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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 10.08.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 93/04
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 626
BetrVG § 102 Abs. 1
Die Steuerkarte ist ein amtliches Dokument, sodass sich der Arbeitgeber grundsätzlich im Rahmen der Betriebsratsanhörung auf die Richtigkeit der hierin vermerkten persönlichen Daten des Arbeitnehmers verlassen darf, sofern er keine gegenteilige Kenntnis hat. Dem Arbeitnehmer trifft die Obliegenheit, seine persönlichen Daten wie Anschrift, Familienstand und Anzahl unterhaltsberechtigter Personen dem Arbeitgeber mitzuteilen. Eigene Nachforschungen braucht derArbeitgeber in aller Regel nicht anzustellen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 93/04

Verkündet am 10.08.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 10.08.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Neumünster vom 15. Januar 2004 - Az.: 2 Ca 2401 c/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Der heute 33-jährige Kläger war seit dem 09.12.1994 bei der Beklagten als Chemiehelfer zu einem durchschnittlichen Bruttogehalt von € 2.400,-- beschäftigt. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis aufgrund eines vermuteten Rückfalls einer zuvor therapierten Alkoholsucht am 14.08.2003 fristlos - hilfsweise fristgerecht zum 31.10.2003 - gekündigt. Der sodann vom Kläger eingeleitete Kündigungsschutzprozess (ArbG Neumünster 2 Ca 1525 c/03) endete durch Prozessvergleich vom 09.09.2003. Danach sollte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2003 aufgrund personenbedingter Gründe enden, die Beklagte erteilte dem Kläger gleichzeitig eine Wiedereinstellungszusage für den Fall nachgewiesener, dreimonatiger Abstinenz bis spätestens zum 31.10.2004 zu den bisherigen Bedingungen. Der zunächst geschlossene Widerrufsvergleich wurde am 18.09.2003 bestandskräftig. Hiervon erhielt die Beklagte am 22.09.2003 Kenntnis.

Der Kläger erschien weder am 23.09.2004 noch in der Folgezeit zur Arbeit, woraufhin die Beklagte zwei Abmahnungen vom 06.10. und 10.10.2003 (Bl. 29 f. d. GA.) verfasste, die dem Kläger indessen aufgrund eines Wohnungswechsels nicht zugingen, indessen jeweils in Kopie seinem Prozessvertreter. Mit Anhörungsbogen vom 15.10.2003 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise fristgerechten Kündigung zum 31.12.2003 (Bl. 31 - 35 d. GA.). Die dort genannten persönlichen Daten des Klägers "Steuerklasse 1 und keine Kinder" hatte die Beklagte der Steuerkarte des Klägers entnommen. Mit Schreiben vom 20.10.2003 sprach die Beklagte die fristlose Kündigung aus, die sie in den Hausbriefkasten des Klägers einwarf. Nachdem die Beklagte erfahren hatte, dass sich der Kläger seit dem 09.10.2003 in Untersuchungshaft befand, kündigte sie dem Kläger mit Schreiben vom 21.10.2003 - dem Kläger zugestellt in der Haftanstalt.

Wegen des streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.01.2004 abgewiesen. Wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung habe die Beklagte aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen können. Nachdem der im Vorprozess geschlossene Prozessvergleich rechtswirksam geworden sei, hätte der Kläger seine Arbeit spätestens am 19.09.2003 wieder aufnehmen müssen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zuvor zur Arbeitsaufnahme aufzufordern. Aufgrund des Vorprozesses, dem ebenfalls der Vorwurf unentschuldigten Fehlens zugrunde gelegen habe, sei der Kläger zudem ausreichend gewarnt, dass die Beklagte ein derartiges vertragswidriges Verhalten nicht dulde. Einer Abmahnung habe es mithin im vorliegenden Falle nicht bedurft. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich im Hinblick auf die persönlichen Daten des Klägers auf die Angaben in dessen Lohnsteuerkarte verlassen habe.

