Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 539/03
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, KSchG


Vorschriften:

BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2
BetrVG § 75 Abs. 1
BGB § 612 a
KSchG § 1 a
1. Eine den Sozialplan ergänzende, am gleichen Tag geschlossene Betriebsvereinbarung, die weitere Ansprüche (hier: Qualifizierungsmaßnahme und zusätzliche Abfindung) der von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter zum Gegenstand hat, ist Bestandteil des nach § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG geschlossenen Sozialplans.

2. Der in § 75 Abs. 1 BetrVG statuierte Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, in einem Sozialplan die Zahlung einer Abfindung an entlassene Arbeitnehmer von einem Klageverzicht derselben abhängig zu machen (im Anschluss an: BAG, Urt. v. 20.12.1983 - 1 AZR 442/82 -, BAGE 44, 364).

3. Dieses Verknüpfungsverbot von Sozialplanabfindung und Klageverzicht gilt auch dann, wenn in einem Sozialplan lediglich die Zahlung eines Teils der Abfindung von einem Klageverzicht abhängig gemacht wird und der übrige Teil der Abfindung bedingungslos an gekündigte Mitarbeiter gezahlt wird.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 539/03

Verkündet am 20.04.2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 20.04.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht O. als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter R. als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter S. als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 18.09.2003, Az. 2 Ca 533/03, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Abfindungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung.

Der Kläger war seit dem 18.01.1994 als Maschineneinrichter für ein monatliches Bruttogehalt von 2.406,80 EUR bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte stellt Mobiltelefone her. Sie gehört einem Konzern mit mehreren Produktionsstätten weltweit an. Infolge eines Beschlusses der Konzernleitung im Herbst 2002 strukturierte die Beklagte ihre Produktion um. Durch die Umstellung verringerte sich der Personalbedarf. Für Einzelheiten der Umstrukturierung wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Flensburg verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Die Beklagte vereinbarte anlässlich der Betriebsänderung am 21.02.2003 mit dem Betriebsrat einen "Interessenausgleich und Sozialplan" (im Folgenden: BV "Sozialplan" Bl. 260 ff. d. GA.). Hierin sahen die Betriebsparteien unter Nr. VI eine Abfindung für diejenigen Arbeitnehmer vor, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt wurde. Am selben Tag, dem 21.02.2003, schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung (Outplacement, Abwicklungsvertrag)" (im Folgenden: BV "Outplacement"; Bl. 265 f. d. GA.). Nach deren Präambel sollten damit "ergänzend zu dem Interessenausgleich und Sozialplan vom 21.02.03 weitere Ansprüche betroffener Mitarbeiter (...) geregelt werden". Nach der Betriebsvereinbarung sollte Arbeitnehmern, die innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt des Kündigungsschreibens schriftlich gegenüber der Personalabteilung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichteten, ein "Gruppenoutplacementprogramm" oder eine Erhöhung der Abfindung um ein Brutto-Monatsgehalt gewährt werden.

Mit Schreiben vom 28.03.2003 kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 31.05.2003. Ausweislich der BV Sozialplan steht dem Kläger eine Abfindung in Höhe von rund EUR 13.000,00 zu.

Der Kläger hat am 08.04.2003 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Flensburg erhoben und beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 28.03.2003 ausgesprochene Kündigung nicht beendet wurde,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über die in Ziffer VI des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 21.02.3003 vorgesehene Abfindung hinaus einen weiteren Abfindungsbetrag in Höhe von 2.406,80 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der dortigen Bezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Mit Urteil vom 18.09.2003 hat das Arbeitsgericht Flensburg die Kündigungsschutzklage - zwischenzeitlich rechtskräftig - abgewiesen und die Beklagte gemäß dem Hilfsantrag zur Zahlung eines weiteren Abfindungsbetrags verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - soweit in der Berufungsinstanz von Belang - ausgeführt, der Abfindungsanspruch ergebe sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe die auf eine Kündigungsschutzklage verzichtenden Arbeitnehmer ohne rechtfertigenden sachlichen Grund gegenüber denjenigen, die auf den Kündigungsschutz verzichteten, ungleich behandelt. In der BV "Outplacement" liege kein sachlicher Grund. Diese Betriebsvereinbarung sei unwirksam, weil sie über die Befugnisse des Betriebsrats hinausreiche. Der Sozialplan diene dem Schutz der betroffenen Arbeitnehmer und nicht dazu, dem Unternehmer die geplante Betriebsänderung durch Verlagerung des Risikos von Rechtsfehlern noch zu erleichtern. Die Betriebsvereinbarung sei Teil des am 21.02.2003 abgeschlossenen Sozialplans. Dies ergebe sich aus der Bezeichnung als Ergänzung und daraus, dass typische Sozialplanleistungen geregelt würden. Auch außerhalb der Betriebsvereinbarung bestehe kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern mit Kündigungsschutzklage und solchen ohne. Der Wunsch der Beklagten nach frühzeitiger Rechtsklarheit reiche nicht aus, da er gegen den Grundgedanken des § 612a BGB verstoße. Die Herausnahme aus dem Regelungsbereich maßregele diejenigen Arbeitnehmer, die Kündigungsschutzklage erhöben. Dies sei, anders als bei individuellen Vereinbarungen über Abfindungen außerhalb eines Sozialplans, unzulässig, weil statt der Arbeitsvertragsparteien die Betriebsparteien verhandelten. Schließlich liege auch kein Vergleich als sachliche Rechtfertigung vor. Da der Kläger auf ein Gruppenoutplacement verzichtet habe, greife Ziffer 3.2. der Betriebsvereinbarung ein, wonach sich der Abfindungsbetrag nach dem Sozialplan um ein Brutto-Monatsgehalt erhöhe.

