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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 91/09
Rechtsgebiete: TV-V


Vorschriften:

TV-V § 5 Abs. 2 Satz 2
§ 5 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-V (Tarifvertrag Versorgungsbetriebe) kann nicht entnommen werden, dass bei der Höhergruppierung der Beschäftigte in die Stufe eingeordnet wird, aus der er höhergruppiert wird. Weder der Wortlaut der Tarifnorm noch deren Auslegung führen dazu, dass im Falle der Höhergruppierung etwaige Stufenvorlaufzeiten bei der Stufenzuordnung zugunsten des Arbeitnehmers zwingend zu berücksichtigen sind.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 91/09

Verkündet am 23.06.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 23.06.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21.01.2009, Az.: öD 4 Ca 2892 b/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung und sich hieraus ergebende Zahlungsansprüche.

Die am ...1976 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit Juli 1997 zunächst als Sachbearbeiterin und seit dem 01.12.2006 als Controllerin beschäftigt. Der letzte maßgebliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 24.11.2005 (Bl. 6 f. d. A.) enthält u.a. folgende Regelung:

"Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) sowie die zusätzlich abgeschlossenen und noch abzuschließenden oder ersetzenden Tarifverträge oder Vereinbarungen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung Anwendung.

...

Entsprechend der auszuübenden Tätigkeit wird die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 b der Anlage A 1 zum Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in der Fassung des ,Tarifvertrages für Angestellte in Versorgungsbetrieben vom 25.04.1991' vereinbart."

Mit Wirkung ab dem 01.04.2006 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin in den neuen Tarifvertrag für rechtlich selbständige Versorgungsbetriebe (TV-V) übergeleitet. § 5 Abs. 2 des TV-V lautet wie folgt:

§ 5 Eingruppierung

(1) ...

(2) Die Entgeltgruppen 2 bis 15 sind in sechs Stufen aufgeteilt. Beginnend mit der Stufe 1 erreicht der Arbeitnehmer die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 4) nach folgenden Zeiten:

Stufe 2 nach zwei Jahren in Stufe 1, Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2, Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3, Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4, Stufe 6 nach vier Jahren in Stufe 5.

Förderliche Zeiten können für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. Bei Leistungen, die erheblich über dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in den Stufen verkürzt werden. Bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in jeder Stufe einmal bis zur Hälfte verlängert werden. Für Beschwerdefälle ist die betriebliche Kommission (§ 6 Abs. 5 mit dem entsprechenden Verfahren) zuständig.

(3) ..."

Mit Wirkung ab dem 01.04.2006 wurde die Klägerin nach der Überleitungsvorschrift des § 22 TV-V zutreffend in EntgGr. 8 Stufe 1 TV-V eingruppiert. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin bei unveränderter Beibehaltung der Sachbearbeitertätigkeit die Stufe 2 der EntgGr. 8 TV-V nach einer Laufzeit von zwei Jahren in der Stufe 1 erreicht hätte, mithin ab dem 01.04.2008.

Am 22.09.2006 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag mit u.a. folgendem Inhalt (Bl. 10 d. A.):

"Frau B... wird mit Wirkung vom 01.12.2006 entsprechend der in dem Bereich Controlling auszuübenden Tätigkeit als Controllerin in die Entgeltgruppe 10 der Anlage 1 zum TV-V (§ 5 Abs. 1 TV-V) eingestuft.

Im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Vereinbarungen."

Mit Schreiben vom 16.07.2008 forderte die Klägerin die Beklagte auf, sie rückwirkend zum 01.04.2008 in die korrekte Stufe 2 der EntGr. 10 einzustufen und eine entsprechende Nachberechnung vorzunehmen (Bl. 11 f. d. A.). Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.07.2008 ab (Bl. 13 f. d. A.). Seit dem 01.12.2008 bezieht die Klägerin Vergütung nach der EntgGr. 10 Stufe 2 TV-V.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten,

