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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 362/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 294
BGB § 297
BGB § 615
1. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis muss die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich angeboten werden.

2. Auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten erbringen kann, schließt das den Annahmeverzug nicht zwangsläufig aus. Entscheidend ist, ob es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar ist, dem Arbeitnehmer leidensgerechte Tätigkeiten zuzuweisen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 362/06

Verkündet am 23.05.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 23.05.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ...und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.07.2006 (4 Ca 505 d/06) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt in der Berufungsinstanz noch Verzugslohn für die Zeit vom 01.09. - 07.11.2005.

Der Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst.

Die Klägerin trat am 01.06.1989 als so genannte Hauspflegerin in die Dienste des Beklagten. Sie hatte die Aufgabe, den Patienten beim An- und Ausziehen zu helfen, sie bei dem Bereiten der Mahlzeiten (Frühstück bzw. Abendessen) zu unterstützen, ihnen Medikamente zu verabreichen, Spritzen zu setzen und Verbände zu wechseln. Ferner hatte die Klägerin den Patienten beim Aufstehen zu helfen, sie zu waschen, in die Dusche oder Badewanne zu bringen, sie umzulagern oder ihnen beim Toilettengang zu helfen.

Die Klägerin war vom 28.12.2004 bis 31.08.2005 durchgehend arbeitsunfähig krank. Auch danach war die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, schwere Lasten zu tragen oder zu heben. Zunächst klagte sie über einen Fersensporn; seit dem 19.01.2005 litt die Klägerin an Lumbago-Ischias, Tortikollis, LWS-Syndrom, Bandscheibendegeneration usw. In der arbeitsmedizinischen Stellungnahme der Betriebsärztin Dr. B... vom 31.03.2004 wurde festgestellt, dass die Klägerin "durch ihren momentanen Gesundheitszustand nur eingeschränkt einsetzbar" ist (Anlage B2 = Bl. 37 d. A.). In der Zeit vom 26.05.2005 bis zum 16.06.2005 führte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für die Klägerin eine medizinische Rehabilitation durch. Ausweislich des Entlassungsscheins vom 14.06.2005 wurde die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen (Anlage B3 = Bl. 38 d. A.).

Der die Klägerin behandelnde Arzt, der Facharzt für Orthopädie Herr Dr. K... B..., bescheinigte der Klägerin ab 01.09.2005 Arbeitsfähigkeit, jedoch mit der Einschränkung, dass sie aus gesundheitlichen Gründen auf nicht absehbare Zeit wegen einer chronischen Wirbelsäulenerkrankung keine schweren Gegenstände heben oder tragen könne (Anlage B4 = Bl. 39 d. A.).

Am 31.08.2005 wurde die Klägerin vom BAD arbeitsmedizinisch untersucht. In der Stellungnahme mit Datum 07.09.2005 heißt es u. a.: "Tätigkeiten, die mit schwerem Heben und Tragen verbunden sind, können nicht ausgeführt werden." Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird verwiesen auf Anlage B6 = Bl. 41 d. A. Am Tag der Untersuchung teilte der Beklagte der Klägerin schriftlich mit, dass sie aus seiner Sicht weiterhin arbeitsunfähig sei und bat sie um Mitteilung, wann sie wieder heben und tragen könne (vgl. Bl. 63 d. A.).

Am 02.09.2005 bescheinigte der die Klägerin behandelnde Allgemeinarzt Herr Dr. P... R..., dass die Klägerin ab 01.09.2005 beschwerdefrei und voll arbeitsfähig sei (Anlage B5 = Bl. 40 d. A.).

Am 27.09.2005 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aus personenbedingten Gründen (Krankheit). In dem von der Klägerin angestrengten Kündigungsschutzverfahren (Arbeitsgericht Kiel 4 Ca 2360/05) schlossen die Parteien einen Vergleich. Danach endete das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen mit Ablauf des 31.12.2005 aus krankheitsbedingten Gründen. Seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Klägerin durchgehend arbeitslos.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sich zwischen dem 01.09. und 07.11.2005 im Annahmeverzug befunden. Der Annahmeverzug sei nicht gemäß § 297 BGB ausgeschlossen. Sie hat behauptet, sie sei arbeitsfähig gewesen. Ihre Arbeitsleistung habe sie mehrfach angeboten. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Bezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.07.2006 abgewiesen. Den Verzugslohnanspruch der Klägerin hat es mit der Begründung verneint, die Klägerin sei im streitbefangenen Zeitraum nicht in der Lage gewesen, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 27.07.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.08.2006 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.10.2006 am 06.10.2006 begründet hat.