Gegen dieses ihm am 18.02.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger beim Landesarbeitsgericht am 09.03.2004 Berufung eingelegt und diese am 15.05.2004 begründet.

Der Kläger trägt vor,

entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Kündigung bereits wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Die Beklagte habe dem Betriebsrat mitgeteilt, dass er keine Kinder habe, obgleich ihr aus der Klagschrift in dem Vorprozess bekannt gewesen sei, dass er "für 2 Kinder und eine Lebensgefährtin Unterhaltspflichten zu erfüllen" habe. Zudem habe das Arbeitsgericht die Grundsätze der "beharrliche Arbeitsverweigerung" verkannt. Ausweislich der gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG geschlossenen Fürsorgevereinbarung (Bl. 90 ff. d. GA.) sei die Beklagte vorliegend verpflichtet gewesen, die dort festgelegte Interventionskette in Gang zu setzen. Die Beklagte hätte den Kläger vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung zumindest zu einem Gespräch bitten und ihm Hilfsangebote unterbreiten müssen. Eine Abmahnung wäre keinesfalls entbehrlich gewesen. Die Erklärung in dem Vorprozess, den Vergleich nicht zu widerrufen, sei keine an die Beklagte gerichtete Erklärung, sondern eine Prozesserklärung zur Beendigung des Rechtsstreits. Obgleich die Beklagte gewusst habe, dass er, der Kläger, bereits seit dem 12.08.2003 unentschuldigt gefehlt habe, habe sie den Vergleich in dem Vorprozess abgeschlossen. Wenn die Beklagte sich auf das Fehlen des Klägers seit diesem Zeitpunkt hätte berufen wollen, dann hätte in dem Vergleich eine entsprechende Aufforderung zur Arbeitsaufnahme aufgenommen werden müssen. Er, der Kläger, habe nicht wissen können, dass die Beklagte noch Wert auf Beschäftigung bis 31.10.2003 legte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.01.2004 (2 Ca 2401 c/03) abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch hilfsweise fristgerecht zum 31.10.2003 mit Schreiben der Beklagten vom 21.10.2003 oder weiteren Kündigungserklärungen der Beklagten aufgelöst ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Spätestens mit Zugang des klägerischen Widerrufsverzichts bzgl. des Prozessvergleichs in dem Vorprozess habe für beide Parteien festgestanden, dass das Arbeitsverhältnis zunächst vereinbarungsgemäß bis zum 31.10.2003 fortbestehen würde. Danach sei der Kläger zur Arbeitsaufnahme verpflichtet gewesen. Dies hätte der Kläger auch wissen können, da erklärtes Ziel des Prozessvergleichs der Erhalt des Arbeitsplatzes des Klägers und dessen Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen war, zudem gerade keine Freistellung vereinbart worden war. Einer Abmahnung habe es vorliegend nicht bedurft, da der Kläger weit mehr als eine Woche (vom 22.09. bis 07.10.2003) unentschuldigt gefehlt habe. Auch die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden. Betriebsratsanhörungen würden bei ihr aufgrund der in der Personalabteilung offiziell bekannten Daten durchgeführt. Die Personalabteilung entnehme die Daten u. a. der Steuerkarte, die ein amtliches Dokument sei. Im Übrigen bestreitet die Beklagte, dass der Kläger zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache konnte sie indessen keinen Erfolg haben.

Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Einwände der Berufung vermögen ein anders Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann und soll insoweit auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen werden, § 69 Abs. 2 ArbGG. Lediglich ergänzend und auf den Inhalt der Berufungsbegründung eingehend, sei Folgendes angemerkt:

I.