dass sie bereits ab dem 01.04.2008 die Stufe 2 der EntgGr. 10 TV-V erreicht habe. Denn für den Verbleib in der jeweiligen Stufe sei allein die Betriebszugehörigkeit gemäß § 4 TV-V maßgeblich. Unstreitig habe sie ab dem 01.04.2008 bei der Beklagten eine Betriebszugehörigkeit von zwei Jahren zurückgelegt und sie hätte ohne Höhergruppierung unstreitig ab dem 01.04.2008 die 2. Stufe erreicht. Nichts anderes könne bei einer Höhergruppierung während der Laufzeit einer Stufe gelten. Auch bei Höhergruppierung während der Laufzeit einer Stufe müsse die Stufenvorlaufzeit in einer anderen Entgeltgruppe angerechnet werden. Eine anders lautende Regelung wie etwa in § 17 TV-L hätten die hiesigen Tarifvertragsparteien nicht vereinbart. Würde die Stufenlaufzeit im Falle der Höhergruppierung stets von neuem bei Stufe 1 beginnen, würde dies in Einzelfällen zu nicht gewollten Ungerechtigkeiten führen. Dies sei immer dann der Fall, wenn nach der Monatsentgelttabelle des TV-V der Wert der nächsthöheren Stufe der gleichen Entgeltgruppe höher sei als der Wert der gleichen Stufe nach Höhergruppierung um eine Entgeltgruppe. So entspreche die EntgGr. 10 Stufe 3 einem Monatsgehalt von € 3.431,92 brutto und die EntgGr. 11 Stufe 2 lediglich einem Monatsgehalt von € 3.389,85 brutto. Da der TV-V bezüglich der Stufenlaufzeit nach Höhergruppierungen eine Lücke beinhalte, sei dieser so zu ergänzen, wie es dem mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien entspreche. Offenkundiger Wille der Tarifvertragsparteien sei jedoch, den Betroffenen mit der Übertragung höherer Verantwortung auch einen Anspruch auf höheres Gehalt zu gewähren. Für die Zeit ab dem 01.04.2008 bis einschließlich 30.09.2008 stehe ihr mithin eine zusätzliche Vergütung in Höhe des monatlichen Differenzbetrages zwischen der Vergütung nach EntgGr. 10 Stufe 1 und EntgGr. 10 Stufe 2 (€ 276,47 brutto) zu, d.h. insgesamt € 1.658,82.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie seit dem 01.04.2008 in die Stufe 2 der Entgeltgruppe 10 TV-V eingruppiert ist und

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.658,82 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 05.11.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten,

dass im Falle einer Höhergruppierung die Stufenlaufzeit erneut beginne. Eine Anrechnung der Stufendauer in einer höheren Entgeltgruppe finde nicht statt und sei im TV-V auch nicht vorgesehen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-V. Es komme dort durch die Formulierung "innerhalb seiner Entgeltgruppe" zum Ausdruck. Diese orientiere sich gemäß § 5 Abs. 1 TV-V an einer regelmäßig auszuübenden Tätigkeit des Arbeitnehmers. Ändere sich nun, wie im Falle der Klägerin, beim Arbeitgeber die Tätigkeit des Arbeitnehmers, ändere sich auch "seine Entgeltgruppe", die für die Frage der Stufenlaufzeit zugrunde zu legen sei, mit der Folge, dass die Laufzeit wieder bei "null" beginne. Die Tarifvertragsparteien hätten bewusst dem Arbeitgeber Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung einzelner Regelungen eingeräumt. Hierfür spreche insbesondere die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V, nach der förderliche Zeiten bei der Stufenzuordnung berücksichtigt werden könnten. Da § 5 Abs. 2 Satz 3 TV-V im Gegensatz zu Regelungen anderer Tarifverträge nicht allein auf Neueinstellungen abstelle, könne der Arbeitgeber auch bei der Höhergruppierung entscheiden, ob Zeiten in der niedrigeren Entgeltgruppe als "förderliche Zeiten" für die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe berücksichtigt werden könnten. Diese Entscheidung treffe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen. Im Falle der Klägerin sei das Ermessen dahingehend ausgeübt worden, bereits in der Stufe 1 erdiente Zeiten nicht als förderlich im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 TV-V zu berücksichtigen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, wie er in der ersten Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.01.2009 abgewiesen. Die Höherstufung von Stufe 1 zu Stufe 2 der EntgGr. 10 erfolgte nicht zum 01.04.2008, sondern erst zum 01.12.2008. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin die nach § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V erforderlichen zwei Jahre in Stufe 1 zum Aufstieg in Stufe 2 erfüllt. Eine Anrechnung der Stufenlaufzeit, die die Klägerin bereits in der EntgGr. 8 erworben hatte, finde im Zuge der Höhergruppierung zu EntgGr. 10 nicht statt. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V. Mit der Formulierung "innerhalb seiner Entgeltgruppe" hätten die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass auch nur die in der jeweiligen Entgeltgruppe erdienten Zeiten für die Stufenlaufzeit Berücksichtigung finden sollten. Hierfür spreche auch § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V, wonach förderliche Zeiten für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden könnten. Demzufolge hätten die Tarifvertragsparteien das Problem der Stufenvorlaufzeiten in anderen Entgeltgruppen offensichtlich gesehen und die Möglichkeit geschaffen, nach Ermessen des Arbeitgebers solche Zeiten nicht nur bei der Neueinstellung, sondern auch bei der Höhergruppierung anzurechnen. Im Umkehrschluss folge daraus, dass es keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Anerkennung der Stufenvorlaufzeiten einer anderen Entgeltgruppe gebe. Dieses Ergebnis sei auch nicht schlechthin unbillig, da durch § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V zumindest die Möglichkeit für eine Anerkennung geschaffen worden sei. Im Extremfall könne die Höhergruppierung und der damit verbundene Rückfall auf die Eingangsstufe 1 dazu führen, dass der Arbeitnehmer Einkommenseinbußen hinnehmen müsse, weil er aufgrund der höheren Stufe seiner vorherigen, niedrigeren Entgeltgruppe ein höheres Monatsentgelt bezogen habe als nach der Höhergruppierung. Dies allein rechtfertige indessen nicht - entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V - die Anerkennung der Stufenvorlaufzeiten. Gegen den Willen der Tarifvertragsparteien, eine Anrechnung der Stufenvorlaufzeiten außerhalb von § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V ermöglichen zu wollen, spreche auch der erkennbare Bewährungsaspekt der Stufenregelung. Eine Anrechnung der Stufenvorlaufzeiten komme nur nach einer entsprechenden Ermessensentscheidung des Arbeitgebers nach § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V in Betracht. In Anbetracht des Umstands, dass mit der neuen Eingruppierung der Klägerin deren Tätigkeit erheblich aufgewertet worden sei, sei die Entscheidung der Beklagten, von einer Anrechnung der Stufenvorlaufzeiten abzusehen, nicht unbillig. Schließlich sprächen andere tarifliche Regelungen, etwa § 17 TV-L, dafür, dass den Tarifvertragsparteien die Problematik durchaus bekannt gewesen sei.

