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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 286/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
KSchG § 10
KSchG § 13 Abs. 1
1. Wenn eine außerordentliche Kündigung nur mit dem dringenden Verdacht einer Straftat begründet wird, nach der Überzeugung des Gerichts die Straftat indessen nachgewiesen ist, lässt dies die Wirksamkeit der Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unberührt. Unter der Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der dringende Tatverdacht vorlag, ist das Gericht nicht gehindert, die zwischenzeitlich, d.h. im Verlaufe des Kündigungsrechtsstreits, nachgewiesene Pflichtwidrigkeit als wichtigen Kündigungsgrund anzuerkennen (BAG, Urt. v. 03.07.2003 - 2 AZR 437/02 -).

2. Voraussetzung für ein derartiges Umschwenken von einer Verdachts- zur Tatkündigung ist jedoch, dass die Verdachtskündigung von vornherein begründet war. Hieran fehlt es, wenn der Tatverdacht bei Ausspruch der Kündigung mangels Anhörung des verdächtigen Arbeitnehmers oder sonstiger erforderlicher Sachverhaltsermittlungen noch nicht dringend war. In diesem Falle verbleibt dem Arbeitgeber nur, nach Abschluss des Ermittlungs- oder Strafverfahrens eine Tatkündigung auszusprechen, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 286/06

Verkündet am 05.12.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 05.12.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 07.06.2006, Az. 3 Ca 528 a/06, wird zurückgewiesen.

2. Auf Antrag beider Parteien wird das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.464,14 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2006 zum 17.03.2006 aufgelöst.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien führen einen Kündigungsrechtsstreit.

Der 32-jährige Kläger ist geschieden und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Er ist seit dem 12.02.2003 bei der Beklagten als Autoverkäufer zu einem durchschnittlichen Monatsgehalt von € 2.976,10 brutto beschäftigt. Seit dem 22.02.2006 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Mit Anwaltsschreiben vom 08.03.2006 rügte der Kläger zu Recht die falsche Berechnung seiner Entgeltfortzahlungsansprüche. Am 10.03.2006 führten der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten ein Gespräch, deren Verlauf unerfreulich verlief. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 14.03.2006 kündigte die Beklagte dem Kläger - ohne Angabe von Kündigungsgründen - fristgerecht zum 15.04.2006 (Bl. 5 d.GA.). Mit weiterem Schreiben vom 17.03.2006 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die "fristlose Kündigung auf Verdacht des Betruges aus" und wies darauf hin, dass sie von einer Strafanzeige absehe, wenn der Kläger den Betrug schriftlich zugebe und den Betrag ausgleiche (Bl. 6 d.GA.). Vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung hatte die Beklagte den Kläger nicht angehört.

