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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 316/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 c)
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 520
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 316/07

Verkündet am 19.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.06.2007 - 2 Ca 245/07 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie um Weiterbeschäftigung.

Die am ...1980 geborene Klägerin ist ledig und kinderlos. Sie trat am 01.09.2000 als Kauffrau im Einzelhandel in die Dienste der Beklagten. Die Klägerin arbeitete zuletzt in der Damenoberbekleidungsabteilung der L... Filiale der Beklagten. Dort erzielte sie ein Brutto-Monatsgehalt in Höhe von 1.628,00 EUR.

Jeder Mitarbeiter der Beklagten verfügt neben seinem Gehaltskonto über ein sogenanntes Mitarbeiter- oder Monatskonto (im Folgenden: MK-Konto). Über das MK-Konto werden Einkäufe der Mitarbeiter bei der Beklagten abgerechnet. Auf diesem Konto wird seit November 2005 aufgrund eines Sanierungstarifvertrages anstelle von Weihnachtsgeld jährlich ein sogenannter Sachbezug in Höhe von 1.000,-- EUR für den Mitarbeiter gutgeschrieben. Teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter erhalten den Sachbezug anteilig entsprechend ihrer vertraglichen Arbeitszeit. Die tarifvertragliche Regelung wird durch die Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gewährung eines Sachbezugs in den Jahren 2005, 2006, 2007 vom 28.04.2005 ergänzt. In der Gesamtbetriebsvereinbarung heißt es unter Ziffer 3:

"Der Sachbezug wird als Gutschrift per 15.11. auf dem MK-Konto gebucht. Der Sachbezug kann nur mit Käufen in der K... Warenhaus AG verrechnet werden. Eine Barauszahlung ist in jedem Fall ausgeschlossen.

Käufe, die ab dem Neukauftermin im Dezember erfolgen, werden auf den Rabattfreibetrag des Folgejahres angerechnet. Die MK-Gutschrift bzw. die Wunschkarte ist bis zum 30.09. des Folgejahres zu verbrauchen.

Da es sich steuerlich um einen Sachbezug handelt, wird der steuerrelevante Rabattzähler in voller Höhe des Sachbezugs zuzüglich der üblichen Personalrabatte in Höhe von 13 % bzw. 9 % (nach Vorwegabzug von 4 %) belastet. Dies erfolgt allerdings noch nicht mit der Gutschrift des Sachbezugs auf das MK-Konto, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware gekauft wird. Bei Aushändigung einer Wunschkarte wird der Rabattzähler bereits zum Zeitpunkt der Einbuchung belastet."

In Ziffer 5 findet sich unter der Überschrift "Sonstiges" folgende Regelung:

"Da die Barauszahlung des Sachbezugs bzw. der Wunschkarte steuerrechtlich nicht möglich ist, verfällt ein bei Austritt evtl. noch bestehendes Guthaben bzw. ein Wert auf der Wunschkarte ersatzlos."

Wegen des weiteren Inhalts der Gesamtbetriebsvereinbarung wird auf Blatt 18 R ff der Akte verwiesen. Die Vereinbarung hing am Schwarzen Brett in der L... Filiale aus.

Steuerlich handelt es sich bei dem Sachbezug um eine Sachzuwendung. Das MK-Konto wird bei Kauf der Ware unter Berücksichtigung des Vorwegabzugs von 4 % mit dem steuerrelevanten Rabattzähler belastet. Soweit der individuelle jährliche Rabattfreibetrag nicht überschritten wird, fallen für den Mitarbeiter keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an. Im streitgegenständlichen Zeitraum betrug der Rabattfreibetrag 1.080,-- EUR pro Jahr.

