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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 339/05 d
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbSchG


Vorschriften:

BGB § 618
ZPO § 533
ZPO § 263
ArbSchG § 5
Ein Arbeitnehmer hat keinen einzelvertraglichen Anspruch aus § 618 BGB i.V.m. § 5 I ArbSchG auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 339/05

Verkündet am 23.11.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 23.11.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ehrenamtlichen Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.05.2005 - 5 Ca 655 (6) / 05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit die Klage mit dem Antrag zu 1.) und dem diesbezüglichen Hilfsantrag abgewiesen wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG hat. Weiterhin streiten die Parteien erstmalig in der Berufung darum, ob dem Kläger bis zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zusätzlich Erholungspausen von 10 Minuten pro Stunde zu gewähren sind bzw. hilfsweise die Beklagte ihn so mit betriebsüblichen Gießereigehilfentätigkeiten zu beschäftigen hat, dass der Zeitanteil der Sandkehrarbeiten maximal 20 % beträgt.

Der Kläger trat am 27.04.1994 als Anlerner "Gießereiwerker" in die Dienste der Beklagten ein. In einem beim Arbeitsgericht Lübeck (3 Ca 21/02) gegen die Beklagte geführten Kündigungsschutzprozess obsiegte er. Seither beschäftigt die Beklagte ihn (ab 2002) in der Gießerei im Bereich der Sandaufbereitung. Seine Aufgabe besteht darin, in mehreren Kellerräumen in der Gießerei die Fußböden zu reinigen, indem er den Sand beseitigt, der von den einzelnen Förderbänden auf den Fußboden fällt. Diese Aufgabe bewältigt er mit einem Staubsauger bzw. mit Schaufel und Schubkarre. Sodann hat er den Sand in einem Altsandcontainer zu entsorgen. Für seine Tätigkeit steht ihm eine persönliche Schutzausrüstung zu. Dazu gehören insbesondere ein Schutzhelm, eine Staubmaske, Ohrenschützer und Sicherheitsschuhe.

Diese Tätigkeit ist vorher von anderen Arbeitnehmern neben ihrer normalen Tätigkeit als Gießereigehilfen ausgeübt worden. Der Kläger war bis zum Ausspruch der damaligen Kündigung im Schmelzbetrieb und in der Putzerei tätig. Im August 2004 besichtigte und bewertete der Sicherheitsingenieur F... vom Ingenieurbüro für Arbeitssicherheit in Abwesenheit des damals erkrankten Klägers dessen Arbeitsplatz im Bereich der Sandaufbereitung. Dies dokumentierte er in einer so genannten "Gefährdungsbeurteilung und festgelegte Schutzmaßnahmen nach Arbeitsschutzgesetz § 6". Wegen der Einzelheiten dieser Dokumentation wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 17 d.A.).

Mit Schreiben vom 23.09.2004 wiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, nach ihrer Auffassung handele es sich bei der vorgenommenen Beurteilung allenfalls um eine solche, die die Vorschriften des Arbeitssicherheitsgesetzes berücksichtige. Dem Kläger gehe es aber darum, dass zusätzlich entsprechend § 2 Abs. 1 ArbSchG Maßnahmen zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit in die Arbeitsschutzmaßnahmen einzubeziehen seien (Bl. 5 - 7 d.A.).