Mit seiner am 21.03.2006 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Kündigungsfeststellungsklage wehrt sich der Kläger gegen beide Kündigungen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe der Zeugin D... einen Opel Zafira zu einem Verkaufspreis von € 12.480,00 verkauft. Unter Berücksichtigung eines finanzierten Betrages und einer Gutschrift für die Inzahlungnahme eines Fahrzeugs sei zulasten der Zeugin D... noch ein Rechnungsbetrag über € 2.500,00 offen gewesen. Auch bei dem Kunden D... sei noch eine Kaufforderung über einen Teilbetrag in Höhe von € 500,00 offen gewesen. Ihr Geschäftsführer habe den Kläger mehrfach angewiesen, die Zeugin D... wegen der offenen Forderung anzumahnen. Als sie, die Beklagte, ihn mit Nachdruck aufgefordert habe, sich um den Zahlungseingang zu kümmern, habe der Kläger in einem unerfreulichen Gespräch vom 10.03.2006 erklärt, die Beklagte solle ihm am besten kündigen. Daraufhin habe sie die ordentliche Kündigung vom 14.03.2006 ausgesprochen. Ihr, der Beklagten, sei dann der Verdacht aufgekommen, dass die Kunden D... und D... eventuell doch schon gezahlt hätten. Sie habe den Kunden D... mit Schreiben vom 15.03.2006 um Klärung des noch offenen Rechnungsbetrages gebeten (Bl. 21 d.GA.). Der Zeuge D... habe sodann telefonisch versichert, dass er den vollen Betrag über € 15.000,00 am 21.04.2005 in bar an den Kläger gezahlt habe. Laut Kassenausdruck der Zeugin C... sei jedoch nur ein Betrag über € 14.500,00 verbucht worden. Am 14.03.2006 sei ihr Geschäftsführer zudem über den Vorfall B... gestoßen. Herr B... habe über den Kläger einen Opel Corsa für einen Mietpreis von € 150,00 gemietet, den der Zeuge B... bei Rückgabe des Fahrzeugs auch an den Kläger bezahlt habe. Der Kläger habe das Geld indessen nicht an sie weitergeleitet, sondern - wie sich herausgestellt habe - unterschlagen. Nach Ausspruch der Kündigung habe sich dann zusätzlich der Verdacht ergeben, dass der Kläger einen CD-Wechsler, der bereits seit Mitte 2005 vermisst worden sei, unterschlagen und an die Kundin H... verkauft habe. Die Zeugin H... habe auf telefonische Rückfrage bestätigt, dass sie dem Kläger für den CD-Wechsler € 150,00 gezahlt habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Die Verdachtskündigung sei mangels Anhörung des Klägers unwirksam. Soweit die Beklagte sich auf eine Tatkündigung (erwiesene Unterschlagung) berufe, habe die Beklagte die Einhaltung der Zweiwochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht nachgewiesen. Gegen die Einhaltung spreche, dass der Geschäftsführer bereits unstreitig mehrfach auf die noch ausstehenden Beträge hingewiesen worden war. Die Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der ursprünglich nur bestehende Verdacht noch vor Ausspruch der fristlosen Kündigung zur Gewissheit erstarkt habe.

Gegen dieses ihr am 29.06.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.07.2006 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 12.09.2006 am 09.09.2006 begründet.

Die Beklagte vertieft und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe sie, die Beklagte, lediglich den dringenden Verdacht gehabt, dass der Kläger Unterschlagungen begangen habe. Erst nach Ausspruch der fristlosen Kündigung habe für sie aufgrund weiterer Recherchen endgültig festgestanden, dass der Kläger € 2.500,00 von Frau D... erhalten und nicht an sie weitergeleitet habe. Auch im Fall D... und B... habe sie erst nach Ausspruch der Kündigung Gewissheit erlangt, dass der Kläger auch hier € 500,00 bzw. € 150,00 unterschlagen habe. Spätestens zum Zeitpunkt der Fertigung der Klagerwiderung vom 13.04.2006 sei sie nicht mehr nur von einem dringenden Tatverdacht, sondern von einer vollendeten Unterschlagung ausgegangen. Eine Anhörung des Klägers sei vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich gewesen, weil von vornherein klar gewesen sei, dass der Kläger die Taten abstreiten würde, wie er es dann auch mit Anwaltsschreiben vom 27.03.2006 getan habe. Die fristlose Kündigung habe mithin das Arbeitsverhältnis beendet, da zum Zeitpunkt der Kündigung der dringende Verdacht der strafbaren Handlung bestanden und sich nach Ausspruch der Kündigung dieser Verdacht bestätigt habe. Die Kündigung sei mithin auch als Tatkündigung rechtswirksam. Nachdem der Verdacht in Gewissheit umgeschlagen sei, habe sie nicht nochmals kündigen müssen.

Ungeachtet dessen sei aber auch die ordentliche Kündigung vom 14.03.2006 wegen grober Pflichtverletzungen sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe Provisionsabrechnungen zu seinen Gunsten manipuliert. Hierüber habe der Geschäftführer mit dem Kläger am 10.03.2006 gesprochen und ihm gesagt, dass man ihm deshalb wohl fristlos kündigen müsse. Im Falle des Verkaufs eines Opel Astra an die Kundin S... errechne sich ein tatsächlicher Provisionsanspruch in Höhe von € 51,27, demgegenüber habe der Kläger € 107,86 in die Provisionsabrechnung eingesetzt. Des Weiteren habe der Kläger bei zwei finanzierten Verträgen gegenüber der finanzierenden Bank falsche Auskünfte erteilt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 07.06.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber € 4.464,15 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht unterschreitet, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

