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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 07.01.2009
Aktenzeichen: 6 Sa 233/07
Rechtsgebiete: BAT, BMT-AW II


Vorschriften:

BAT § 29
BMT-AW II § 26
Eine bei der Arbeiterwohlfahrt beschäftigte Arbeitnehmerin, deren Ehemann in einem Arbeitsverhältnis steht, das aus dem BAT in ein dem TVöD entsprechendes Tarifwerk überführt wurde, kann einen monatlichen Ortszuschlag der Stufe 2 verlangen. Der Anspruch ist nicht aufgrund ergänzender Auslegung des § 26 BMT-AW II zu verneinen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 233/08

Verkündet am 07.01.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 08.05.2008 - 2 Ca 3017 b/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors wie folgt gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 926,58 € brutto zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den vollen Ortszuschlag im Sinne von § 26 BMT-AW II i. V. m. § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT in Höhe von 90 % zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Ortszuschlags nach § 29 Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT).

Die Klägerin ist seit dem 01.05.2005 bei der Beklagten angestellt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Anstellungsvertrag vom 11.04.2005 zugrunde. Mittlerweile besteht das Arbeitsverhältnis unbefristet. Nach § 8 Abs. 2 des Arbeitsvertrags gelten die Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages der A. ergänzend.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und unter anderem der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. schlossen mit Datum 23.12.2004 einen Übergangstarifvertrag. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"Präambel

Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit dem Abschluss dieses Übergangstarifvertrages vorrangig folgende Ziele:

Zum einen soll für die gegenwärtig und zukünftig Beschäftigten in den Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt wieder ein Flächentarifvertrag die rechtliche Grundlage für die Regelungen ihrer Arbeitsverhältnisse sein. Der Übergangstarifvertrag symbolisiert die Verantwortung und Partnerschaft aller Beteiligten.

Zum anderen soll die Laufzeit des Übergangstarifvertrages genutzt werden, um einen Reformtarifvertrag zu verhandeln, der sowohl den Interessen der Beschäftigten als auch den geänderten Rahmenbedingungen in der Wohlfahrtspflege Rechnung trägt.

§ 1 Ersetzungsvereinbarungen

Dieser Tarifvertrag ersetzt die folgenden, bis zum 31.03.2004 geltenden Tarifverträge:

Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt BMT-AW II. Alle in den Ziffern 1 bis 8 genannten tarifvertraglichen Bestimmungen entfallen.

§ 2 Geltungsbereich, Inhalts-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen

Der normative Inhalt dieses Übergangsvertrages bestimmt sich nach dem Text der ehemaligen Bestimmungen der in § 1 genannten Tarifverträge in ihren jeweils am 31.03.2004 gültigen Fassungen mit den nachfolgenden Änderungen bzw. Ergänzungen.

...

9. Die Tarifvertragsparteien vereinbaren die umgehende Aufnahme von Verhandlungen für den Fall, dass es im öffentlichen Dienst zu neuen tariflichen Regelungen kommt.

Diese Frage ist insbesondere mit Blick auf öffentliche Landes- und Bundesförderung und das Besserstellungsverbot wichtig."

Gemäß § 23 Abs. 1 BMT-AW II setzt sich die Vergütung des Angestellten aus der Grundvergütung (§ 24) und dem Ortszuschlag (§ 26) zusammen. Nach § 26 BMT-AW II gelten für den Ortszuschlag die Bestimmungen der §§ 29 und 32 BAT in der jeweils geltenden Fassung. Die Höhe des Ortszuschlages richtet sich nach der jeweiligen Vergütungsgruppe und nach der für den einzelnen Familienstand vorgesehenen Stufe. Der Ortszuschlag wird nach der dem Vergütungs- und Lohntarifvertrag beigefügten Tabelle gewährt.

§ 29 BAT bestimmt u. a. Folgendes:

A. "Grundlage des Ortszuschlages

(1) Die Höhe des Ortszuschlages richtet sich nach der Tarifklasse, der die Vergütungsgruppe des Angestellten zugeteilt ist (Abs. 2), und nach der Stufe, die den Familienverhältnissen des Angestellten entspricht (Abschn. B).

(2) ...

B. Stufen des Ortszuschlages

(1) ...

(2) Zur Stufe 2 gehören:

1. Verheiratete Angestellte

...

