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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 156/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 145 | |
ZPO § 286 |
Entscheidung wurde am 29.10.2007 korrigiert: die Vorschriften, Rechtsgebiete und Stichworte wurden geändert und ein Leitsatz wurde hinzugefügt
2. Die bloße Erwähnung der wesentlichen Vertragskonditionen in einem Vorstellungsgespräch führt noch nicht dazu, dass ein Arbeitsverhältnis mit diesem Inhalt zustande kommt, wenn der Bewerber die Bedingungen akzeptiert. Erst wenn den korrespondierenden Erklärungen entnommen werden kann, dass tatsächlich eine Zusammenarbeit ab einem bestimmten Datum erfolgen soll, kommt ein Arbeitsverhältnis zustande.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 6 Sa 156/07
Verkündet am 01.08.2007
In dem Rechtsstreit
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 01.08.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.02.2007 - 2 Ca 1332/06 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustandegekommen ist.
Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Zwischen den Parteien sei kein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustandegekommen, das sodann durch eine Kündigung beendet wurde. Die Kammer sei nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass der Beklagte den Kläger am 29.09.2006 verbindlich zum 10.10.2006 eingestellt hat. Es verblieben Zweifel, ob der Beklagte dem Kläger am fraglichen Tag ein Arbeitsverhältnis oder lediglich einen Probearbeitstag am 10.10.2006 - mit einem evtl. anschließenden Arbeitsverhältnis - angeboten habe. Auch aus den Bekundungen des Klägers in der Parteivernehmung habe sich nicht zwingend der mündliche Abschluss eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien ergeben. Es könne durchaus auch ein Missverständnis auf Seiten des Klägers vorgelegen haben.
Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 06.03.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.04.2007 Berufung eingelegt und diese am 04.05.2007 begründet.
Der Kläger trägt vor:
Das Arbeitsgericht habe Widersprüche im Vortrag des Beklagten übersehen und die Parteivernehmung des Klägers fehlerhaft gewürdigt. Zudem habe es außer Acht gelassen, dass auch nach dem Vortrag des Beklagten die "Essentialia" des Vertrages geklärt gewesen sein (Arbeitsplatz, Probezeit, Vergütung). Der Beklagte habe im Schriftsatz vom 23.11.2006 vortragen lassen, dass über ein Probearbeiten erst am Abend des 29.09.2006 gesprochen worden sei, wohingegen er im Kammertermin behauptet habe, bereits am Mittag des selben Tages sei über ein Probearbeitsverhältnis gesprochen worden. Die Aussage des Beklagten zu der vom Kläger behaupteten konkreten Zusage am Mittag des 29.09.2006 hätte das Arbeitsgericht angesichts der Eigeninteressen des Beklagten besonders kritisch würdigen müssen. Jedenfalls hätte es dem Vortrag des Klägers, der 10.10.2006 um 13.25 Uhr sei als verbindlicher Termin zur Arbeitaufnahme vereinbart worden, stärkere Bedeutung zumessen müssen. Die Stellenzusage werde auch belegt durch die Aussage des Beklagten, er habe sich nachträglich "in einem Telefonat mit seinem Vater umentschieden". Nach den Bekundungen des Klägers habe die Entscheidung des Beklagten bereits mittags festgestanden, denn er habe ausgesagt, "ich habe darum gebeten, dass Sie mich anrufen würden, falls sich die Entscheidung ändern sollte". Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht dem Kläger unterstellt, seine Aussage sei von einem "Wunschdenken" geleitet worden. Seine Aussage sei stimmig, die des Beklagten hingegen nicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.02.2006 (Az.: 2 Ca 1332/06) wie folgt abzuändern:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsverhältnis durch das Kündigungsschreiben des Beklagten vom 10.10.2006, zugegangen am 12.10.2006, nicht mit sofortiger Wirkung, sondern fristgemäß zum 26.10.2006 beendet wurde.
Hilfsweise
festzustellen, dass zwischen den Parteien mit Wirkung zum 10.10.2006 ein Arbeitsverhältnis zustandegekommen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Zurückweisungsantrags auf seinen erstinstanzlichen Vortrag sowie die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszuge wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Klage ist unbegründet. Es fehlt bereits an einer Kündigungserklärung des Beklagten, so dass an dieser Stelle offen bleiben kann, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist.
Mit dem Hauptantrag wendet sich der Kläger gegen eine Kündigung des Beklagten vom 11.10.2006. Behauptet der Arbeitgeber aber gar nicht gekündigt zu haben, muss der Arbeitnehmer darlegen und ggf. beweisen, dass entgegen der Behauptung des Arbeitgebers doch gekündigt wurde, anderenfalls ist die Klage schon aus diesem Grunde abzuweisen (LAG Hamm 13.03.2001 - 11 Sa 2157/99 - zitiert nach Juris; KR Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn 245).
