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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 304/05
Rechtsgebiete: TV Beton- und Fertigteilindustrie und Betonsteinhandwerk in Norddeutschland


Vorschriften:

TV Beton- und Fertigteilindustrie und Betonsteinhandwerk in Norddeutschland
Wird eine Forderung aus einem Arbeitsverhältnis zwar erst nach Änderung der tariflichen Ausschlussfrist fällig, wurde sie jedoch bereits vor der Änderung der tariflichen Ausschlussfrist begründet, so gilt für diese Forderung noch die alte Ausschlussfrist.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 304/05

Verkündet am 29.06.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 29.06.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht H... als Vorsitzender und die ehrenamtlichen Richter D... und G... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 28.04.2005 - 1 Ca 1412 d/03 - teilweise mit der Maßgabe abgeändert, dass die Klage abzuweisen ist, soweit der Kläger für Dezember 2001 3.372,66 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab 15.01.2005 (Ziff. 1 a des Tenors) und eine Jahressondervergütung 2002 in Höhe von 775,71 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab 15.04.2002 (Ziff. 1 e des Tenors) geltend gemacht hat.

Von den Kosten in 1. Instanz trägt die Beklagte 67 % und der Kläger 33 %.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufung noch um Annahmeverzugsvergütung für den Monat Dezember 2001 und um anteilige Jahressondervergütung für das Jahr 2002. Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19.11.2001 fristlos. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.07.2003 (2 Sa 457/02) entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19.11.2001 erst mit dem 31.03.2002 endete.

Die Rechtsanwälte G... machten für den Kläger mit Schreiben vom 20.02.2002 unter anderem den Dezemberlohn 2001 in Höhe von damals 6.569,34 DM brutto geltend. Mit beim Arbeitsgericht am 31.07.2003 eingegangener Klage (der Beklagten am 13.08.2003 zugestellt) hat der Kläger u. a. beantragt, die Beklagte zur Zahlung der Bruttovergütung für Dezember 2001 in Höhe von 3.372,66 € und des anteiligen 13. Monatsgehalts für 2002 in Höhe von 843,17 € brutto zu verurteilen. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens reduzierte der Kläger sodann bezogen auf die anteilige Jahressonderzuwendung für das Jahr 2002 seinen Antrag auf 775,71 € brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren die Tarifverträge der Beton- und Fertigteilindustrie und Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Norddeutschland anwendbar.

Der bis zum 31.12.2001 geltende Tarifvertrag sieht eine Fälligkeit der Vergütungszahlung im Folgemonat vor und weist in § 11 folgende Ausschlussfristen auf:

"§ 11 Ausschlussfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Der ab Januar 2002 in Kraft getretene Rahmentarifvertrag zwischen dem Verband Beton- und Fertigteilindustrie Nord e. V. und der IG Bau Landesverband Niedersachsen-Bremen/Hannover und Landesverband Nord Hamburg vom 25.09.2001 regelt in § 15 folgende Ausschlussfristen:

"§ 15 Ausschlussfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens."

Ferner gilt für das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über die Gewährung einer Jahressondervergütung in der Beton- und Fertigteilindustrie und Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Norddeutschland. Dieser lautet auszugsweise:

"§ 2 Jahressondervergütung

Den Arbeitnehmern sowie den Auszubildenden wird eine einmalige Jahressondervergütung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt:

1. Jedem Arbeitnehmer, der am 30. November in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, wird ab dem Jahr 2001 eine Jahressondervergütung in Höhe von 92 % des tariflichen Monatsentgeltes gewährt. Die Zahlung der Jahressondervergütung erfolgt mit dem Novemberentgelt.

Für gewerbliche Arbeitnehmer lautet die Berechnungsformel des tariflichen Monatsentgeltes:

Tarifstundenlohn x tarifliche Wochenarbeitszeit x 4,33.

2. Der Arbeitnehmer erhält 1/12 der Jahresvergütung für jeden Beschäftigungsmonat. Als Beschäftigungsmonat gilt jeder Monat, in dem der Arbeitnehmer für mindestens 12 Arbeitstage Entgelt vom Arbeitgeber erhalten hat.

Der Arbeitnehmer hat im Eintritts- bzw. Austrittsjahr Anspruch auf 1/12 der Jahressondervergütung für jeden Beschäftigungsmonat.

Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahres aus dem Betrieb ausscheiden, weil sie Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, haben Anspruch auf eine anteilige Jahressondervergütung.

