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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 06.01.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 313/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 72 a
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 313/08

Verkündet am 06.01.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 06.01.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.06.2008, Az. 4 Ca 740/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlos, hilfsweise fristgerecht ausgesprochenen Kündigung.

Der 40-jährige Kläger ist zwischenzeitlich geschieden und 2 Kindern (3 und 14 Jahre alt) zum Unterhalt verpflichtet. Er ist bei der Beklagten seit dem 22.11.2001 als Tabakarbeiter zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von € 2.067,00 beschäftigt.

Am Freitag, den 30. November 2007, hatte der Kläger dienstfrei. Seine damals bereits seit zwei Jahren von ihm getrennt lebende und mittlerweile geschiedene Ehefrau rief ihn vormittags von der Arbeit aus an und teilte ihm mit, dass er mit dem erkrankten dreijährigen Sohn zum Arzt fahren müsse. Nach dem Arztbesuch rief der Kläger Frau K... an ihrer Arbeitsstelle an und forderte diese auf, nach Hause zu kommen, um sich um den Sohn zu kümmern. Frau K... lehnte dies unter Hinweis auf ihre Arbeitsverpflichtung ab, woraufhin der Kläger wütend auf die Beklagte als Arbeitgeberin wurde, weil diese Frau K... nicht frei gegeben hatte.

Am folgenden Samstagabend, den 01.12.2007, nahm Frau K... an einer gemeinsamen Weihnachtsfeier ihrer Produktionsschicht in einem griechischen Restaurant teil. Hiervon hatte der Kläger im Betrieb der Beklagten Kenntnis erlangt, was ihn angesichts des erkrankten Kindes aufregte. Er selbst hatte an dem besagten Samstag Spätschicht bis 22.00 Uhr. Nach Schichtende fuhr er zur Wohnung seiner geschiedenen Frau, seine 14-jährige Tochter ließ ihn aber nicht rein. Er versuchte vergeblich danach mehrfach Frau K... auf dem Handy zu erreichen. Schließlich fuhr er in die T...str. in L..., da er vermutete, dass Frau K... sich dort im Anschluss an die Weihnachtsfeier einfinden würde, um ihre Freundin von der Weihnachtsfeier nach Hause zu fahren. Dabei führte der Kläger ein Küchenmesser bei sich, das er nach eigener Einlassung gegenüber den Polizeibeamten der Polizeistation K... mitgenommen hatte, um hiermit Frau K... bei deren Eintreffen in der T...str. nach der Weihnachtsfeier zu bedrohen und dieser Angst einzujagen (Protokoll der Beschuldigtenvernehmung, Bl. 24 ff. d. A.). Als Frau K... erwartungsgemäß gegen zwei Uhr nachts in der T...str. eintraf, lauerte ihr der Kläger auf und begann sie zu beschimpfen. Er zog sie an den Haaren und stach schließlich mit dem von ihm mitgeführten Küchenmesser mehrfach auf Frau K... in Höhe der Schulter ein. Die zur Hilfe gerufene Polizei nahm den Kläger, der Frau K... weiterhin in äußerst aggressiver Haltung in türkischer Sprache beschimpfte, in Handschellen fest. Frau K... wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Sie erlitt u. a. eine ca. 2 cm lange Schnittwunde, die bis zum Knochen des Schulterblattes reichte. Nach Auskunft des behandelnden Arztes wäre diese Schnittverletzung noch erheblich schwerer gewesen, wenn das Schulterblatt nicht im Wege gewesen wäre. Es hätte dann zu einer Verletzung der Lunge kommen können. Frau K... erlitt im Bereich der Wirbelsäule drei weitere Schnittverletzungen. Zudem hatte Frau K... Hämatome im Bereich der Wirbelsäule, die auf Schläge oder Tritte hindeuteten. Frau K... ist seit dem tätlichen Angriff des Klägers arbeitsunfähig krank. Sie hatte während der Messerattacke des Klägers Todesangst und hat auch weiterhin große Angst vor dem Kläger, insbesondere fürchtet sie weitere Angriffe des Klägers ihr gegenüber kommen werde.

