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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 06.07.2009
Aktenzeichen: 5 Ta 124/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 121 Abs. 2 Alt. 2
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 127 Abs. 2 S. 3
BGB § 615 S. 1
BGB § 615 S. 2
ArbGG § 11 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 5 Ta 124/09

06.07.2009

In dem Beschwerdeverfahren

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 06.07.09 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der zurückweisende Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.04.2009, Az. 5 Ca 315/09, abgeändert und dem Kläger für seine angekündigten Anträge vom 30.01.2009 und 04.03.2009 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A... aus H... bewilligt. Eine Ratenzahlung findet derzeit nicht statt.

Gründe:

I.

Im Beschwerdeverfahren ist ein zurückweisender Prozesskostenhilfebeschluss streitgegenständlich.

In einem vorangegangen Kündigungsschutzprozess (1 Ca 2736/08) stellte das Arbeitsgericht mit Urteil vom 22.01.2009 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die betriebsbedingte Kündigung vom 26.09.2008 zum 31.10.2008 endete. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig und ist in der Berufungsinstanz anhängig (5 Sa 65/09).

Nach Zustellung des vorgenannten erstinstanzlichen Urteils hat der Kläger im vorliegenden Hauptsacheverfahren Verzugslohnansprüche in Höhe von monatlich € 3.112,69 brutto sowie vermögenswirksame Leistungen in Höhe von monatlich € 40,00 für die Zeit von November 2008 bis April 2009 unter Anrechnung des unstreitig bezogenen Arbeitslosengeldes und Zwischenverdienstes geltend gemacht. Ab dem 01.11.2008 bezieht der Kläger ein kalendertägliches Arbeitslosengeld in Höhe von € 46,55. Seit dem 13.03.2009 arbeitet der Kläger wieder für die Beklagte im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses. Für März 2009 zahlte die Beklagte an den Kläger € 1.604,69 brutto (Bl. 65 d. A.) und für April 2009 € 2.745,25 brutto.

Der Kläger hat im vorliegenden Hauptsacheverfahren vorgetragen,

dass die Parteien im Arbeitsvertrag eine Monatsvergütung von € 2.432,00 brutto bei einer 35-Stundenwoche vereinbart hätten. Im Jahre 2007 sei seine Arbeitszeit auf 40 Stunden hochgesetzt worden und die Beklagte habe ihm ein entsprechend höheres Monatsgehalt von € 2.830,75 brutto gezahlt zuzüglich der Sondergratifikation für Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von monatlich 241,94 brutto (1/12 eines Monatsgehalts). Zum Beweis dessen hat er eine Gehaltsabrechnung von September 2008 vorgelegt.

Die Beklagte hat die Angaben zur Höhe der Zahlungsanträge nicht bestritten.

Der Kläger hat für die mit der Klagschrift vom 30.01.2009 und den Klagerweiterungen vom 05.03.2009 und vom 29.05.2009 geltend gemachten Zahlungsanträgen (Bl. 3 und 20 d. A.) Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A... beantragt.

Mit Beschluss vom 29.04.2009 hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag für die Anträge vom 30.01.2009 und 04.03.2009 (Verzugslohnansprüche für die Zeit von November 2008 bis einschließlich Februar 2009) zurückgewiesen. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche bestünden nur dann, wenn rechtskräftig feststehe, dass das Arbeitsverhältnis über den 01.11.2008 hinaus fortbestehe. Dies stehe aufgrund des noch anhängigen Berufungsverfahrens indessen noch nicht fest. Eine verständige, die Prozesskosten selbst tragende Partei hätte in diesem Fall den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abgewartet und erst nach einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ggf. ihr zustehende Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Verzugslohns eingeklagt. Eine Klagerhebung zu diesem vom Kläger gewählten Zeitpunkt sei nicht notwendig gewesen und erscheine daher im Hinblick auf die Prozesskostenhilfe mutwillig.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 04.06.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Die ihm antragsgemäß verlängerte Frist zur Begründung der sofortigen Beschwerde bis zum 26.06.2009 ist fruchtlos verstrichen.

Mit Beschluss vom 29.06.2009 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Der Kläger habe Gründe, die zu einer abändernden Entscheidung hätten führen können, nicht vorgetragen.

Über den PKH-Antrag für die Klagerweiterung vom 29.05.2009 hat das Arbeitsgericht noch nicht entschieden.

Zur Begründung der PKH-Beschwerde trägt der Kläger vor,

dass die Beklagte selbst durch den mehrfachen Hinweis auf drohende Insolvenz Anlass für die Lohnklage gegeben habe.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und gemäß § 127 Abs. 2 S. 3 fristgemäß eingelegt worden.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Gemäß § 114 ZPO setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum einen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage oder Rechtsverteidigung und zum anderen voraus, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.