3. Ausfallzeiten infolge eines Arbeits- bzw. Wegeunfalles gelten als Beschäftigungszeit.

4. Kein Anspruch auf Jahressondervergütung besteht:

a) bei arbeitnehmerseitiger Kündigung des Arbeitsverhältnisses,

b) bei fristloser bzw. außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber,

c) bei Arbeitsverhältnissen auf Probe,

d) während des Erziehungsurlaubes,

e) bei Ableistung des Wehr- bzw. Ersatzdienstes."

Die Parteien streiten in der Berufung noch darum, ob der Anspruch des Klägers bezogen auf die Arbeitsvergütung des Monats Dezember 2001 verfallen ist und ob die Voraussetzungen für die Zahlung der anteiligen Jahressonderzuwendung für das Jahr 2002 erfüllt sind.

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Berufung von Interesse - die Beklagte verurteilt, dem Kläger für Dezember 2001 3.372,66 € brutto nebst Zinsen und die Jahressondervergütung 2002 in Höhe von 775,71 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf die Vergütung für Dezember 2001 sei nicht verfallen. Insoweit sei anwendbar die Ausschlussfrist des ab dem 01.01.2002 einschlägigen Tarifvertrages. Denn hinsichtlich des rechtlichen Schicksals einer im Jahre 2002 fällig gewordenen Forderung könne nicht der alte Tarifvertrag Anwendung finden. Wegen des Grundsatzes der Rechtseinheitlichkeit sei es unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 1 des neuen Tarifvertrages nicht möglich, Ansprüche, deren Fälligkeit nach dem 01.01.2002 eintrete, unterschiedlichen Ausschlussfristen zuzuführen. Der Kläger habe auch Anspruch auf die anteilige Jahressonderzuwendung. Nach der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts habe das Arbeitsverhältnis zwar durch außerordentliche Kündigung geendet, jedoch mit einer sozialen Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspreche. Das Landesarbeitsgericht habe dabei ausdrücklich festgestellt, dass die Schwere der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung des Klägers lediglich für eine Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist ausreiche. Insofern handele es sich vorliegend bei der Kündigung zwar formal um eine außerordentliche, jedoch hinsichtlich der Vorwerfbarkeit gegenüber dem Kläger nur um eine ordentliche Kündigung. Soweit die Beklagte im Übrigen als Anspruchsvoraussetzung für die Jahressondervergütung auf ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis am 30.11. hinweise, verkenne sie die ausdrückliche Regelung hinsichtlich des Eintritts- bzw. Austrittsjahres in § 2 Ziff. 2 2. Unterabs. des Tarifvertrages.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 14.06.2005 zugestellte Urteil am 01.07.2005 Berufung eingelegt und diese am 25.07.2005 begründet.

Die Beklagte meint, der Anspruch auf die Vergütung für den Monat Dezember 2001 sei verfallen. Insoweit finde der bis zum 31.12.2001 anwendbare Tarifvertrag mit der dortigen Ausschlussfrist Anwendung. Die Einheitlichkeit der Tarifordnung gebiete es, auf einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis alle Normen eines Tarifvertrages einheitlich anzuwenden. Dabei komme es nur auf den Normenstatus im Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs an, nicht auf dessen Fälligkeit. Auch auf die anteilige Jahressondervergütung 2002 habe der Kläger keinen Anspruch. Sein Arbeitsverhältnis sei am 30.11. des Jahres nicht ungekündigt gewesen. Außerdem sei es außerordentlich - wenn auch mit sozialer Auslauffrist - beendet worden. Das in der Drohung seines Vorgesetzten mit einem Messer liegende Fehlverhalten des Klägers habe die außerordentliche Kündigung grundsätzlich gerechtfertigt. Sofern es aufgrund weitergehender sozialer Gesichtspunkte ihr zumutbar gewesen sein soll, das Arbeitsverhältnis mit einer Auslauffrist zu beenden, ändere dies nichts an der Tatsache, dass ein für sie nicht hinnehmbares Verhalten des Klägers einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung dargestellt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter teilweise Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster vom 28.04.2005 - 1 Ca 1412 d/03 - abzuweisen, soweit

1. für Dezember 2001 3.372,66 € brutto zuzüglich 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz ab 15.01.2002;