Gegen dieses ihr am 20.02.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.03.2009 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 17.04.2009 begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft

ihre erstinstanzliche Argumentation. Das Arbeitsgericht habe bei der Auslegung des § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V den Einschub "unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 4)" nicht ausreichend berücksichtigt. Der Verweis auf die Betriebszugehörigkeit bedinge, dass die Beschäftigten mit Beginn ihrer Tätigkeit in der Stufe 1 nach zwei Jahren in die Stufe 2, nach drei Jahren in die Stufe 3, nach vier Jahren in die Stufe 4 und nach 5 Jahren in die Stufe 5 kämen. Würde man den Beginn der Stufenlaufzeiten mit dem Beginn der Tätigkeit in einer neuen Entgeltgruppe verbinden, mache die Bezugnahme auf die Betriebszugehörigkeit in § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V keinen Sinn. Auch befinde sich ein Beschäftigter entsprechend der jeweils ausgeübten Tätigkeit immer "innerhalb seiner Entgeltgruppe". Durch die Anrechnung der Stufenvorlaufzeiten im Falle der Höhergruppierung komme es auch nicht zu den nicht gewollten Unbilligkeiten einer im Extremfall möglichen geringeren Vergütung. Sinn und Zweck der Stufenregelung sei es, dass die Stufe 6 planmäßig in 15 Jahren erreicht werde unabhängig von Höhergruppierungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck - Az. Ö.D. 4 Ca 2892 b/08 - vom 21.01.2009 - zugestellt am 20.02.2009 abzuändern und

1. festzustellen, dass sie seit dem 01.04.2008 in die Stufe 2 der Entgeltgruppe 10 TV-V eingruppiert ist und

