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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 27.01.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 368/08
Rechtsgebiete: ArbGG, TV-Ärzte/TdL, BÄO, ÄAppO, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
TV-Ärzte/TdL § 5 S. 2
TV-Ärzte/TdL § 5 S. 3
TV-Ärzte/TdL § 12
TV-Ärzte/TdL § 15
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 1 S. 1
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 1 S. 1 Hbs. 2
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 1 S. 2
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 2
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 2 S. 1
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 2 S. 1 2. HS
TV-Ärzte/TdL § 16 Abs. 2 S. 2
TV-Ärzte/TdL § 19 Abs. 2 S. 1
TV-Ärzte/TdL § 19 Abs. 2 S. 2
BÄO § 2 Abs. 1
BÄO § 2 Abs. 2
BÄO § 2 Abs. 3
BÄO § 2 Abs. 4
BÄO § 2 a
BÄO § 10
BÄO § 10 Abs. 4 a.F.
BÄO § 10 Abs. 6
ÄAppO §§ 34 ff. a.F.
ÄAppO § 35
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 368/08

Verkündet am 27.01.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 27.01.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.07.2008, Az.: öD 6 Ca 1426 b/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob im Rahmen der Eingruppierung die Tätigkeitszeit als Arzt im Praktikum bei der Stufenzuordnung im Bereich TV-Ärzte/TdL zu berücksichtigen ist.

Der jetzt 33-jährige Kläger war vom 01.04.2003 bis zum 30.09.2004 auf der Grundlage des Ausbildungsvertrages vom 25.03.2003 (Bl. 6 f. d. A.) bei der Krankenhaus der A... gGmbH als Arzt im Praktikum beschäftigt. Ausweislich des ihm am 30.09.2004 erteilten Zeugnisses (Bl. 8-10 d. A.) wurde der Kläger dort als Stationsarzt eingesetzt, wobei seine Arbeit fachärztlich supervidiert wurde. Ab April 2004 leistete der Kläger dort Bereitschaftsdienst mit oberärztlichem Hintergrunddienst.

Nach Erlangung der Approbation stellte die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab dem 01.10.2004 auf der Grundlage aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge als Arzt im U... S...-H... (im Folgenden: ...-SH) ein. Der letzte befristete Arbeitsvertrag datiert vom 25.07.2007 und betrifft den Zeitraum vom 01.10.2007 bis zum 30.09.2009.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der BAT bzw. der diesen ersetzende TV-Ärzte/TdL Anwendung, und zwar wegen des bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Tarifvertrages für das U... S...-H... vom 20.10.2004 (Beschäftigungspakt) ab 1. Januar 2008.

Mit Schreiben vom 22.01.2008 (Bl. 16 d. A.) teilte das ...-SH dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis sei auf Grundlage des TVÜ-Ärzte auf den TV-Ärzte/TdL überzuleiten, er sei infolgedessen ab dem 01.01.2008 in die Entgeltgruppe Ä 1/Stufe 4 des TV-Ärzte eingruppiert. Mit Schreiben vom 06.02.2008 (Bl. 17 d. A.) beanspruchte der Kläger gegenüber der ...-SH Vergütung nach Stufe 5 der Entgeltgruppe für Assistenzärzte. Mit Wirkung ab dem 01.10.2008 gruppierte die Beklagte den Kläger in EntGr. Ä 1 Fallgr. 5 TV-Ärzte/TdL ein.

Am 15.05.2008 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Eingruppierungsfeststellungs-klage erhoben. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass er aufgrund seiner vorangegangenen anderthalbjährigen Tätigkeit als Arzt im Praktikum bereits mit Wirkung ab dem 01.01.2008 Anspruch auf Vergütung nach EntgGr. Ä 1, Stufe 5 TV-Ärzte/TdL habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Eingruppierungsfeststellungsklage mit Urteil vom 22.07.2008 abgewiesen. Eine frühere Tätigkeit als Arzt im Praktikum sei keine für die Stufenzuordnung anrechenbare ärztliche Tätigkeit i. S. v. § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL. Dies ergebe eine Auslegung der Norm. Eine Anrechnung der AiP-Zeiten scheide auch nach § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/TdL aus. Wegen des weiteren Inhalts der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 10.09.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.10.2008 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese am 10.11.2008 begründet.