Die Beklagte erhielt zunächst nur vom Hören-Sagen davon Kenntnis, dass es zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau nach der Weihnachtsfeier zu einer Auseinandersetzung gekommen war. Dazu von der Beklagten befragt verweigerte der Kläger jegliche Angaben zum Sachverhalt. Ebenso wenig wollte sich die Ehefrau des Klägers zu dem Vorfall äußern. Auch die Polizei verweigerte gegenüber der Beklagten jegliche Auskünfte. Daraufhin stellte die Beklagte den Kläger zunächst ab dem 13.12.2007 von der weiteren Arbeitsverpflichtung unter Fortzahlung der Vergütung frei und bemühte sich um weitere Aufklärung des Sachverhalts. Mit Schreiben vom 12.02.2008 erhielt die Beklagte schließlich vom Rechtsanwalt der Frau K... Fotokopien von Auszügen aus der Ermittlungsakte übersandt (Bl. 37 f., 24-34 d. A.). Am 15.02.2008 führte die Beklagte in Anwesenheit der Prokuristen Dr. K... und U... sowie des Betriebsratsvorsitzenden F... und des weiteren Betriebsratsmitglieds S... eine Anhörung des Klägers durch. Der Kläger ließ sich bei dieser Anhörung dahingehend ein, über die Teilnahme seiner Ehefrau an der Weihnachtsfeier verärgert gewesen zu sein und diese zweimal in die Schulter mit dem Messer "gepiekst" zu haben. Der Produktionsleiter der Beklagten Dr. K... hielt daraufhin telefonisch Rücksprache mit Frau K.... Diese bestätigte den Geschehensablauf so, wie von ihr bei ihrer Befragung durch die Kriminalpolizeistelle L... angegeben. Weiterhin erklärte sie, psychisch noch immer sehr an den Folgen dieser Aggression zu leiden und Angst vor neuen Tätlichkeiten des Klägers zu haben.

Am 18.02.2008 leitete die Beklagte daraufhin die förmliche Betriebsratsanhörung zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung wegen des dringenden Verdachts einer gefährlichen Körperverletzung des Klägers an seiner Arbeitskollegin und zugleich getrennt lebenden Ehefrau ein (Bl. 40 f. d. A.). Der Betriebsrat erteilte noch am 18.02.2008 seine Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung. Daraufhin kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18.02.2008 außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, hilfsweise fristgerecht zum 30.04.2008 (Bl. 8 d. A.).

Gegen diese Kündigung hat der Kläger beim Arbeitsgericht am 07.03.2008 Kündigungsschutzklage erhoben.

Zwischenzeitlich wurde der Kläger mit rechtskräftigem Urteil vom 10.06.2008 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Neben der Teilnahme an sechs Therapiegesprächen wurde ihm zur Bewährungsauflage gemacht, sich von dem Tatopfer, d. h. seiner geschiedenen Ehefrau, fernzuhalten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsfeststellungsklage des Klägers mit Urteil vom 27.06.2008 zurückgewiesen. Die Kündigung sei als außerordentliche Verdachtskündigung gerechtfertigt. Der dringende Tatverdacht einer schweren Körperverletzung gegenüber einer Arbeitskollegin ergebe sich aus dem Protokoll der Vernehmung des Klägers als Beschuldigter. Die Straftat, derer der Kläger verdächtigt werde, berechtige ohne Weiteres den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Die geschädigte Frau K... sei zwar noch die getrennt lebende Ehefrau des Klägers gewesen, aber gleichzeitig auch Arbeitnehmerin der Beklagten. Insoweit gebiete es die Fürsorgepflicht, Frau K... vor weiteren Tätlichkeiten des Klägers zu schützen. Der Grundsatz, dass außerdienstliches Verhalten eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen könne, gelte hier mithin nicht. Zudem sei die Straftat im Nachgang zu einer betrieblichen Veranstaltung geschehen. Die Straftat habe auch innerbetriebliche Auswirkungen, da Frau K... vor dem Kläger große Angst habe, gar um ihr Leben fürchte. Auch durch die Schichteinteilung könne eine Begegnung der beiden nicht ausgeschlossen werden. Ihre, der Beklagten, Verpflichtung sei es in erster Linie, Frau K... am Arbeitsplatz vor weiteren Übergriffen des Klägers zu schützen. Dies könne sie angesichts der Größe des Betriebs und des sich überlappenden DreiSchicht-Systems nur durch die Kündigung des Klägers sicherstellen. Auch die Interessenabwägung falle zulasten des Klägers aus.