Die streitgegenständliche fristlose Kündigung ist nicht bereits gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist eine ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Einer fehlenden Betriebsratsanhörung steht insoweit eine nicht ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung gleich. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens sind dem Betriebsrat die Personalien des zu kündigenden Mitarbeiters, die Art der beabsichtigten Kündigung, der Kündigungstermin als auch die Kündigungsgründe mitzuteilen. Dabei muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die konkreten Tatsachen, die die Kündigung rechtfertigen sollen, so detailliert mitteilen, dass dieser in die Lage versetzt wird, die Tragfähigkeit des Kündigungsgrundes selbst zu beurteilen und ggf. der Kündigung durch sachgerechte Einwände widersprechen zu können (BAG, Urt. v. 21.06.2001 - 2 AZR 30/00 -, EzA § 626 BGB 'Unkündbarkeit' Nr. 7). Hinsichtlich der Kündigungsgründe gilt für die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers der sog. Grundsatz der subjektiven Determinierung. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nur diejenigen Kündigungsgründe dem Betriebsrat mitteilen muss, die ihm bekannt sind und auf die er die Kündigung stützen will.

Hieran gemessen ist die Betriebsratsanhörung nicht zu beanstanden.

1. Insbesondere ist die Betriebsratsanhörung nicht allein deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte die Personalien des Klägers der Steuerkarte entnommen hat. Nach den Eintragungen auf der Steuerkarte hat der Kläger die Steuerklasse 1 und keine Kinder. Der Kläger hat der Beklagten bzw. deren Personalabteilung auch nicht offiziell zur Kenntnis gegeben, dass er zwei unterhaltsberechtigte Kinder hat. Dem Arbeitnehmer trifft die Obliegenheit, seine persönlichen Daten wie Anschrift, Familienstand und unterhaltsberechtigte Personen dem Arbeitgeber mitzuteilen. Soweit die Angaben auf seiner Steuerkarte nicht mit den tatsächlichen persönlichen Daten übereinstimmen, hat der Arbeitnehmer dies dem Arbeitgeber bekannt zu geben und ggf. auch zu belegen. Die Steuerkarte ist ein amtliches Dokument, sodass der Arbeitgeber grundsätzlich von der Richtigkeit der hierin vermerkten Daten ausgehen darf, es sei denn, er hat gegenteilige Kenntnis von deren Unrichtigkeit.

Vorliegend durfte sich die Beklagte auf die Angaben in der Steuerklasse, d. h. dass der Kläger keine Kinder hat, verlassen. Dem steht ins. nicht entgegen, dass der Kläger in der Klagschrift des Vorprozesses eingangs mitgeteilt hat, dass er für zwei Kinder und eine Lebensgefährtin Unterhaltspflichten zu erfüllen habe. Dies ist - soweit ersichtlich - in dem Vorprozess überhaupt nicht thematisiert worden. Ausweislich des hiesigen Vortrags haben die Parteien ausschließlich über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 14.08.1003 im Hinblick auf die Fürsorgevereinbarung gestritten und sodann den Prozessvergleich vom 09.09.2003 abgeschlossen. Mögliche Unterhaltspflichten des Klägers spielten - soweit ersichtlich - hierbei keine Rolle. Die Beklagte war mithin nicht gehalten, aufgrund dieser im Rahmen eines Rechtsstreits bloß beiläufig mitgeteilten persönlichen Daten die ihr offiziell vom Kläger zur Personalakte gereichten Daten zu korrigieren. Vor Einleitung des Anhörungsverfahrens war sie auch nicht verpflichtet, eigene Nachforschungen über etwaige Unterhaltspflichten des Klägers anzustellen. Vielmehr hätte der Kläger der Beklagten von sich aus auf seine Unterhaltsverpflichtungen hinweisen und dies ggf. auch belegen müssen. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass der Kläger in der Prozesskostenhilfe-Erklärung des hiesigen Verfahrens erstinstanzlich angegeben hatte, dass zu seinen Angehörigen seine Tochter A... M... sowie seine Lebensgefährtin zählten, während er zweitinstanzlich angegeben hat, dass er seinen Töchtern A... M... und A... Y... Unterhalt gewähre. Auch hier sind Widersprüche aufgetreten. Von der Beklagten kann angesichts dessen nicht erwartet werden, dass sie die schlichten, nicht bewiesenen und eher beiläufigen Angaben des Klägers in der Klagschrift des Vorprozesses zum Anlass nimmt, die ihr "offiziell" mitgeteilten Personalien des Klägers in der Personalakte dahingehend ungeprüft zu korrigieren. Zu eigenen Nachforschungen ist die Beklagte keinesfalls verpflichtet. Die Sache wäre möglicherweise anders zu beurteilen, wenn der Kläger bereits in dem Vorprozess die Betriebsratsanhörung zur Kündigung vom 14.08.2003 aus den gleichen Gründen wie hier gerügt hätte. Dann hätte der Kläger besonders Augenmerk auf die bestehenden Unterhaltsverpflichtungen gelegt, sodass die Beklagte insoweit hätte hellhörig werden müssen. Dies ist indessen in dem vorliegenden Verfahren nicht von dem Kläger behauptet worden.

2. Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte dem Betriebsrat im Anhörungsbogen mitgeteilt hat, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2003 zu kündigen, ohne gleichzeitig auf das ohnehin schon im Prozessvergleich vom 09.09.2003 vereinbarte Beendigungsdatum 31.10.2003 hinzuweisen. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, eigenständig zu beurteilen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zum sonstigen regulären Beendigungszeitpunkt noch zumutbar ist. Diesen Anforderungen hat die Beklagte entsprochen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte den Betriebsrat nicht über den im Prozessvergleich vom 09.09.2003 vereinbarten Beendigungszeitpunkt getäuscht. Vielmehr ergibt sich dieser Sachverhalt aus der dem Anhörungsbogen beigefügten Abmahnung vom 06.10.2003. Im ersten Absatz dieser Abmahnung ist ausgeführt, dass der Kläger durch am 19.09.2003 rechtswirksam gewordenen Prozessvergleich verpflichtet gewesen wäre, spätestens am Montag, den 22.09.2003, die Arbeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist 31.10.2003 wieder aufzunehmen. Der Betriebsrat war mithin über den Inhalt des Prozessvergleichs informiert.

3. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Betriebsrat (nochmals) auf die Alkoholerkrankung des Klägers und die Fürsorgevereinbarung hinzuweisen. Dem Betriebsrat war die vermutete Alkoholabhängigkeit des Klägers bereits bekannt - zumindest aus dem vorangegangenen Zustimmungsverfahren zur fristlosen Kündigung vom 14.08.2003. Der Inhalt der Fürsorgevereinbarung ist dem Betriebsrat ebenfalls bekannt, da er diese selbst als Betriebsvereinbarung abgeschlossen hat.

II.

1. Die Kündigung ist auch nicht mangels wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Kläger hat beharrlich gegen seine Arbeitspflichten verstoßen, indem er weder zur Arbeit erschienen ist noch sonst bei der Beklagten sich gemeldet hat. Mit dem Arbeitsgericht geht auch die Berufungskammer davon aus, dass der Kläger vorliegend eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen hat. Die Beklagte hatte mithin einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung.