Die Klägerin ist unverändert der Auffassung, der Beklagte habe sich im streitigen Zeitraum in Annahmeverzug befunden. Sie sei seit dem 01.09.2005 arbeitsfähig gewesen. Als Hauspflegerin habe sie nicht schwer heben und tragen müssen. Es sei nicht so, dass selbstverständlich täglich schwere körperlich belastende Arbeiten anfielen. Überdies hätten Hilfsmittel, z. B. Rollwagen, zur Verfügung gestanden. Eine etwa nötige Hilfe beim Aufstehen sei keine schwere körperliche Tätigkeit, sondern eine Unterstützung der durchaus noch bewegungsfähigen Patienten. Mit entsprechenden Griffen könne diese Arbeit ohne Probleme von der Klägerin ausgeübt werden. Gleiches gelte für die Unterstützung beim Anziehen. Bei den Verrichtungen in Bad und Toilette handele es sich ebenfalls nicht um körperlich schwere Arbeit. Bei den von der Klägerin zu betreuenden Patienten habe es sich nicht um solche mit Pflegestufe 2 oder 3 gehandelt. Patienten mit diesen Pflegestufen mögen zwar in Einzelfällen zu betreuen sein; viele hätten aber überhaupt keine Pflegestufe. Bei schwergewichtigen Patienten setze der Beklagte männliche Kollegen ein.

Die Klägerin behauptet, sie habe ihre Arbeitskraft für den 01.09.2005 bereits am 25. oder 26.08.2005 gegenüber einer Mitarbeiterin der Beklagten, Frau v... d... B..., angeboten. In diesem Gespräch habe Frau v... d... B... die Klägerin noch gebeten, ein Attest ihres Hausarztes beizubringen, aus dem hervorgehe, dass sie wirklich wieder voll arbeiten könne. Anfang September 2005 habe die Klägerin mit Frau S..., einer Mitarbeiterin des Beklagten telefoniert. Diese habe ihr sinngemäß mitgeteilt, dass sie zunächst einmal Urlaub habe und ein Termin mit dem Betriebsarzt vereinbart worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel - 4 Ca 505 d/06 - vom 12. Juli 2006, zugestellt am 25.07.2006, wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.355,96 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, und zwar auf 1.502,67 EUR seit dem 03.09.2005, 1.502,67 EUR seit dem 31.10.2005 und 350,62 EUR seit dem 30.11.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, er habe sich nicht in Annahmeverzug befunden, weil die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht angeboten habe und zudem nicht leistungsfähig gewesen sei. Bei der von der Klägerin geschuldeten Arbeitsleistung fielen vielfältige schwer belastende Tätigkeiten an. Die im Rahmen des ambulanten Pflegedienstes betreuten Patientinnen und Patienten seien in erheblichem Umfang pflegebedürftig. Es handele sich um Patienten, denen die Pflegestufe 2 oder 3 zuerkannt sei. Teilweise seien sie kaum noch bewegungsfähig. Diese Patienten müssten bei jeder einzelnen Verrichtung gehoben, gestützt oder gehalten werden. Das sei mit erheblichen Lasten verbunden. Soweit die Klägerin darauf verweise, für schwere körperliche Tätigkeiten könnten männliche Kollegen eingesetzt werden, sei dies falsch. Es sei wirtschaftlich gar nicht möglich, Pflegekräfte für den Fall vorzuhalten, dass im konkreten Einzelfall ein Patient gehoben oder getragen werden muss. Hinzu komme, dass es für die Patienten unzumutbar sei, sie darauf zu vertrösten, dass ein später erscheinender Kollege die mit schwerem Heben oder Tragen verbundene Pflegeleistung erbringen werde.

Der Beklagte bestreitet, dass die Klägerin Ende August 2005 ihre Arbeitsleistung angeboten hat. Die Klägerin habe lediglich am 19.08.2005 mitgeteilt, aus der Rehabilitation entlassen worden zu sein. Am 25.08.2005 habe Frau v... d... B... die Klägerin um Abgabe einer ärztlichen Bescheinigung gebeten, aus der sich ergibt, dass die Klägerin arbeitsunfähig ist. Daraufhin habe die Klägerin am 29.08.2005 das Attest von Dr. B... vorgelegt, sich aber nicht weiter geäußert. Das Attest vom 02.09.2005 des Dr. R... habe die Klägerin der Beklagten per Telefax übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Die Klägerin kann die für die Zeit vom 01.09. bis 07.11.2005 geltend gemachte Vergütung nicht verlangen. Ein Vergütungsanspruch gemäß § 615 BGB i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB besteht für diese Zeit nicht, weil sich der Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden hat.

a) Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muss der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich (§ 294 BGB) oder wörtlich (§ 295 Satz 1 BGB) anbieten. Ist allerdings für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 Satz 1 BGB). Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

b) Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Zudem war der Annahmeverzug im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 297 BGB wegen Leistungsunfähigkeit der Klägerin ausgeschlossen.

aa) Jedenfalls im ungekündigten Arbeitsverhältnis muss das Angebot der Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich erfolgen (BAG 29.10.1992 - 2 AZR 250/92 - EzA § 615 BGB Nr. 77; Schaub/Linck 11. Aufl. § 95 Rn. 9). Ein ordnungsgemäßes Angebot setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in eigener Person, zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise anbietet. Das bedeutet, dass er sich zum Dienstbeginn am Arbeitsplatz einfinden muss.

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin unstreitig am 01.09.2005 nicht am Arbeitsplatz bzw. im Betrieb des Beklagten erschienen. Nach ihrem Vortrag hat sie am 25. bzw. 26.08.2005 ihre Arbeitskraft gegenüber Frau v... d... B... für den 01.09.2005 angeboten. Das ist kein ordnungsgemäßes Angebot im Sinne von § 294 BGB. Denn es ist weder zur rechten Zeit noch in der rechten Art und Weise abgegeben worden. Das tatsächliche Angebot kann nicht "auf Vorrat" erfolgen. Denn es soll die Leistungsbereitschaft zu dem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitsleistung geschuldet ist, klarstellen.

Dass die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt (nach dem 26.08.2005) ihre Arbeitsleistung an ihrem Arbeitsplatz noch einmal angeboten hat, hat sie nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie behauptet, sie habe am 07.09.2005 nach dem Termin beim Betriebsarzt nochmals ihre Arbeitskraft angeboten, bleibt offen, wem gegenüber das geschehen sein soll. Zudem ist in der Berufungsverhandlung klargestellt worden, dass der Termin beim BAD bereits am 31.08.2005 stattgefunden hat. Ausweislich der Stellungnahme des BAD fand die Untersuchung in dessen Zentrum, also nicht bei der Beklagten statt. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, sie habe im Anschluss hieran die Beklagte aufgesucht. Offen gelassen hat sie auch, wem sie die Arbeitskraft angeboten haben will.

Ein wörtliches Angebot genügt nur dann, wenn der Arbeitgeber vorher erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, oder wenn eine erforderliche Mitwirkungshandlung unterblieben ist (§ 295 BGB). Das wörtliche Angebot muss nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nach der Ablehnung erklärt werden. Ein vor der Ablehnungserklärung des Arbeitgebers erklärtes wörtliches Angebot kann den Annahmeverzug nicht begründen (Erfurter Kommentar /Preis 7. Aufl. § 615 BGB Rdn. 26). Im vorliegenden Fall kann sich die Klägerin schon deshalb nicht auf die Möglichkeit eines wörtlichen Angebots berufen, weil es an einer Ablehnungserklärung des Beklagten fehlt. Das Schreiben vom 31.08.2005 (Bl. 63 d. A.) ist nicht als Erklärung in diesem Sinne zu verstehen. Der Beklagte bringt in diesem Schreiben lediglich zum Ausdruck, dass er die Klägerin weiterhin für arbeitsunfähig hält. Die Erklärung, ihre Arbeitsleistung nicht annehmen zu wollen, ist damit jedoch nicht verbunden. Denn im Weiteren bittet der Beklagte um Mitteilung, wann die Klägerin wieder heben und tragen kann. Das macht deutlich, dass der Beklagte durchaus gewillt war, die Arbeitsleistung anzunehmen.

bb) Die Klägerin war zudem nicht leistungsfähig. Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger aber nicht in Verzug, wenn der Schuldner z. Z. des Angebots außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Das Leistungsvermögen muss sich auf die geschuldete Arbeit beziehen. Die bloße Einschränkung der Leistungsfähigkeit schließt Annahmeverzug nicht zwangsläufig aus. Sonst bliebe außer Acht, dass der Arbeitgeber gemäß § 106 GewO sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben und auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat. Ist es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar, dem krankheitsbedingt nur eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer leidensgerechte Arbeiten zuzuweisen, ist die Zuweisung anderer nicht leidensgerechter Arbeiten unbillig. Unterlässt der Arbeitgeber die ihm mögliche und zumutbare Zuweisung leidensgerechter und vertragsgemäßer Arbeit, steht die Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers dem Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht entgegen (BAG 24.09.2003 - 5 AZR 282/02 - AP BGB § 151 Nr. 3; 08.11.2006 - 5 AZR 51/06 - AP BGB § 615 Nr. 120 mit weiteren Nachweisen). Auf der anderen Seite wird das fehlende Leistungsvermögen nicht allein durch den Willen des Arbeitnehmers ersetzt, trotz objektiver Leistungsunfähigkeit, einen Leistungsversuch zu unternehmen. (BAG 29.10.1998 AP BGB § 615 Nr. 77).