Der Kläger hat gemeint, die vorgenommene Gefährdungsbeurteilung entspreche nicht den Anforderungen des § 5 ArbSchG, sondern nur denen des Arbeitssicherheitsgesetzes. Zudem sei der Betriebsrat nicht beteiligt worden. Er sei an seinem Arbeitsplatz erheblichen Belastungen ausgesetzt. Er habe bereits einen Hörschaden erlitten. Er habe gegenüber der Beklagten einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Durchführung einer den Vorschriften des § 5 ArbSchG entsprechenden Gefährdungsbeurteilung.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an seinem Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG durchzuführen, die sich insbesondere mit den Gefährdungspotentialen Lärm, Staub, Arbeitshemmnisse und Hindernisse, unklarer Aufgabenstellungen, mangelnde Bewegungsspielräume, Vorgesetztenverhalten sowie den sich im Zusammenwirken hieraus ergebenden psychischen Belastungen befasst, unter Anwendung der Kriterien der ISO 9241 Teil 2, der Humankriterien sowie den sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit unter Anwendung des Verfahrens des Beobachtungsinterviews durch eine arbeitswissenschaftlich, arbeitspsychologisch qualifizierte Person.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Unabhängig davon habe sie eine solche aber auch ordnungsgemäß durchgeführt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Gefährdungsbeurteilung seines Arbeitsplatzes. Ein solcher Anspruch folge nicht aus § 5 Abs. 1 ArbSchG. Dabei handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschrift, die dem einzelnen Arbeitnehmer keinen Durchführungsanspruch einräume. Ein Anspruch folge im Übrigen auch nicht aus § 618 BGB. Bei § 5 ArbSchG handele es sich um eine Organisationsvorschrift. Es gehe bei ihr nicht um Schutzmaßnahmen, die Gefahren im Blick hätten, die von Räumen, Vorrichtungen und Gerätschaften oder der Regelung der Dienstleistungen ausgingen. Schließlich stehe auch das erzwingbare Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dem Anspruch des Klägers entgegen. Er könne allenfalls verlangen, dass die Beklagte von ihrem Initiativrecht Gebrauch mache, um mit dem Betriebsrat die erforderliche Einigung zu erzielen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 24.06.2005 zugestellte Urteil am 22.07.2005 mit Fax- und am 25.07.2005 mit Originalschriftsatz Berufung eingelegt und diese am 24.08.2005 mit Fax- und am 25.08.2005 mit Originalschriftsatz begründet.

Der Kläger meint, die öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschrift aus § 5 ArbSchG werde in das Arbeitsvertragsrecht transformiert, weshalb er - Kläger - gem. § 618 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf Durchführung der Gefährdungsbeurteilung habe. Denn § 5 ArbSchG könne Gegenstand einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung sein. Es handele sich nicht um eine Vorschrift organisatorischer oder ordnungsrechtlicher Natur. Es gehe nicht lediglich um eine formale Verpflichtung gegenüber Aufsichtsstellen, sondern um eine konkrete Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer.

Jedenfalls habe er einen Anspruch darauf, dass die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat von ihrem Initiativrecht Gebrauch mache, um an seinem Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Bis zur Durchführung dieser Gefährdungsbeurteilung habe er einen Anspruch auf eine 10-minütige Erholungspause pro Stunde, um die Belastungen zu mindern. Hilfsweise sei die Beklagte zu verurteilen, ihn mit Gießereigehilfentätigkeiten zu beschäftigen, wobei der Zeitanteil der Sandkehrarbeiten maximal 20 % betragen dürfe. Nach dem gewonnenen Kündigungsprozess maßregele die Beklagte ihn mit den ihm zugewiesenen Tätigkeiten. Dafür spreche bereits der unmittelbare zeitliche Zusammenhang.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.05.2005 - 5 Ca 655 (6)/05 -

1. die Beklagte zu verurteilen, an seinem Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG durchführen, die sich insbesondere mit den Gefährdungspotenzialen Lärm, Staub, Hitze, Arbeitshemmnisse und Hindernisse, unklarer Aufgabenstellungen, mangelnde Bewegungsspielräume, Vorgesetztenverhalten sowie den sich im Zusammenhang hieraus ergebenden psychischen Belastungen befasst, unter Anwendung der Kriterien der ISO 9241 Teil 2, der Humankritieren sowie den sonstigen gesicherten arbeitswissen schaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit unter Anwendung des Verfahrens des Beobachtungsinterviews durch eine arbeitswissenschaftlich/arbeitspsychologisch qualifizierte Person; hilfsweise zu 1., die Beklagte zu verurteilen, von ihrem Initiativrecht gegenüber dem Betriebsrat Gebrauch zu machen, um an seinem Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG durchzuführen, die sich insbesondere mit den Gefährdungspotenzialen Lärm, Staub, Hitze, Arbeitshemmnisse und Hindernisse, unklarer Aufgaben-Stellungen, mangelnde Bewertungsspielräume, Vorgesetztenverhalten sowie den sich im Zusammenhang hieraus ergebenden psychischen Belastungen befasst, unter Anwendung der Kriterien der ISO 9241 Teil 2, der Humankriterien sowie den sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit unter Anwendung des Verfahrens des Beobachtungsinterviews durch eine arbeitswissenschaftlich/arbeitspsychologisch qualifizierte Person;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm bis zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zusätzliche Erholungspausen von 10 Minuten pro Stunde zu gewähren.