Obgleich der Kläger selbst der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.10.2003 ausdrücklich mit seinem Verzicht auf das Widerrufsrecht mit Schriftsatz vom 18.09.2003 zugestimmt hatte, ist er danach seiner Arbeitsverpflichtung nicht nachgekommen. Die Parteien hatten gerade keine Freistellung bis zum Beendigungszeitpunkt vereinbart, sodass der Kläger zumindest (bei Ablauf der bis zum 30.09.2003 vereinbarten Widerrufsfrist) noch einen Monat bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (31.10.2003) hätte arbeiten müssen. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber unaufgefordert anzubieten. Er muss sich mithin am Arbeitsort zu Arbeitsbeginn einfinden und in eigener Person seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber anbieten. Grundsätzlich reicht nicht einmal ein mündliches Angebot der Arbeit.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er ja bereits seit dem 12.08.2003 unentschuldigt gefehlt habe und die Beklagte gleichwohl den Prozessvergleich vom 09.09.2003 abgeschlossen habe, ohne ihn gleichzeitig und ausdrücklich - für den Fall der Rechtswirksamkeit des Prozessvergleichs - zur Arbeitsaufnahme aufzufordern. Dabei übersieht der Kläger nämlich, dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14.08.2003 fristlos wegen unentschuldigten Fehlens gekündigt hatte. Aufgrund dieser Kündigung brauchte der Kläger in der Folgezeit zunächst einmal nicht mehr seine Arbeitskraft anbieten, da die Beklagte mit Ausspruch der fristlosen Kündigung gleichzeitig zu verstehen gegeben hat, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers für sie unzumutbar sei und sie eine solche deshalb ablehne. In dem nachfolgenden Kündigungsprozess hatten sich die Parteien indessen darauf geeinigt, das Arbeitsverhältnis bis zum ordentlichen Kündigungstermin, d.h. bis zum 31.10.2003 fortzusetzen. Damit war klar, dass die beiderseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bis zum 31.10.2003 erfüllt werden müssen.

2. Die Beklagte war auch nicht nach dem ultima-ratio-Grundsatz verpflichtet, den Kläger vor Ausspruch der hier strittigen fristlosen Kündigung abzumahnen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger durch das vorangegangene Kündigungsverfahren bereits ausreichend gewarnt war und somit hätte wissen können, dass die Beklagte unentschuldigtes Fehlen nicht sanktionslos hinnimmt. Der Kläger hat sich nach Rechtswirksamwerden des Vergleiches schlicht um gar nichts mehr gekümmert. Gerade der Umstand, dass der Klägervertreter noch vor Ablauf der Widerrufsfrist in dem Vorprozess mitgeteilt hatte, dass der Vergleich vom Kläger nicht widerrufen werde, indiziert, dass der Kläger mit dem Inhalt des Vergleichs ausdrücklich einverstanden gewesen ist. Vor der Prozesserklärung des Klägervertreters muss eine Besprechung zwischen Anwalt und Kläger stattgefunden haben, in welcher der Inhalt des Prozessvergleichs erörtert worden ist. Der Kläger hat akzeptiert, das Arbeitsverhältnis noch bis zum 31.10.2003 fortzusetzen. Gleichwohl hat er seine Arbeit nicht wieder aufgenommen, obgleich er unstreitig arbeitsfähig war und durch den Vorprozess über die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen hinreichend gewarnt war. Er hat sich weder telefonisch bei der Beklagten gemeldet noch ihr seine neue Anschrift mitgeteilt. Diese nahezu ignorante Verhaltensweise des Klägers brauchte die Beklagte nicht weiter zu dulden.

3. Auch die Interessenabwägung musste vorliegend zu Lasten des Klägers ausfallen. Dabei kann unterstellt werden, dass der Kläger gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtet ist und damit ein nachhaltiges Interesse am Erhalt seines Arbeitsplatzes hat. Denn andererseits hat die Beklagte bereits mehr als zumutbar zur Stützung und Stabilisierung des Klägers getan. Unbestritten hat die Beklagte vorgetragen, dass sie dem Kläger wegen seiner Alkoholsucht bereits zuvor Rehabilitationsmaßnahmen ermöglicht habe. In dem Vorprozess hat sie sich zudem bereit erklärt, den Kläger bei nachgewiesener Abstinenz zu den alten Arbeitsbedingungen und bei Anrechnung der bisherigen Beschäftigungszeiten wieder einzustellen.

III.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 67 Abs. 6 ArbGG.

Gründe, die die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG rechtfertigten, sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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