Der Kläger trägt vor,

dass er als Arzt im Praktikum eigenverantwortlich und selbstständig ärztliche Tätigkeit verrichtet habe, die der eines vollapprobierten (Assistenz-)Arztes gleichzustellen sei. Mithin sei diese Zeit als Vorzeit ärztlicher Tätigkeit mit einschlägiger Berufserfahrung nach § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei ein Arzt im Praktikum ebenfalls ein Arzt im medizinalrechtlichen Sinne. Nach § 2 a BÄO dürfe die Berufsbezeichnung "Arzt/Ärztin" nicht nur derjenige führen, der als Arzt approbiert habe, sondern auch eine Person, die nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufes befugt sei. Nach dem bis zum 30.09.2004 geltenden § 35 ÄAppO habe der Arzt im Praktikum ärztliche Tätigkeiten aufgrund einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 10 BÄO unter Aufsicht ausüben dürfen, um seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertiefen. § 10 BÄO regele die Einzelheiten einer Erlaubnis i. S. v. § 2 Abs. 2 BÄO, einer Erlaubnis, die nach § 2 a BÄO zum Führen der Berufsbezeichnung "Arzt/Ärztin" berechtige. Der Arzt im Praktikum sei mithin zum Führen der Berufsbezeichnung "Arzt" berechtigt gewesen. Aus § 35 ÄAppO a.F. ergebe sich mithin, dass der Arzt im Praktikum ärztliche Tätigkeit ausübe und dementsprechend "einschlägige Berufserfahrung" i. S. v. § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL sammele. Die Begriffe "ärztliche Tätigkeit" und "einschlägige Berufserfahrung" seien gleichzusetzen. Allein entscheidend sei im Rahmen der Auslegung des § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL, dass der Arzt im Praktikum unzweifelhaft ärztliche Tätigkeiten ausübe und nicht, ob er ein Arzt i. S. d. Medizinalrechts sei. Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass ein Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum "Arzt im Praktikum" im Rahmen der Ein- bzw. Höhergruppierung nach VergGr. I b Fallgr. 7 und 13 BAT nicht zielführend sei. Diese BAT-Vergütungsgruppen enthielten nicht die Tarifmerkmale "Vorzeiten" und "einschlägige Berufserfahrung", sondern stellten auf den Doppelbegriff "Arzt mit ärztlicher Tätigkeit" ab. Das Arbeitsgericht habe zudem den Begriff der Vorzeiten des § 16 Abs. 2 S.1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL in keiner Weise gewürdigt. Als Vorzeiten gemäß § 16 Abs. 2 S.1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL könnten nur Zeiten gemeint sein, die ein betreffender Arzt vor seiner Einstellung als Arzt in das dem TV-Ärzte/TdL unterfallende Arbeitsverhältnis zurückgelegt habe. Nach der hier strittigen Tarifnorm werden während der Vorzeiten "ärztliche Tätigkeiten" gefordert. Dies seien im Lichte der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch ärztliche Tätigkeiten als Arzt im Praktikum. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei ein Arzt im Praktikum zwar kein Arzt im Sinne des Medizinalrechts nach der BÄO und der ÄAppO, wohl aber erbringe dieser "ärztliche Tätigkeit" (BAG Urt. v. 08.11.2006 - 4 AZR 624/05 -). Diese Auslegung stehe im Einklang mit § 35 ÄAppO a.F.. Zudem handele es sich bei der Tätigkeit als Arzt im Praktikum nicht um eine klassische Ausbildungstätigkeit. Denn der Arzt im Praktikum habe nach der AiP-Zeit keine weitere Prüfung mehr ablegen müssen, sondern schlicht die Approbation beantragt, die ihm in aller Regel erteilt worden sei. Es handele sich somit bei der AiP-Zeit um eine Zeit der Einarbeitung in den ärztlichen Beruf, während der zwangsläufig einschlägige Berufserfahrung gesammelt werde. Gegen die hier gefundene Auslegung spreche auch nicht der Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/VKA. Bei Fassung dieser Norm hätten die Tarifvertragsparteien die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 08.11.2006 - 4 AZR 624/05 -) verkannt. Danach übt der Arzt im Praktikum unzweifelhaft ärztliche Tätigkeiten aus. Die gewünschte Eingruppierung scheiterte nur deshalb, weil der Arzt im Praktikum mangels Approbation die ärztlichen Tätigkeiten nicht als "Arzt" im medizinalrechtlichen Sinne erbracht habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.07.2008 (öD 6 Ca 1426 b/08) festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm ab 01.01.2008 Entgelt nach der Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 5, des TV-Ärzte/TdL nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die beginnend mit dem 31.01.2008 jeweils monatlich fälligen Bruttodifferenzbeträge zwischen den Zahlungen gemäß Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 4, und Ä 1, Stufe 5, des TV-Ärzte seit Rechtshängigkeit, d.h. seit dem 29.05.2008, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt

