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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 134/07
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 134/07

Verkündet am 19.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 19.09.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 31.01.2007 - 3 Ca 2126 b/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Zwischen den Parteien bestand seit 1983 ein Arbeitsverhältnis, das von der Beklagten zum 30.11.2006 wegen Betriebsstilllegung gekündigt wurde. Aus Anlass dieser Betriebsstilllegung schlossen die Beklagte und ihr Betriebsrat am 15.03.2006 einen Sozialplan gemäß Anlage K 3 (Bl. 9 ff. d. A.). Nach dem Sozialplan steht dem Kläger eine Abfindung zu. Unter II. 2. heißt es dazu:

" Sämtliche Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung oder zur Vermeidung derselben einvernehmlich auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wird, erhalten eine Bruttoabfindung nach folgender Maßgabe:

Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x 0,245 x durchschnittl. Monatsverdienst.

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Für das Lebensalter werden die gerundeten Lebensjahre zugrunde gelegt, die der Mitarbeiter am Tage seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zur Firma vollendet hat. Für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit gelten die am Tage seines Ausscheidens gerundeten Jahre der Betriebszugehörigkeit.

Der durchschnittliche Monatsverdienst berechnet sich aus der Multiplikation des Gesamttarifstundenlohnes mit 173 Stunden oder entspricht dem monatlichen Tarifgehalt.

Die Abfindung beträgt mindestens brutto 1.000,00 €.

Für rentennahe Mitarbeiter ab dem vollendeten 63. Lebensjahr beträgt die Abfindung pauschal brutto 1.000,00 €."

Von den gerundeten 23 Jahren Betriebszugehörigkeit verbrachte der Kläger 17,5 Jahre als Vollzeitkraft auf dem Bau und die letzten 6,8 Jahre als Teilzeitkraft mit 70 Arbeitsstunden im Monat als Bürokraft. Die Beklagte errechnete die Abfindung ausschließlich auf der Grundlage des in den letzten 6,8 Jahren der Teilzeittätigkeit verdienten Lohns und gelangte auf diese Weise zu einem Sozialplananspruch in Höhe von 3.971,00 EUR.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die von der Beklagten vorgenommene Abfindungsberechnung fehlerhaft sei, weil nur der zuletzt erzielte Verdienst zugrunde gelegt worden sei. Richtigerweise sei die gesamte Betriebszugehörigkeit gemäß der im Sozialplan genannten Formel zu berücksichtigen. Deshalb müsse das während der kompletten Betriebszugehörigkeit erzielte Einkommen anteilig berücksichtigt werden. Insoweit habe die Beklagte die Jahre der Vollzeittätigkeit mit 10,99 EUR und 173 Stunden zu berechnen, wonach 7.524,64 EUR für diese 17,5 Jahre zu zahlen seien. Für die 6,8 Jahre Teilzeittätigkeit betrage die Abfindung des Klägers auf der Grundlage von 70 Stunden mit dem gleichen Tarifstundenlohn 1.183,07 EUR. Insgesamt ergebe sich damit ein Abfindungsbetrag von 8.707,71 EUR brutto. Da die Beklagte hiervon 3.971,00 EUR brutto anerkannt und gezahlt habe, stünden dem Kläger noch 4.736,71 EUR brutto zu.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine weitere Bruttoabfindung von 4.736,71 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Errechnung der Sozialplanabfindung sei nur auf das zuletzt erzielte Monatseinkommen abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 28.10.1992 - 10 AZR 129/92 - ) sei Sinn und Zweck der Sozialplanabfindung, dem Arbeitnehmer eine Überbrückungshilfe zu gewähren. Aus dem vorliegenden Sozialplan ergäbe sich nichts anderes. Der Kläger habe danach lediglich Anspruch auf eine anteilige Abfindung im Verhältnis seiner Arbeitszeit im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur tariflichen Arbeitszeit. Für diese Auslegung spreche auch die Regelung in Ziffer II. 2., letzter Absatz, wonach die rentennahen Mitarbeiter ab dem vollendeten 63. Lebensjahr lediglich eine pauschale Abfindung in Höhe von 1.000,00 EUR brutto erhielten und zwar unabhängig von ihrer Betriebszugehörigkeit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, der Sozialplan könne nicht dahin ausgelegt werden, dass mit der Abfindung vor allem die in der Vergangenheit geleisteten Dienste des Klägers für die Beklagte zusätzlich anerkannt und vergütet werden sollten. Dagegen spreche, dass in der Berechnungsformel die Arbeitszeit mit der Betriebszugehörigkeit zu multiplizieren sei, ohne dass danach differenziert werde, zu welchen Betriebszugehörigkeitszeiten mit welchen Arbeitszeiten gearbeitet worden ist. Der Sinn und Zweck der Sozialplanabfindung als Überbrückungshilfe rechtfertige es, die Abfindung entsprechend der persönlichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Verhältnis zur tariflichen Arbeitszeit zu berechnen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 27.02.2007 zugestellte Urteil vom 31.01.2007 am 26.03.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.05.2007 am 04.05.2007 begründet.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, das Arbeitsgericht habe bei seiner Auslegung nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Sozialplanabfindung neben einer Ausgleichsfunktion für den Verlust des Arbeitsplatzes auch auf die Anerkennung der geleisteten Dienste abziele. Zudem habe das Arbeitsgericht den Sozialplan nicht zum Nachteil des Klägers auslegen dürfen. Unklare Regelungen gingen zu Lasten der Beklagten mit der Folge, dass das durchschnittliche Monatsentgelt für die gesamte Beschäftigungsdauer maßgeblich sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 31.01.2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Kiel, Az.: 3 Ca 2126 b/06, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.736,71 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 30.06.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wiederholt und verdeutlicht ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 19.09.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft sowie gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn dem Kläger steht ein weiterer Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan vom 15.03.2006 nicht zu.