Jeder Mitarbeiter kann mit seiner MK-Karte eine sogenannte Wunschkarte erwerben. Die Wunschkarten, die es erst seit 2003/Anfang 2004 gibt, sind einheitlich gestaltet. Auf ihrer Rückseite ist vermerkt, dass eine Barauszahlung nicht möglich ist (vgl. Blatt 33 d. A.). Es ist nicht erkennbar, ob die Wunschkarte von einem Mitarbeiter oder einer unternehmensfremden Person erworben wurde. Ferner ist nicht ersichtlich, ob die Wunschkarte mit Gehalt, Bargeld oder Sachbezug "aufgeladen" wurde. Wunschkarten können durch Abbuchung des Betrages verwendet, aber auch verkauft, bei ebay versteigert oder verschenkt werden. Bei einem Umtausch bzw. einer Rückgabe von Ware, die über die Wunschkarte bezahlt worden ist, kann der bei dem Kauf abgebuchte Betrag nicht auf die Wunschkarte zurückgebucht werden. Stattdessen wird Bargeld ausgezahlt, unabhängig davon, ob es sich um Mitarbeitereinkäufe oder um Einkäufe unternehmensfremder Personen handelt.

Der Klägerin wurde für das Jahr 2005 ein Sachbezug in Höhe von 950,74 EUR auf ihrem MK-Konto gutgeschrieben. Am 09.01.2006 kaufte sie um 14:15 Uhr über ihr MK-Konto eine Wunschkarte im Wert von 400,-- EUR. Nur eine Minute später kaufte sie zwei Lederjacken der Größe 46 und 48 zu jeweils 200,-- EUR. Diese Artikel bezahlte die Klägerin mit der zuvor erworbenen Wunschkarte. Den Personalrabatt in Höhe von 13 % nahm sie nicht in Anspruch. Unmittelbar danach tauschte die Klägerin die beiden Lederjacken an der Nachbarkasse um und erhielt den Kaufpreis in Höhe von 400,-- EUR in bar ausgezahlt.

Diese Vorgehensweise der Klägerin sowie ein entsprechendes Vorgehen weiterer fünf Mitarbeiterinnen der Abteilung Damenoberbekleidung wurde am 22.12.2006 im Rahmen der Filialrevision festgestellt und vom zuständigen Filialleiter am 02.01.2007 ausgewertet. Die Klägerin wurde am 05.01.2007 zu dem Vorgang im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden befragt. Auf die Frage, ob ihr bekannt sei, dass der Sachbezug nur abgekauft bzw. mit Käufen bei der Beklagten verrechnet werden dürfe, erklärte sie, dass sie davon zumindest ausgehe, weil er ansonsten ja wahrscheinlich wie Gehalt ausgezahlt werden würde.

Am 12.01.2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin an (Anlagenkonvolut B 1 = Blatt 16 ff d. A.). Der Betriebsrat widersprach am 16.01.2007 sowohl der fristlosen als auch einer fristgemäßen Kündigung mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben. Auf den Inhalt der Widerspruchsschreiben wird verwiesen (Anlagenkonvolut B 2 = Blatt 34 ff d. A.).

Die Beklagte sprach sodann mit Datum vom 17.01.2007 die streitgegenständliche außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus (Anlage K 1 = Blatt 4 d. A.). Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 25.01.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung wirksam. Die Beklagte habe sie niemals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es untersagt sei, bei Rückgabe von Ware, die mit einer Wunschkarte bezahlt worden sei, sich Bargeld auszahlen zu lassen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.01.2007, zugegangen am 17.01.2007, mit Ablauf des 17.01.2007, noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.01.2007, zugegangen am 17.01.2007, mit Ablauf des 28.02.2007 beendet worden ist.

2. Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der von der Klägerin vorgetäuschte Kauf habe allein dazu gedient, sich den Sachbezug entgegen bestehender Regelungen bar auszahlen zu lassen. Der Beklagten sei hierdurch ein wirtschaftlicher Schaden entstanden. Sinn und Zweck des Sachbezuges sei, den Mitarbeitern Zuwendungen in Höhe des Verkaufspreises der gekauften Ware zukommen zu lassen und den Umsatz im Unternehmen zu halten. Bei Anwendung der per Dezember 2005 aufgelaufenen Brutto-Gewinn-Kalkulation für die Filiale L... in Höhe von 39,28 % ergebe sich bei einem Sachbezug in Höhe von 400,-- EUR ein Wareneinsatz (= Kostenbelastung) in Höhe von 157,12 EUR.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, die Beklagte habe die Klägerin vor Ausspruch der Kündigungen nicht wegen gleichartiger Pflichtverletzungen abgemahnt. Die Klägerin habe zwar objektiv gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen. Denn gemäß Ziffer 3 Absatz 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung dürfe der Sachbezug nur mit Käufen bei der K... Warenhaus AG verrechnet werden. Eine Barauszahlung sei in jedem Fall ausgeschlossen. Der Grad zwischen pflichtwidrigem eigenen Umtausch gegen Bargeld des mit der Wunschkarte Erworbenen und dem erlaubten Weitergeben der Wunschkarte an Dritte und des daraus resultierenden möglichen Umtausches erworbener Ware gegen Bargeld sei so schmal, dass die Klägerin nicht damit habe rechnen können, dass die Beklagte den Pflichtverstoß nicht hinnehmen werde. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei deshalb vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.06.2007 Bezug genommen. Gegen diese der Beklagten am 02.07.2007 zugestellte Entscheidung legte sie am 01.08.2007 Berufung ein, die am 31.08.2007 begründet wurde.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Vorgehensweise der Klägerin rechtfertige auch ohne vorangegangene Abmahnung eine außerordentliche, jedenfalls eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin habe wissen müssen, dass ihr Verhalten illegal sei und den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährde. Im Rahmen der Anhörung vom 05.01.2007 habe sie erklärt, zu wissen, dass der Sachbezug für Käufe bei der Beklagten einzusetzen sei und gerade nicht zur Auszahlung gelangen solle. Durch ihr Vorgehen habe die Klägerin das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört, denn sie habe gezielt die betrieblichen Regelungen umgangen, um eine Barauszahlung des Sachbezugs zu erreichen. Ihr könne nicht zugutegehalten werden, eine objektiv bestehende Handlungslücke ausgenutzt zu haben. Die Beklagte gehe davon aus, dass sich ihre Mitarbeiter rechtstreu verhalten. Im Übrigen wäre auch die Veräußerung einer Wunschkarte an einen Dritten, mit dem Ziel, an Bargeld zu gelangen, rechtswidrig gewesen. Wunschkarten dürften generell nicht umgetauscht werden. Die Barauszahlung an Kunden bei Umtausch von mit Wunschkarten bezahlten Waren erfolge allein aus Kulanz.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.06.2007, Geschäftszeichen 2 Ca 245/07, wird die Klage vollen Umfangs abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Gegenseite kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Weil die Klägerin eine Wunschkarte erworben habe, sei schon keine verbotene Barauszahlung des Sachbezugs erfolgt. Es sei nicht unzulässig gewesen, für mittels Wunschkarte gekaufte Waren bei Rückgabe ggf. Bargeld entgegenzunehmen. Die Kassiererinnen seien nicht angewiesen worden, zwischen Mitarbeitern und externen Kunden zu differenzieren. Ein ausdrückliches Verbot, Wunschkarten, die mit dem Sachbezug "bezahlt" werden, - anders als andere Wunschkarten - nicht umzutauschen, gebe es nicht. Daher sei das Bargeld an die Klägerin nicht verbotswidrig ausgezahlt worden. Eine Abmahnung sei nicht entbehrlich, weil die Klägerin zumindest mit vertretbaren Gründen habe annehmen dürfen, ihr Verhalten sei nicht vertragswidrig. Wenn sie gewusst hätte, dass sie durch diese Vorgehensweise ihr Arbeitsverhältnis gefährde, hätte sie niemals Bargeld entgegengenommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 64 Abs. 2 c) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO.

II. Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.01.2007 nicht beendet worden ist.

