst auch nicht in Abrede. Denn unstreitig hat die Beklagte auch sog. Fachfremde (keine Informatiker) ohne praktische Erfahrungen in der Administration von IT-Systemen durch eine Vorauslese für gut geeignet erachtet und als so genannte Quereinsteiger zum Vorstellungsgespräch geladen (vgl. Bewerber/in Nr. 112, 186).

cc) Der Kläger hat in seiner Bewerbung nachgewiesen, dass er eine Ausbildung zum technischen Assistenten für Informatik absolvierte, dass er zumindest die Vordiplome für die Studiengänge technische Informatik sowie Softwaretechnik erwarb und an der Fernuniversität H... Wirtschaftsinformatik - wenn auch ohne Abschluss - studierte sowie über Jahre freiberuflich als EDV-Dozent arbeitete. Darüber hinaus leitet er seit mehr als 16 Jahren selbstständig eine EDV-System-Firma. In seiner Bewerbung hat er darauf hingewiesen, dass er durch seine Tätigkeit als Selbstständiger Einblick in den IT-Bereich verschiedener Behörden, Firmen, Banken und Organisationen erhalten habe und über außergewöhnliche Kenntnisse in der Datenrettung und hervorragende Kenntnisse in Standard-, Branchen- und Spezialsoftware habe. Aufgrund dieser Fachkompetenz sei es ihm möglich, sich in kürzester Zeit in neue IT-Konzepte einzuarbeiten. Damit hat der Kläger zumindest den Nachweis erbracht, dass er durch eine einschlägige Ausbildung und Tätigkeit über fundierte IT-Systemkenntnisse verfügt. Fundierte Kenntnisse ist gleichbedeutend mit grundlegende oder gesicherte Kenntnisse.

dd) Ein Abgleich des in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungsprofils sowie der Bewerbungsunterlagen des Klägers rechtfertigt nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht, den Kläger für die Stelle eines "IT-Systemspezialisten für den Prüf- und Beratungsdienst" als offensichtlich ungeeignet zu halten. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Beklagte den Umfang der geforderten "fundierten" IT-Systemkenntnisse durch die vergleichende Bezugnahme zur MCSE-Qualifikation konkretisiert hat. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten handelt es sich hierbei um eine Zertifizierung für IT-Spezialisten, aufgrund derer es möglich ist, IT-Systeme zu planen, einzurichten, zu erhalten und zu unterstützen auf der Basis des Microsoft Windows-Betriebssystems und der Microsoft Server-Software. Der Erwerb der MCSE-Qualifikation setzt eine mindestens zweijährige praktische Erfahrung mit Windows 2000 Server oder Windows NT 4 Server in Verbindung mit Computernetzwerken voraus.

Die Kammer hat indessen keinen Zweifel daran, dass der Kläger aufgrund des Inhalts seines Bewerbungsschreibens sowie der eingereichten Leistungsnachweise nicht nur die Eingangsvoraussetzungen zum Erwerb der MCSE-Qualifikation hat, sondern bereits über vergleichbare Kenntnisse dieser Qualifikationsstufe verfügt. Letztlich wird dies auch dadurch belegt, dass der Kläger zwischenzeitlich aufgrund der gleichen Bewerbungsunterlagen von einem anderen öffentlichen Arbeitgeber für eine ausgeschriebene Stelle eines System- und Netzwerkadministrators unter einer Vielzahl von Bewerbern ausgewählt und eingestellt worden ist. Sofern die Beklagte gleichwohl Zweifel daran gehabt hat, dass der Kläger dem Anforderungsprofil entspricht, so rechtfertigen diese Zweifel aber nicht die Annahme, der Kläger verfüge offensichtlich und damit ganz augenscheinlich nicht über die geforderten IT-Systemkenntnisse. Zweifel an der Qualifikation hätten ggf. im Bewerbungsgespräch ausgeräumt werden können. Das Bewerbungs- bzw. Vorstellungsgespräch soll gerade das aus den Bewerbungsunterlagen gewonnene Bild abrunden bzw. letzte Zweifel an Eignung, Befähigung und Leistung des Kandidaten ausräumen.

Im Übrigen muss nicht der Kläger darlegen und beweisen, dass er fundierte IT-Systemkenntnisse auch tatsächlich besitzt, vielmehr muss die Beklagte nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 i. V. m. § 82 Satz 3 SGB IX die Vermutung einer Diskriminierung widerlegen, d. h. darlegen und beweisen, dass der Kläger offensichtlich fachlich nicht geeignet ist. Die - insoweit darlegungs- und beweispflichtige - Beklagte hat trotz der einschlägigen EDV-Ausbildung und einschlägigen Tätigkeit des Klägers im IT-Bereich demgegenüber nicht schlüssig vorzutragen vermocht, warum der Kläger ganz augenscheinlich und damit offensichtlich für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet gewesen sein sollte. Dies gilt um so mehr in Anbetracht der Tatsache, dass sie letztlich unter den zum Vorstellungsgespräch geladenen Bewerbern den Kandidaten Nr. 186 eingestellt hat, der ausweislich der Eintragungen in der Bewerberliste keine Ausbildung hatte und "nur" ein fachfremdes Studium der Soziologie, Philosophie und Psychologie von 1985 bis 1999 - ohne Abschluss - absolvierte und danach bei der Beklagten ab September 1999 teilzeitbeschäftigt war. Es ist der Kammer angesichts dieser Tatsache - ohne die fachliche Eignung des ausgewählten Bewerbers Nr. 186 in Zweifel ziehen zu wollen - schlechterdings nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte davon ausgehen konnte, dass dem Kläger offensichtlich, d. h. zweifellos, die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle fehlen sollte. Dem Kläger müsste gleichsam auf die Stirn geschrieben sein, dass er unter keinem Gesichtspunkt für die ausgeschriebene Stelle in Betracht kommt. Aufgrund der eingereichten Bewerbungsunterlagen kann hiervon - wie ausgeführt - indessen nicht ausgegangen werden. Die Beklagte kann sich an dieser Stelle auch nicht auf möglicherweise fehlende Erfahrungen in der Verwaltung im Bereich Administration von IT-Systemen berufen. Solche praktischen Erfahrungen in der Verwaltung waren für die angesprochenen "Quereinsteiger" nicht gefordert.