1. Die Beklagte hat den Abfindungsanspruch des Klägers aus dem Sozialplan erfüllt (§ 362 BGB). Sie hat nach der Formel unter II. 2. des Sozialplans den Abfindungsbetrag in Höhe von 3.971,00 EUR auf der Grundlage der vom Kläger bei 70 Monatsstunden erzielten Vergütung berechnet. Unstreitig hat die Beklagte die so errechnete Abfindung an den Kläger gezahlt.

2. Der Kläger kann nicht verlangen, dass der Abfindungsberechnung auch seine in der Vergangenheit geleistete Vollzeittätigkeit zugrunde gelegt wird.

a) Der Sozialplan lässt sich nicht in dem vom Kläger gewünschten Sinne auslegen. Die (anteilige) Berücksichtigung früherer Zeiten der Vollzeitbeschäftigung bei der Abfindungsberechnung sieht der Sozialplan nicht vor. Der Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit oder umgekehrt wird in der Vereinbarung gar nicht geregelt. In diesem Punkt ist der Sozialplan lückenhaft.

Sozialpläne sind wie Tarifverträge auszulegen. Es kann nur der Wille berücksichtigt werden, der nach außen hinreichend Ausdruck gefunden hat (BAG 08.11.1988 - 1 AZR 721/87 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 48; 17.11.1998 - 1 AZR 221/98 - AP BetrVG 1972 Auslegung § 77 Nr. 6). Maßgeblich ist der Wortlaut der Vereinbarung, zusätzlich sind ihre Systematik, ihr Sinn und Zweck und ihre Entstehungsgeschichte heranzuziehen. Sind mehrere Interpretationsweisen denkbar, ist diejenige vorzugswürdig, die dem objektivierten Willen der Betriebsparteien am nächsten kommt. Eine Auslegungsregel, nach der die für den Arbeitnehmer günstigste Sichtweise vorzugswürdig ist, kommt nicht in Betracht (vgl. Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Auflage, § 231 Rdn. 12).

Weder in den Regelungen des Sozialplans, die sich mit der Abfindung und ihrer Berechnung befassen, noch an anderer Stelle wird die Frage der Teilzeit überhaupt angesprochen. Ebenso wenig wie der Wortlaut lässt der Gesamtzusammenhang erkennen, dass die Betriebsparteien sich über eine anteilige Berücksichtigung von früheren Zeiten der Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung bei der Bestimmung der Höhe einer Sozialplanabfindung Gedanken gemacht haben. Wie die Verwendung des Begriffs "durchschnittlicher Monatsverdienst" und seine Definition in II. 2. Abs. 3 des Sozialplans zeigt, hatten die Betriebspartner nur die Vollzeitkraft vor Augen. Welcher Monatsverdienst bei der Teilzeitkraft in die Formel eingestellt werden soll, ist nicht geregelt.