1. Die außerordentliche Kündigung vom 17.01.2007 ist wirksam. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB liegen vor.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (BAG 07.07.2005 - 2 AZR 581/04 - NZA 2006, 98 m. w. N.).

b) In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 17.01.2007 als wirksam.

aa) Das auf Barauszahlung des Sachbezugs gerichtete Verhalten der Klägerin stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar und bildet an sich einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin hat durch ihr Kaufverhalten am 09.01.2006 gezielt die tarifvertragliche Regelung zum Sachbezug sowie die Auszahlungsbestimmungen zum Sachbezug gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gewährung eines Sachbezugs in den Jahren 2005, 2006, 2007 umgangen, um anstelle einer Sachzuwendung Bargeld zu erhalten. Sie hat am fraglichen Tag innerhalb von zwei Minuten über ihr MK-Konto eine Wunschkarte im Wert von 400,-- EUR erworben, mit dieser Wunschkarte zwei Lederjacken unterschiedlicher Größe zu jeweils 200,-- EUR gekauft, die Jacken umgehend umgetauscht und sich hierfür Bargeld auszahlen lassen. Bereits der enge zeitliche Zusammenhang spricht dafür, dass die Klägerin einen Teil ihres Sachbezugs (hier: 400,-- EUR) dazu nutzen wollte, um an Bargeld zu gelangen. Weder erst- noch zweitinstanzlich hat die Klägerin behauptet, sie habe die mittels der erworbenen Wunschkarte bezahlten Lederjacken behalten wollen. Der Gedanke hieran ist auch deshalb fernliegend, weil es sich um zwei Jacken unterschiedlicher Größe gehandelt und der Beklagtenvertreter im Berufungstermin unwidersprochen vorgetragen hat, dass keine dieser Größen der Konfektionsgröße der Klägerin entsprach. Hinzu kommt, dass der Wunschkartenwert dem Kaufpreis der beiden Jacken exakt entsprach. Bemerkenswert ist schließlich, dass die Klägerin für den fraglichen Einkauf keinen Personalrabatt in Anspruch genommen hat. Aus diesen Umständen folgt, dass die Klägerin objektiv das aus Ziffer 3 Abs. 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung folgende Verbot der Barauszahlung des Sachbezugs umgangen hat. Sowohl der Sanierungstarifvertrag als auch die Gesamtbetriebsvereinbarung sehen ausdrücklich vor, dass der Sachbezug nur mit Käufen in der K... Warenhaus AG verrechnet werden kann und eine Barauszahlung in jedem Fall ausgeschlossen ist.

Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass die Klägerin wusste, dass der Sachbezug nur mit Käufen im Unternehmen verrechnet werden durfte, und eine Barauszahlung nicht vorgesehen war. Zum einen hat sie dies auf entsprechende Frage im Rahmen der Anhörung am 05.01.2007 bestätigt. Sie hat erklärt, dass sie zumindest davon ausgehe, dass nur eine Verrechnung in Betracht komme, weil der Sachbezug ansonsten ja wahrscheinlich wie Gehalt ausgezahlt werden würde. Zum anderen spricht auch der von der Klägerin gewählte Weg dafür, dass der alleinige Verwendungszweck des Sachbezugs (Verrechnung mit Käufen bei der Beklagten) bekannt war. Denn anderenfalls hätte sie den umständlichen Weg über die Scheinkäufe nicht gehen müssen.

Hinzu kommt, dass die Klägerin, wie die anderen Mitarbeiter auch, bereits in der Vergangenheit Sachzuwendungen erhalten hatte. Das gilt etwa für die Jahre 2003 und 2004. Stets war die Barauszahlung ausgeschlossen. Demnach handelte es sich nicht um einen neuartigen und unbekannten Vergütungsbestandteil. Die Bezeichnung "Sachbezug" lässt ohnehin nur die Deutung zu, dass Sachen und nicht Geld zugewendet werden sollen. Gerade davon ist auch die Klägerin - wie ausgeführt -ausgegangen. Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Klägerin vom Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung, die am Schwarzen Brett aushing, Kenntnis genommen hatte. Sie wusste, dass auf ihrem MK-Konto der Sachbezug gemäß Sanierungstarifvertrag in Höhe von 950,74 EUR für das Jahr 2005 gutgeschrieben worden war. Darauf war sie in der Gehaltsabrechnung für den Monat November 2005 hingewiesen worden.