Die Klägerin war in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu der von ihr als Hauspflegerin geschuldeten Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr im vollen Umfang fähig. Daran ändert ihre Einschätzung, sie sei leistungsfähig gewesen, nichts. Die Klägerin war aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Unstreitig konnte sie nicht schwer heben und tragen. Das ergibt sich aus dem Attest des Dr. B... vom 24.08.2006 (Anlage B4 = Bl. 39 d. A.). Bestätigt wird diese Einschätzung durch die arbeitsmedizinische Stellungnahme vom 07.09.2005, die die Fachärztin für Arbeitsmedizin Frau Dr. B... nach der Untersuchung der Klägerin am 31.08.2005 abgegeben hat (Anlage B6 = Bl. 41 d. A.). Übereinstimmend ist in den Bescheinigungen von einer chronischen Wirbelsäulenerkrankung die Rede, die Tätigkeiten, die mit schwerem Heben und Tragen verbunden sind, ausschließen. Zu dieser Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit hat sich die Klägerin in diesem Verfahren stets bekannt (vgl. Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigen vom 05. und 13.12.2005, Anlage B9 und B10 = Bl. 47 u. 50 d. A.).

Der somit krankheitsbedingt nur eingeschränkt leistungsfähigen Klägerin konnte der Beklagte keine vertraglich vereinbarten und gleichzeitig leidensgerechten Arbeiten zuweisen. Die Klägerin war als Hauspflegerin für den ambulanten Pflegedienst des Beklagten eingestellt worden. Sie schuldete danach Pflegeleistungen bei den ihr zugewiesenen Patienten. Die Leistungen waren bei den Patienten zu Hause zu erbringen. Ob bei einem Patienten körperlich belastende Tätigkeiten, insbesondere Heben und Tragen, anfallen, hängt von dessen körperlicher Verfassung und Pflegebedürftigkeit ab. So liegt es z.B. auf der Hand, dass die Pflege eines Patienten der Pflegestufe 3 aufwändiger und anstrengender ist, als die eines Patienten ohne Pflegestufe. In der Berufungsverhandlung ist klargestellt worden, dass im Betrieb des Beklagten jedem Patienten nur eine Pflegekraft zugewiesen wird, die ihn dann kontinuierlich betreut. Die feste Zuordnung dient dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Pflegekraft. Damit geht jedoch einher, dass die Pflegekraft den ihr zugeordneten Patienten auch dann weiterzupflegen hat, wenn dessen Pflegebedürftigkeit im Laufe der Zeit zunimmt. Somit besteht überhaupt nur bei erstmaliger Zuweisung eines Patienten für den Beklagten die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, welche körperliche Anstrengung mit der Tätigkeit der Pflegekraft verbunden ist. Die weitere Entwicklung der Pflegebedürftigkeit lässt sich nicht vorhersagen, sodass schon von daher bei keiner Pflegekraft - auch nicht bei der Klägerin - ausgeschlossen werden kann, dass ihr zugewiesene Patienten eines immer höheren Pflegeaufwands bedürfen. Hinzu kommt, dass selbst bei Patienten ohne zuerkannte Pflegestufe Fälle auftreten können, in denen die Pflegekraft schwer heben oder tragen muss. Zu denken ist an Stürze, Kreislaufprobleme o. ä. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung eingeräumt, dass auch sie solche Fälle im Laufe ihrer Tätigkeit erlebt hat. Das zeigt, dass es auf dem Tätigkeitsfeld der häuslichen Pflege für den Beklagten nicht möglich und zumutbar war, der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum Arbeiten zuzuweisen, die ohne schweres Heben und Tragen verrichtet werden konnten.

Unabhängig davon ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass auch ein Teil der von der Klägerin beispielhaft dargestellten Verrichtungen (S. 5 - 15 der Berufungsbegründung) als körperlich anspruchsvoll bezeichnet werden muss. Das gilt für das Waschen, Anziehen und Zubettbringen ebenso wie für das Baden. Kann ein Patient diese Tätigkeiten nicht mehr allein verrichten, deutet dies auf eine fortgeschrittene Pflegebedürftigkeit hin. Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, erfordern das Heben und Helfen beim Aufstehen, das Anziehen, sämtliche Verrichtungen in Bad und Toilette körperlich belastende Hilfestellungen, die durch die Pflegekraft erbracht werden müssen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Es handelt sich um eine ausschließlich am Einzelfall orientierte Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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