das angefochtene Urteil. Der Kläger verstehe § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte als Überschrift des gesamten Absatzes 2. Dem könne nicht gefolgt werden. § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte beziehe sich nur auf § 16 Abs. 2 S.1 2. HS TV-Ärzte, wie sich aus dem Doppelpunkt der Zusammenfassung in einem Satz ergebe. Entgegen der Auffassung des Klägers meine Satz 1 ärztliche Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber, Satz 2 nichtärztliche Tätigkeiten zum Beispiel als Psychologe, Apotheker oder Physiker. Eine solche Auslegung werde dem Wortsinn (ärztlich - nichtärztlich) gerecht. Des Weiteren würden Zeiten bei einem vorherigen Arbeitgeber vom Wortlaut "Vorzeiten" erfasst. Der Kläger habe als AiP auch keine ärztliche Tätigkeit im Sinne des Tarifrechts ausgeübt. Dies sei nur die Tätigkeit eines Arztes nach erlangter Approbation. Von einer solchen Auslegung der ärztlichen Tätigkeit seien auch die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des TV-Ärzte ausgegangen. Die Gewerkschaft habe in Kenntnis dieser Sachlage versucht, eine Gleichstellung der Tätigkeit des AiP mit ärztlicher Tätigkeit zu erreichen. Sie habe sich insoweit nicht durchsetzen können. Aus diesem Grunde könne § 16 Abs. 2 TV-Ärzte nicht so verstanden werden, dass damit auch die Tätigkeit des Arztes im Praktikum erfasst werde. Für eine solche Auslegung spreche letztendlich auch die Regelung des § 19 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/VKA. Dort werde ausdrücklich eine Tätigkeit als AiP einer ärztlichen Tätigkeit gleichgestellt. Im Umkehrschluss sei dies beim TV-Ärzte nicht der Fall, da der TV-Ärzte keine vergleichbare Regelung enthalte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 27.01.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung indessen keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Eingruppierungsfeststellungsklage sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen. Die Tätigkeit des Klägers als Arzt im Praktikum ist bei der Stufenzuordnung weder gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL (I.) noch gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/TdL (II.) zu berücksichtigen. Dies hat in einem parallel gelagerten Fall bereits die 4. Kammer des hiesigen Landesarbeitsgerichts (Urt. v. 30.10.2008 - 4 Sa 280/08 -, zit. n. Juris) entschieden. Den dortigen Ausführungen schließt sich die 5. Kammer uneingeschränkt an.

I. Die Tätigkeitszeit des Klägers als Arzt im Praktikum ist nicht gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 2 TV-Ärzte/TdL als Zeit mit einschlägiger Berufserfahrung und damit förderliche Zeit zu berücksichtigen. Dies ergibt eine Auslegung dieser Vorschrift.

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dem die Kammer uneingeschränkt folgt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG Urt. v. 30.05.2001 - 4 AZR 269/00 -, BAGE 98, 35 mwN; BAG Urt. v. 07.07.2004 - 4 AZR 433/03 -, BAGE 111, 204, 209; BAG Urt. v. 18.04.2007 - 4 AZR 661/05 -, zit. n. Juris).

