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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 12.08.2009
Aktenzeichen: 6 Sa 124/09
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 72a
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 124/09

Verkündet am 12.08.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 12.08.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19.03.2009 - 51 Ca 808 b/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14.01.2008 mit Ablauf des 15.06.2008 beendet worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung.

Die Beklagte führte ein Autohaus mit Betriebsstätten in H... und B.... Der am ...1968 geborene Kläger trat am 01.05.1990 in die Dienste der Beklagten. Zu seinen Aufgaben gehörten Transporte zwischen den Betriebsstandorten der Beklagten, die PKW-Aufbereitung und Hausmeistertätigkeiten.

Mit Wirkung zum 01.09.2007 verkaufte die Beklagte ihre Betriebsstätte in H.... Der Kläger machte gegenüber der Erwerberin geltend, dass sein Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf sie übergegangen sei. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat seine Klage mit Urteil vom 04.09.2008 (6 Sa 29/08) rechtskräftig abgewiesen und das im wesentlich damit begründet, der Kläger sei der nicht übergegangenen Betriebsstätte in B... zuzuordnen.

Die Beklagte beschäftigte den Kläger ab dem 01.09.2007 ausschließlich in B.... Dort waren 11 Arbeitnehmer tätig. Zuletzt betrug die Bruttomonatsvergütung des Klägers ca. 2.000,00 EUR brutto.

Mit Schreiben vom 14.01.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15.06.2008.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 14.01.2008 sei rechtswidrig. Die Kündigung sei wegen eines geplanten Betriebsübergangs ausgesprochen worden. Auf einer Betriebsversammlung am 11.04.2008 habe der Geschäftsführer der Beklagten verkündet, dass er seinen Restbetrieb in B... zum 01.05.2008 an eine Firma B... verkauft habe.

Der Kläger hat die Stilllegung des Betriebes durch die Beklagte zum 01.05.2008 bestritten. Er hat behauptet, er habe an verschiedenen Tagen zwischen dem 02. und dem 13.05.2008 jeweils von 07.45 Uhr bis 16.30 Uhr noch im Betrieb in B... gearbeitet. Bis zum 13.05.2008 seien auch tatsächlich Kunden in den Betrieb gekommen und bedient worden. Ob die anderen Mitarbeiter der Beklagten danach noch weiterbeschäftigt worden seien, könne der Kläger, der seinen letzten Arbeitstag am 13.05.2008 gehabt und dann bis zum 15.06.2008 seinen Urlaub genommen habe, nicht sagen. Auf jeden Fall seien die beiden Mitarbeiter M... und F... über den 13.05.2008 im Betrieb tätig gewesen. Ihre Arbeitsverhältnisse hätten mindestens noch bis zum 31.08.2008 angedauert. Auch Fahrzeug- und Teilebewegungen hätten mindestens bis Ende August 2008 auf dem Betriebsgelände stattgefunden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 14.01.2008 mit Ablauf des 15.06.2008 beendet wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch betriebliche Gründe gerechtfertigt. Die Tätigkeit des Klägers, die im Wesentlichen in der Abwicklung des Fahrdienstes zwischen den Standorten in H... und B... bestanden habe, sei weggefallen. Weil der Fahrzeugbestand der Beklagten sich darüber hinaus erheblich verringert habe, seien auch Fahrzeugaufbereitungen nur noch in einem wesentlich geringeren Umfang durchzuführen gewesen. Gleiches gelte für Hausmeistertätigkeiten. Der Kläger habe in B... vorübergehend noch beschäftigt werden können. So sei eine neue Außenbeleuchtungsanlage installiert und das Betriebsgrundstück neu gepflastert worden. Zudem habe der gesamte Reifenbestand von H... nach B... überführt und dort geordnet werden müssen. Diese Aufgaben seien jedoch zum Ende des Jahres 2007 abgeschlossen gewesen. Weitere Tätigkeiten, für die der Kläger hätte eingesetzt werden können, seien nach dieser Übergangsphase nicht vorhanden gewesen (Beweis: Zeugnis A...L...).