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte bestritten, eine Kündigung ausgesprochen zu haben. Auch im Berufungstermin hat er das nochmals betont. Demnach fehlt es hier an der Darlegung einer Kündigung durch den Kläger, denn das unstreitige Schreiben des Beklagten vom 11.10.2006 beinhaltet keine Kündigung.
Eine Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft aufgelöst werden soll. Die Kündigung muss deutlich und zweifelsfrei erfolgen. Zwar braucht nicht unbedingt das Wort Kündigung verwandt zu werden, aber es muss sich aus dem Gesamtzusammenhang ergeben, dass das Arbeitsverhältnis durch eine einseitige Gestaltungserklärung für die Zukunft gelöst werden soll (BAG 15.03.1991 - - 2 AZR 516/90 - AP BBiG § 47 Nr. 2; LAG Rheinland-Pfalz 04.06.1992 - 8 Sa 1011/91 - LAGE BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 1; Schaub/Linck 11. Aufl. § 123 Rn 38). Für die Beantwortung der Frage, ob eine rechtsgeschäftliche Erklärung einer Partei eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellt, ist entscheidend, wie der Kündigungsadressat nach der allgemeinen Verkehrssitte und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die ihm zugegangene Erklärung auffassen musste.
Danach hat der Beklagte mit Schreiben vom 11.10.2006 keine Kündigung ausgesprochen. Vielmehr weist der Beklagte auf ein - aus seiner Sicht bestehendes - Missverständnis hin und stellt klar, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsvertrag besteht, bestanden hatte und auch in der Zukunft nicht bestehen wird. Damit fehlt bereits die Grundlage für eine Kündigung. Denn wenn zu keiner Zeit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, bedarf es überhaupt keiner Kündigung. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beklagte mit dem fraglichen Schreiben auf das Schreiben des Klägers vom Vortag (Anlage K 1 = Bl. 8 d. A.) geantwortet hat. Nachdem dem Kläger vom Beklagten der Arbeitsantritt verwehrt worden war, hatte er schriftlich geltend gemacht, ein Arbeitsvertrag sei am 29.09.2006 geschlossen worden. Wesentlicher Streitpunkt zwischen den Parteien war also die Frage des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses und nicht dessen Beendigung. Hier hat der Beklagte unzweideutig den Standpunkt vertreten, dass kein Arbeitsvertrag geschlossen worden ist. Es war also gar nicht nötig, dieses vom Kläger angesprochene Arbeitsverhältnis zu kündigen. Auch zu einer vorsorglichen Kündigung bestand für den Beklagten kein Anlass.
2. Der Kläger hat seine Klage im Berufungstermin in zulässiger Weise um die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf Feststellung, dass zwischen den Parteien mit Wirkung zum 10.10.2006 ein Arbeitsverhältnis gegründet worden ist, erweitert. Die darin liegende Klageänderung ist zulässig, weil der Beklagte rügelos über den Hilfsantrag verhandelt und damit in die Klageänderung eingewilligt hat, § 533 Nr. 1 1. Fall ZPO. Überdies ist die Klageänderung sachdienlich im Sinne von § 533 Nr. 1 2. Fall ZPO. Denn die Zulassung des Antrags ist geeignet, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.
Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis zustandegekommen.
Ein Arbeitsvertrag wird nach Maßgabe der §§ 145 ff. BGB durch Antrag und Annahme geschlossen. Die übereinstimmenden Willenserklärungen können mündlich, schriftlich, ausdrücklich oder konkludent durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Die Parteien müssen sich über die Essentialia des Arbeitsvertrages geeinigt haben, d. h. über die zu leistende Arbeit und die zu zahlende Vergütung. Die übereinstimmenden Willenserklärungen müssen mit dem Willen abgegeben werden, sich rechtlich zu binden. Dagegen sind Vorverhandlungen bis zur vollständigen Einigung grundsätzlich nicht bindend.