Gegen dieses ihm am 25.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.08.2008 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 25.10.2008 am 23.10.2008 begründet.

Der Kläger trägt vor,

der Angriff auf seine geschiedene Ehefrau sei als rein außerdienstliches Verhalten zu werten. Es sei augenscheinlich familienrechtlich geprägt. Auslöser der Tätlichkeit seien die unterschiedlichen Auffassungen über die Ausübung der Fürsorgepflicht für die K... gewesen. Ein betrieblicher Bezug sei nicht gegeben. Die Weihnachtsfeier habe nicht im Betrieb, sondern in einem griechischen Lokal stattgefunden. Die Teilnahme an derselben sei freiwillig gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass es sich überhaupt um eine betriebliche Weihnachtsfeier gehandelt habe, an deren Ausrichtung sich die Beklagte beteiligt habe. Ungeachtet dessen habe er die Tätlichkeit auch nicht auf der Weihnachtsfeier, sondern unstreitig vor der Haustür der Freundin seiner geschiedenen Frau begangen. Er habe weder seine Hauptleistungspflicht noch seine Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Er habe das Strafurteil auch akzeptiert und kein Rechtsmittel eingelegt. Er bedauere sein Verhalten und habe sich bei seiner geschiedenen Ehefrau entschuldigt. Weder vor noch nach dieser Tat seien ähnliche Verhaltensweisen feststellbar gewesen. Ihm sei auch nicht bekannt, dass seine damalige Ehefrau es abgelehnt habe, zu entgegengesetzten Zeiten im gleichen räumlichen Betrieb zu arbeiten. Auch in der Vergangenheit hätten sie - unstreitig - wegen der Kinderbetreuung in unterschiedlichen Schichten gearbeitet. Zu Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz sei es mithin nicht gekommen. Auch die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Hierfür spricht zunächst, dass es vorliegend um ein außerdienstliches Verhalten gehe. Des Weiteren sei es der Beklagten zumutbar, die Distanz zwischen ihm und der Geschädigten durch eine Versetzung in eine andere Abteilung noch zu vergrößern.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.06.2008 zum Az. 4 Ca 740/08 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.02.2008 weder außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist geendet hat, noch hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin enden wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt