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 1.658,82 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 05.11.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt

das angefochtene Urteil. Wie das Arbeitsgericht richtig festgestellt habe, sei mit der Formulierung "innerhalb seiner Entgeltgruppe" deutlich gemacht, dass die Stufenlaufzeiten sich allein und ausschließlich auf die Dauer der jeweils ausgeübten eingruppierungsrelevanten Tätigkeiten beziehe. Der Hinweis auf die Betriebszugehörigkeit stelle dabei den Bezug zur Notwendigkeit eines Arbeitsverhältnisses zum jeweiligen Arbeitgeber her. Durch die Eingruppierungsregelungen des TV-V sollte das im öffentlichen Dienst vorherrschende Alimentationsprinzip durch ein Leistungsprinzip abgelöst werden. Dies beinhalte insbesondere, dass ein Mehrverdienst nicht allein durch Älterwerden in Lebensaltersstufen möglich sein sollte. An die Stelle der Lebensaltersstufen sei der Leistungsgedanke getreten, dass ein Mehrverdienst nur durch höhere Berufserfahrung und den damit angenommenen Mehrwert der Tätigkeit für den Arbeitgeber erzielt werden könne. Dies decke sich auch durch die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V, wonach förderliche Zeiten auch bei der Stufenzuordnung berücksichtigt werden könnten. Förderliche Zeiten seien nicht nur solche Zeiten, die außerhalb des Betriebs erworben wurden. Die Anrechnungsvorschrift des § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V sei weitergehend als die Nachfolgevorschrift des § 16 Abs. 2 S. 3 TVöD, der nur eine Anrechnung bei Neueinstellungen vorsehe. Als Vorgängerregelung sei der TV-V in vielen Bereichen ohne Änderung in den TVöD eingeflossen. Der Bereich der Eingruppierung sei jedoch wesentlich dezidierter ausgestaltet worden. Auch hier lasse sich die Abkehr vom Alimentationsprinzip des BAT/BMT-G erkennen. Im Unterschied zum TV-V sei jedoch das Maß des Rückfallens in der oberen Entgeltgruppe beschränkt, beginne aber in der höheren Entgeltgruppe hinsichtlich des Erreichens der nächsthöheren Stufe wieder bei "null" zu laufen. Insofern sei der TVöD eine Weiterentwicklung des TV-V, aus der sich der wahre Wille der Tarifvertragsparteien erkennen lasse. Die entgegengesetzte Auslegung der Klägerin lasse sich aus dem Ablauf der Tarifhistorie nur dann begründen, wenn der TV-V nach Abschluss des TVöD den dort ausformulierten Bewährungsgedanken nicht mit übernommen hätte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 23.06.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung jedoch keinen Erfolg, sie ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Feststellungsantrag ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig und als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (I.), aber unbegründet (II.). Demzufolge hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf rückständige Vergütung für die Monate April bis November 2008 in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen der gezahlten Vergütung nach EntgGr. 10 Stufe 1 und der geforderten Vergütung nach EntgGr. 10 Stufe 2. (III.).

I. Der Feststellungsantrag ist in der gestellten Form unzulässig, da er nicht auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO) gerichtet ist, sondern auf das Bestehen einer (Rechts-)Tatsache. Indessen ist der Feststellungsantrag im Wege der Auslegung dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet, sie mit Wirkung ab dem 01.04.2008 nach der EntgGr. 10 Stufe 2 TV-V zu vergüten. Das dahin zielende Feststellungsbegehren ergibt sich nicht zuletzt aus dem Zahlungsantrag zu Ziff. 2. Bei dem so verstandenen Feststellungsantrag handelt es sich um eine für den öffentlichen Dienst allgemein anerkannte und zulässige Eingruppierungsfeststellungsklage. Eine solche Klage ist nicht nur innerhalb des öffentlichen Dienstes, sondern auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich, gegen ihre Zulässigkeit bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken (vgl. BAG, Urteil vom 14.06.1995 - 4 AZR 259/94 -, AP Nr. 7 zu § 12 AVR Caritasverband; BAG, Urteil vom 10.12.1997 - 4 AZR 221/96 -, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 31.07.2002 - 4 AZR 163/01 -, AP Nr. 292 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt auch aus § 256 Abs. 2 ZPO. Da die Klägerin zugleich Zahlungsklage in Höhe des Differenzbetrages zwischen der Vergütung nach EntgGr. 10 Stufe 1 und derjenigen nach EntgGr. 10 Stufe 2 erhoben hat, ist der (auszulegende) Eingruppierungsfeststellungsantrag als Zwischenfeststellungsklage zulässig.

II. Die Eingruppierungsfeststellungsklage ist indessen unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin bereits mit Wirkung ab dem 01.04.2008 ein Gehalt der EntgGr. 10 Stufe 2 zu zahlen. Der von der Klägerin reklamierte Anspruch auf Vergütung nach EntgGr. 10 Stufe 2 ergibt sich nicht aus dem Änderungsvertrag vom 22.09.2006 i. V. m. § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V. Im Änderungsvertrag selbst haben die Parteien keine Regelung über die Stufenzuordnung getroffen, sondern nur vereinbart, dass die Klägerin mit der Zuweisung der Tätigkeit einer Controllerin mit Wirkung ab dem 01.12.2006 in die EntgGr. 10 eingestuft wird. Die zutreffende Stufenzuordnung folgt mithin den tariflichen Regelungen.