den Auflösungsantrag des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, dass er in keinem Fall Kundengelder unterschlagen habe. Es sei noch nicht einmal nachgewiesen, dass ein Kassenfehlbestand über € 3.150,00 entstanden sei. Sofern dieser vorliege, sei nicht nachgewiesen, dass er hierfür verantwortlich sei. Vielmehr habe er eingenommene Kundengelder stets an die Kasse weitergeben. Sofern die Kasse im Einzelfall nicht besetzt gewesen sei, habe er das Geld in die Akte gesteckt und hinter den Tresen gelegt. Es könnten mithin auch andere als "Täter" in Betracht kommen. Er, der Kläger, habe auch nicht eingeräumt, dass Beträge noch offen seien, vielmehr lediglich zugesagt, sich um die Vorgänge zu kümmern, mithin zu überprüfen, wohin das Geld fälschlicherweise verbucht worden sei. Die Verdachtskündigung vom 17.03.2006 scheitere schon an dem Erfordernis der Dringlichkeit. Die Beklagte sei zu jenem Zeitpunkt ihrer Aufklärungspflicht noch nicht nachgekommen, habe insbesondere ihn nicht angehört. Die Verdachtskündigung könne auch nicht in eine Tatkündigung umgewandelt werden. Tatkündigung und Verdachtskündigung seien zwei verschiedene Kündigungen. Die Beklagte sei auch im Falle einer Tatkündigung verpflichtet gewesen, ihn zuvor anzuhören, damit er sich hätte entlasten können. Die Beklagte hätte - sofern sie die Kündigung auf die erwiesene Tat hätte stützen wollen - nochmals nach dem 17.03.2006 fristlos kündigen müssen. Die ordentliche Kündigung vom 14.03.2006 sei schon wegen der fehlerhaften Kündigungsfrist unwirksam. Hintergrund der Kündigung sei allein seine, des Klägers, berechtigte Beschwerde einer fehlerhaften Abrechnung seiner Entgeltfortzahlungsansprüche. Sofern er, der Kläger, bei der Provisionsabrechnung S... einen Fehler gemacht habe, könne dies keine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Er habe auch bei finanzierten Verträgen keine bewusst falschen Angaben gegenüber der Bank abgegeben.

Das Arbeitsverhältnis sei durch die haltlosen Vorwürfe der Beklagten nachhaltig zerrüttet und damit gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 17.03.2006 (I.) noch durch die ordentliche Kündigung vom 14.03.2006 (II.) zum 15.04.2006 bzw. 30.04.2006 endete. Auf in der Berufungsinstanz gestellten Antrag beider Parteien war das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 17.03.2006 aufzulösen (III.).

I. Die außerordentliche Kündigung vom 17.03.2006 ist weder als Verdachtskündigung (1.) noch als Tatkündigung (2.) gerechtfertigt.

1. Die außerordentliche Verdachtskündigung vom 14.03.2006 ist bereits aus formellen Gründen wegen fehlender Anhörung des Klägers nicht begründet. Bei Ausspruch der Kündigung war der Tatverdacht noch nicht dringend.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines noch nicht erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Demgegenüber kann eine Verdachtskündigung gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. des BAG, vgl. nur: BAG, Urt. v. 10.02.2005 - 2 AZR 189/04 -, AP Nr. 79 zu § 1 KSchG 1969 m. w. N.; LAG Köln, Urt. v. 19.06.2006 - 2 Sa 1206/05 -, zit. n. Juris). § 626 Abs. 1 BGB lässt mithin eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

b) Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung lagen zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht vor.

aa) Insbesondere steht nicht fest, dass der Verdacht am 17.03.2006 (Ausspruch der Kündigung) bereits dringend war. Ein Tatverdacht kann nur dann als dringend eingestuft werden, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat und die so ermittelten Indiztatsachen den Schluss nahe legen, der Arbeitnehmer habe die ihm zur Last gelegte Tat auch tatsächlich begangen. Notwendige Voraussetzung einer Verdachtskündigung ist stets die Anhörung des beschuldigten Arbeitnehmers. Diese ist unverzichtbar. Dies gebietet allein die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, da bei einer Verdachtskündigung auch immer die Gefahr besteht, dass ein Unschuldiger entlassen wird. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer deshalb grundsätzlich die Gelegenheit geben, den gegen ihn gerichteten Verdacht auszuräumen. Die Beklagte hat den Kläger unstreitig nicht vor Ausspruch der Kündigung angehört. Allein aus diesem Grunde ist die außerordentliche Kündigung unwirksam.