(5) Steht der Ehegatte eines Angestellten als Angestellter, Beamter, Richter oder Soldat im öffentlichen Dienst oder ist er aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen, der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der höchsten Tarifklasse zu, erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des für ihn maßgebenden Ortszuschlages zur Hälfte,..."

Die Beklagte wandte und wendet auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin die tariflichen Bestimmungen für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt und in der Folge die Regelungen des BAT zum Ortszuschlag an.

Der Ehemann der Klägerin ist bei der Stadtverkehr L. GmbH tätig. Auf sein Arbeitsverhältnis fand in der Vergangenheit der BAT Anwendung. Danach hatte auch er Anspruch auf den Ortszuschlag gemäß § 29 BAT. Die Beklagte zahlte der Klägerin aufgrund der Ortszuschlagsberechtigung ihres Ehemanns nur den halben Ortszuschlag der Stufe 2.

Seit Februar 2007 werden auf das Arbeitsverhältnis des Ehemannes der Klägerin die Regelungen des BAT nicht mehr angewandt. Vielmehr gelten seither der Tarifvertrag für die Nahverkehrsbetriebe Schleswig-Holstein (TV-N S-H) und die zwischen der Stadtverkehr L. GmbH sowie dem Kommunalen Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein und ver.di abgeschlossene Anwendungsvereinbarung. In § 3 dieser Vereinbarung heißt es wörtlich:

"Überleitung

Zur Findung der Entgeltgruppen und Stufen gelten nachfolgende Regelungen:

1.

Für die Entgeltgruppenfindung werden zugeordnet ...

3.

...

b) Bei Angestellten:

Grundvergütung, allgemeine Zulage nach dem Tarifvertrag über Zulagen für Angestellte, Funktionszulage (z. B. Meisterzulage), Vergütungsgruppenzulage, Ortszuschlag Stufe 1 oder 2. Ist auch eine andere Person ortszuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt, wird bei dem Arbeitnehmer nur die Stufe 1 zugrundegelegt. ..."

In § 4 der Anwendungsvereinbarung heißt es:

"Persönliche Zulage

(1)

Erreicht die nach § 3 ermittelte Stufe der Entgeltgruppe die bisherigen Bezüge nicht, erhält der Arbeitnehmer den Differenzbetrag zu seinen bisherigen Bezügen (§ 3 Nr. 3) als persönliche monatliche Zulage.

(2)

Die Höhe dieser persönlichen Zulage bleibt während der Dauer dieser Anwendungsvereinbarung unverändert. ..."

Weiter heißt es in § 5 der Anwendungsvereinbarung:

"Kinderbezogene Entgelte im Ortszuschlag bzw. Sozialzuschläge

Für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anwendungsvereinbarung berücksichtigte Kinder werden die kinderbezogenen Entgelte im Ortszuschlag für Angestellte bzw. Sozialzuschläge für Arbeitnehmer/Innen nach Maßgabe der Anspruchsvoraussetzungen des BAT bzw. BMTG II in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung weiter gezahlt.

Änderungen in den persönlichen Anspruchsvoraussetzungen hat der Arbeitnehmer unverzüglich dem Arbeitgeber anzuzeigen."

Wegen der Berechnung zur Überleitung des Gehaltes des Ehemannes der Klägerin vom BAT auf den TV-N S-H wird auf die Anlage B1 (= Bl. 42 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin auch nach dem 01.03.2007 einen Ortszuschlag nach der Stufe 1 zuzüglich der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2. Die monatliche Differenz zur Ortszuschlagsstufe 2 beträgt 50,91 €.

Mit Schreiben vom 27.02.2007 (Anlage K 2 = Bl. 6 d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Ehemann keinen Ortszuschlag mehr erhalte und verlangte die Auszahlung des vollen Verheiratetenzuschlags an sich. Nachdem die Beklagte dem Begehren entgegengetreten war, verfolgt die Klägerin ihren Anspruch mit dieser Klage weiter.

Die Klägerin hat gemeint, ihr stehe der volle Ortszuschlag der Stufe 2 (ab Mai 2007 in Höhe von 90 %) zu, weil die Ortszuschlagsberechtigung ihres Ehemannes weggefallen sei. Die in § 4 der Anwendungsvereinbarung geregelte persönliche Zulage sei nicht vergleichbar mit den Regelungen des Ortszuschlags im BAT, da die Zulage an andere Anspruchsvoraussetzungen geknüpft sei.