ee) Auch wenn die Beklagte aufgrund der Vielzahl der Bewerber, die aus ihrer Sicht gegenüber dem Kläger weitaus qualifizierter waren, davon ausgegangen ist, dass der Kläger keine oder zumindest keine ernsthaften Chancen auf eine Einstellung hatte, war sie verpflichtet, den schwerbehinderten Kläger gleichwohl zum Vorstellungsgespräch zu laden. Dies ergibt sich aus § 82 Satz 2 i. V. m. Satz 3 SGB IX. § 82 SGB IX dient der Integration und Förderung Schwerbehinderter im Berufsleben. Zur Erreichung dieser Ziele werden im Besetzungsverfahren ausgeschriebener Stellen des öffentlichen Dienstes schwerbehinderte Bewerber gegenüber Bewerbern ohne Schwerbehinderteneigenschaft per Gesetz besser gestellt. Schwerbehinderte Bewerber sollen - sofern ihnen nicht offensichtlich die fachliche Eignung fehlt - die Möglichkeit haben, sich und ihre Fähigkeiten im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs persönlich darzustellen. Der persönliche Eindruck und die persönliche Präsentation der eigenen Fähigkeiten können die Einstellungschancen verbessern. So können die Angaben in den Bewerbungsunterlagen erläutert und vertieft, aber auch Unklarheiten ausgeräumt werden.

Die Beklagte hat vorliegend offenbar die Reichweite der in § 82 SGB IX normierten besonderen Pflichten des öffentlichen Arbeitgebers nicht gesehen. Anders ist es nicht verständlich, dass sie weder den Kläger noch irgendeinen anderen der elf schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat. Insoweit sei nur auf die schwerbehinderten Kandidaten Nr. 109 und 145 verwiesen, die jeweils ein Fachhochschulstudium zum Diplom-Informatiker mit "gut" bzw. "1,6" absolvierten und ebenfalls keine Einladung zum Vorstellungsgespräch von der Beklagten erhielten. Diese beiden Bewerber erfüllen das Anforderungsprofils "Es kommen Diplom-Informatiker/innen ... ebenso in Betracht, wie ..." wortwörtlich und sind damit ebenfalls nicht offensichtlich ungeeignet - ohne hier über den Grad ihrer grundsätzlichen Eignung urteilen zu wollen.

Der Kläger hat dementsprechend dem Grunde nach einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 SGB IX.

2. Der Kläger hat indessen keinen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von € 15.000,--. Die Höhe der Entschädigungsleistung ist vorliegend begrenzt auf drei Monatsverdienste, § 81 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SGB IX. Sofern der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, erhält er nach dieser Vorschrift nur eine angemessene Entschädigungsleistung bis zur Höhe von höchstens drei Bruttomonatsgehältern. Hierauf hat die Kammer den Kläger im Berufungstermin im Rahmen der Vergleichsverhandlungen hingewiesen.

a) Da die Beklagte im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast - in anonymisierter Fassung - die Qualifikationen der übrigen Bewerber offen gelegt hat, hätte der Kläger seinerseits darlegen und beweisen müssen, dass die Beklagte nicht nur verpflichtet gewesen wäre, ihn zum Vorstellungsgespräch einzuladen, sondern nach den Grundsätzen der Bestenauslese ihn auch einzustellen, dass mithin das Auswahlermessen der Beklagten auf Null reduziert gewesen wäre. Diese strengen Voraussetzungen zur Zahlung einer höheren Entschädigungsleistung hat der Kläger indessen weder dargetan, noch ergeben sich diese aus dem sonstigen Akteninhalt.

b) In Anbetracht der Gesamtumstände hält das Berufungsgericht eine Entschädigungsleistung in Höhe eines voraussichtlichen Bruttogehalts für angemessen. Hierfür ausschlaggebend war einerseits der Umstand, dass der Kläger weder zum Zeitpunkt der Bewerbung arbeitslos war noch heute ist und andererseits, dass eine Einstellung des Klägers aufgrund der teilweise besser qualifizierten übrigen Bewerber, die zum Vorstellungsgespräch geladen wurden, auch aus Sicht der Kammer eher unwahrscheinlich war. Die Pflichtverletzung der Beklagten, den Kläger nicht zum Vorstellungsgespräch geladen zu haben, erscheint mithin nicht als so gravierend.

3. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Kläger bereits einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 und 3 i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX hat, weil die Beklagte ihm mit der Absage lediglich mitgeteilt hat, dass sie zwei noch qualifiziertere Bewerber eingestellt habe (vgl. ArbG Frankfurt, Urt. v. 19.02.2003 - 17 Ca 8469/02 -, zit. n. Juris).

4. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB.

5. Nach alledem war das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte - wie tenoriert - zu einer Entschädigungsleistung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Revision war wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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