das angefochtene Urteil. Der Angriff des Klägers auf seine Arbeitskollegin sei nicht als außerdienstliches Verhalten zu werten. Ein außerdienstliches Verhalten liege nur vor, wenn es ohne betrieblichen Bezug ausschließlich die private Lebensführung des Arbeitnehmers betreffe. Hier sei das Opfer jedoch unstreitig eine Arbeitskollegin des Klägers, woraus sich der unmittelbare betriebliche Bezug ergebe. Auslöser der Tat sei zudem die betriebliche Weihnachtsfeier, an der Frau K... teilgenommen habe, gewesen. Zudem habe der Kläger unstreitig erst im Betrieb von der Weihnachtsfeier und der Teilnahme seiner geschiedenen Ehefrau erfahren. Straftaten der vorliegenden Schwere und Art stellten grundsätzlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Sie, die Beklagte, treffe zudem die Verpflichtung, die körperliche Integrität ihrer Arbeitnehmer zu wahren und diese vor Tätlichkeiten am Arbeitsplatz und im Zusammenhang mit betrieblichen Veranstaltungen zu schützen. Die betrieblichen Auswirkungen der Messerattacke seien zudem beträchtlich gewesen. Der Kläger habe die körperliche Unversehrtheit seiner Arbeitskollegin verletzt und dadurch deren Arbeitsausfall verursacht. Aufgrund seines aggressiven und tätlichen Verhaltens bestehe die ernsthafte Gefahr, dass er seine geschiedene Ehefrau und Arbeitskollegin auch zukünftig attackieren werde. Entscheidend sei aber auch, dass Frau K... in großer Angst lebe und deshalb sich in psychologischer Behandlung befinde und somit berechtigterweise jeglichen Kontakt mit dem Kläger ablehne. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers neben der Arbeitnehmerin K... sei weder dieser noch ihr, der Beklagten, zumutbar. Aufgrund der überlappenden Schichten sei auch bei unterschiedlicher Schichteinteilung eine Begegnung der beiden beim Kommen und Gehen in den Fluren des Betriebs, in der Kantine, dem Aufenthaltsraum und in den Umkleidekabinen nicht zu vermeiden. Zudem sei durch die Messerattacke des Klägers auch die gesamte Belegschaft zutiefst erschüttert und insbesondere das weibliche Personal erheblich besorgt und verunsichert. Das Vertrauen in eine störungsfreie Zusammenarbeit mit dem Kläger ohne Aggressionen und Tätlichkeiten sei dauerhaft zerstört. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger im Oktober 2008 bereits gegen die Bewährungsauflage, sich von Frau K... fernzuhalten, verstoßen habe, sodass die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe widerrufen und der Kläger inhaftiert worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung indessen keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsfeststellungsklage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Einwände des Klägers in der Berufungsinstanz rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann und soll auf die zutreffenden Entscheidungsgründe verwiesen werden. Lediglich ergänzend und auf den Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz eingehend, soll noch auf Folgendes hingewiesen werden.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die rechtliche Überprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB erfolgt in zwei Stufen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der - ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles - überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

2. Hieran gemessen war die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung berechtigt.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die Kündigung als Verdachtskündigung ausgesprochen hat und nunmehr feststeht, dass der Kläger die ihm zur Last gelegte gefährliche Körperverletzung zulasten seiner damaligen Ehefrau und Arbeitnehmerin der Beklagten tatsächlich begangen hat. Zwar stellt die Kündigung wegen des dringenden Verdachts einer Straftat oder schwerwiegenden Vertragsverletzung neben der Kündigung wegen der Tat einen eigenständigen Kündigungstatbestand dar, indessen ist der Arbeitgeber auch bei Ausspruch einer Verdachtskündigung nicht durch § 626 Abs. 1 BGB gehindert, sich im Kündigungsrechtsstreit auf die nachweislich begangene Tat zu berufen (BAG Urt. v. 06.12.2001 - 2 AZR 496/00 -, AP Nr. 36 zu § 626 BGB ,Verdacht strafbarer Handlung'; BAG Urt. v. 03.07.2003 - 2 AZR 437/02 -, AP Nr. 38 zu § 626 BGB ,Verdacht strafbarer Handlung').

Die Messerattacke des Klägers auf seine damalige Ehefrau war an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden (a). Es lag auch unter Berücksichtigung aller Umstände weder eine Verletzung des ultima-ratio-Prinzips vor (b) noch war es der Beklagten aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (hier: 30.04.2008) fortzuführen (c).

a) Der tätliche Angriff auf einen Arbeitskollegen oder eine Arbeitskollegin ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn die Tätlichkeit außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des dem Arbeitnehmer zugewiesenen örtlichen und räumlichen Arbeitsplatzes erfolgte (LAG RheinlandPfalz, Urt. v. 23.08.2006 - 9 Sa 431/06 -, zit n. Juris).