2. Hieran gemessen handelt es sich bei der AiP-Zeit des Klägers nicht um eine anrechnungsfähige Vorzeit ärztlicher Tätigkeit nach § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 2 TV-Ärzte/TdL, die bei der Stufenzuordnung als Zeit mit einschlägiger Berufserfahrung und somit als förderliche Zeit zu berücksichtigen ist. Auszulegen sind die Begriffe "Vorzeiten", "ärztliche Tätigkeit" und "einschlägige Berufserfahrung".

a) Dem Wortlaut der Tarifnorm selbst lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob es sich bei der Tätigkeit als Arzt im Praktikum um "ärztliche Tätigkeit" im Tarifsinne handelt. Wie bereits der BAT enthält auch der TV-Ärzte/TdL selbst keine Legaldefinition darüber, was unter "ärztlicher Tätigkeit" zu verstehen ist und wer "Arzt" im Sinne des Tarifvertrages ist. Indessen erschließt sich aus dem systematischen Aufbau der Einzelnorm, dem Gesamtzusammenhang des TV-Ärzte/TdL sowie dem dazugehörigen Überleitungstarifvertrag (TVÜ-Ärzte/TdL), aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift als auch aus der Historie, dass nur solche Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit anrechnungsfähig sind, während derer ein approbierter Arzt "einschlägige Berufserfahrung" erworben hat.

aa) Obgleich der Begriff "ärztliche Tätigkeit" nicht definiert wird, haben die Tarifvertragsparteien einen sowohl im Tarifrecht als auch im Medizinalrecht gängigen Begriff verwendet. Auch in den die Eingruppierung der Ärzte betreffenden Fallgruppen der Anlage 1 a zum BAT/BL ist das Tarifmerkmal der "ärztliche Tätigkeit" enthalten. Gemäß der Fallgr. 13 erhielten "Ärzte nach fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit" Vergütung nach VergGr. I b BAT/BL. Die VergGr. I b Fallgr. 7 BAT/VKA enthält eine entsprechende Regelung. Das Bundesarbeitsgericht hat zu diesen Tarifvorschriften fortlaufend entschieden, dass die Tätigkeit als Arzt im Praktikum auch dann keine ärztliche Tätigkeit im Sinne der genannten Vergütungsgruppen sei, wenn der Arzt im Praktikum als Stationsarzt eingesetzt wurde und regelmäßig am Bereitschaftsdienst teilgenommen habe (BAG Urt. v. 10.12.1997 - 4 AZR 39/96 -, AP Nr. 228 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urt. v. 25.09.1996 - 4 AZR 200/95 -, AP Nr. 218 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vgl. auch BAG Urt. v. 08.11.2006 - 4 AZR 624/05 -, NAZ-RR 2007, 303 ff.). Mit dem Bundesarbeitsgericht ist maßgebend, dass es sich bei dem Begriff des Arztes um einen feststehenden Begriff des Medizinalrechts handelt, das für den ärztlichen Bereich in der Bundesärzteordnung (BÄO) geregelt ist. Danach ist die Ausübung des ärztlichen Berufes die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin". Diese Berufsbezeichnung darf grundsätzlich nur führen, wer als Arzt approbiert ist, § 2 Abs. 1 BÄO. Das Bundesarbeitsgericht hat in den genannten Entscheidungen zum Fallgruppenaufstieg nach dem BAT entschieden, dass "ärztliche Tätigkeiten" nur Tätigkeiten sind, die der Arzt als Arzt im Sinne der BÄO ausüben darf. Der Begriff "ärztliche Tätigkeit" ist im Sinne der tariflichen Eingruppierungsmerkmale mithin nicht losgelöst von der Berufsbezeichnung "Arzt" zu sehen. Gemäß § 2 a BÄO darf die Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" nur führen, wer als Arzt oder Ärztin approbiert oder nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufs befugt ist.

bb) Den Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte/TdL waren sowohl die Vorschriften der BÄO als auch die Regelungen der §§ 34 ff. ÄAppO a.F., insbesondere § 35 ÄAppO a.F., als auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Begriff des Arztes und der "ärztlichen Tätigkeit" in den entsprechenden Vergütungsgruppen zum BAT bekannt. Daher hatten die Tarifvertragsparteien, wenn sie die AiP-Zeiten künftig als "ärztliche Tätigkeit" angesehen und behandelt wissen wollten, Veranlassung, ihren dahingehenden Regelungswillen in einer entsprechenden Tarifregelung eindeutig und klarstellend zu verdeutlichen (LAG Düsseldorf Urt. v. 16.04.2008 - 12 Sa 2237/07 -, zit. n. Juris). Da die Tarifvertragsparteien gleichwohl keine von der medizinalrechtlichen Sichtweise abweichende Klarstellung zum Ausdruck gebracht haben, ist auch für den TV-Ärzte/TdL von dem Begriff des Arztes im Sinne des inländischen Medizinalrechtes auszugehen (Wahlers, DÖD 2008, 127, 130). Demnach ist folglich "ärztliche Tätigkeit" i. S. v. § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL nur jene Tätigkeit, die ein Arzt im Besitz der Vollapprobation leistet.