bb) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass nicht zu erwarten gewesen sei, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Taten zugegeben hätte. Hierbei verkennt die Beklagte den Sinn und Zweck einer Anhörung. Im Rahmen der Anhörung soll dem Arbeitnehmer nicht nur die Möglichkeit gegeben werden, die vom Tatvorwurf gedeckte Tat zu gestehen oder zu bestreiten. Vielmehr soll er die Gelegenheit bekommen, den Verdacht aktiv auszuräumen. Auf den vorliegenden Fall bezogen, hätte die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit eröffnen müssen, den Verbleib der Kundengelder seinerseits zu erklären ggf. aufzuklären. Ihre jetzige Argumentation käme einer unzulässigen Vorwegnahme des Ergebnisses der Anhörung gleich.

cc) Die Kammer hat auch Zweifel daran, ob die übrigen Verdachtsmomente bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorlagen. Nach dem Streitgespräch mit dem Kläger am 10.03.2006 ist ihr erstmals der (vage) Verdacht gekommen, dass die noch ausstehenden Kundengelder (D... und D...) möglicherweise bereits bezahlt und von dem Kläger nicht abgeführt worden sind. Die Beklagte hat dann unstreitig am 15.03.2006 den Kunden D... zwecks Klärung der Restforderung über € 500,00 angeschrieben. Wann der Zeuge D... sich telefonisch bei dem Geschäftsführer der Beklagten gemeldet hat, ergibt sich aus der Akte nicht. Unter Berücksichtigung der Postlaufzeit und des Umstands, dass der Zeuge D... den Geschäftsführer zunächst telefonisch nicht erreichen konnte, ist zweifelhaft, ob der Zeuge D... noch vor Ausspruch der Kündigung dem Geschäftsführer telefonisch mitgeteilt hat, dass er dem Kläger am 21.04.2006 den vollen Kaufpreis über € 15.000,00 in bar übergeben hat. Die Fälle D... und B... hat die Beklagte unstreitig erst nach Ausspruch der Kündigung ermittelt. Die erst nach Ausspruch der Kündigung ermittelten Verdachtsmomente (Indiztatsachen = Aussagen der Zeugen D... und B...) können indessen nicht mehr berücksichtigt werden, da sie erst nach Ausspruch der Kündigung entstanden sind (BAG, Urt. v. 06.11.2003 - 2 AZR 631/02 -, AP Nr. 39 zu § 626 BGB 'Verdacht strafbarer Handlung'). Die Voraussetzung der Dringlichkeit des Tatverdachts soll verhindern, dass auf den bloßen Verdacht hin, sozusagen voreilig die Kündigung ausgesprochen wird, um sodann im Nachhinein - womöglich noch während des Laufs eines Kündigungsrechtsstreits - den tatsächlichen Sachverhalt aufzuklären.

2. Die fristlose Kündigung ist aber auch nicht als Tatkündigung gerechtfertigt.

a) Die Beklagte hat am 17.03.2006 unstreitig keine Tatkündigung ausgesprochen. Zu jenem Zeitpunkt ging sie selbst nur von einem Tatverdacht aus. Erst durch die nach Ausspruch der Kündigung im Rahmen weiterer Ermittlungen eingeholten Auskünfte der Kunden bzw. der Kassiererinnen verdichtete sich aus ihrer Sicht der Verdacht zu der Überzeugung, der Kläger habe die Kundengelder unterschlagen.