(1) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass ein außerdienstliches Verhalten, das keine Auswirkungen auf die vertraglichen Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien besitzt, grundsätzlich ungeeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies trifft regelmäßig auf alle Belange der Privatsphäre zu. Wirkt sich allerdings außerdienstliches Verhalten konkret innerbetrieblich aus, wird es kündigungsrelevant. Besucht beispielsweise der Leiter einer kleinen Bankfiliale wiederholt eine Spielbank, so bedarf es der konkreten Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis, um einen wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu geben (LAG Hamm Urt. v. 14.01.1998 - 3 Sa 1087/97 -, LAGE BGB § 626 Nr. 119). Es kann mithin auch ein Freizeitverhalten eines Arbeitnehmers kündigungsrelevant sein, wenn hierdurch sowohl das Leistungs- als auch das Vertrauensverhältnis oder der Betriebsfrieden erheblich beeinträchtigt werden (ErfK/Müller-Glöge, 8. Aufl., Rn. 123 zu § 626 BGB).

(2) Dies ist hier der Fall. Eine Tätlichkeit unter Arbeitskollegen außerhalb der Dienstzeit und außerhalb des Betriebes, die noch dazu zur Arbeitsunfähigkeit des Opfers führt, hat immer auch innerbetriebliche Auswirkungen (LAG Düsseldorf Urt. v. 26.06.2008 - 13 Sa 506/08 -, zit. n. Juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.08.2006 - 9 Sa 431/06 -, zit n. Juris). Denn die betrieblichen Interessen sind bereits deshalb verletzt, weil ungeachtet der evtl. vom Arbeitgeber zu tragenden Entgeltfortzahlungskosten der Betriebsablauf durch die Arbeitsunfähigkeit des durch die Tätlichkeit verletzten Arbeitskollegen gestört wird. Zudem stören die durch die Tätlichkeit ausgelösten Spannungen zwischen dem Arbeitnehmer und dessen tätlich angegriffenen Arbeitskollegen den Betriebsfrieden. Der Kläger verkennt an dieser Stelle, dass ein außerdienstliches Verhalten nicht nur dann kündigungsrelevant sein kann, wenn es zu einer Beeinträchtigung des konkreten Arbeitsverhältnisses (Arbeitnehmer - Arbeitgeber) führt, wie z. B. ein sexueller Missbrauch eines Erziehers gegenüber einem Kind während dessen Freizeit. Ein außerdienstliches Verhalten, dass sich gegenüber dem Arbeitgeber rufschädigend auswirkt oder zu erheblicher Unruhe im Betrieb führt, kann ebenso kündigungsrelevant sein. Ein Arbeitgeber hat nicht nur dafür Sorge zu tragen, dass die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch solche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und durch Verletzungen Arbeitskräfte ausfallen (LAG München Urt. v. 25.10.2007 - 3 Sa 572/07 -, a.a.O.). Zudem können durch gebotene Maßnahmen (Umsetzungen, Versetzungen), um weitere Auseinandersetzungen zu unterbinden, die betrieblichen Abläufe empfindlich gestört werden.

(3) Dabei wird nicht verkannt, dass der Angriff des Klägers auf seine damalige Ehefrau ausschließlich auf die durch die Trennung bedingten familiären Probleme der damaligen Eheleute zurückzuführen war. Ggf. war auch das falsche Verständnis des Klägers vom "ehelichen Gehorsam", dem sich seine zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau zu Recht widersetzte, mitursächlich für die unverzeihliche Entgleisung des Klägers. Die Messerstecherei hatte mithin ihre Ursache im familiären Bereich und nicht in den beruflichen Anknüpfungspunkten im Betrieb der Beklagten. Gleichwohl ist der betriebliche Bezug allein durch die Tatsache hergestellt, dass seine damalige Frau ebenfalls im Betrieb der Beklagten arbeitet. Zudem liegt es auf der Hand, dass es aufgrund der langen Arbeitsunfähigkeit der Frau K... auch unter Berücksichtigung einer Personalreserve für krankheits- und urlaubsbedingte Ausfallzeiten zu Betriebsablaufstörungen gekommen ist, die die Beklagte durch organisatorische Maßnahmen ausgleichen musste.