Die Klägerin hat beantragt,

es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den vollen Ortszuschlag für die Monate März und April 2007 und ab dem 01.05.2007 den vollen Ortszuschlag in Höhe von 90 % zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil dem Ehemann der Klägerin über das Vergleichsentgelt der halbe Verheiratetenzuschlag weiter zur Verfügung stehe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, der Ehemann der Klägerin erhalte keine dem Ortszuschlag entsprechende Leistung.

Gegen das ihr am 09.06.2008 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 09.07.2008 Berufung eingelegt und diese am 11.08.2008 (Montag) begründet.

Die Beklagte meint, der Ortszuschlag werde an den Ehemann der Klägerin als persönliche Zulage weiter gezahlt. Die Zulage und der Ortszuschlag verfolgten denselben Zweck (Ausgleichsfunktion). Die Zulage resultiere aus dem familienbezogenen Entgeltbestandteil "Ortszuschlag". Der volle Ortszuschlag der Stufe 2 fließe weiterhin in das Familieneinkommen ein. Jedenfalls sei § 26 BMT AW II lückenhaft geworden und müsse ergänzend ausgelegt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck - ö. D. 2 Ca 3017 b/07 -vom 08.05.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und weiter,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 926,58 € brutto zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den vollen Ortszuschlag im Sinne von § 26 BMT AW II i. V. m. § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 1 BAT in Höhe von 90 % zu zahlen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage auch in der geänderten Form abzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach dem Wert der Beschwer statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO).

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet, und zwar auch in der in der Berufungsverhandlung geänderten Form.

Soweit die Klägerin neben der Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den vollen Ortszuschlag (in Höhe von 90 %) zu zahlen, für den Zeitraum März 2007 bis Oktober 2008 Zahlung des Zuschlags verlangt, handelte es sich um eine gemäß § 533 ZPO i. V. m. § 263 ZPO zulässige Klageänderung in der Berufung. Zwischen beiden Streitgegenständen (Feststellung und Zahlung) besteht ein innerer rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang, so dass es sachdienlich ist, diese Streitgegenstände in einem Verfahren zu erledigen. Im Übrigen hat die Beklagte der Klageänderung in der Berufung nicht widersprochen.

II.

Sowohl der Zahlungs- als auch der Feststellungsantrag ist begründet.

1. Der auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiterem Ortszuschlag für die Zeit vom 01.03.2007 bis zum 31.10.2008 in unstreitiger Höhe von 926,58 € gerichtete Antrag ist zulässig und begründet. Der Anspruch folgt aus § 8 Abs. 2 des Arbeitsvertrags der Klägerin i. V. m. §§ 23 Abs. 1 b, 26 Abs. 1 BMT AW II und § 29 BAT.

a) Unstreitig sind die für die Beklagte geltenden tariflichen Regelungen und damit auch der BMT AW II auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar. Dieser Tarifvertrag ist zwar gemäß § 1 Ziff. 1 des Übergangstarifvertrags vom 23.12.2004 durch eben diesen Tarifvertrag ersetzt worden. Gemäß § 2 des Übergangstarifvertrages bestimmt sich jedoch dessen normativer Inhalt nach dem Text des BMT AW II in der am 31.03.2004 gültigen Fassung mit den im Übergangstarifvertrag vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen. Hinsichtlich der hier interessierenden Zahlung des Ortszuschlages enthält der Übergangstarifvertrag keine abweichende Bestimmung.

b) Nach § 29 Abschn. B Abs. 2 Ziff. 1 BAT haben verheiratete Arbeitnehmer Anspruch auf einen Ortszuschlag nach der Stufe 2. Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum verheiratet und ist dies weiterhin. Die Konkurrenzklausel des § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT entbindet die Beklagte nicht von der Pflicht, der Klägerin den vollen Ortszuschlag zu zahlen.

aa) Gemäß § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 (§ 29 Abschn. B Abs. 1 BAT) und der Stufe 2 (§ 29 Abschn. B Abs. 2 Ziff. 1 BAT) des für ihn maßgeblichen Ortszuschlags nur zur Hälfte, wenn sein Ehegatte u. a. als Angestellter im öffentlichen Dienst tätig ist und ihm ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages in der höchsten Tarifklasse zusteht.

Der Ehemann der Klägerin ist bei der Stadtverkehr L. GmbH tätig. Auf sein Arbeitsverhältnis fand in der Vergangenheit der BAT Anwendung. Er erhielt deshalb auch den Ortszuschlag nach § 29 BAT. Seit Februar 2007 findet der TV-N S-H auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Sein Entgelt hat sich gegenüber dem Bezug im Vormonat der Höhe nach nicht geändert.