1. Nach § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V erreicht der Arbeitnehmer beginnend mit der Stufe 1 "die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 4) nach folgenden Zeiten: Stufe 2 nach zwei Jahren in Stufe 1, Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2, ...". Die Tarifnorm selbst enthält keine ausdrückliche Regelung, wie im Falle der Höhergruppierung die Stufenzuordnung vorgenommen werden soll. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann § 5 Abs. 2 S. 2 und S. 3 TV-V nicht entnommen werden, dass bei der Höhergruppierung der Beschäftigte in die Stufe eingeordnet wird, aus der er höhergruppiert wird (a. A.: Herzberg/Schaum, Praxishandbuch zur Einführung und Anwendung des TV-V, Kapitel B, Rn. 18). Weder der Wortlaut der Tarifnorm noch deren Auslegung führen dazu, dass im Falle der Höhergruppierung etwaige Stufenvorlaufzeiten bei der Stufenzuordnung zugunsten des Arbeitnehmers zwingend zu berücksichtigen sind.

2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dem die Kammer uneingeschränkt folgt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG Urt. v. 30.05.2001 - 4 AZR 269/00 -, BAGE 98, 35 m.w.N.; BAG Urt. v. 07.07.2004 - 4 AZR 433/03 -, BAGE 111, 204, 209; BAG Urt. v. 18.04.2007 - 4 AZR 661/05 -, zit. n. Juris).

3. Hieran gemessen ergibt die Auslegung des § 5 Abs. 2 TV-V, dass sowohl bei der Neueinstellung als auch im Falle der Höhergruppierung zum Erreichen der nächsthöheren Stufe keine Anrechnung etwaiger Stufenvorlaufzeiten in der niedrigeren Entgeltgruppe stattfindet. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob im Falle der Höhergruppierung die bereits erreichte Stufe in der niedrigeren Entgeltgruppe "mitgenommen" wird, da die Klägerin am 30.11.2006 in der Stufe 1 der EntgGr. 8 TV-V eingruppiert war und mit Wirkung ab dem 01.12.2006 nach EntgGr. 10 Stufe 1 TV-V höhergruppiert wurde. Durch die Höhergruppierung hat sich die Stufenzuordnung am 01.12.2006 gerade nicht geändert. Streitig ist lediglich, ob die zweijährige Stufenlaufzeit zum Erreichen der Stufe 2 vom Zeitpunkt der Höhergruppierung an (01.12.2006) von neuem zu laufen begonnen hat oder ob die Stufenvorlaufzeit in der EntgGr. 8 TV-V anzurechnen ist (01.04. bis 30.11.2006).

a) Bereits der Wortlaut von § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V spricht gegen eine derartige Anrechnung der Stufenvorlaufzeit. Der in § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V vorgesehene Stufenaufbau bezieht sich auf die jeweilige Entgeltgruppe und nicht auf das Überleitungs- oder Einstellungsdatum. Dies folgt aus der Formulierung "Beginnend mit der Stufe 1 ... innerhalb seiner Entgeltgruppe". Mit dieser Wortwahl haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass nur die in der jeweiligen Entgeltgruppe zurückgelegten Zeiten für die Stufenlaufzeiten Berücksichtigung finden sollen.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt auch nicht etwas anderes aus dem Einschub "unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 4)". § 4 TV-V bestimmt, dass die Betriebszugehörigkeit die bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit ist. Durch die Bezugnahme des § 4 TV-V in § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V wollten die Tarifvertragsparteien sicherstellen, dass für die Stufenzuordnung nur die Betriebszugehörigkeitszeiten i. S. v. § 4 TV-V Berücksichtigung finden sollen, d. h. nur die Betriebszugehörigkeit beim jeweiligen Arbeitgeber. Der Einschub bedingt mithin, dass die Stufenzuordnung nur Arbeitgeber bezogen erfolgt. Auch bei einem Wechsel des Arbeitnehmers von einem Versorgungsunternehmen in ein anderes Versorgungsunternehmen, auf die beide der TV-V Anwendung findet, bleiben bei der Neueinstellung die beim vorangegangenen Arbeitgeber "erworbenen" Stufenvorlaufzeiten bei der Stufenzuordnung außer Ansatz. Bei einem derartigen Wechsel verliert mithin der Arbeitnehmer die im vorherigen Arbeitsverhältnis bei einem anderen Versorgungsbetrieb erworbene Stufe und beginnt innerhalb seiner Entgeltgruppe wieder bei Stufe 1, sofern nicht eine Berücksichtigung der Stufenvorlaufzeiten nach § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V in Betracht kommt.

