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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 436/07
Rechtsgebiete: BGB, SGB X


Vorschriften:

BGB § 296
BGB § 615
SGB X § 115
1. Ein fremdes Recht darf aufgrund einer von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgt werden, sofern hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse besteht und der Gegner nicht aufgrund besonderer Umstände unbillig benachteiligt wird. Die Zustimmung zu einer gerichtlichen Geltendmachung kann auch noch nach Klageerhebung wirksam erteilt werden.

2. Teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit, es gebe keine Arbeit mehr und er könne deshalb nicht mehr beschäftigt werden, werden die Voraussetzungen des Annahmeverzugs erfüllt, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf.

3. In der Erhebung einer Klage auf Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs übergegangen ist, kann die schriftliche Geltendmachung von Vergütungsansprüchen liegen, die dem übergegangenen Arbeitsverhältnis entspringen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 436/07

Verkündet am 30.04.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 30.04.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 06.09.2007 - 1 Ca 1161 b/07 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Bundesagentur für Arbeit Kiel (Aktenzeichen 231e 131A150167) 14.343,24 EUR zu zahlen.

Der Kläger trägt die Kosten erster Instanz. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten verlangen kann, dass diese Annahmeverzugsvergütung an die Bundesagentur für Arbeit erstattet.

Der Kläger war seit 1989 als Tugmasterfahrer bei der Firma B. GmbH (B. GmbH) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt der Arbeitsvertrag vom 26.10.2000 zugrunde. Dort finden sich unter der Überschrift "Aus-schlussfrist" folgende Regelungen:

"(1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen spätestens 3 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

(2) Nach Ablauf dieser Frist sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erloschen."

Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrags wird verwiesen auf die Anlage B 1 (= Bl. 61 ff. d. A.).

Der Betrieb der B. GmbH ging teilweise zum 01.05.2005 und vollständig zum 17.05.2005 auf die Beklagte über. Am 02.05.2005 beantragte die B. GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 20.06.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt S. zum Insolvenzverwalter bestellt. Gemäß dessen Schreiben vom 22.07.2005 (Anlage K 9 = Bl. 151 d. A.) wurde der operative Geschäftsbetrieb der B. GmbH bereits zum 15.05.2005 eingestellt.

Anfang August 2005 erhob der Kläger Klage auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 02.05.2005, hilfsweise zum 17.05.2005, auf die Beklagte übergegangen ist. Auf S. 7 seiner Klagschrift vom 04.08.2005 führte er u. a. aus:

"Rechtsfolge des Betriebsüberganges ist, dass die Beklagten in alle Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses des Klägers und der Streitverkündeten zu 2.) eingetreten sind. Die Beklagten beschäftigen den Kläger nicht. Die Arbeitskraft des Klägers wird angeboten. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses ist gerichtlich festzustellen".

Im Laufe des durch diese Klagschrift eingeleiteten Verfahrens beantragte der Kläger am 02.11.2005 Weiterbeschäftigung. Die Beklagte bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen eines Betriebsübergangs und machte geltend, der Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein stellte durch Urteil vom 29.06.2006 (4 Sa 594/05) fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur B. GmbH mit Wirkung ab 17.05.2005 auf die Beklagte übergegangen ist und verurteilte die Beklagte dazu, den Kläger als Tugmasterfahrer zu beschäftigen.

Mit Schreiben vom 29.06.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos zum 30.06.2006. In dem daraufhin vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzverfahren (Arbeitsgericht Kiel - 1 Ca 1348 b/06 -) schlossen die Parteien am 21.08.2006 einen Vergleich mit folgendem Wortlaut:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher fristgemäßer Kündigung seitens der Beklagten aus betrieblichen Gründen zum 31. August 2006 sein Ende finden wird.

2. Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass der Kläger seine Arbeitsleistung nicht tatsächlich angeboten hat und deshalb auch keine Annahmeverzugsvergütung zu leisten ist bis zum 15. Juni 2006. Für den Zeitraum 16. Juni 2006 bis 31. August 2006 besteht kein Annahmeverzugsanspruch auf Annahmeverzugsvergütung aufgrund anderweitigen Verdienstes des Klägers.

3. Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass sämtlicher dem Kläger zustehender Urlaub in natura gewährt worden ist.

4. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 13.500,00 EUR brutto.

5. Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung zwischen den Parteien erledigt.

6. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.

7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Hiervon ausgenommen sind die Kosten des Vorprozesses."

Die Bundesagentur für Arbeit zahlte an den Kläger im Zeitraum 20.06.2005 bis 15.06.2006 Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 14.343,24 €. Nachdem der Kläger vorübergehend bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt war, wurde er erneut arbeitslos. Vom 16. bis 19.12.2006 bezog er Arbeitslosengeld. Der Kläger war auch über den 20.12.2006 hinaus arbeitslos, erhielt aber von der Bundesagentur für Arbeit kein weiteres Arbeitslosengeld.

Mit Schreiben vom 13.02.2007 machte die Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Beklagten einen Anspruchsübergang nach §§ 143, 143 a SGB III i. V. m. § 115 SGB X geltend (Anlage K 4 = Bl. 39 d. A.). Die Beklagte bestritt, dass der Kläger seine Arbeitsleistung angeboten hat und vertrat den Standpunkt, dass kein Annahmeverzug bestanden habe (Anlage K 5 = Bl. 40 f. d. A.). Daraufhin teilte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger mit Schreiben vom 21.03.2007 (Anlage K 6 = Bl. 42 d. A.) mit, dass ein Anspruchsübergang gemäß § 143 Abs. 3 SGB III nicht eingetreten sei, weil im Leistungszeitraum kein Lohnanspruch bestanden habe. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 11.04.2007 (Anlage K 7 = Bl. 43 f. d. A.). Diesen verwarf die Bundesagentur für Arbeit durch Bescheid vom 02.05.2007 als unzulässig (Anlage K 8 = Bl. 45 ff. d. A.).

Mit seiner am 22.06.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Bundesagentur für Arbeit das ihm für den Zeitraum 20.06.2005 bis 15.06.2006 gezahlte Arbeitslosengeld zu erstatten.

Im Laufe des Verfahrens legte er ein Schreiben der Bundesagentur für Arbeit mit Datum 02.07.2007 vor. Bezogen auf das hiesige Verfahren erteilte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger damit eine "Einzugsermächtigung mit gewillkürter Prozess-standschaft" (vgl. Bl. 66 d. A.).

Zur Darstellung der von den Parteien erstinstanzlich vertretenen Rechtsansichten wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.09.2007 abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für den Annahmeverzug mangels eines hinreichenden Angebots des Klägers nicht vorlägen. Ein tatsächliches Angebot sei nicht aufgrund der Feststellungsklage entbehrlich gewesen. Die Voraussetzungen des § 295 BGB hätten nicht vorgelegen.

Gegen dieses ihm am 15.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.11.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.01.2008 am 04.01.2008 begründet.