Der Ehegatte der Klägerin erhält seitdem aber keine vergleichbare Leistung im Sinne von § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT. Der TV-N S-H und die ihn ergänzende Anwendungsvereinbarung kennen keinen Anspruch auf Zahlung eines Ortszuschlages. Lediglich zur Wahrung des Besitzstandes ist für den Ehemann der Klägerin im Zuge der Überleitung des Gehalts vom BAT zum TV-N S-H ein Vergleichsentgelt unter Berücksichtigung eines Ortszuschlags gebildet worden. Das ergibt sich aus § 3 der Anwendungsvereinbarung. Gemäß § 4 dieser Vereinbarung erhält der Arbeitnehmer eine persönliche monatliche Zulage, wenn die nach § 3 der Anwendungsvereinbarung ermittelte Stufe der Entgeltgruppe die bisherigen Bezüge nicht erreicht. Das belegt, dass der Ortszuschlag im Rahmen der Bildung des Vergleichsentgelts nicht mehr als einen Rechenfaktor für die erstmalige Umgruppierung in eine Stufe der Entgeltgruppe des neuen Tarifvertrags darstellt. Spätere Änderungen des Familienstands wirken sich auf den Rechenfaktor nicht (mehr) aus. Für den Ortszuschlag war es aber gerade kennzeichnend und wesentypisch, dass er bei Änderungen der Familienverhältnisse überprüft und ggf. dem geänderten Familienstand angepasst wurde (BAG 17.07.2008 - 6 AZR 635/07 - zit. nach JURIS). Folglich besteht die in § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT beschriebene Konkurrenz zwischen den Eheleuten nicht mehr. Zu Recht hat das Arbeitsgericht daher die Klägerin ab dem 01.03.2007 als berechtigt angesehen, einen Ortszuschlag nach der Stufe 2 zu verlangen.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 26 BMT AW II nicht lückenhaft geworden und bedarf deshalb keiner ergänzenden Auslegung. Eine ergänzende Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst nicht geregelt haben und dies in einer entsprechenden Auslassung seinen Ausdruck findet. Im Falle einer unbewussten Regelungslücke haben die Gerichte die Möglichkeit und die Pflicht, die Lücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (BAG 10.12.1986 - 5 AZR 517/85 - BAGE 54, 30; 20.05.1999 - 6 AZR 451/97 - BAGE 91, 358). Dem Gericht ist es jedoch verwehrt, eine Lücke zu schließen, wenn verschiedene Möglichkeiten bestehen und es deshalb aufgrund der bestehenden Tarifautonomie den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben muss, für welche Lösungsmöglichkeit sie sich entscheiden wollen (BAG 20.05.1999, a. a. O.).

(1) Im vorliegenden Fall fehlt es schon an einer Regelungslücke. Eine Lücke ist nicht dadurch entstanden, weil § 29 BAT im öffentlichen Dienst der Gemeinden, des Bundes und der Länder durch den TVöD abgelöst wurde. Die Tarifvertragsparteien haben durch eine dynamische Verweisung in § 26 BMT AW II auf § 29 BAT in der jeweils geltenden Fassung Bezug genommen. Die Verweisung ist konstitutiv, denn die Tarifvertragsparteien haben sowohl im Übergangstarifvertrag als auch im BMT AW II ausdrücklich von ihrer Normsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht und durch die Verweisung auf § 29 BAT eine eigenständige Regelung für ihren Tarifbereich geschaffen (LAG Hamm 13.09.2007 - 17 Sa 765/07 - zit. nach JURIS). Endet die in Bezug genommene Tarifnorm, so bleibt bis zu einer Änderung des Rechtszustands durch den verweisenden Tarifvertrag - hier also den BMT AW II - der Rechtszustand bestehen, der bei Ablauf der in Bezug genommenen Tarifnorm bestand. Diese gilt statisch weiter (LAG Hamm a. a. O.). Es kann also keine Rede davon sein, dass das Objekt der Bezugnahme des § 26 BMT AW II nicht mehr vorhanden wäre.