Die Kündigung sei auch nicht vor dem Hintergrund eines Betriebsübergangs zu sehen. Richtig sei, dass es Gespräche zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und Herrn B... gegeben habe. Diese seien allerdings erst am 24.03.2008 und damit nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung aufgenommen worden. Die Gespräche seien ergebnislos verlaufen. In der Folgezeit habe die Beklagte ihren Betrieb zum 30.04.2008 eingestellt und ihr Gewerbe abgemeldet. Der Geschäftszweck der Beklagten beschränke sich nunmehr auf die Verwaltung eigenen Vermögens. Über den 30.04.2008 hinaus habe sie lediglich den Kläger und den Mitarbeiter M... mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.01.2008 durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt und daher sozial gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe dargelegt, dass der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei. Sie habe unbestritten vorgetragen, dass die wesentliche Tätigkeit des Klägers, die Gestaltung des Fahrdienstes zwischen den Standorten H... und B..., weggefallen sei, da sie in H... keinen Standort mehr unterhalte. Weiter sei unstreitig, dass die Überführung des Reifenbestandes von H... nach B... und das Sortieren und Ordnen der Reifen in B... bereits Ende 2007 abgeschlossen gewesen sei und dass bauliche Maßnahmen in B..., an deren Durchführung der Kläger beteiligt gewesen sei, ebenfalls schon zum Ende 2007 hätten fertiggestellt werden können.

Soweit der Kläger sich auf Hausmeistertätigkeiten, Reinigungsarbeiten sowie Kontrollaufgaben bezüglich des Grundstücks und der auf dem Hofplatz stehenden Fahrzeuge berufen habe, sei erkennbar, dass es sich dabei um restliche Abwicklungsarbeiten und nicht um die Tätigkeiten handele, für die der Kläger nach dem Verkauf des Standortes H... unbestritten eingesetzt worden sei. Es widerspreche nicht der Entscheidung der Beklagten, die im Zusammenhang mit dem Verkauf des Standortes H... anfallenden zusätzlichen Aufgaben durch den Kläger durchführen zu lassen und ihn bei Wegfall dieser Beschäftigungsmöglichkeit zu kündigen, wenn die Beklagte den Kläger im Anschluss an die Kündigung während der längeren Kündigungsfrist mit Abwicklungsarbeiten beschäftige. Die Absicht, den Kläger während des Laufs der Kündigungsfrist für die Abarbeitung noch vorhandener Arbeiten einzusetzen, anstatt ihn sofort nach Wegfall der mit dem Verkauf des Standortes H... verbundenen vorübergehenden zusätzlich anfallenden Arbeiten von jeglicher Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freizustellen, stelle die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, den durch den vorübergehenden Mehraufwand entstandenen Arbeitsplatz des Klägers zukünftig nicht mehr zu besetzen, nicht in Frage.

Gegen das ihm am 25.03.2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 17.04.2009 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Kläger meint, die Kündigung sei ausgesprochen worden, um einen Betriebsübergang vorzubereiten. Er behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe bereits Ende des Jahres 2007 mit Herrn B... über einen Betriebsübergang gesprochen. Herr B. habe die zum 01.05.2008 ins Auge gefasste Betriebsübernahme davon abhängig gemacht, dass der Kläger nicht mit übergehe.

Der Kläger bestreitet, dass sein Arbeitsplatz weggefallen ist. Er habe in B... nicht nur Rest- und Abwicklungsarbeiten durchgeführt. Zu seinen Aufgaben hätten auch die Pflege des Fuhrparks, das Einschleppen von Unfallfahrzeugen, das Reinigen der Kundenfahrzeuge, die Logistik der Lager- und Vorführwagen, die Betreuung des Reifenhotels sowie die Pflege der Außen- und Innenanlage der Betriebsstätte gehört.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 19.03.2009 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichtes Elmshorn (Az. 51 Ca 808 b/08) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 14.01.2008 mit Ablauf des 15.06.2008 beendet wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, das erste Gespräch mit Herrn B... über einen möglichen Betriebsübergang habe am 24.03.2008 stattgefunden. Es sei vom Makler S... vermittelt worden. Vor Ende März 2008 sei die Veräußerung des Betriebs kein Thema gewesen. Die Beklagte behauptet, die Tätigkeit des Klägers habe im Fahrdienst zwischen den Standorten H... und B..., der Überführung des Reifenbestands von H... nach H... und in der Durchführung baulicher Maßnahmen in B... bestanden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die angegriffene Kündigung vom 14.01.2008 beendet worden. Weder dem erst- noch dem zweitinstanzlichen Vorbringen der Beklagten kann entnommen werden, in welchem zeitlichen Umfang der Bedarf für eine Beschäftigung des Klägers entfallen ist. Ein "dringendes betriebliches Erfordernis" im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist nicht hinreichend dargelegt.