cc) Dem hier gefundenen Auslegungsergebnis steht auch nicht § 10 Abs. 4 BÄO a.F. (gültig bis 27.06.2004) i. V. m. § 10 Abs. 6 BÄO entgegen. Gemäß § 10 Abs. 4 BÄO a.F. erhielt derjenige, der das Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen hatte, auf Antrag eine auf die Tätigkeit als Arzt im Praktikum beschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Die Erlaubnis bezog sich eindeutig auf die Tätigkeit eines Arztes im Praktikum und nicht auf diejenige Tätigkeit eines (approbierten) Arztes. Ein Arzt im Praktikum ist (noch) kein Arzt. Arzt im medizinalrechtlichen und tariflichen Sinne ist nur der approbierte Arzt. Nur dieser kann "ärztliche Tätigkeit" ausüben. Dies gilt auch angesichts des Umstandes, dass der Arzt im Praktikum nach Ende der Praktikumszeit keine Prüfung mehr ablegen musste. Die Tätigkeit des Arztes im Praktikum war Teil der Ausbildung. Die Ausbildung endete erst mit Ablauf dieser Zeit und mit Erlangung der Approbation. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Arzt im Praktikum möglicherweise nahezu identische Tätigkeiten eines späteren Assistenzarztes auszuüben hatte. In § 35 ÄAppO a.F. (gültig vom 01.10.2003 bis 26.07.2004) war ausdrücklich geregelt, dass der Arzt im Praktikum im Hinblick auf das genannte Ausbildungsziel unter Aufsicht von approbierten Ärzten "ärztlich tätig" wird. Die unter Aufsicht zu Ausbildungszwecken ausgeführte ärztliche Tätigkeit ist nicht gleichzusetzen mit der eigenverantwortlichen "ärztlichen Tätigkeit" eines Arztes. Aus der Formulierung "ärztlich tätig" in § 35 ÄAppO a. F. lässt sich mithin nicht ableiten, dass damit eine "ärztliche Tätigkeit" im Sinne des Tarifrechts zu verstehen ist. Dafür bleibt aus den oben dargelegten Gründen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einschlägig, weil die Tarifvertragsparteien in Kenntnis dieser Rechtsprechung dafür abweichend im TV-Ärzte/TdL keine andere Regelung getroffen haben.

dd) Folglich geht auch der Hinweis des Klägers auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.11.2006 - 4 AZR 624/05 - fehl. Zwar führt das Bundesarbeitsgericht dort (Rn. 33, zit. nach JURIS) aus, dass auch dem Arzt im Praktikum ärztliche Tätigkeiten übertragen werden. Es heißt dort aber gleichzeitig, dass dies mit den sich aus der ÄAppO für die AiP-Ausbildung ergebenden Vorgaben geschieht. Es ist daher festzuhalten, dass selbstverständlich die Tätigkeiten eines Arztes im Praktikum auch "ärztliche Tätigkeiten" im umgangssprachlichen Sinne sind. Entscheidend ist aber, dass das Bundesarbeitsgericht zum Bundesangestelltentarifvertrag ärztliche Tätigkeiten im medizinalrechtlichen Sinne verstanden hat. Hätten die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte eine andere Regelung gewollt, so hätten sie diese in Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erkennbar treffen müssen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 30.10.2008 - 4 Sa 280/08 -, a.a.O.).