1. Die Zahlungsklage bis einschließlich Februar 2009 hat gemäß § 615 S. 1 und 2 BGB hinreichende Erfolgsaussicht. Die Prüfung der Erfolgsaussicht ist in einem summarischen Verfahren vorzunehmen. Hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung liegt dann vor, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (Zöller/Philippi, 27. Aufl., Rn. 19 zu § 114).

Hieran gemessen, hat die Zahlungsklage sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die hinreichende Erfolgsaussicht für den Anspruchsgrund folgt einerseits aus dem erstinstanzlich stattgebenden Urteil in dem Kündigungsrechtsstreit (1 Ca 2736/08) und andererseits aus der Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat und sich somit in Annahmeverzug befand. Zudem hat der Kläger in sich schlüssig zur Höhe seiner monatlichen Vergütungsansprüche vorgetragen, diesem Vortrag ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Der Vortrag des Klägers zur Höhe der Verzugslohnansprüche muss mithin als unstreitig angesehen werden.

2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts konnte die vorliegende Verzugslohnklage nicht als mutwillig erscheinen. Eine Rechtsverfolgung ist dann mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 30 zu § 114 m. div. Rspr.-Nachw.). Mutwillig kann beispielsweise die Erweiterung einer Kündigungsschutzklage um Entgeltansprüche aus dem Gesichtspunkt des Verzuges für einen Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist sein, wenn dieser Betrag zwischen den Parteien unstreitig und auch nicht zweifelhaft ist, dass der Verzugslohn vom Arbeitgeber im Falle des Unterliegens gezahlt werden würde (Germelmann, ArbGG, 6. Aufl., Rn 109 zu § 11 a; LAG H... Beschl. V. 01.12.2003 - 6 Ta 23/03 -, zit. n. Juris). Etwas anders gilt, wenn die Ansprüche einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen und ein Abwarten bis zum rechtskräftigen Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens zum Untergang der Verzugslohnansprüche führen würde. Letztlich darf dem Hilfsbedürftigen nicht verwehrt werden, den sichersten Weg zur Durchsetzung seiner Ansprüche zu gehen (Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 33 zu § 114). Insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Arbeitgebers kann es dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden, seine Verzugslohnansprüche erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits einzuklagen. In diesen Fällen ist gerade nicht unzweifelhaft, dass der Arbeitgeber im Falle des Unterliegens die Verzugslohnansprüche auch erfüllen kann und wird. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Arbeitgebers ist es mithin nicht mutwillig i. S. v. § 114 ZPO, wenn der Arbeitnehmer nach einem erstinstanzlich obsiegenden Urteil in einem Kündigungsrechtsstreit Verzugslohnansprüche geltend macht, obwohl der Arbeitgeber gegen das Urteil in dem Kündigungsrechtstreit Berufung eingelegt hat.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger die Verzugslohnansprüche auch nicht gleichzeitig und damit klagerweiternd in dem Kündigungsschutzverfahren geltend gemacht, sondern erst nachdem das Arbeitsgericht seiner Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte etwaige Verzugslohnansprüche nicht "freiwillig" beglichen hatte. Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich die Beklagte in einer zumindest "schwierigen wirtschaftlichen Situation" aufgrund einer nachhaltigen "Verschlechterung der Auftragslage" befindet. Die Beklagte selbst hat Kurzarbeit nicht ausgeschlossen. Es kann vor diesem Hintergrund nicht als mutwillig angesehen werden, dass der Kläger sich angesichts des erstinstanzlich stattgebenden Urteils seine hieraus ergebenden Verzugslohnansprüche möglichst schnell durch einen vollstreckungsfähigen Titel sichern möchte. Durch ein Abwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Kündigungsschutzverfahren könnte die Vollstreckbarkeit eines Zahlungstitels gefährdet sein.

3. Die Beiordnung des Rechtsanwaltes A... erfolgt nach § 121 Abs. 2 Alt. 2 ZPO und nach § 11 a Abs. 1 ArbGG, da die Beklagte ihrerseits anwaltlich vertreten ist (vgl. LAG Hamm Beschl. v. 10.11.2008 - 14 Ta 123/08 -, zit. n. Juris).

4. Der Kläger ist auch unter Berücksichtigung des ihm während des Prozessarbeitsverhältnisses von der Beklagten gezahlten Gehaltes (Aprilabrechnung 2009) aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses nicht in der Lage, die Kosten des Hauptsacheverfahrens auch nur ratenweise zu zahlen. Insoweit wird auf den anliegenden Berechnungsbogen verwiesen.

5. Nach alledem war dem Kläger für die Zahlungsanträge vom 30.01.2009 und 04.03.2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2, § 78 Satz 2 ArbGG bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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