Im Ergebnis hat die Klägerin daher bewusst und gewollt gegen die Regelungen zur Inanspruchnahme des Sachbezugs verstoßen, um in den Genuss einer von der Beklagten nicht beabsichtigten Barauszahlung des Zugewendeten zu gelangen. Hierin liegt die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, die an sich einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bilden kann, weil in einem solchen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers berührenden Verhalten ein schwerer Vertrauensbruch liegt. Das Argument der Klägerin, eine Barauszahlung des Sachbezugs sei nicht erfolgt, weil sie eine Wunschkarte erworben habe, überzeugt nicht. Der Erwerb der Wunschkarte war ebenso wie der Kauf und Umtausch der Lederjacken nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur Auszahlung eines Teils des Sachbezugs in Form von Bargeld.

bb) Die außerordentliche Kündigung vom 17.01.2007 ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die Klägerin zuvor nicht abgemahnt hat.

Mit dem Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung vor Kündigungsausspruch soll vor allem dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen. Dementsprechend bedarf es einer Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (BAG 07.07.2005 a. a. O.).

Im vorliegenden Fall musste die Klägerin damit rechnen, dass die Beklagte nicht damit einverstanden ist, wenn ihre Arbeitnehmer die nach Tarifvertrag und Gesamtbetriebsvereinbarung ausgeschlossene Barauszahlung des Sachbezugs durch Erwerb einer Wunschkarte und anschließenden Kauf und Umtausch von Ware herbeiführen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber - wie hier die Beklagte - ein solches Vorgehen nicht ausdrücklich untersagt hat. Die Beklagte musste nicht beschreiben, welche denkbaren Umgehungen des Barauszahlungsverbots ebenso untersagt sind, wie die direkte Barauszahlung. Es reicht aus, dass die Barauszahlung selbst ausgeschlossen war. Damit war es auch untersagt, die Beklagte über Zwischenschritte zur Auszahlung des Sachbezugs in bar zu veranlassen. Auf diese Weise war klargestellt, dass der Sachbezug eben nicht in Bargeld umgewandelt werden sollte. Vielmehr war - schon durch die Verwendung des Begriffs "Sachbezug" - für jeden Mitarbeiter erkennbar, dass allein die Absicht bestand, den Arbeitnehmern eine Zuwendung in Höhe des Verkaufspreises der gekauften Waren zukommen zu lassen, den Umsatz aber im eigenen Unternehmen zu halten. Demnach war jede Umwandlung des Sachbezugs in Bargeld bei fehlender ausdrücklicher Gestattung des Arbeitgebers grundsätzlich verboten.

Die Klägerin konnte auch nicht deshalb damit rechnen, die Beklagte werde die Umwandlung des Sachbezugs in Bargeld dulden, weil eine solche Umwandlung unter Verwendung von Wunschkarten objektiv möglich war. Der Umstand, dass die Beklagte diese Möglichkeit nicht durch entsprechende Vorkehrungen (Kennzeichnung auf den Kassenbelegen, Kassieranweisungen o. ä.) ausgeschlossen hat, führt nicht dazu, dass der Arbeitnehmer darauf vertrauen kann, der Arbeitgeber werde auf die Beachtung des Verbots der Barauszahlung des Sachbezugs verzichten. Vielmehr darf der Arbeitgeber darauf vertrauen, dass sich seine Arbeitnehmer vertragsgemäß verhalten und nicht nach Wegen suchen, um zum Schaden ihres Arbeitgebers den Sachbezug in Bargeld umzuwandeln. Dies gilt unabhängig davon, ob neben der Umwandlung selbst sämtliche denkbaren Umgehungen des Verbots ausdrücklich genannt und untersagt worden sind.