c) Auch die systematische Auslegung des § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V spricht dafür, dass auch im Falle der Höhergruppierung die Stufenvorlaufzeiten in der niedrigeren Entgeltgruppe keine Berücksichtigung finden. Der Arbeitnehmer nimmt "seine" bereits erworbene Stufe im Falle der Höhergruppierung mithin nicht automatisch mit. Für die sich hieraus etwaig ergebenden Ungerechtigkeiten - wie sie die Klägerin beispielhaft aufgeführt hat - haben die Tarifvertragsparteien eine Korrekturmöglichkeit in § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V statuiert. Danach können "förderliche Zeiten" für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. Die Anrechnungsmöglichkeit förderlicher Zeiten bei der Stufenzuordnung ist nicht auf die Neueinstellung beschränkt. Eine derartige Einschränkung ist der Tarifnorm nicht zu entnehmen. Die Höhergruppierung kommt nach der Tarifsystematik des § 5 Abs. 1 TV-V i. V. m. mit der Anlage 1 zum TV-V ohnedies nur bei der gleichzeitigen Zuweisung höherwertiger Tätigkeiten und nicht mehr - wie nach den Vergütungsordnungen des BAT/BMT-G noch möglich - auch allein durch Bewährungsaufstieg in Betracht. Damit setzt die Höhergruppierung mithin regelmäßig den Abschluss eines Änderungsvertrages - wie auch im vorliegenden Falle geschehen - voraus. Der Abschluss eines Änderungsvertrages ist der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, mithin mit einer Neueinstellung (bei demselben Arbeitgeber) vergleichbar. Demzufolge gilt die Anrechnungsmöglichkeit von Stufenvorlaufzeiten als "förderliche Zeiten" auch für den Fall der Höhergruppierung. Zwar ist es richtig, dass anlässlich einer Höhergruppierung der Rückfall auf die Eingangsstufe 1 im Extremfall sogar dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer in der höheren Entgeltgruppe weniger verdient als zuvor. Indessen bietet gerade § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V die Möglichkeit, diese Unbilligkeiten aufzufangen, indem Stufenvorlaufzeiten im Einzelfall bei der Höhergruppierung angerechnet werden können.

d) Auch der Umstand, dass der TV-V seit dessen Abschluss am 05.10.2000 bereits seine vierte Änderung - die letzte aufgrund des 4. Änderungsvertrages vom 31.03.2008 - erfahren hat, ohne dass die Tarifvertragsparteien § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V geändert haben, spricht für die hier am Wortlaut präferierte Auslegung. Die Tarifvertragsparteien haben gerade nicht klargestellt, dass - entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V - die Stufenzuordnung unter Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber nur einmal, nämlich bei der Überführung vom BAT/BMT-G in den TV-V bzw. der erstmaligen Neueinstellung beim jeweiligen Arbeitgeber, mit der Stufe 1 beginnt, sodass der Arbeitnehmer ungeachtet etwaiger Höhergruppierungen in jedem Falle nach Ablauf von 15 Beschäftigungsjahren die Stufe 6 erreicht. Hierzu hätte aber angesichts der in den Bundesländern unterschiedlichen Handhabung der Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen nach dem TV-V und der anderslautenden Vorschrift zur Stufenzuordnung in § 17 Abs. 4 TVöD-AT Anlass bestanden. In der letztgenannten Tarifnorm haben die dortigen Tarifvertragsparteien für den Fall der Höhergruppierung für die Stufenzuordnung bestimmt, dass die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet werden, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten. Auch diese Tarifnorm sieht keine vollständige Anrechnung der bisher erworbenen Stufe im Falle der Höhergruppierung vor, wie es die Klägerin vorliegend für sich in Anspruch nimmt. Anders als das bis zum 30.09.2005 geltende Tarifrecht kennt der TVöD keine automatisch fortlaufenden Lebensaltersoder Lohnstufen, die bei der Höhergruppierung "mitgenommen" werden. Die Stufenzuordnung bei Höhergruppierung erfolgt nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes vielmehr betragsmäßig, d.h. durch die konkrete Stufenzuordnung wird das bisherige Gehalt garantiert (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TVöD, Rn. 36 zu § 17 TVöD-AT; Breier/Dassau/ Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Rn. 71 zu § 17 TVöD-AT). Die in § 17 Abs. 4 TVöD-AT somit enthaltene Besitzstandsregelung für den Fall der Höhergruppierung war notwendig, da entgegen § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V die Anrechnung von förderlichen Stufenvorlaufzeiten nach § 16 (VKA) Abs. 2 und 2a TVöD-AT ausdrücklich und ausschließlich auf den Fall der Einstellung beschränkt ist. Da § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V indessen eine derartige Beschränkung nicht enthält, sodass auch im Falle der Höhergruppierung "förderliche Zeiten" für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden können, bedurfte es auch keiner ausdrücklichen Besitzstandsregelung wie in § 17 Abs. 4 TVöD-AT. Die Versorgungsbetriebe, die dem TV-V unterliegen, können mithin im Falle einer Höhergruppierung entscheiden, ob die in der niedrigeren Entgeltgruppe erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Falle der Zuweisung höherwertiger Tätigkeiten und der sich daraus ergebenden Höhergruppierung weiterhin von Nutzen sind, sodass eine vollständige oder teilweise Anrechnung der Stufenvorlaufzeiten in Betracht kommt.