Zu Recht weist auch die Beklagte darauf hin, dass der Kläger erst im Betrieb durch seine Arbeitskollegen davon erfuhr, dass seine ehemalige Ehefrau an der Weihnachtsfeier teilnahm, was ihn wütend machte. Es handelte sich mithin um sozusagen "betriebsinternes" Wissen, dass sich die Kollegen der Schicht der Frau K... zu einer Weihnachtsfeier in einem griechischen Lokal trafen. Eine solche Weihnachtsfeier, an der nur Arbeitskollegen teilnehmen, dient dem Betriebsklima und ist damit als (quasi-)dienstliche Veranstaltung zu klassifizieren. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Arbeitgeber selbst diese weder ausrichtet noch finanziert. Der Kläger selbst räumt ein, dass er sich darüber geärgert hat, dass seine damalige Frau an dieser betrieblichen Weihnachtsfeier teilgenommen hat. Aus der Gesamtschau der Tatumstände lässt sich ein eindeutiger arbeitsvertraglicher Bezug ableiten, auch wenn es sich bei der Tätlichkeit des Klägers weder um einen arbeitgeberbezogenen noch um einen im engeren Sinne arbeitsplatzbezogenen Pflichtverstoß handelte.

Es ist mithin letztlich eine Frage des ultima-ratio-Prinzips, ob die Kündigung aufgrund einer Tätlichkeit unter Arbeitskollegen - ob im oder außerhalb des Betriebs - die einzig angemessene Reaktion auf die durch die Tätlichkeit ausgelöste Betriebsstörung ist und ob dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen gleichwohl die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar ist.

b) Die außerordentliche Kündigung war vorliegend auch das letzte Mittel der Beklagten, um auf die Vertragsverletzung des Klägers zu reagieren. Die Beklagte war weder verpflichtet, den Kläger vor Ausspruch der fristlosen Kündigung abzumahnen noch ihn in eine andere Abteilung zu versetzen. Durch die gefährliche Körperverletzung zulasten seiner damaligen Ehefrau und Kollegin hat der Kläger schwerwiegend gegen seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verstoßen. Bei der Tat handelt es sich, wie nicht zuletzt die strafrechtliche Verurteilung des Klägers zeigt, nicht nur um eine familiäre Auseinandersetzung, sondern um eine in keiner Hinsicht zu rechtfertigende Straftat. Auch wenn man unterschiedlicher Auffassung über die Kindesbetreuung ist, ist eine solche brutale Tat weder in familiärer Hinsicht verständlich und entschuldbar noch gesellschaftlich oder arbeitsrechtlich zu rechtfertigen. Auch unter Berücksichtigung der kulturellen Herkunft des Klägers muss er akzeptieren, dass er keinerlei Besitzanspruch gegenüber seiner noch dazu damals seit zwei Jahren getrennt lebenden Ehefrau hatte und diese unter keinen Umständen körperlich maßregeln oder gar verletzen durfte. Die gegenüber Frau K... begangene Körperverletzung ist nicht anders zu beurteilen, weil der Kläger Türke oder Moslem ist und Frau K... damals die Noch-Ehefrau des Klägers war. Der Kläger lebt in Deutschland und hat sich an die deutschen Gesetze zu halten. Die körperliche Unversehrtheit steht über einer vermeintlichen Religionsfreiheit. Dies alles hätte der Kläger wissen können und müssen. Er konnte nicht damit rechnen, dass die Beklagte angesichts dieser Umstände das Arbeitsverhältnis mit ihm fortsetzt und lediglich eine Abmahnung ausspricht.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger vor Ausspruch der Kündigung in eine andere Abteilung zu versetzen, um einen möglichen Kontakt der geschiedenen Eheleute zu vermeiden. Der Kläger trägt nicht einmal substantiiert vor, wie und wo bzw. in welcher konkreten Abteilung er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Bei der Betriebsgröße ließe sich eine Begegnung der beiden aber auch dann nicht mit Sicherheit vermeiden. Zudem könnte der Kläger wiederum über die Arbeitskollegen Kenntnisse über seine geschiedene Ehefrau erlangen, die ihn möglicherweise abermals verärgern und zu Straftaten zulasten seiner geschiedenen Ehefrau und Arbeitnehmerin der Beklagten veranlassen würden.

c) Das Berufungsgericht teilt auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die gebotene Interessenabwägung vorliegend ebenfalls zulasten des Klägers ausfallen muss. Bei Würdigung der Gesamtumstände des Falles war es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