Die Klägerin konnte nicht annehmen, die Beklagte sei mit der Umwandlung des Sachbezugs in Bargeld einverstanden, weil auch andere Arbeitnehmer in ihrer Abteilung und wohl auch Mitarbeiter in anderen Betrieben des Unternehmens so oder ähnlich vorgegangen sind. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte, nachdem sie von der Umgehung des Verbots der Barauszahlung des Sachbezugs Kenntnis hatte, untätig geblieben wäre. Die Kolleginnen der Klägerin, die in gleicher Weise vorgegangen sind, haben ebenfalls eine Kündigung erhalten.

Im vorliegenden Fall konnte deshalb die Klägerin mit vertretbaren Überlegungen nicht davon ausgehen, die Beklagte werde die Umgehung des Verbots der Barauszahlung des Sachbezugs hinnehmen. Wegen des schweren Missbrauchs des in die Klägerin gesetzten Vertrauens war es der Beklagten nicht zuzumuten, sie vor Ausspruch der Kündigung durch eine Abmahnung zu einer Rückkehr zu vertragsgerechtem Verhalten zu bewegen. Der Klägerin ist als Verkäuferin mit Kassierfunktion eine besondere Vertrauensstellung eingeräumt. Ihr ist eine Vielzahl von Gütern zum Verkauf und zur Obhut anvertraut. Die Beklagte hat dagegen nur begrenzte Überwachungsmöglichkeiten und muss sich auf Ehrlichkeit der Klägerin verlassen können.

cc) Die abschließende Interessenabwägung geht zu Lasten der Klägerin aus. Der Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Im Ergebnis überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten das Bestandsinteresse der Klägerin.

Der Klägerin ist bei Ausspruch der Kündigung ihre immerhin gut sechsjährige ungestörte Betriebszugehörigkeit zugutezuhalten. Kein besonderes Gewicht kommt hingegen ihrem Lebensalter von damals 26 Jahren zu. Dieses Alter kann für die Verhältnisse des Arbeitsmarkts jedenfalls nicht als ungünstig bezeichnet werden. Unterhaltspflichten hat die Klägerin nicht zu erfüllen. Auf der anderen Seite ist zu Gunsten der Beklagten ihr erhöhtes Vertrauensbedürfnis bezüglich der Tätigkeit einer Verkäuferin mit Kassierfunktionen zu berücksichtigen. Zu Gunsten der Beklagten fällt auch ins Gewicht, dass ihre Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten begrenzt sind. Sie kann nicht ständig dafür sorgen, dass die Klägerin beobachtet wird, ob sie sich in jeder Hinsicht redlich verhält. Die Beklagte hat ein Interesse daran, dass sich ihre Mitarbeiter in Angelegenheiten, die das Vermögen des Unternehmens betreffen, jederzeit und ohne detaillierte Anweisung korrekt verhalten. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beklagten durch das Vorgehen der Klägerin ein finanzieller Schaden entstanden ist. Dieser liegt in der Differenz zwischen dem Wareneinsatz bei einem Kauf zum Preis von 400,-- EUR und der bar ausgezahlten 400,-- EUR. Zu berücksichtigen ist ferner, dass auf die ausgezahlten 400,-- EUR Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sind, weil Barauszahlungen gerade keine Sachzuwendungen sind.

2. Weil das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 17.01.2007 geendet hat, war über die Wirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen, fristgemäßen Kündigung zum 28.02.2007 nicht zu entscheiden. Da die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis mit dem 17.01.2007 beendet hat, braucht die Beklagte die Klägerin nicht weiter zu beschäftigen.

III. Die Kostenentscheidung ist gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet. Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Entscheidungserheblich ist die Rechtsfrage, ob die Umgehung des Verbots der Barauszahlung des Sachbezugs eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt, wenn die Umgehung des Verbots nicht durch entsprechende Maßnahmen des Arbeitgebers verhindert worden ist. Diese Frage hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung, denn in der Berufungsverhandlung ist deutlich geworden, dass es bei der Beklagten ähnliche Fälle gegeben hat und möglicherweise noch gibt. Hinzu kommt, dass das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 27.02.2007 (3 Sa 666/06) diese Frage in einem ähnlich gelagerten Fall anders beantwortet hat als die erkennende Kammer.

Ende der Entscheidung

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