Der Kläger behauptet, nachdem die Fortführung des Holzgeschäfts durch die B. GmbH in der zweiten Mai-Woche des Jahres 2005 unmöglich geworden sei, seien die verbliebenen 12 gewerblichen Mitarbeiter, darunter der Kläger, unter Anrechnung auf Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche von der Arbeit freigestellt worden. Der vorläufige Insolvenzverwalter habe erklärt, keine Beschäftigung mehr zu haben. Ab dem 17.05.2005 habe die Beklagte auch die Stauerei der Holzprodukte und damit den Betrieb der B. GmbH vollständig übernommen. Sie habe ihn mit eigenen Beschäftigten fortgeführt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die B. GmbH bereits in Annahmeverzug befunden. Der Verzug wirke auch gegenüber der Beklagten als Betriebserwerberin. Deshalb habe der Kläger nach dem Betriebsübergang seine Arbeitskraft der Beklagten nicht tatsächlich anbieten müssen. Zudem habe die Beklagte den Betriebsübergang verschleiert und nicht gemäß § 613 a Abs. 5 BGB informiert. In der Güteverhandlung am 20.08.2005 habe der Kläger in Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten argumentiert, dass sein Arbeitsverhältnis übergegangen sei. Darin habe ein ausreichendes wörtliches Angebot gelegen. Spätestens der Antrag auf Weiterbeschäftigung vom 02.11.2005 habe den Annahmeverzug begründet.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kiel vom 06.09.2007 - 1 Ca 1161 b/07 -zu verurteilen, an die Bundesagentur für Arbeit Kiel (Az.: 231e 131A150167) 14.343,24 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, der Vortrag des Klägers zum Verzug der B. GmbH (i. L.) sei verspätet und widerspreche im übrigen seinem Vortrag in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 29.06.2006. Dort habe er angegeben, bis zum 17.05.2005 bei der B. GmbH gearbeitet zu haben. Die B. GmbH (i. L.) habe die Entgegennahme der Arbeitsleistung des Klägers nie abgelehnt. Sie habe ihm lediglich mitgeteilt, dass es keine Arbeit mehr gebe und sie ihn folglich nicht mehr beschäftigen könne. Es könne keine Rede davon sein, dass die Beklagte den Betriebsübergang verschleiert habe. So habe der Kläger gewusst, dass sich seine Kollegen bei der Beklagten beworben hätten. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft zu Unrecht bejaht. Es fehle ein berechtigtes Eigeninteresse des Prozessstandschafters.

Die Akte des vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit dem Az. 4 Sa 594/05 geführten Verfahrens ist beigezogen worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO. Sie ist auch begründet. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung der Arbeitsvergütung in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes an die Bundesagentur für Arbeit verlangen.

I.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend bejaht, dass die Klage zulässig ist.

Der Kläger verfügt für den im vorliegenden Rechtsstreit von ihm verfolgten Anspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen die Beklagte aus §§ 615 BGB i. V. m. § 115 SGB X über die erforderliche Prozessführungsbefugnis. Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist.

Mit seinem im vorliegenden Verfahren in Prozessstandschaft geltend gemachten Anspruch der Bundesagentur für Arbeit hat der Kläger dem Forderungsübergang gemäß § 115 SGB X Rechnung getragen. Grundsätzlich ist die gewillkürte Prozessstandschaft als eine besondere Form der Prozessführungsbefugnis in der Literatur und Rechtsprechung anerkannt. Ein fremdes Recht darf aufgrund einer von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgt werden, sofern hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse besteht und der Gegner aufgrund besonderer Umstände nicht unbillig benachteiligt wird (BGH 19.03.1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. vor § 50 Rn 42 ff.). Das gilt auch für Vergütungsansprüche eines Arbeitnehmers, wenn sie wegen Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind (BAG 19.03.2008 - 5 AZR 432/07 - Pressemitteilung Nr. 25/08).

Eine Ermächtigung des Klägers zur Geltendmachung von Ansprüchen der Bundesagentur für Arbeit gegen die Beklagte hat die Agentur mit der Einzugsermächtigung vom 02.07.2007 (Bl. 66 d. A.) erteilt. Hierbei handelt es sich um eine für die Prozessführung durch den Kläger erforderliche Prozesshandlung. Die Bundesagentur für Arbeit konnte ihre Zustimmung zu einer gerichtlichen Geltendmachung durch den Kläger auch noch nach Klageerhebung wirksam erteilen (BAG 19.03.2008 - 5 AZR 432/07 - a. a. O.).