Gegen dieses ihr am 05.11.2003 zugestellte Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer am 03.12.2003 eingelegten und am 29.12.2003 begründeten Berufung.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie sieht die Betriebsvereinbarung nicht als Teil des Sozialplanes an, sondern als freiwillige zusätzliche Betriebsvereinbarung. Der Sozialplan genüge den gesetzlichen Anforderungen und enthalte selbst bereits einen hohen Abfindungsanspruch. Bei der darüber hinaus vereinbarten Betriebsvereinbarung sei die Regelungskompetenz des Betriebsrats weiter gewesen als bei dem Sozialplan, die Argumentation mit der beschränkten Regelungskompetenz greife daher vorliegend nicht ein.

Die Bedingung des Klageverzichts sei notwendig gewesen, um Planungssicherheit für die Organisation des Gruppenoutplacementprogramms zu gewinnen. Hierin liege die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Der neue § 1a KSchG zeige außerdem, dass der Gesetzgeber die Abhängigmachung einer Leistung von einem Klageverzicht billige.

§ 612a BetrVG sei nicht anwendbar. Im Übrigen könne auch ein sachlicher Grund eine Maßregelung rechtfertigen.

Auch dann, wenn die Bedingungsklausel unwirksam sei, fehle es für die weitere Abfindung an einer Anspruchsgrundlage, weil dann die gesamte Betriebsvereinbarung gemäß § 139 BGB nichtig sei. Wegen der formalen Trennung der Betriebsvereinbarung von dem "Interessenausgleich und Sozialplan" könne nicht auf den Parteiwillen geschlossen werden, dass die übrige Betriebsvereinbarung auch ohne die Abhängigkeit von dem Klageverzicht gelten solle.

Schließlich habe der Kläger die 7-Tages-Frist nach der Betriebsvereinbarung nicht eingehalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger meint, der "Interessenausgleich und Sozialplan" und die weitere Betriebsvereinbarung nähmen aufeinander Bezug und in beiden seien typische Sozialplanleistungen geregelt, so dass es auf die formale Trennung nicht ankommen könne. Anderenfalls sei auch eine Umgehung des Verbotes, eine Sozialplanleistung von einem Klageverzicht abhängig zu machen, möglich. Hinsichtlich der in § 1a KSchG genannten Möglichkeit, Abfindung und Klageverzicht zu verknüpfen, sei zwischen individualrechtlichen Vereinbarungen und kollektiven Regelungen zu unterscheiden. Individualrechtliche Vereinbarungen dieser Art seien auch schon vor Schaffung des § 1a KSchG möglich gewesen. Eine kollektivrechtliche Belohnung des Klageverzichts im Rahmen eines Sozialplans sei dagegen unzulässig. Für die Ungleichbehandlung von auf eine Klage verzichtenden und nicht verzichtenden Arbeitnehmern besteht nach Ansicht des Klägers keine Rechtfertigung. Planungssicherheit sei nämlich jedenfalls in Bezug auf die weitere Abfindungszahlung kein Grund. Die Verknüpfung von Abfindung und Klageverzicht verstoße schließlich gegen den Maßstab des § 612a BGB, da die zeitliche Reihenfolge von Rechtsausübung und Benachteiligung nicht maßgeblich sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht auf den Hilfsantrag des Klägers hin zur Zahlung einer zusätzlichen Abfindung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts, d.h. in Höhe von € 2.406,80, verurteilt. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

I.