a) Sowohl inner- als auch außerbetriebliche Umstände können ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG begründen, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken.

Regelmäßig entsteht das betriebliche Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen, sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche Entwicklungen oder fiskalische Überlegungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Die Zweckmäßigkeit einer solchen Entscheidung ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt nachprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (ständige Rechtsprechung, siehe nur BAG 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102; 22.05.2003 - 2 AZR 326/02 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126). Aus diesem Grund ist etwa der Beschluss des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen und den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen, als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen zu rechtfertigen (BAG 18.01.2001 - 2 AZR 514/99 - NZA 2001, 719). Zu diesem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört ferner die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Länge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmerstunden) und damit auch das Verhältnis der beiden Größen zueinander festlegen (BAG 22.05.2003 a. a. O.).

Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Zwar muss nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein (BAG 30.05.1985 - 2 AZR 321/84 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36; 22.05.2003 a. a. O.). Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung sich auf eine nach sachlichen Merkmalen genau bestimmte Stelle bezieht.

Erschöpft sich die Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so rückt sie nah an den Kündigungsentschluss heran. Da die Kündigungsentscheidung selbst nach dem Gesetz nicht frei, sondern an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit ("Dauer") verdeutlichen, damit das Gericht prüfen kann, ob sie im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also rechtsmissbräuchlich ausgesprochen worden ist (BAG 17.06.1999 - 2 AZR 522/98 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101).

b) Bei Anwendung dieser vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze ist die streitgegenständliche Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.

aa) Die Beklagte hat die Kündigung nicht in Hinblick auf eine beabsichtigte Betriebsstilllegung ausgesprochen. Dabei kann als richtig unterstellt werden, dass der Betrieb zum 30.04.2008 tatsächlich stillgelegt worden ist. Maßgebend für die Beurteilung der Kündigung sind nämlich die Verhältnisse bei Ausspruch der Kündigung. Die Beklagte hat nicht behauptet, zu diesem Zeitpunkt - 14.01.2008 - bereits die Stilllegung des Betriebs beschlossen zu haben. Eine solche Behauptung wäre im Übrigen nicht plausibel. Denn die Beklagte hat nach ihren Bekundungen im Berufungstermin im Januar 2008 nur das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gekündigt, obwohl auch bei anderen Mitarbeitern lange Kündigungsfristen zu beachten waren. Das spricht dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine Stilllegung noch nicht angedacht war. Entscheidend ist aber, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag noch im März 2008 über eine Veräußerung des Betriebs verhandelt hat. Nachdem eine Weiterführung des Betriebs durch einige Mitarbeiter nicht erreicht werden konnte, führte der Geschäftsführer der Beklagten Verhandlungen mit dem an einer Übernahme interessierten Herrn B. . Erst nach Scheitern dieser Verhandlungen ist das Gewerbe abgemeldet worden.

bb) Die Beklagte will außerbetriebliche Ursachen, nämlich den Wegfall verschiedener in der Vergangenheit vom Kläger verrichteter Tätigkeiten zum Anlass genommen haben, seinen Arbeitsplatz einzusparen. Damit lässt sich der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger jedoch nicht begründen.