hilfsweise zu 2.,

die Beklagte zu verurteilen, ihn so mit betriebsüblichen Gießereigehilfentätigkeiten zu beschäftigen, dass der Zeitanteil der Sandkehrarbeiten maximal 20 % beträgt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte widerspricht der Erweiterung in der Berufungsinstanz. In der Sache ist sie der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Es fehle bereits an der von § 618 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Gefahr für Leben und Gesundheit. Der Gefahrbegriff in § 618 BGB sei nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der Gefährdung im Sinne des § 5 ArbSchG. Die Gefahrenvorsorge nach § 5 ArbSchG ziele darauf ab, im Vorfeld der eigentlichen Gefahrenverhütung bloße Gefährdungen zu prognostizieren, ihr Gegenstand sei eine "Noch-nicht-Gefahr". Zur Konkretisierung der Schutzpflicht aus § 618 Abs. 1 BGB kämen nur solche Arbeitsschutzvorschriften in Betracht, die nach ihrem Zweck dem Beschäftigten unmittelbar einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erfüllung gewähren sollen. Darum gehe es bei § 5 ArbSchG nicht. Diese Vorschrift bezwecke nicht die Abwehr von Gefahren, sondern lediglich die Gefahrermittlung im Vorfeld. Zudem habe sie auch eine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Die Beurteilung und Bewertung, die die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit, Dipl.-Ing. F..., durchgeführt habe, habe die möglichen Gefährdungen am Arbeitsplatz des Klägers aufgeführt und geprüft. Hinsichtlich der Klagerweiterung sei eine Anspruchsgrundlage für die Einräumung einer 10-minütigen Erholungspause nicht ersichtlich. Auch der Hilfsantrag dazu sei unbegründet, denn sie habe den Kläger nicht gemaßregelt. Die Tätigkeiten, die der Kläger seinerzeit wahrgenommen habe, habe sie an ein Fremdunternehmen übertragen. Als Gießereigehilfen habe sie ihn daher nur noch im Bereich der Sandaufbereitung einsetzen können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die dort anhängigen Anträge als unbegründet abgewiesen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen insoweit keine abändernde Entscheidung. Soweit der Kläger in der Berufung seine Klage mit dem Antrag zu 2) und den darauf bezogenen Hilfsantrag erweitert hat, ist diese Erweiterung in der Berufung unzulässig. Dazu im Einzelnen:

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf Durchführung der begehrten Gefährdungsbeurteilung. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 618 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ArbSchG.

Gemäß § 618 Abs. 1 BGB hat der Arbeitgeber Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Arbeitnehmers vor den bei Erfüllung der Arbeitsleistung drohenden Gefahren für Leben und Gesundheit. Für § 618 BGB bedarf es daher einer Gefahr. Hierunter ist die auf objektiv feststellbaren Tatsachen gegründete Besorgnis zu verstehen, dass bei ungehindertem Geschehensablauf ein Schaden eintritt (Krause in Henssler, Willemsen, Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 2. Aufl., § 618 Rdnr. 16).

Kommt der Arbeitgeber seinen Pflichten aus § 618 BGB nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, so hat der Arbeitnehmer nach ganz überwiegender Auffassung einen einklagbaren Erfüllungsanspruch auf Herstellung eines arbeitsschutzkonformen Zustandes /ErfK-Wank, 7. Aufl., § 618 BGB Rdnr. 27). § 618 Abs. 1 BGB begründet daher einen Erfüllungsanspruch auf Vermeidung bzw. Beseitigung von Gefahren für Leib und Leben am Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers.

Vor diesem Verständnis sind dann jene öffentlich-rechtlichen Arbeits- und Unfallverhütungsvorschriften zu prüfen, ob sie geeignet sind, über § 618 Abs. 1 BGB in das Vertragsrecht als Vertragspflicht des Arbeitgebers transformiert zu werden. Demnach konkretisieren nur solche Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften den vertraglichen Pflichtenkreis des Arbeitgebers, die nach ihrem Inhalt geeignet sind, den Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung zu bilden; sie müssen also unmittelbar dem Schutz des Beschäftigten bezwecken, um diesem einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erfüllung geben zu können. Im Zweifelsfall ist dies durch Auslegung der betreffenden Arbeitsschutznormen zu ermitteln (Wlotzke in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 209 Rdnr. 19). Ein Erfüllungsanspruch ist anzunehmen, wenn die betreffende Bestimmung auf das Verhältnis des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer zielt. Keinen Erfüllungsanspruch begründen dagegen reine Ordnungs- und Organisationsvorschriften, die ausschließlich das Verhältnis zwischen Staat und Arbeitgeber betreffen (Blomeyer in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 96 Rdnr. 8).