d) Auch die teleologische Auslegung spricht gegen eine generelle Anrechnung von Stufenvorlaufzeiten im Falle der Höhergruppierung. Die Stufenregelung nach § 5 Abs. 2 TV-V ist vergleichbar mit dem Bewährungsaufstieg nach der Vergütungsordnung des BAT/BMT-G. Die Stufen sind nicht nach dem Lebensalter gestaffelt, sondern nach dem Dienstalter in der jeweiligen Entgeltgruppe. Damit tragen die Stufenlaufzeiten dem Bewährungsaspekt Rechnung. Mit zunehmender Dauer der ausgeübten und damit eingruppierungsrelevanten Tätigkeit erwirbt der Arbeitnehmer regelmäßig Routine und Erfahrungen, die dem Arbeitgeber nützlich sind. Diesem Bewährungsaspekt in der jeweiligen Entgeltgruppe tragen die Stufen Rechnung. Ändert sich indessen die ausgeübte Tätigkeit durch Zuweisung höherwertiger Aufgaben, folgt daraus nicht zwingend, dass die zuvor erworbene Berufungserfahrung auch für die höherwertige Tätigkeit in gleichem Maße von Nutzen ist. Insoweit besteht gerade keine zwingende Notwendigkeit, dass bei der Höhergruppierung der Beschäftigte in die Stufe eingeordnet wird, aus der er höhergruppiert wird. Dies widerspräche zum einem dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V "erreicht ... die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe" und liefe zum anderen der Bewährungsfunktion zuwider, die grundsätzlich nur innerhalb der eingruppierungsrelevanten Tätigkeit erreicht werden kann. Einen wie von der Klägerin angenommenen Automatismus der Anrechnung von Stufenvorlaufzeiten enthält auch § 17 Abs. 4 TVöD nicht. Dies gilt erst Recht für den Fall, dass - wie vorliegend - der Arbeitnehmer bei der Höhergruppierung die vorherige Stufe "behält". Die Stufenlaufzeit des § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V zum Erreichen der nächsthöheren Stufe beginnt erst mit der Höhergruppierung zu laufen. Anderenfalls würde der Bewährungsaspekt "innerhalb seiner Entgeltgruppe" nicht zum Tragen kommen.

4. Die Tarifauslegung ergibt mithin, dass im vorliegenden Falle die zweijährige Stufenlaufzeit zum Erreichen der Stufe 2 in der EntgGr. 10 TV-V erst mit der tatsächlichen Zuweisung der höherwertigen Tätigkeiten (Tätigkeit als Controllerin), d. h. ab dem 01.12.2006, zu laufen begann. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte sich die Klägerin als Controllerin auch bewähren. Die Klägerin ist erst mit Wirkung ab dem 01.12.2008 in der Stufe 2 der EntgGr. 10 TV-V eingruppiert und hat erst ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf entsprechende Vergütung nach EntgGr. 10 Stufe 2 TV-V. Die Eingruppierungsfeststellungsklage ist dementsprechend unbegründet.