Der Anspruch ergibt sich aus Nr. 3.2 i. V. m. Nr. 2 der BV "Outplacement" vom 21.02.2003. Nach Nr. 3.2 hat ein Mitarbeiter, der auf seinen Anspruch auf "Gruppenoutplacement" verzichtet, Anspruch auf ein Bruttomonatsgehalt zusätzlich zu der ihm nach dem "Interessenausgleich und Sozialplan" zustehenden Abfindung. Nach Nr. 2 Satz 1 haben Mitarbeiter derjenigen Gruppe, zu der der Kläger unstreitig gehört, Anspruch auf Gruppenoutplacement. Nr. 2 Satz 3 macht den Anspruch davon abhängig, "dass der Mitarbeiter innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt der Kündigungserklärung schriftlich auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet."

Der Kläger verzichtete auf die Teilnahme am Gruppenoutplacement. Auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtete er nicht. Dies schließt seinen Anspruch auf die Abfindung jedoch entgegen Nr. 2 Satz 3 nicht aus. Diese Regelung ist unwirksam.

1. Sie liegt außerhalb der Regelungskompetenz des Betriebsrates im Rahmen eines Sozialplans. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der sich die Kammer anschließt, überschreitet es die funktionelle Zuständigkeit des Betriebsrates, Sozialplanleistungen zu vereinbaren, die mit einem Verzicht des Arbeitnehmers auf Rechtsschutz gegen eine im Vollzug der Betriebsänderung ausgesprochene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses verknüpft sind (BAG, Urt. v. 20.12.1983, 1 AZR 442/82, BAGE 44, 364; BAG, Urt. v. 20.06.1985, 2 AZR 427/84, DB 1985, 2357; ebenso LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.09.1997, 8 Sa 77/97, zit. nach Juris). Der Sozialplan dient nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer Betriebsänderung entstehen. Es widerspräche diesem Sinn und Zweck des Sozialplans, wenn seine Leistungen ggf. auch von der Hinnahme rechtswidriger Maßnahmen des Arbeitgebers abhängig gemacht werden könnten. Eine "Bereinigungsfunktion" nach Art eines Vergleichs kommt dem Sozialplan bei Meinungsverschiedenheiten über die Rechtmäßigkeit der Kündigung gerade nicht zu (BAG, Urt. v. 20.12.1983, a. a. O.).

Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der BV "Outplacement", um einen Teil der am gleichen Tage abgeschlossenen BV "Sozialplan" handelt.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt dies auch aus dem Wortlaut der Präambel. Danach schlossen die Betriebsparteien "ergänzend" zu der BV "Sozialplan" weitere Ansprüche betroffener Mitarbeiter. Nach dem deutschen Sprachgebrauch bedeutet "ergänzen" "etwas vervollständigen, "Fehlendes zu etwas hinzufügen" (Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 2), "etwas ganz und voll machen" (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 3). "Ergänzen" setzt mithin immer etwas bereits Bestehendes voraus, welches vervollständigt wird. Insoweit weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Begriff "Ergänzung" ein Synonym für "Anhang", "Erweiterung", "Hinzufügung", "Komplettierung", "Nachtrag", "Zugabe" oder "Beifügung" darstellen kann. Dies schließt indessen nicht aus, dass es sich bei der BV "Outplacement" letztlich um einen ergänzten Teil der BV "Sozialplan" handelt, der nachträglich vereinbart worden ist. Vorliegend haben die Betriebsparteien in der Präambel auch nicht das Substantiv "Ergänzung" gebraucht, sondern das Partizip "ergänzend", d.h. als Mittelwort zum "Interessenausgleich und Sozialplan". Der BV "Outplacement" ist gerade nicht als eigenständige, vom Sozialplan losgelöste Betriebsvereinbarung geschlossen worden, sondern ergänzt, komplettiert, erweitert diesen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Präambel.

b) Entscheidend für die hier getroffene Auslegung spricht zudem, dass die BV "Outplacement" am selben Tag wie die BV "Sozialplan" als Ergebnis derselben Verhandlungen mit dem Betriebsrat abgeschlossen wurde, diese Verhandlungen ebenfalls die Abmilderung der sozialen Folgen der Betriebsänderung betrafen und dass auch die BV "Outplacement" typische Sozialplanleistungen regelt. Dieser Zusammenhang konnte durch eine formale Trennung nicht beseitigt werden. Die Anerkennung einer solchen Trennung würde im Übrigen, wie der Kläger richtig vorbringt, das Verbot der Kopplung von Abfindung und Klageverzicht aushebeln - evtl. rekursiv.