Die Tätigkeit eines Arztes im Praktikum ist deshalb keine "ärztliche Tätigkeit" gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL.

b) Letztlich hält der Kläger im Berufungsverfahren an seiner erstinstanzlich noch vertretenen Auffassung zur Definition des Begriffs "Vorzeiten" i. S. v. § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL nicht mehr fest. Unter Vorzeiten sind nicht Zeiten vor Erlangung der Approbation und damit letztlich Ausbildungszeiten oder AiP-Zeiten zu verstehen, sondern Zeiten ärztlicher Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des TV-Ärzte/TdL. Zutreffend weist das beklagte Land darauf hin, dass der Rechtsbegriff der "Vorzeiten" eine zeitliche Dimension hat. § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte und damit auch der Begriff der "Vorzeiten" ist im Zusammenhang mit § 5 S. 3 TVÜ-Ärzte/TdL zu lesen. Nach dieser Überleitungsvorschrift werden die Ärzte derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die diese erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenfindung bei der Überleitung sollen gemäß § 5 S. 2 TVÜ-Ärzte/TdL die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber zählen. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung wiederum soll gemäß § 5 S. 3 TVÜ-Ärzte/TdL der § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL gelten.

Sieht man folglich § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL bei der Auslegung des Begriffes Vorzeiten im Zusammenhang mit § 5 S. 3 TVÜ-Ärzte/TdL, so wird damit deutlich, dass mit Vorzeiten jene ärztlichen Tätigkeiten gemeint sind, die der Arzt zuvor außerhalb von Universitätskliniken - also außerhalb des Anwendungsbereiches des TV-Ärzte/TdL - erbracht hat. Dass diese Vorzeiten gemeint sind, ergibt ein Vergleich mit § 5 S. 2 TVÜ-Ärzte/TdL, weil dort die Stufenfindung bezüglich der Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber geregelt wird.

c) Mit einem solchen Verständnis des Begriffes "Vorzeiten" ist dann auch wiederum der Begriff der "einschlägigen Berufserfahrung" im zweiten Halbsatz des § 16 Abs. 1 S. 1 TV-Ärzte/TdL auszulegen. Wenn auf Berufserfahrung abgestellt wird, so ist damit zunächst festzuhalten, dass es sich um Erfahrung in einem Beruf handeln muss.

Während einer Ausbildung kann aber für den noch nicht erreichten Beruf keine Erfahrung gesammelt werden. Denn einen Beruf hat man erst dann erlangt, wenn man die Ausbildung abgeschlossen hat. Einschlägige Berufserfahrung ist folglich eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit. Dabei muss es sich aber um einschlägige ärztliche Tätigkeit handeln, also um jene Tätigkeit, die ein Arzt nach erlangter Approbation erbringt.

Nach alledem ergibt das durch Auslegung erlangte Ergebnis der Tarifbegriffe "Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit" und "einschlägiger Berufserfahrung", dass die Tätigkeit des Arztes im Praktikum nicht dazu zählt.

d) Auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages spricht für dies gewonnene Verständnis des § 16 Abs. 1 S. 2 TV-Ärzte. In den Tarifvertragsverhandlungen zwischen dem Marburger Bund und der TdL war die Anrechnung der AiP-Zeiten ein streitiger Verhandlungspunkt. Der Marburger Bund hat anders als in § 19 Abs. 2 S. 1 und 2 TV-Ärzte/VKA keine Regelung durchsetzen können, wonach eine Tätigkeit als Ärztin/Arzt im Praktikum als ärztliche Tätigkeit gilt. Aus der Formulierung "gilt" als ärztliche Tätigkeit kann geschlossen werden, dass die dortigen Tarifvertragsparteien, also auch der Marburger Bund, davon ausgegangen sind, dass die AiP-Zeit grundsätzlich gerade keine ärztliche Zeit ist, sondern lediglich als solche gilt und fingiert wird. Da es dem Marburger Bund nicht gelungen ist, auch in § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL eine solche Fiktion zu vereinbaren, fehlt jeder Ansatzpunkt dafür, dass die Tarifvertragsparteien die AiP-Zeit dennoch als anrechnungsfähige Zeit vereinbaren wollten.

e) Soweit sich der Kläger im Übrigen darauf bezieht, dass die AiP-Zeit im Rahmen der Weiterbildungsordnungen berücksichtigt wird, kann dies nicht als überzeugendes Argument für eine zwingende Berücksichtigung der AiP-Zeit bei der Stufenzuordnung des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte herangezogen werden. Die Frage, ob und in welchem Umfang nach den Weiterbildungsverordnungen verschiedene Tätigkeiten und damit auch jene des Arztes im Praktikum auf die Facharztausbildung angerechnet werden, ist für das tarifliche Verständnis der ärztlichen Tätigkeit unerheblich. Insoweit ist das Tarifrecht von dem berufsständischen Kammerrecht zu trennen. Die Tarifvertragsparteien sind an bestimmte Regelungen und Begrifflichkeiten des Kammerrechts nicht gebunden.