Dass unabhängig von dem letzten monatlichen Stundenkontingent stets der Verdienst einer vergleichbaren Vollzeitkraft als durchschnittlicher Monatsverdienst in die Berechnung eingestellt werden sollte, behauptet auch der Kläger nicht. Eine solche Auslegung findet im Sozialplan keine Stütze. Festzuhalten ist daher, dass die Frage des Wechsels von Vollzeit zu Teilzeit und seine Berücksichtigung bei der Abfindungsberechnung im Sozialplan nicht geregelt worden ist.

b) Der Sozialplan kann nicht ergänzend dahin ausgelegt werden, dass Zeiten der Vollzeitbeschäftigung auch dann berücksichtigt werden, wenn der Arbeitnehmer zuletzt Teilzeit gearbeitet hat. Vielmehr ergibt die ergänzende Auslegung, dass allein das zuletzt erzielte Gehalt für die Abfindungsberechnung maßgebend ist.

aa) Bei der unter II. 2. a) festgestellten Regelungslücke handelt es sich um eine planwidrige und nicht um eine bewusste Lücke. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebspartner den aufgrund Teilzeittätigkeit geringeren Verdienst gegenüber vergleichbaren Vollzeitkräften bei der Abfindungsberechnung unberücksichtigt lassen wollten. Von einer bewussten Lücke kann deshalb keine Rede sein.

bb) Einer ergänzenden Auslegung dahingehend, dass die früheren Zeiten der Vollzeitbeschäftigung bei der Bestimmung der Höhe der Sozialplanabfindung anteilig berücksichtigt werden, steht der Sinn und Zweck der Sozialplanabfindung entgegen. Der Sozialplan zielt darauf ab, die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder doch zu mildern, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Die Sozialplanabfindung hat eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion hinsichtlich der künftigen Nachteile, die durch eine geplante Betriebsänderung entstehen können (BAG 09.11.1994 - 10 AZR 281/94 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 85; 14.08.2001 - 1 AZR 760/00 - EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 108). Damit ist der Zweck der Abfindung auf die durch die Betriebsänderung verursachte künftige Lage des Arbeitnehmers bezogen. Die Abfindung soll nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen. Wie groß dieser Verlust ist, bestimmt sich vornehmlich nach der vertraglichen Arbeitszeit und dem zuletzt erhaltenen Arbeitsentgelt. Dagegen ist das vergangenheitsbezogene Kriterium der Betriebszugehörigkeit nicht vorrangig ausschlaggebend dafür, welche Nachteile ein Arbeitnehmer durch eine Betriebsänderung in der Zukunft erleidet. Zwar überschreiten die Betriebspartner nach Auffassung des 1. Senats des Bundesarbeitsgerichts ihren Spielraum bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Nachteile einer Betriebsänderung und der Ausgestaltung der darauf gerichteten Ausgleichsmaßnahmen noch nicht, wenn sie bei der Bemessung einer Sozialplanabfindung Zeiten der Teilzeit- und der Vollzeitbeschäftigung anteilig berücksichtigen (BAG 14.08.2001 - 1 AZR 760/00 - a. a. O.). Ohne nähere Anhaltspunkte scheidet aber eine solche sich vom gesetzlichen Zweck der Sozialplanabfindung entfernende ergänzende Auslegung aus. Vielmehr verbleibt es dabei, dass der Verlust des sozialen Besitzstands maßgebend ist. Dieser wiederum ist durch die persönliche Arbeitszeit zum Zeitpunkt des Arbeitsplatzverlustes gekennzeichnet. Wegen dieses Zwecks der Abfindung ist auch die unterschiedliche Behandlung der teilzeitbeschäftigten und der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer sachlich gerechtfertigt (vgl. BAG 28.10.1992 - 10 AZR 128/92 - NZA 1993, 515).

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung betraf ausschließlich Fragen der Auslegung des streitgegenständlichen Sozialplans.

Ende der Entscheidung

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