2. als Jahressondervergütung 2002 anteilig 775,71 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2002 geltend gemacht werden. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und weist ergänzend darauf hin, das Landesarbeitsgericht habe die außerordentliche Kündigung als gerade nicht rechtmäßig angesehen, sondern diese korrigiert. Dass es sich zudem bei seinem Verhalten um ein "schlichtweg nicht hinnehmbares Verhalten" gehandelt habe, könne auch durchaus anders gesehen werden. Insoweit verweise er auf das Urteil des Sozialgerichts Lübeck, das das Verhalten vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des Sperrzeitsachverhalts gemäß § 144 SGB III gewürdigt habe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie auch Erfolg.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für den Monat Dezember 2001. Denn dieser Anspruch ist gemäß § 11 des bis zum 31.12.2001 geltenden Tarifvertrages der Beton- und Fertigteilindustrie und des Betonsteinhandwerks in Norddeutschland verfallen. Zwar haben die damaligen Rechtsvertreter des Klägers, die Rechtsanwälte G..., mit Schreiben vom 20.02.2002 gegenüber der Beklagten die Vergütung für den Monat Dezember 2001 rechtzeitig im Sinne der ersten Stufe der Ausschlussfristen schriftlich geltend gemacht. Es fehlt dann jedoch an der gerichtlichen Geltendmachung nach Maßgabe der zweiten Stufe der Ausschlussfrist. Die gerichtliche Geltendmachung erfolgte erst durch den Kläger selbst mit Klagerhebung am 31.07.2003. Dies war zu spät unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 11 Abs. 2 des bis zum 31.12.2001 anzuwendenden Tarifvertrages.

Der Kläger kann sich nicht darauf stützen, für die Vergütung des Monats Dezember 2001 sei im Hinblick auf die Fälligkeit dieser Vergütung im Januar 2002 der ab 01.01.2002 geltende neue Tarifvertrag anwendbar.

Das Berufungsgericht teilt die Auffassung der Beklagten, wonach der ab 01.01.2002 geltende Rahmentarifvertrag mit der geänderten Ausschlussfrist nur Ansprüche erfasst, die ab dem 01.01.2002 begründet bzw. entstanden sind. Auf die Fälligkeit kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der alte Tarifvertrag bis zum 31.12.2001 galt. Er erfasste also das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zu diesem Zeitpunkt, damit auch den Vergütungsanspruch aus Dezember 2001. Zwar wird nicht verkannt, dass sowohl die Ausschlussfristen in § 11 des alten Tarifvertrages als auch in § 15 des neuen Tarifvertrages für den Beginn der Frist jeweils an die Fälligkeit anknüpfen. Trotz der in den Folgemonat verlagerten Fälligkeit der Dezembervergütung bleibt es dennoch eine Forderung, die aus einem Zeitraum stammt, als der alte Tarifvertrag noch galt. Wieso es aus dem Gesichtspunkt der Rechtseinheitlichkeit auch unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 1 des neuen Tarifvertrages nicht möglich sein soll, Ansprüche, deren Fälligkeit nach dem 01.01.2002 eintritt, unterschiedlichen Ausschlussfristen zuzuführen, ist für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar. Bei einer Übergangsphase zwischen einem alten und neuen Tarifvertrag ist es durchaus denkbar, dass für einen Anspruch, der noch unter dem alten Tarifvertrag begründet wurde, der allerdings zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Tarifvertrages noch nicht verfallen war, noch die alte Ausschlussfrist gilt.

Insoweit ist auf eine Parallele zu Art. 299 § 6 Abs. 3 EGBGB hinzuweisen. Ist die Verjährungsfrist nach dem bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung länger als nach dem bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der im bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist vollendet.

In einer Übergangsphase knüpft diese Vorschrift daher trotz der novellierten längeren Verjährungsfrist noch an die alte kürzere Verjährungsfrist an.

Nach alledem ist der Anspruch des Klägers für Dezember 2001 verfallen.

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die anteilige Jahressondervergütung für das Jahr 2002. Dabei kann offen bleiben, ob dem Anspruch bereits die Regelung in § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Gewährung einer Jahressondervergütung entgegensteht, wonach der Arbeitnehmer sich am 30.11. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden muss. Insoweit neigt die Berufungskammer zu der Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach entscheidend abzustellen ist auf § 2 Abs. 2 des einschlägigen Tarifvertrages mit der dort geregelten Vereinbarung für das Eintritts- bzw. Austrittsjahr.

Entscheidend ist aber letztlich, dass der Anspruch des Klägers gemäß § 2 Abs. 4 b des Tarifvertrages für die Jahressondervergütung ausgeschlossen ist. Danach hat der Arbeitnehmer bei fristloser bzw. außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber keinen Anspruch auf die Jahressondervergütung.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 15.07.2003 (2 Sa 457/02) rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die außerordentliche Kündigung vom 19.11.2001 erst mit dem 31.03.2002 geendet hat. Es hat dazu ausgeführt, dass es nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme feststehe, dass der Kläger den Zeugen B... bedroht habe. Eine solche Verhaltensweise sei grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dass das Landesarbeitsgericht dann das Arbeitsverhältnis erst mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist hat enden lassen, führt nicht dazu, dass damit die außerordentliche Kündigung zu einer ordentlichen Kündigung wird.