§ 5 ArbSchG ist keine zur Transformation geeignete Norm. Richtig ist insoweit sicherlich der Hinweis des Klägers in der Berufung, bei § 5 ArbSchG handele es sich nicht lediglich um eine formale Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber Aufsichtsstellen. Richtig ist auch, dass die Verpflichtung zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung an sich Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung sein könnte. Selbstverständlich könnte sich der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichten, eine solche Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dies ist aber nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften einen unmittelbaren Schutz des Beschäftigten bezwecken. Daran fehlt es bei § 5 ArbSchG. Das Arbeitsgericht weist zutreffend darauf hin, dass dem Arbeitgeber insoweit eine organisatorische Maßnahme auferlegt wird. Es geht um eine Bestandsaufnahme und nicht schon um eine unmittelbare Schutzmaße. Als eigenverantwortliche Aufgabe des Arbeitgebers dient die Gefährdungsbeurteilung vorrangig der Einschätzung der betrieblichen Gefährdungssituation durch den jeweiligen Arbeitgeber. Er soll selbst ein Bild über die Arbeitsschutzsituation in seinem Betrieb gewinnen, um eventuell nötige Maßnahmen in die Wege zu leiten (Kollmer/Vogl, Das Arbeitsschutzgesetz, 2 Aufl., Rdnr. 99). Insoweit wird nicht verkannt, dass die Gefährdungsbeurteilung zugleich Basis und Hilfe zur Realisierung eines präventiven Arbeitsschutzes im Betrieb ist. Denn erst aufgrund einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG ist es für den Arbeitgeber möglich, die Schutzmaßnahmen im Sinne von § 2 Abs. 1 ArbSchG zu planen und durchzuführen. Dies ist allerdings nur die mittelbare Folge der Gefährdungsbeurteilung. § 5 ArbSchG hat daher eine andere Zielrichtung als der sich aus § 618 Abs. 1 BGB ergebende unmittelbare Erfüllungsanspruch auf einen arbeitsschutzkonformen Arbeitsplatz. Mit anderen Worten: Selbst eine durchgeführte Gefährdungsbeurteilung würde unmittelbar am Zustand des Arbeitsplatzes unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes nichts ändern. Wäre der Arbeitgeber der Auffassung, nach durchgeführter Gefährdungsbeurteilung dem Arbeitnehmer einen ordnungsgemäßen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, so bliebe dem Arbeitnehmer nichts anderes übrig, als einen konkreten Erfüllungsanspruch in Form von Beseitigung der Gefahr oder Herstellung eines dem Arbeitsschutzrecht entsprechenden Arbeitsplatzes einzuklagen, sofern er mit dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung nicht einverstanden wäre. Insofern müsste er dann im Rahmen von § 618 Abs. 1 BGB sich auf jene Vorschriften des Arbeitsschutzes stützen, die ihm einen unmittelbaren Erfüllungsanspruch auf einen arbeitsschutzkonformen Arbeitsplatz einräumen.

Letztlich sprechen auch die Vorschriften in § 9 Abs. 3, § 11, § 12 und § 17 ArbSchG dagegen, dass aus § 5 Abs. 1 ArbSchG in Verbindung mit § 618 Abs. 1 BGB ein Erfüllungsanspruch folgt. In den vorgenannten Vorschriften sind im Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich Rechte bzw. Ansprüche der Beschäftigten aus dem Arbeitsschutzgesetz aufgeführt worden. Der Umstand, dass es an einer entsprechenden Regelung in § 5 ArbSchG fehlt, spricht dafür, dass es sich auch nicht um eine in § 618 Abs. 1 BGB transformierbare Vorschrift handelt.

Nach alledem ist der Antrag zu 1) zurückzuweisen.

2. Der Hilfsantrag zu 1) ist zulässig, aber nicht begründet. Es handelt sich insoweit um eine gemäß § 533 ZPO in Verbindung mit § 263 ZPO zulässige Klagerweiterung in der Berufung. Denn zwischen beiden Streitgegenständen (Hauptantrag und Hilfsantrag) besteht ein innerer rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang, sodass es auf jeden Fall sachdienlich ist, diese Streitgegenstände in einem Verfahren zu erledigen.