2. Auch unabhängig davon, ob die BV "Outplacement" Teil der BV "Sozialplan" ist, ist die Regelung in Nr. 2 Satz 3 unwirksam, denn sie verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, an den die Betriebspartner auch im Rahmen von einfachen Betriebsvereinbarungen gebunden sind (vgl. § 75 Abs. 1 BetrVG und hierzu Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 75, Rn. 13, 15). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, Gleiches willkürlich, d. h. ohne sachlichen Grund, ungleich zu behandeln.

a) Ein Arbeitnehmer, der erfolglos Kündigungsschutzklage erhebt, hat aufgrund der Betriebsänderung die gleichen sozialen und wirtschaftlichen Nachteile, wie derjenige, der von vornherein die Kündigung akzeptiert hat. Gerade diese mit der Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile sollen nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Sozialplanleistungen abmildern. Die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern nur anhand dessen, ob sie den Rechtsweg beschreiten, ist sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. BAG, Urt. v. 20.12.1983, a. a. O.).

b) Als sachliche Rechtfertigung genügt auch nicht der Wunsch der Beklagten, frühzeitig Rechtsklarheit zu haben. Denn dieser Differenzierungsgrund zielt auf eine vom Zweck des Sozialplans nicht umfasste "Bereinigung" ab. Sofern es der Beklagten um die Erleichterung der Organisation des Gruppenoutplacements ging, wäre es zum einen schon nicht nötig gewesen, die Abfindungszahlung an die Bedingung zu koppeln. Vor allem aber hätte die Beklagte die erforderliche Planungssicherheit auch dadurch erreichen können, dass sie das Outplacementprogramm zu einer von vornherein bestimmten Zeit stattfinden ließ und die Teilnahme von einer fristgemäßen Anmeldung hierzu abhängig machte. Die gekündigten Arbeitnehmer, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Kündigung hatten, hätten an dem Programm sodann unter einem entsprechenden Vorbehalt einstweilen teilnehmen können, etwa vergleichbar der nach § 2 S. 1 KSchG nur unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung.

Andere Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich.[JR1]

3. Ob die Verknüpfung von Klageverzicht und Sozialplanleistung gegen § 612 a BGB verstößt und eine entsprechende Bedingung nach § 134 BGB unwirksam ist, bedarf hier keiner Entscheidung mehr.

Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dem Rechtsgedanken des § 612 a BGB mag es widersprechen, an die Erhebung der Kündigungsschutzklage die Nichtgewährung eines anderenfalls gewährten Vorteils (Outplacement oder Abfindung) zu knüpfen (vgl. allgemein ErfK/Preis, 2. Aufl., § 612 a, Rn. 9 ff.). Dieser Gesichtspunkt mag andererseits, wie die Beklagte meint, nach Schaffung des neuen § 1 a KSchG in einem anderen Licht erscheinen, weil diese Vorschrift von der Zulässigkeit einer entsprechenden vertraglichen Verknüpfung ausgeht. [JR2]

§ 1a KSchG betrifft aber jedenfalls nur individualrechtliche Vereinbarungen. Die Vorschrift rechtfertigt nicht die kollektivrechtliche Ungleichbehandlung in einer Betriebsvereinbarung nach dem sachlich nicht gerechtfertigten Kriterium des Klageverzichts. Auf die Frage, ob bei dem kollektivrechtlichen, im Vorhinein ausgesprochenen Klageverzicht der im Ursprung ebenfalls individualrechtliche § 612 a BGB überhaupt zu beachten ist, kommt es dementsprechend nicht an.

Im Übrigen berührt weder § 612 a BGB noch § 1 a KSchG die Überschreitung der Regelungskompetenz des Betriebsrates. Mag auch ein Klageverzicht in einer vergleichsähnlichen Regelung mit einer Leistung verbunden werden dürfen, so kommt der kollektiven Regelung in einem (Teil-)Sozialplan eben keine solche Bereinigungsfunktion zu.

4. Entgegen der Ansicht der Beklagten ändert es für die Unwirksamkeit der Klausel nichts, dass vorliegend - anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht (BAGE 44, 364) entschiedenen Fall - nur ein Teil der Sozialplanleistungen vom Klageverzicht abhängig gemacht wurde. Die Beklagte beabsichtigte auch mit der nur teilweisen Verknüpfung eine "Bereinigung" hinsichtlich möglichst vieler Arbeitsverhältnisse. Eine Aufspaltung der Sozialplanleistungen in solche, zu denen der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, und solche, die er "freiwillig" darüber hinaus gewährt und die er dementsprechend auch an Bedingungen knüpfen kann, ist nicht möglich. Es gibt keine gesetzlich festgelegte Mindestleistung im Rahmen des Sozialplanes, die es erlaubte, eine darüber hinaus versprochene Leistung als "freiwillige" Zusatzleistung anzusehen. Die Sozialplanleistungen werden vielmehr zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelt, und das Verhandlungsergebnis stellt sodann dasjenige dar, zu dem der Arbeitgeber verpflichtet ist. Die Argumentation der Beklagten, sie hätte auf die BV "Outplacement" auch ganz verzichten können, trägt nicht. Auch die BV "Outplacement" ist nicht ein einseitiges, freiwilliges Angebot der Beklagten gleich einem Geschenk, sondern das Ergebnis einer ausgehandelten Einigung mit dem Betriebsrat.