(2) Jedenfalls handelt es sich nicht um eine unbewusste Regelungslücke. Es kann deshalb unterstellt werden, dass die Verweisung in § 26 BMT AW II auf § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT lückenhaft geworden ist, weil die Beklagte bis zum Inkrafttreten des TVöD oder auch des TV-N S-H aufgrund der tariflichen Verweisung davon ausgehen durfte, dass sie bei Zahlung des Ortszuschlages die daraus folgende Last nicht alleine zu tragen hat, wenn der Ehepartner des bei ihr Beschäftigten ebenfalls im öffentlichen Dienst tätig ist. Diese Annahme ist mit dem Sinn und Zweck des Ortszuschlags vereinbar, der darin liegt, dem durch gegenseitige Unterhaltspflichten bestimmten erhöhten finanziellen Bedarf in einer Ehe aus sozialen Gründen Rechnung zu tragen; der Ortszuschlag hat eine soziale, familienbezogene Ausgleichsfunktion (BAG 27.04.2006 - 6 AZR 680/05 -; 30.10.2008 - 6 AZR 682/07 -).

Gegen eine unbewusste Regelungslücke spricht, dass den Tarifvertragsparteien des Übergangstarifvertrags die Überlegungen, die zum Abschluss des TVöD geführt haben, bekannt waren. Im Januar 2003 haben die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und die Gewerkschaft ver.di, die auch Tarifvertragspartei des Übergangstarifvertrages ist, eine Prozessvereinbarung für die Tarifverhandlungen zur Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes geschlossen (vgl. ZTR 2003, 74). Ziel war die Schaffung eines einheitlichen Tarifrechts für Angestellte/Innen und Arbeiter/Innen. Damit verbunden war u. a. eine Lösung vom Beamtenrecht. Die familienbezogenen Ortszuschläge nach § 29 Abschn. B BAT orientierten sich jedoch gerade an dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip. Sie standen im Rahmen einer Neuordnung des Tarifrechts erkennbar zur Diskussion. Hinzu kommt, dass die Vergütung flexibler, leistungsorientierter und transparenter gestaltet werden sollte und leistungsfremde Bezahlungsbestandteile abgebaut werden sollten.

In Kenntnis dieser Prozessvereinbarung ist der Übergangstarifvertrag vom 23.12.2004 geschlossen worden. Die Tarifvertragsparteien haben im Hinblick auf die erwarteten Änderungen im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes nur Übergangsregelungen schaffen wollen. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung. Denn in der Präambel des Übergangstarifvertrages haben die Tarifvertragsparteien betont, seine Laufzeit solle zur Verhandlung über einen Reformtarifvertrag genutzt werden. In § 1 des Übergangstarifvertrages haben sie die Ersetzung des BMT AW II durch den Übergangstarifvertrag vorgesehen und die Normen des BMT AW II in § 2 nur noch für den Übergang für anwendbar erklärt. In § 2 Ziff. 9 haben sie zudem ausdrücklich vereinbart, dass umgehend Verhandlungen aufgenommen werden sollten, falls es im öffentlichen Dienst zu neuen tariflichen Regelungen kommen sollte. Ihnen war somit bewusst, dass durch neue Regelungen im öffentlichen Dienst Lücken in ihrem eigenen Tarifwerk entstehen konnten und würden, die sie durch eigene Verhandlungslösungen schließen wollten. Das streben sie im Übrigen weiterhin an. In der Berufungsverhandlung hat die Beklagte erklärt, dass der Tarifabschluss in Kürze bevorsteht und der neue Tarifvertrag sodann rückwirkend zum 01.07.2008 in Kraft treten soll.

(3) Selbst wenn es sich um eine unbewusste Lücke handeln würde, dürfte das Gericht diese nicht wie von der Beklagten gewünscht schließen. Denn in § 2 Ziff. 9 des Übergangstarifvertrages haben die Tarifvertragsparteien ihre Verhandlungsautonomie betont. Gerade für den eingetretenen Fall, dass es im öffentlichen Dienst zu Neuregelungen kommt, haben sie die Aufnahme von Verhandlungen vereinbart. Das kann nur so gedeutet werden, dass sie eine der neuen Tarifsituation im öffentlichen Dienst angepasste Tarifregelung treffen wollten. Sie haben die Verhandlungen auch aufgenommen. Deren Ergebnis hat die Beklagte abzuwarten und für den Übergang den gerade für diese Umbruchsituation geschaffenen Übergangstarifvertrag zur Anwendung zu bringen.

2. Auch der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig und begründet. Insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts und die der Berufungskammer zur Begründetheit des Zahlungsanspruchs Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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