Mit einer außerordentlichen Kündigung bringt der Kündigende seinen Willen zum Ausdruck, das Arbeitsverhältnis wegen der Unzumutbarkeit, es für die vorgesehene Dauer oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, sofort oder zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu beenden, außerordentliche fristlose Beendigungskündigung oder außerordentliche befristete Beendigungskündigung (KR-Fischermeyer, § 626 BGB Rn 26). Eine außerordentliche Kündigung führt zwar nach § 626 Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Dies bedeutet aber nicht, dass sie zwangsläufig als fristlose Kündigung erklärt werden müsste, wenn einen Vertragspartner die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Fristablauf unzumutbar geworden ist. Er ist dann vielmehr auch berechtigt, aus wichtigem Grund mit einer Frist zu kündigen, sogenannte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist (KR-Fischermeyer, § 626 BGB Rn 29). Wenn der Kündigungsberechtigte bei einer Kündigung aus wichtigem Grund die Frist für die ordentliche Kündigung einhält, muss er aber durch einen geeigneten Hinweis klarstellen, auf sein Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht zu verzichten, sondern nur z. B. aus Entgegenkommen eine befristete Weiterbeschäftigung hinnehmen zu wollen. Fehlt es an einer solchen Klarstellung, dann darf der gekündigte berechtigt annehmen, ihm sei ordentlich gekündigt worden (KR-Fischermeyer, § 626 BGB Rn 30).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze erweist sich die ausgesprochene Kündigung trotz der vom Landesarbeitsgericht eingeräumten sozialen Auslauffrist weiterhin als eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 2 Abs. 4 b des Tarifvertrages über die Jahressondervergütung. Zum einen ist zu beachten, dass die Beklagte von vornherein außerordentlich gekündigt und am wichtigen Kündigungsgrund festgehalten hat. Nicht sie, sondern das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger eine soziale Auslauffrist eingeräumt. Insoweit ist schon deutlich, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt auf ihr Recht zur außerordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung des konkreten Kündigungssachverhaltes verzichtet hat bzw. verzichten wollte. Die Kündigung blieb eine außerordentliche Kündigung. Dass das Landesarbeitsgericht dann möglicherweise Erwägungen angestellt hat, die dazu führen könnten, dass es sich hinsichtlich der Vorwerfbarkeit gegenüber dem Kläger nur um eine ordentliche Kündigung gehandelt hat, ist unerheblich. Denn insoweit bleibt entscheidend, dass nach dem Tenor der zweitinstanzlichen Entscheidung das Arbeitsverhältnis ausdrücklich durch die außerordentliche Kündigung vom 19.11.2001 - wenn auch erst zum 31.03.2002 - geendet hat. Dass der Tarifvertrag im Übrigen selbst auch nicht nur fristlose Kündigungen als den Anspruch ausschließend betrachtet, ergibt sich aus der Regelung, dass ein Anspruch auf Jahressondervergütung nicht nur bei fristloser, sondern auch bei außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber nicht besteht. Die Tarifvertragsparteien haben daher die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Frist gesehen. Denn andernfalls wäre es nicht erforderlich gewesen, neben der fristlosen auch die außerordentliche Kündigung zu erwähnen.

Rechtlich unerheblich ist im Übrigen der Hinweis des Klägers auf das Verfahren vor den Sozialgerichten. Das Berufungsgericht nimmt zur Kenntnis, dass das Sozialgericht Lübeck in der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung vom 07.02.2005 (Az.: S 1 AL 501/03) ausgeführt hat, die dortige erkennende Kammer könne sich der Bewertung des Vorfalls durch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Urteil vom 15.07.2003 nicht anschließen. Es könne unter Berücksichtigung aller Umstände das behauptete vertragswidrige Verhalten des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Entscheidend bleibt für die Berufungskammer, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15.07.2003 rechtskräftig ist. Damit ist der außerordentliche Kündigungsgrund festgestellt und bindet auch hinsichtlich der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des Tarifvertrages über die Jahressondervergütung.

Nach alledem ist die erstinstanzliche Entscheidung in dem von der Berufung angegriffenen Umfang abzuändern.

Für den Kläger ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, wobei die Kammer dabei insbesondere auch die dringende Anregung der Beklagten berücksichtigt hat, die grundsätzliche Frage der Anwendbarkeit von geänderten Ausschlussfristen höchstrichterlich klären zu lassen.

Ende der Entscheidung

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