aa) Der Beklagten ist es indessen vorliegend verwehrt, sich im Nachhinein zur Begründung der außerordentlichen Kündigung nunmehr aufgrund weiterer, nach Ausspruch der fristlosen Kündigung gewonnener Ermittlungsergebnisse auf eine Tatkündigung zu berufen. Dabei verkennt die Beklagte, dass der Verdacht einer strafbaren Handlung gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, ein eigenständiger Kündigungsgrund ist, der im Tatvorwurf nicht zwangsläufig enthalten ist. Die Kammer übersieht zwar nicht, dass die beiden Kündigungsgründe des dringenden Verdachts und des Vorwurfs einer strafbaren Handlung trotz ihrer Eigenständigkeit nicht völlig beziehungslos nebeneinander stehen. Wenn die Kündigung nur mit dem dringenden Verdacht eines pflichtwidrigen Handelns begründet worden ist, nach der Überzeugung des Gerichts aber über den Verdacht des pflichtwidrigen Handelns hinaus die Pflichtwidrigkeit nachgewiesen ist, dann lässt das die Wirksamkeit der Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unberührt. Das Gericht kann sich dann damit begnügen, auf einen zumindest begründeten dringenden Tatverdacht abzustellen. Unter der Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der dringende Tatverdacht vorlag, ist das Gericht auch nicht gehindert, die zwischenzeitlich, d.h. im Verlaufe des Kündigungsrechtsstreits, nachgewiesene Pflichtwidrigkeit als wichtigen Grund anzuerkennen (KR-Fischermeier, 7. Aufl., Rn. 217 zu § 626 BGB). Voraussetzung für ein derartiges Umschwenken von einer Verdachts- zur Tatkündigung ist indessen, dass die Verdachtskündigung begründet war. Die Eigenständigkeit der Kündigungsgründe und der Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände kann mithin zur Folge haben, dass nach Feststellung der Unwirksamkeit einer Verdachtskündigung (z.B. wegen Versäumung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB, mangelhafter Betriebsratsanhörung oder fehlender Anhörung des verdächtigten Arbeitnehmers) und nach Durchführung weiterer Ermittlungen oder Abschluss des Strafverfahrens nunmehr eine Tatkündigung ausgesprochen werden kann (KR-Fischermeier, a.a.O., Rn. 218 zu § 626 BGB;). Sofern sich der Arbeitgeber aufgrund seines Kenntnisstandes für den Ausspruch einer Verdachtskündigung entschieden hat, muss er sich grundsätzlich hieran festhalten lassen, auch wenn die Verdachtskündigung wegen formeller Mängel unwirksam ist. Er kann später bei Abschluss des Ermittlungs- oder Strafverfahrens nur noch eine Tatkündigung aussprechen, soweit dafür die Voraussetzungen vorliegen (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 16.04.1998 - 5 TaBV 3/98 -, zit. n. Juris).

bb) Nichts anderes ergibt sich aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.07.2003 - 2 AZR 437/02 - (AP Nr. 38 zu § 626 BGB 'Verdacht strafbarer Handlung'). In dem dortigen Fall (Lufthansa-Miles-and-More-Fall) lagen die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung gerade vor. Die dortige Arbeitgeberin hatte vor Ausspruch der Verdachtskündigung den Sachverhalt des gegen die Arbeitnehmerin bestehenden Verdachts der unberechtigten Nachkreditierungen zugunsten des Meilenkontos ihres Ehemannes durch umfangreiche, mehrere Wochen dauernde Ermittlungen aufzuklären versucht, insbesondere hatte sie die verdächtige Arbeitnehmerin vor Ausspruch der Kündigung (zweimal) angehört. Die dortigen Verdachtsmomente waren bei Ausspruch der Kündigung schwerwiegend, dringend und ergaben sich aus handfesten Indizien. Im Gegensatz dazu hat die Beklagte bereits bei einem erst aufkeimenden Verdacht ohne jegliche Anhörung des Klägers die streitgegenständliche fristlose Kündigung sofort und damit vorschnell ausgesprochen. Der Tatverdacht war bei Ausspruch der Kündigung gerade nicht dringend, insoweit wird auf Ziff. I 1. b) dieser Entscheidungsgründe verwiesen. Würde man es bei dieser Fallkonstellation zulassen, eine zunächst nur aufgrund eines vagen Verdachts ausgesprochene Kündigung sodann aufgrund neuer Indizien und Beweise mit einer nachgewiesenen Straftat zu begründen, würde man der unzulässigen "Vorratskündigung" Vorschub leisten. Je länger das Kündigungsschutzverfahren dauert, umso länger hätte der Arbeitgeber auch Zeit, die zunächst unbegründete Verdachtskündigung durch weitere Ermittlungen im Nachhinein als Tatkündigung zu begründen. Ein derartiges Vorgehen widerspricht der gesetzlichen Vorgabe, dass der Kündigungsgrund zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegen muss.