Wäre eine Aufspaltung im Sinn der Argumentation der Beklagten möglich, könnten die Betriebspartner infolgedessen eine sehr geringe Sozialplanleistung/Abfindung unbedingt in einem "Hauptsozialplan" vereinbaren und eine höhere Sozialplanleistung/Abfindung unter der Bedingung eines Klageverzichts in einer Zusatzvereinbarung regeln. Dies würde dem Sinn und Zweck des Sozialplanes im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 44, 364), der sich die Kammer anschließt, zuwiderlaufen.

5. Die Rechtsunwirksamkeit der Nr. 2 Satz 3 der Betriebsvereinbarung erfasst nicht gemäß § 139 BGB die gesamte BV "Outplacement". Die Teilnichtigkeit einer Betriebsvereinbarung führt dann nicht zu ihrer Unwirksamkeit im Ganzen, wenn die Betriebsvereinbarung auch ohne die unwirksamen Bestimmungen noch eine in sich geschlossene und sinnvolle Regelung enthält. Dies folgt aus dem Normencharakter der Betriebsvereinbarung, der es gebietet, im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit einer gesetzten Ordnung diese aufrechtzuerhalten, wenn und soweit sie auch ohne den unwirksamen Teil ihre ordnende Funktion noch entfalten kann (BAG, Urt. v. 20.12.1983, BAGE 44, 364, m. w. N.).

Eine in sich geschlossene und sinnvolle Regelung enthält die Betriebsvereinbarung auch ohne die Bedingungsklausel, denn der Schwerpunkt der Regelung liegt darauf, den Arbeitnehmern aufgrund einer Betriebsänderung einen Anspruch auf Gruppenoutplacement oder eine weitere Abfindung zu geben. Dies ist auch bei Nichtigkeit der Bedingungsklausel gegeben. Der Klageverzicht war keine derart wichtige Gegenleistung der Arbeitnehmer, dass die Betriebsvereinbarung ohne ihn einen vollkommen anderen Sinn ergäbe. Der Leistungsumfang bleibt derselbe (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BAG, Beschl. v. 25.01.2000, AP Nr. 137 zu § 112 BetrVG 1972), denn es muss davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ohnehin nur solche betriebsbedingten Kündigungen aussprechen wollte, die sozial gerechtfertigt waren und einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten hätten. Dann aber - wenn die Klausel nicht dem verbotenen "Abkauf des Kündigungsschutzes" (BAGE 44, 364) dienen sollte - erschöpfte sie sich in organisatorischer Bedeutung, so dass ihre Nichtigkeit nicht die Gesamtnichtigkeit der Betriebsvereinbarung nach sich ziehen muss.

Die formale Trennung führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dazu, dass der abgetrennte und als BV "Outplacement" bezeichnete Teil des Sozialplans vollständig nichtig sein müsste. Für die Regelannahme der Vollnichtigkeit ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine pflichtige Betriebsvereinbarung oder eine freiwillige handelt. Auch für freiwillige Betriebsvereinbarungen gilt, dass sie entgegen § 139 BGB in der Regel nur teilunwirksam sind.

Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die 7-Tage-Frist nach Nr. 2 der BV "Outplacement" nicht einhielt. Denn diese Frist galt für den Klageverzicht. Sie war gegenstandslos, weil die Abhängigmachung von einem Klageverzicht unwirksam war.

II.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Kammer hat die Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Aus ihrer Sicht greift der dem Urteil des BAG vom 20.12.1983 zugrunde liegende Gesichtspunkt einer Überschreitung der Regelungskompetenz unabhängig davon, ob alle Sozialplanleistungen oder nur ein Teil von ihnen unter die Bedingung des Klageverzichts gestellt werden. Über die hier gegebene letztgenannte Fallgestaltung ist allerdings höchstrichterlich, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten wird die von ihr gewählte Regelungstechnik in vielen vergleichbaren Fällen gewählt (Bl. 334 d. GA.).

Ende der Entscheidung

Zurück