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte mit dem begehrten Inhalt gegenüber dem Betriebsrat initiativ wird.

Muss der Arbeitgeber zur Herstellung eines arbeitsschutzkonformen Zustandes Maßnahmen treffen, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, so kann der betroffene Arbeitnehmer grundsätzlich verlangen, dass der Arbeitgeber von seinem Initiativrecht Gebrauch macht, um mit dem Betriebsrat die erforderliche Einigung zu erzielen (ErfK-Wank, § 618 Rdnr. 29). Der betreffende Beschäftigte kann dann als Erfüllung nur verlangen, dass der Arbeitgeber die Initiative ergreift, um mit dem Betriebsrat zu einer Regelung zu kommen (Wlotzke in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 209 Rdnr. 22). Ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber besteht jedoch nur dann, wenn es darum geht, dass die Herstellung des arbeitsschutzkonformen Zustandes der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Bei der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung, die zwar mitbestimmungspflichtig ist, geht es jedoch nicht um die Herstellung eines solchen arbeitsschutzkonformen Zustandes, sondern um dessen Ermittlung. Wenn aber der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber schon keinen Anspruch auf Durchführung einer solchen Gefährdungsbeurteilung hat, so hat er auch keinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, dass dieser insoweit gegenüber dem Betriebsrat initiativ wird. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es um die unmittelbare Herstellung eines arbeitsschutzkonformen Zustandes ginge.

3. Der Antrag zu 2) und der diesbezügliche Hilfsantrag sind in der Berufung unzulässig. Die Beklagte hat der Klagerweiterung in der Berufung widersprochen. Die Klagerweiterung ist auch nicht sachdienlich, § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 533 und 263 ZPO.

Für die Sachdienlichkeit kommt es nicht darauf an, ob sich die Klagerweiterung unmittelbar aus dem bisherigen Prozessstoff ergibt, sondern ob ein weiterer Prozess der Parteien durch Zulassung der Klagerweiterung vermieden werden kann. Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit steht dabei im Vordergrund. Die Sachdienlichkeit ist daher zu bejahen, wenn die Klage bereits in erster Instanz hätte geändert werden können, durch Zulassung der Klageänderung in der zweiten Instanz aber ein neuer Prozess vermieden wird. Der Zulässigkeit der Klageerweiterung steht auch nicht entgegen, dass aufgrund der Klageänderung neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen notwendig werden und die Erledigung des Prozesses verzögert wird. Ebenso ist nicht allein entscheidend, dass eine Tatsacheninstanz verloren geht. Die Sachdienlichkeit ist allgemein erst dann zu verneinen, wenn in der Berufungsinstanz ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen (BAG, Urteil vom 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - zitiert nach Juris, Rdnr. 34, 35).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze erweist sich die Klagerweiterung bezogen auf den Antrag zu 2) und seinem Hilfsantrag als nicht sachdienlich. Während es erstinstanzlich lediglich um die Rechtsfrage ging, ob der Kläger einen Anspruch auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung hat, führt er nunmehr in der zweiten Instanz einen völlig neuen Streitstoff ein, der sich befasst mit dem Inhalt der von ihm zu erbringenden Arbeitsleistung und deren Umstände. Die insoweit erstinstanzlich beurteilte Rechtsfrage ist bei dem nun neu eingeführten Streitgegenstand kaum zu verwerten. Auch ist ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang nicht zu erkennen. Zwar geht es mit beiden Streitgegenständen aus dem Antrag zu 1) und dem Antrag zu 2) mit den diesbezüglichen Hilfsanträgen dem Kläger um den Zustand an seinem Arbeitsplatz. Daraus folgt aber noch kein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang. Denn bei der Beurteilung des Antrages zu 2) mit seinem Hilfsantrag kann das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden, da es insoweit nur um eine Rechtsfrage ging, die sich nicht auf den Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistung bezieht.

4. Für den Kläger ist die Berufung zuzulassen, soweit der Antrag zu 1) mit seinem Hilfsantrag abgewiesen wurde. Die Angelegenheit hat grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt nicht für die Abweisung der Klagerweiterung im Antrag zu 2) mit seinem Hilfsantrag als unzulässig. Insoweit besteht keine rechtlich begründbare Veranlassung zur Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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