II. Die ordentliche Kündigung vom 14.03.2006 ist - ungeachtet der falschen Kündigungsfrist - nicht sozial gerechtfertigt.

1. Der Vorwurf falscher Provisionsabrechnung im Falle S... rechtfertigt keine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung.

a) Ein die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigender Grund liegt vor, wenn das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urt. v. 17.06.2003 - 2 AZR 62/02 -, EzA § 1 KSchG 'Verhaltensbedingte Kündigung' Nr. 59 m. w. Rspr.-Nachw.). Erforderlich ist ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers, durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im personalen Vertrauensbereich oder sonst im Unternehmensbereich. Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen (vgl. BAG, Urt. v. 21.05.1992 - 2 AZR 10/92 -, BAGE 70, 262; KR-Etzel, 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 398). Im Regelfall setzt eine verhaltensbedingte Kündigung nicht nur eine objektive und rechtswidrige Vertragsverletzung, sondern darüber hinaus ein schuldhaftes vorwerfbares Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Sofern sich der Arbeitnehmer auf eine irrtümliche oder versehentliche Vertragsverletzung beruft, sind Irrtum und Grad der Fahrlässigkeit im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen (LAG Niedersachsen, Urt. v. 15.06.2004 - 13 Sa 1681/03 -, NZA-RR 2004, 574 f.). Soweit ein steuerbares Verhalten betroffen ist, muss der Kündigung eine erfolglose Abmahnung vorausgehen, es sei denn, sie ist nicht Erfolg versprechend oder die Pflichtverletzung ist so schwer, dass ihre Hinnahme durch den Arbeitgeber von vornherein ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 18.05.1994 - 2 AZR 626/93 -, AP Nr. 3 zu § 108 BPersVG; KR-Etze, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 402). Dies gilt sowohl für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung als auch für eine außerordentliche Kündigung.

b) Dies zugrunde gelegt, rechtfertigt die fehlerhafte Provisionsabrechnung im Falle S... keine ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG. Der Kläger schließt nicht aus, dass ihm bei der Provisionsabrechnung bei der Übertragung des in der Opel-Rechnung vom 05.12.2005 (Bl. 86 d.GA.) ausgewiesenen Einkaufpreises ein Fehler unterlaufen ist. Der vom Kläger in die Provisionsabrechnung eingestellte Betrag über € 16.178,18 war kein willkürlich gegriffener Betrag, sondern ergab sich aus der Opel-Rechnung, indessen dort als Zwischensumme ausgewiesen. Der tatsächliche Einkaufspreis über € 17.830,96 stand ganz unten rechts auf der Rechnung. Es ist angesichts des Umstands, dass der Kläger der Beklagten die Provisionsabrechnung zur Prüfung vorlegte und der Beklagten auch die maßgeblichen Daten (Opel-Rechnung, Kaufvertrag S... etc.) zur Überprüfung der Provisionsabrechnung zur Verfügung standen, nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Übertragungsfehler um ein Versehen des Klägers handelte und nicht um eine bewusste Abrechnungsmanipulation. Soweit ersichtlich, handelt es sich hierbei auch um einen einmaligen Vorfall. Zumindest hat die Beklagte keine weiteren Provisionsabrechnungsfehler des Klägers vorgetragen. Die Beklagte hat mithin nicht schlüssig dargelegt, dass der Kläger vorsätzlich die Provisionsabrechnung S... zu seinen Gunsten manipuliert hat.

Der Kläger hat mithin nur fahrlässige Pflichtverletzung begangen. Bei der gewissenhaften und korrekten Erstellung einer Provisionsabrechnung handelt es sich um steuerbares Verhalten, sodass die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung zunächst hätte einschlägig abmahnen müssen. Weil mithin keine vorsätzlich, sondern nur eine fahrlässige Pflichtverletzung vorlag, konnte auf das Abmahnungserfordernis nicht verzichtet werden (vgl. LAG Niedersachsen, Urt. v. 15.06.2004 - 13 Sa 1681/03 -, a.a.O.). Die Pflichtverletzung war angesichts der Tatsache, dass der Beklagten alle Unterlagen zur Überprüfung der Provisionsabrechnung vorlagen, auch nicht so schwerwiegend, dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen wäre.