5. § 5 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Satz 3 TV-V verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die Tarifvertragsparteien haben die Grundrechte und damit auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG prinzipiell zu beachten.

a) Die Tarifvertragsparteien haben bei der tariflichen Normsetzung den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Ihnen steht dabei allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt vielmehr, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht. Der Gleichheitssatz wird in einer Tarifnorm nur verletzt, wenn es die Tarifvertragsparteien versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG 28.01.2003 - 1 BvR 487/01 - BVerfGE 107, 133, 141; BAG Urt. v. 25.10.2007 - 6 AZR 95/07 -, ZTR 2008, 380; BAG Urt. v. 22.01.2009 - 6 AZR 922/07 -, zit. n. Juris).

b) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn im Wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden. Für eine Rechtskontrolle eines Tarifvertrages ist dabei maßgeblich, ob sich aus dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen lassen, der einen Arbeitnehmergruppe einen Leistungsanspruch vorzuenthalten, der der anderen Gruppe eingeräumt worden ist (BAG, Urt. v. 07.11.1995 - 3 AZR 870/94 -, NZA 1996, 778 ff. mit weiteren Nachweisen). Allerdings ist die richterliche Kontrolle von Tarifverträgen im Hinblick auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht unbeschränkt eröffnet. Einschränkungen ergeben sich vielmehr aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG, der den Tarifpartnern eine Einschätzungsprärogative garantiert, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Regelungsfolgen geht, und einen Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum einräumt, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (vgl. BAG, Urt. v. 18.05.1999 - 9 AZR 419/98 -, AP Nr. 1 zu § 1 TVG ,Tarifverträge: Fleischerhandwerk'; ErfK/Dieterich/Schmidt, 9. Aufl., , Rn. 26 zu Art. 3 GG). Deshalb ist es nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben. Auch der Kompromisscharakter von Tarifverträgen als Verhandlungsergebnis divergierender Interessen muss in dem Sinne berücksichtigt werden, dass an die Systemgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelungen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (ErfK/Dieterich/Schmidt, a.a.O, Rn. 45 zu Art. 3 GG). Im Übrigen ist anerkannt, dass die Tarifpartner - im Interesse praktikabler, verständlicher und übersichtlicher Regelungen - typisierende Regelungen, insbesondere Stichtagsregelungen treffen können. Aus dem Grunde kann bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abgestellt werden, sondern nur auf die generellen Auswirkungen der Regelung (BAG, Urt. v. 29.11.2001 - 4 AZR 762/00 -, AP Nr. 296 zu Art. 3 GG; LAG Hamm, Urt. v. 18.03.2003 - 19 Sa 1098/02 -, zit. n. Juris).

c) Nach diesen Maßstäben verstößt der in § 5 Abs. 2 S. 2 TV-V vorgesehene "Verlust" der bereits zurückgelegten Stufenvorlaufzeit im Falle der Höhergruppierung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die innerhalb einer niedrigeren Entgeltgruppe bereits zurückgelegte Stufenlaufzeit ist bezogen auf eine höherwertige Tätigkeit bereits nicht in gleichem Maße bewährungsrelevant. Hier liegen schon keine vergleichbaren Sachverhalte vor. Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien für Härtefälle in § 5 Abs. 2 S. 3 TV-V eine Öffnungs- bzw. Billigkeitsklausel getroffen. Danach können vom Arbeitgeber (nach billigem Ermessen) "förderliche Zeiten" im Falle der Höhergruppierung bei der Stufenzuordnung angerechnet werden.

d) Die Klägerin hat auch nicht im Ansatz dargelegt, dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit die von ihr, der Klägerin, in der EntgGr. 8 TV-V zurückgelegte Stufenvorlaufzeit bei der Höhergruppierung nach EntgGr. 10 TV-V hätte anrechnen müssen. Insbesondere hat die Klägerin weder jetzt noch künftig irgendwelche finanziellen Nachteile aufgrund der Tatsache, dass die Stufenlaufzeit zum Aufrücken in die Stufe 2 am 01.12.2006 neu zu laufen begann.

III. Der Zahlungsantrag ist aus den gleichen Gründen unbegründet. Der Klägerin steht die Differenz zwischen der ihr gezahlten Vergütung nach EntgGr. 10 Stufe 1 TV-V und der von ihr beanspruchten nach EntgGr. 10 Stufe 2 TV-V für die Monate April bis November 2008 in Höhe von insgesamt € 1.658,82 brutto nicht zu. Es wird insoweit auf Ziff. II. dieser Entscheidungsgründe verwiesen.

IV. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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