Offen geblieben ist bereits, wann die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen haben will, auf den festgestellten Beschäftigungsüberhang zu reagieren, insbesondere ob dies vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung war. Aber selbst wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, diesen Entschluss habe sie vor dem 14.01.2008 gefasst, als der Kläger für die Pflasterung der Außenanlage und die Installation der Beleuchtung in B... wegen Erledigung dieser Arbeiten nicht mehr gebraucht wurde, reicht ihr Vortrag nicht aus. Weil im vorliegenden Fall die behauptete Organisationsentscheidung - Abbau eines überflüssigen Arbeitsplatzes - so nah an den Kündigungsentschluss heranrückt, dass sie praktisch mit ihm zusammenfällt, hätte die Beklagte durch Tatsachenvortrag verdeutlichen müssen, dass das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen ist. Kündigt der Arbeitgeber mit der Begründung, der Arbeitnehmer werde für die bislang von ihm verrichteten Arbeiten nicht mehr benötigt, hat er im Einzelnen darzulegen, aus welchem Grund und in welcher Weise Arbeiten künftig nicht mehr anfallen und wie sich das auf die Beschäftigungsmöglichkeit des zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmers auswirkt. Der bloße Wunsch, fortan mit weniger Beschäftigten zu arbeiten, stellt noch keine unternehmerische Entscheidung dar. Erforderlich ist vielmehr eine Neuordnung der Arbeitsabläufe.

Hier bleibt die Beklagte die substantiierte Darlegung schuldig, wie die auch auf der Grundlage ihres Vortrags verbleibende Arbeit des Klägers verteilt wird. Vor dem 01.09.2007 gliederte sich die Tätigkeit des Klägers in die Transporte zwischen den Betriebsstandorten der Beklagten in H... und B..., die Pkw-Aufbereitung und Hausmeistertätigkeiten. Das hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz von 27.02.2008 (dort Seite 2) vorgetragen und im Schriftsatz vom 22.05.2008 unter Zeugenbeweis gestellt. Angaben dazu, welche Zeitanteile auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche entfielen, hat die Beklagte allerdings nicht gemacht. Es findet sich in ihrem Vortrag nur die unpräzise Behauptung, die Tätigkeit des Klägers habe im Wesentlichen in der Gestaltung des Fahrdienstes zwischen den Standorten bestanden (Schriftsatz vom 27.02.2008, Seite 3).

Nach der Veräußerung des Betriebsteils H... zum 01.09.2007 entfielen zwar die Transporte von B... nach H... und somit, folgt man der Beklagten, der wesentliche Teil der Tätigkeit des Klägers. Es war aber das Reifenlager nach B... zu überführen. Außerdem fielen in B... Sonderaufgaben an, nämlich die Pflasterung des Betriebsgrundstücks und die Installation der Außenbeleuchtungsanlage. Damit ist der Kläger unstreitig beschäftigt und ausgelastet worden. Unberührt blieben davon seine weiteren Aufgaben, nämlich die Fahrzeugaufbereitung und die Hausmeistertätigkeiten. Diese Arbeiten mögen zwar, wiederum den Vortrag der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 27.02.2008 Seite 3) als richtig unterstellt, nunmehr in geringerem Umfang angefallen sein. Gänzlich entfallen waren sie aber nicht. Das behauptet auch die Beklagte nicht, denn sie lässt vortragen, der Fahrzeugbestand habe sich erheblich verringert, so dass die Fahrzeugaufbereitung dementsprechend nur in einem wesentlich geringeren Umfang durchzuführen sei; gleiches gelte für etwaige Hausmeistertätigkeiten (Schriftsatz vom 27.02.2008 Seite 3). Auch nach Abschluss der Pflasterarbeiten und Fertigstellung der Außenbeleuchtungsanlage zum Ende des Jahres 2007 gab es also noch Tätigkeiten, die der Kläger in der Vergangenheit ausgeführt hatte. Bei der Fahrzeugaufbereitung und den Hausmeistertätigkeiten handelt es sich nicht um Abwicklungsarbeiten. Denn diese Tätigkeiten hat der Kläger durchgängig verrichtet, also vor und nach der Veräußerung der H... Niederlassung. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, welchen zeitlichen Umfang diese verbleibenden Tätigkeiten hatten und wie sie künftig erledigt werden sollten.