2. Die ordentliche Kündigung ist aber auch nicht begründet, weil der Kläger - den Vortrag der Beklagten als wahr unterstellt - bei einem Autoverkauf falsche Angaben gegenüber der finanzierenden Bank gemacht hat. Auch insoweit gilt der Grundsatz, dass die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung zunächst hätte einschlägig abmahnen müssen.

III. Auf Antrag des Klägers war das Arbeitsverhältnis gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

1. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht bei festgestellter Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis durch entsprechendes Gestaltungsurteil gegen Zahlung einer Abfindung auflösen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Die unberechtigte außerordentliche Kündigung sieht der Gesetzgeber als besonders schwerwiegend an und verweigert deshalb dem Arbeitgeber die Möglichkeit, seinerseits den Auflösungsantrag zu stellen. Indessen hat die Beklagte vorliegend auch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, die streitgegenständlich war, sodass sie ihrerseits nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG einen Auflösungsantrag stellen konnte.

2. Der Auflösungsantrag beider Parteien ist begründet. Die Beklagte hält nach wie vor daran fest, dass der Kläger zu ihren Lasten Kundengelder unterschlagen habe, während der Kläger diesen Vorwurf vehement bestreitet. Unter diesen Voraussetzungen ist es dem Kläger nicht mehr zumutbar, im Betrieb der Beklagten weiterzuarbeiten. Er ist nicht nur beim Geschäftsführer sondern im gesamten Betrieb als Straftäter stigmatisiert. Andererseits lassen die zwar erst nach Ausspruch der fristlosen Kündigung von der Beklagten ermittelten und nunmehr belegten Verdachtsmomente einer Unterschlagung keine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien erwarten, § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG.

3. Das zerrüttete Arbeitsverhältnis der Parteien war zum 17.03.2006 aufzulösen. Da dem Kläger nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar war (§ 13 Abs. 1 S. 3 KSchG), hat das Gericht nach § 13 Abs. 1 S. 4 KSchG für die Auflösung den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Dies ist der Tag des Zugangs der außerordentlichen Kündigung. Die fristlose Kündigung wurde dem Kläger am 17.03.2006 übergeben.

4. Die Höhe der Abfindung richtet sich nach § 10 KSchG, wobei nach dem Gesetz lediglich Höchstgrenzen festgesetzt sind. Die Angemessenheit der Abfindung hat sich an ihrem Zweck zu orientieren. Er besteht in erster Linie darin, dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu gewähren, die sich aus dem an sich nicht gerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes ergeben (ErfK, 7. Aufl., Rn. 7 zu § 10 KSChG). Ferner hat die Abfindung auch einen Sanktionscharakter für den Arbeitgeber, der eine rechtswidrige außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Die wichtigsten Faktoren sind die Dauer des Arbeitsverhältnisses als auch das Lebensalter des Arbeitnehmers. Daneben können die Unterhaltspflichten als auch die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt Berücksichtigung finden.

Bei der Höhe der Abfindung hat das Gericht vorliegend das geschätzte fiktive Gehalt für die ordentliche Kündigungsfrist zugrunde gelegt. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von € 2.976,10 und einer Kündigungsfrist bis zum 30.04.2006 von anderthalb Monaten errechnet sich ein Abfindungsbetrag über € 4.464,14. Einen darüber hinausgehenden Abfindungsbetrag hat das Gericht angesichts des Umstands, dass sich die gegen den Kläger gerichteten Verdachtsmomente zwischenzeitlich verdichtet haben, nicht für angemessen erachtet.

IV. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden. Ein Fall der Divergenz liegt nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, ohne rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Die strittige Frage, inwieweit eine Verdachtskündigung im Nachhinein als Tatkündigung begründet werden kann, ist höchstrichterlich geklärt.

Ende der Entscheidung

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