f) Entgegen der Auffassung des Klägers wird mit einem solchen Verständnis der tariflichen Begriffe in § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL auch die Regelung des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärtze/TdL nicht in weiten Teilen inhaltsleer. Vielmehr finden sowohl § 16 Abs. 1 S. 1 Hbs. 2 TV-Ärzte/TdL als auch § 16 Abs. 1 S. 2 TV-Ärzte/TdL sinnvolle Anwendungsbereiche. § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL regelt in seinem 2. Halbsatz die Frage, unter welchen Voraussetzungen Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Dies sind die Tätigkeiten aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis als Arzt, also jene Tätigkeiten, die der Arzt als ärztliche Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber erbracht hat, der nicht unter den Tarifvertrag des TV-Ärzte/TdL fiel.

Bei einem solchen Verständnis des § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL verbleibt auch noch ein Anwendungsbereich für § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte. Nach dieser Vorschrift können Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit berücksichtigt werden. Die Tarifvertragsparteien haben ausgehend vom Wortlaut abgestellt auf Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit. Der Begriff der Berufserfahrung setzt zunächst eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Diese Berufserfahrung wiederum muss sich auf eine nichtärztliche Tätigkeit beziehen, also gerade auf eine Tätigkeit, die nicht von einem approbierten Arzt geleistet wird. Die Tarifvertragsparteien wollten mit dieser Regelung die Möglichkeit eröffnen, dass der Arbeitgeber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens prüft, nichtärztliche Tätigkeiten wie jene eines Biochemikers, Pharmazeuten, Physikers, Psychologen oder Apothekers zu berücksichtigen, weil diese möglicherweise arztverwandt sind und nützliche Kenntnisse und Erfahrungen für die Tätigkeit als Arzt oder Ärztin an einer Universitätsklinik mit sich bringen können. Es geht also gerade um Tätigkeiten außerhalb der ärztlichen Tätigkeit, die auf der Grundlage einer abgeschlossenen allgemein anerkannten Berufsausbildung erbracht werden und die förderlich sein können für die spätere Tätigkeit als Ärztin oder Arzt. In jedem Fall setzt die nichtärztliche Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte die Ausübung eines Berufes voraus. Im Gegensatz dazu ist die Tätigkeit als AiP keine berufliche Tätigkeit im Sinne des Tarifbegriffs "Berufserfahrung", sondern noch Ausbildung, wie auch die Begriffswahl "Arzt im Praktikum" zeigt. Während der Ausbildungszeit sammelt der Lernende noch keine "Berufserfahrung", sondern bereitet sich auf einen Beruf vor (LAG München Urteil v. 22.04.2008 - 7 Sa 18/08 -, zit. n. Juris, Rn. 48).

Eine solche Auslegung des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-/TdLÄrzte macht deutlich, dass die alternativen Regelungen des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL nicht leerlaufen, sondern sinnvoll nebeneinander bestehen können. Bei diesem Verständnis des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL ist allerdings einzuräumen, dass die Gliederung des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte nicht gelungen ist. Denn mit diesem Verständnis bezieht sich der § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL nach dem Doppelpunkt nur auf den zweiten Halbsatz, jedoch nicht auf den Satz 2. Der Satz 2 hätte daher eigentlich getrennt von dem Einleitungssatz des § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL formuliert werden müssen. Diese Erkenntnis zwingt jedoch nicht zu einem anderen Tarifverständnis. Denn schon der Wortlaut des § 16 Abs. 2 S. 1 Hbs. 1 TV-Ärzte/TdL mit der Formulierung "ärztlicher Tätigkeit" macht deutlich, dass sich die dortige Regelung nicht beziehen kann auf § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/TdL, weil dort gerade von "nichtärztlicher Tätigkeit" gesprochen wird. Der Regelungsgehalt ist verschieden. Im Übrigen ist auch ein Verständnis möglich, dass sich der 1. Halbsatz vor dem Doppelpunkt nur auf den 2. Halbsatz nach dem Doppelpunkt bezieht, jedoch nicht auf den weiteren durch einen Punkt vom Satz 1 getrennten Satz 2.