Dabei wird nicht verkannt, dass der Kläger sich durch die Beschäftigungsdauer seit November 2001 bereits einen gewissen Bestandsschutz erdient hat und er zudem zwei minderjährigen Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist. Zu Recht weist das Arbeitsgericht indessen darauf hin, dass allein das Alter des Klägers ihn nicht in besonderem Maße schutzwürdig macht. Der Kläger ist 40 Jahre alt und steht damit dem Arbeitsmarkt mit uneingeschränkter Leistungskraft zur Verfügung. Allein der Umstand, dass gerichtsbekannter Maßen eine Hohe Arbeitslosigkeit zu beklagen ist und somit die Arbeitssuche erheblich erschwert wird, führt nicht zu einer besonderen Schutzwürdigkeit des betreffenden Mitarbeiters.

Das Bestandsschutzinteresse des Klägers aufgrund seiner Beschäftigungsdauer und seinen Unterhaltspflichten muss indessen hinter dem anzuerkennenden Interesse der Beklagten an der Entfernung des Klägers aus dem Betrieb zurücktreten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte gegenüber der Arbeitnehmerin K... eine Fürsorgepflicht hat und der Verbleib des Klägers trotz unterstellter ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Leistungspflichten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Betriebsfriedens führen kann, was wiederum Betriebsstörungen nach sich ziehen könnte. So hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass Frau K... nach wie vor große Angst vor dem Kläger habe und sich deshalb immer noch in psychologischer Behandlung befinde. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte tatsächlich konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Kläger nochmals seine damalige Ehefrau und Arbeitnehmerin der Beklagten tätlich angreifen wird. Vielmehr ergibt sich die für eine verhaltensbedingte Kündigung notwendige Wiederholungsgefahr aus dem anhaltenden Angstzustand auf Seiten der geschädigten Arbeitnehmerin. Die Wiederholungsgefahr wird auch dadurch belegt, dass der Kläger trotz bereits seit zwei Jahren bestehender Trennung gleichwohl meinte, seine Arbeitskollegin und ehemalige Ehefrau ständig kontrollieren und in ihren Verhaltensweisen steuern zu dürfen und zu können. Eine Trennungsphase von zwei Jahren kühlt die Gemüter zerstrittener Eheleute in aller Regel ab. So aber nicht im Falle des Klägers. Zudem handelte es sich ersichtlich nicht um eine Affekttat. Der Kläger hat nach seiner eigenen Aussage vor der Polizei eingeräumt, dass er seine ehemalige Frau gezielt gesucht und ihr aufgelauert habe, um ihr mit dem mitgeführten Messer Angst zu machen. Diese Zielgerichtetheit seiner Vorgehensweise belegt einmal mehr, dass die Beklagte befürchten musste, dass der Kläger die bei ihr beschäftigte Arbeitnehmerin Frau K... auch künftig nicht in Ruhe lassen wird. Es sind keine Anhaltspunkte (z.B. erfolgreicher Abschluss eines Antiaggressionstrainings) ersichtlich, dass der Kläger bei den im Betrieb unvermeidbaren Begegnungen mit seiner geschiedenen Ehefrau und Arbeitskollegin sich nicht wieder über deren Verhaltensweisen erregt und handgreiflich wird. Dies wird letztlich auch dadurch belegt, dass dem Kläger durch das Strafurteil zur Bewährungsauflage gemacht wurde, sich Frau K... nicht zu nähern. Einer solchen Auflage hätte es nicht bedurft, wenn von dem Kläger ersichtlich keine Gefahr für seine geschiedene Ehefrau ausginge. Allein der Umstand, dass sich der Kläger - wie von ihm behauptet - bei seiner damaligen Ehefrau entschuldigt hat, besagt noch nicht, dass diese ihm auch zwischenzeitlich verziehen hat. Das Interesse der Beklagten an der sofortigen Trennung vom Kläger überwiegt demnach dessen Bestandschutzinteresse bei weitem.

3. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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