Das Arbeitsgericht hat bei seiner Prüfung diese Grundsätze beachtet und ist nach sorgfältiger Würdigung der erhobenen Beweise zu dem Ergebnis gelangt, dass weder am Morgen noch am Abend des 29.09.2006 ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustandegekommen ist. Dem schließt sich die Berufungskammer an. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Aus der Tatsache, dass die Parteien bereits im Vorstellungsgespräch am Vormittag des 29.09.2006 über eine Tätigkeit des Klägers als Erzieher zu einem Gehalt von 2.000,-- € in der Probezeit und 2.215,-- € nach Ablauf der Probezeit gesprochen haben, kann noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags geschlossen werden. Die bloße Erwähnung der Vertragskonditionen in einem Vorstellungsgespräch führt nicht zwingend dazu, dass sogleich ein Arbeitsverhältnis mit diesem Inhalt zustande kommt, wenn der Bewerber die Bedingungen akzeptiert. Es ist in Vorstellungsgesprächen durchaus üblich, dass Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen, gerade auch in finanzieller Hinsicht, mitteilen. Darin liegt jedoch nicht mehr als eine Information. Erst wenn den korrespondierenden Erklärungen entnommen werden kann, dass tatsächlich eine Zusammenarbeit ab einem bestimmten Datum zu diesen Bedingungen erfolgen soll, kommt ein Arbeitsverhältnis zustande. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen Erklärung mit Rechtsfolgewillen seitens des Beklagten.
Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte im Schriftsatz vom 23.11.2006 (dort S. 2) hat vortragen lassen, dass sich die Parteien in dem am Abend des 29.09.2006 geführten Telefonats über einen Probetag geeinigt haben. Der behauptete Widerspruch zu der Aussage des Beklagten im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht liegt nicht vor. Der Beklagte hat dort nicht ausgesagt, dass bereits im Vorstellungsgespräch am Vormittag des 29.09.2006 über einen Probearbeitstag konkret gesprochen worden ist. Vielmehr hat er bekundet, dass "wir uns wieder bei dem Kläger melden würden". Das hat der Beklagte auch tatsächlich getan. In diesem Gespräch - also dem am Abend - ging es nach seinem Bekunden darum, "ein Datum zu vereinbaren für einen Probearbeitstag". Insofern stimmen der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 23.11.2006 und seine Aussage im Rahmen der Parteivernehmung überein.
Das Arbeitsgericht hat die Aussagen der Parteien, auch die des Beklagten, durchaus kritisch gewürdigt. Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Aussage des Beklagten zu der vom Kläger behaupteten Stellenzusage wegen des Eigeninteresses des Beklagten besonders kritisch, also kritischer als seine eigene, gewürdigt wird. Eine unterschiedliche Würdigung ist nicht angezeigt, weil auch der Kläger ein Eigeninteresse hat, das spiegelbildlich dem des Beklagten entspricht. Der Maßstab der Würdigung ergibt sich im Übrigen aus § 286 ZPO und der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts aus § 529 ZPO. Zweifel an der Richtigkeit der Würdigung des Arbeitsgerichts ergeben sich nicht daraus, dass es dem Umstand keine besondere Bedeutung beigemessen hat, dass der Beklagte ausgesagt hat, er habe sich nachträglich "in einem Telefonat mit seinem Vater umentschieden". Daraus kann nicht zwingend geschlossen werden, dass bereits die Entscheidung zu Gunsten des Abschlusses eines Arbeitsverhältnisses getroffen worden war und erst recht nicht, dass diese dem Kläger mitgeteilt worden ist. Das "Umentscheiden" kann sich durchaus auch, und dafür spricht der Kontext der Aussage, auf den angedachten Probearbeitstag bezogen haben.
Im Ergebnis ist die Berufungskammer mit dem Arbeitsgericht davon überzeugt, dass der Beklagte dem Kläger weder in dem Vorstellungsgespräch am Vormittag noch in dem am Abend des 29.09.2006 geführten Telefonat den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses in bindender Weise (§ 145 BGB) angeboten hat. Es reicht nicht aus, dass der Beklagte in den Gesprächen beim Kläger den Eindruck erweckt hat, es werde wohl zu einer Zusammenarbeit kommen. Hier wäre es sicher wünschenswert gewesen, dass der Beklagte sich deutlicher ausgedrückt und den Kläger nicht so lange im Ungewissen gelassen hätte. Auch hätte es der Anstand geboten, dass der Beklagte nach den von beiden Seiten als positiv beschriebenen Gesprächen dem Kläger selbst absagt und dies nicht einem Dritten (seinem Vater) überantwortet. Auf der anderen Seite kann nicht daraus, dass der Beklagte - so der Eindruck der Berufungskammer - das offene Wort scheut, auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags geschlossen werden.
Im Ergebnis ist daher der Kläger für seine Behauptung, ein Arbeitsverhältnis mit den Beklagten sei begründet worden, beweisfällig geblieben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern ist einzelfallorientiert. Soweit Fallübergreifende Rechtsfragen angesprochen werden, steht die Entscheidung im Einklang mit den höchstrichterlich entwickelten Rechtsgrundsätzen.
Ende der Entscheidung
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