Demzufolge kann der Kläger nicht bereits mit Wirkung ab dem 01.01.2008 eine Vergütung nach EntgGr. Ä1 Stufe 5 gemäß §§ 12, 15 TV-Ärzte/TdL i. V. m. § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL beanspruchen. Die AiP-Zeiten sind bei der Stufeneinordnung nicht gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte/TdL zu berücksichtigen.

II. Die Tätigkeit als Arzt im Praktikum kann auch nicht als Zeit von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte berücksichtigt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem oben dargelegten unterschiedlichen Anwendungsbereich beider Regelungen des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte. § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte setzt Berufserfahrung voraus, also einen Berufsabschluss. Die Zeit des Arztes im Praktikum ist jedoch keine Zeit der Berufserfahrung, sondern eine solche der Ausbildung. Auch handelt es sich nicht um nichtärztliche Tätigkeit, sondern um ärztliche Tätigkeit im umgangssprachlichen Sinne, jedoch nicht um eine berücksichtigungsfähige ärztliche Tätigkeit im tarifrechtlichen Sinne. Mit anderen Worten: Ärztliche Tätigkeit im umgangssprachlichen Sinne, die nicht als ärztliche Tätigkeit im tariflichen Sinne von § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte erfasst wird, also die Tätigkeit des Arztes im Praktikum, kann nicht von § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte als Auffangtatbestand erfasst werden. Dies widerspricht aus den oben dargelegten Gründen bereits dem Wortlaut der Berufserfahrung. Zudem ist nichtärztliche Tätigkeit auch nicht eine "vorärztliche" Tätigkeit (so aber LAG Düsseldorf, Urteil v. 16.04.2008 - 12 Sa 2237/07 -, zit. n. Juris, Rn. 14). Die Tätigkeit eines Arztes im Praktikum wird nicht deshalb zur nichtärztlichen Tätigkeit, weil sie wegen ihres Ausbildungscharakters noch nicht den Tarifbegriff der ärztlichen Tätigkeit erfüllt. Sie bleibt umgangssprachlich dem Bereich der ärztlichen Tätigkeit zugeordnet, allerdings noch im Ausbildungsstadium. Damit wird sie aber nicht zur nichtärztlichen Tätigkeit, die andere Berufe außerhalb der ärztlichen Tätigkeit erfasst.

III. Auch das Verfassungsrecht gebietet nicht eine dahingehende Auslegung des § 16 Abs. 2 S. 1 beziehungsweise des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/TdL, dass die AiP-Zeiten bei der Stufenordnung berücksichtigt werden müssen. Der Kläger mag es als ungerecht empfinden, dass diese Zeiten bei der Stufenzuordnung keine Anwendung finden, obwohl er während seiner Tätigkeit als Arzt im Praktikum nach seiner Einschätzung ebenso wie ein Assistenzarzt gearbeitet hat und eingesetzt wurde. Entscheidend bleibt, dass die Tarifvertragsparteien sich nicht darauf verständigt haben, im Bereich des TV-Ärzte/TdL die Tätigkeit des Arztes im Praktikum zu berücksichtigen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Artikel 3 Abs. 1 GG folgt daraus nicht. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien Zeiten nach Abschluss einer Ausbildung anders bewerten als Zeiten vor Abschluss der Ausbildung, und zwar unabhängig davon, ob möglicherweise die Tätigkeit in der letzten Phase der Ausbildung identisch oder nahezu identisch ist mit jener nach Abschluss der Ausbildung. Insoweit liegen unterschiedliche Sachverhalte vor. Das Ende der Ausbildung, also beim Arzt die Erlangung der Approbation, ist ein sachlicher Grund, um Tätigkeiten mit Approbation anders zu beurteilen als Ausbildungstätigkeiten vor Erlangung der Approbation. Eine Überprüfung, ob die Tarifvertragsparteien auch die jeweils gerechteste oder zweckmäßigste Regelung getroffen haben, steht den Gerichten für Arbeitssachen nicht zu (vgl. dazu Rambach/Feldmann, ZTR 2008, Seite 86).

IV. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie Divergenz zu den Entscheidungen des LAG Rheinland-Pfalz vom 22.08.2008, Az. 9 Sa 114/08, sowie des LAG Sachsen-Anhalt vom 24.04.2008, Az. 9 Sa 475/07 E, zugelassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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