Hinzu kommt, dass die Beklagte in dem Zeugnis vom 15.06.2008 die Tätigkeit des Klägers wie folgt beschrieben hat:

Unter der Leitung unseres Werkstattleiters war Herr P... für den eigenen Fuhrpark verantwortlich. Das Einschleppen von Unfallfahrzeugen gehörte ebenso zu seinen Aufgaben. Herr P... war für das Reinigen der Kundenfahrzeuge zuständig sowie für die Logistik unserer Lagerwagen und Vorführwagen zwischen den Filialen H... und B.... Herr P... bearbeitete unser Reifenhotel. Für die Außen- und auch Innenanlage war Herr P... tätig. Seine Arbeitsstätten waren in H... und B....

Warum etwa die Bearbeitung des Reifenhotels durch den Klägers weggefallen ist bzw. wegfallen sollte, ist nicht erkennbar. Unstreitig sind die Reifen von H... nach B... gebracht und dort sortiert und geordnet worden. Offen ist auch, wer anders als der Kläger für das Einschleppen der Unfallfahrzeuge zuständig gewesen sein soll. Unstreitig hat die Beklagte in B. einen BMW-Service-Betrieb betrieben, so dass es nahe liegt, dass weiter Unfallfahrzeuge einzuschleppen waren. Wer, wenn nicht der Kläger, sollte das erledigen?

Können - wie im vorliegenden Fall - die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander getrennt werden, ist nicht ohne weiteres zu vermuten, dass die Unternehmerentscheidung aus sachlichen Gründen erfolgt ist. Hier muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand noch anfallen. Es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund außerbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben. Das bedeutet, dass die Beklagte im vorliegenden Fall konkrete Angaben dazu hätte machen müssen, wie sich der Arbeitsanfall im Arbeitsbereich des Klägers auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein Arbeitskräfteüberhang entstanden ist. Dies gilt umso mehr, als der Kläger vorgetragen hat, er sei bis zu seinem Urlaubsantritt am 14.05.2009 tatsächlich mit verschiedenen Arbeiten ausgelastet gewesen. Die Beklagte hat zwar behauptet, für den Kläger nach der Übergangsphase keine Beschäftigungsmöglichkeit gehabt zu haben und Frau A. ..L...hierfür als Zeugin benannt. Der Beweis war aber nicht zu erheben, weil es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt hätte. Die Zeugin hätte zu den verschiedenen Tätigkeiten des Klägers und ihrer Erledigung bzw. (Um-)verteilung befragt werden müssen, ohne dass die Beklagte entsprechenden Vortrag geleistet hat. Das was die Beklagte vorzutragen gehabt hätte, hätte also von der Zeugin erfragt werden müssen.

c) Die Einlassungen des Geschäftsführers der Beklagten im Berufungstermin geben Anlass, nochmals zu betonen, dass die arbeitgeberseitige Kündigung selbst keine Unternehmerentscheidung ist, die von den Gerichten im Kündigungsschutzprozess als bindend hinzunehmen wäre. Auch ist nicht entscheidend, dass in dem Betrieb heute nicht mehr gearbeitet wird. Die beabsichtigte oder durchgeführte Betriebsstilllegung hätte die Beklagte selbstverständlich zum Anlass für eine weitere Kündigung nehmen können. Zur Begründung der bereits am 14.01.2008 ausgesprochenen Kündigung können diese erst später eingetretenen Umstände nicht herangezogen werden. Anderenfalls wäre der vom Gesetz gewollte Schutz der Arbeitnehmer gegen betriebsbedingte Kündigungen weitestgehend ausgehebelt, weil sich der Arbeitgeber dann, von Fällen des offenbaren Missbrauchs abgesehen, stets erfolgreich mit dem Hinweis verteidigen könnte, die Kündigung stelle eine nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung dar oder sei jedenfalls durch die spätere Betriebsstilllegung gerechtfertigt. Das mag der Beklagten nicht gefallen, folgt aber aus auch für sie zwingendem Recht.

2. Die Kostenentscheidung ist gemäß § 91 ZPO begründet.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, sondern ist einzelfallbezogen. In den Fallübergreifenden Fragen zu den Anforderungen an die Darlegung der Auswirkungen der inner- und außerbetrieblichen Gründe auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers steht die Entscheidung im Einklang mit den hierzu entwickelten höchstrichterlichen Rechtsgrundsätzen.

Ende der Entscheidung

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