Eine Prozessführungsbefugnis des Klägers gemäß der vorliegenden Ermächtigung ist nicht deshalb zu verneinen, weil das Eigeninteresse des Klägers an der Prozessführung unter Berücksichtigung der Belange der Beklagten im Ergebnis nicht schutzwürdig ist. Das Eigeninteresse des Klägers folgt daraus, dass dann, wenn der im Wege der Prozessstandschaft verfolgte Anspruch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit erfüllt wird, sich sein Arbeitslosengeldanspruch über den 19.12.2006 hinaus verlängert. Wird nämlich ein Anspruchsübergang erfolgreich geltend gemacht, ist das gleichwohl gewährte Arbeitslosengeld - hier für den Zeitraum 20.06.2005 bis 15.06.2006 - nicht auf die Anspruchsdauer anzurechnen (BSG 24.07.1986 - 7 RAr 4/85 -, 11.06.1987 - 7 RAr 16/86 - SozR 4100 § 117 Nr. 16, 18; Niesel/Düe SGB III 4. Aufl. § 143 Rn 49). Das hat die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger im Übrigen mit Schreiben vom 13.02.2007 mitgeteilt (Anlage K 4 = Bl. 38 d. A.). Die Bundesagentur für Arbeit ist nicht im Interesse des Klägers verpflichtet, die übergegangenen Ansprüche selbst gegenüber der Arbeitgeberin geltend zu machen. Es entspricht der allgemeinen Auffassung, dass der Arbeitslose deshalb ermächtigt ist, den Arbeitgeber auf Zahlung an die Bundesagentur für Arbeit zu verklagen (Niesel/Düe a. a. O. Rn 51; Kasseler Komm./Kater § 115 SGB X Rn 38; BSG).

Diesem Eigeninteresse steht der mit Datum 21.08.2006 von den Parteien geschlossene Vergleich nicht entgegen, soweit es die hier streitgegenständlichen Ansprüche betrifft. Durch den Vergleich konnten - für beide Seiten erkennbar - bereits auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche nicht ausgeschlossen werden. Der Kläger war nicht verfügungsberechtigt, denn sobald das Arbeitslosengeld gezahlt und damit der Übergang nach § 115 SGB X bewirkt ist, kann nicht mehr wirksam auf den Entgeltanspruch verzichtet werden (vgl. BAG 23.09.1981 - 5 AZR 527/79 - ZIP 1981, 1364; Kasseler Komm./Kater § 115 SGB X Rn 55).

Die Beklagte hat kein schutzwürdiges Interesse daran, dass der streitgegenständliche Anspruch nicht vom Kläger im Wege der Prozessstandschaft geltend gemacht wird, sondern nur von der Bundesagentur für Arbeit. Der Beklagten werden keine Einwendungen abgeschnitten. Sie kann alle Einwendungen sowohl dem Kläger als auch der Bundesagentur für Arbeit entgegenhalten. Sie wird somit nicht in unbilliger Weise benachteiligt.

II.

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte die im Antrag bezifferte Summe an die Bundesagentur für Arbeit aus gemäß § 115 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht zahlt.

1. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitpunkt - 20.06.2005 bis 15.06.2006 - Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 615 BGB. Die Beklagte befand sich in diesem Zeitraum in Annahmeverzug.

a) Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Der Annahmeverzug setzt voraus, dass ein erfüllbares Arbeitsverhältnis vorliegt und die Arbeitsleistung tatsächlich (§ 294 BGB) oder unter gewissen Umständen wörtlich (§ 295 BGB) angeboten wird. In Ausnahmefällen ist nach § 296 BGB kein Angebot erforderlich. Ferner darf der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Angebots nicht außer Stande sein, die Arbeitsleistung zu bewirken (§ 297 BGB) und der Arbeitgeber muss die ihm angebotene Arbeitsleistung ablehnen. Im Falle eines Betriebsübergangs wirkt der Annahmeverzug des Betriebsveräußerers auch gegenüber dem Betriebserwerber (BAG 21.03.1991 - 2 AZR 577/90 - EzA § 615 BGB Nr. 68).

b) Auf Grundlage des zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die B. GmbH (i. L.) als Betriebsveräußerin und vormalige Arbeitgeberin des Klägers zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 17.05.2005 bereits in Annahmeverzug befand und dieser folglich nach dem Betriebserwerb durch die Beklagte dieser gegenüber fortwirkte.

aa) Bis zum 17.05.2005 stand der Kläger in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur B. GmbH (i. L.). Sein infolge Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangenes Arbeitsverhältnis endete erst mit Ablauf des 31.08.2006 (Vergleich vom 21.08.2006 = Bl. 36 f. d. A.). Dass der Kläger vom 20.06.2005 bis 15.06.2006 zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung fähig war (§ 297 BGB) hat die Beklagte nicht bestritten.

Auch die weiteren Voraussetzungen des Annahmeverzugs sind erfüllt. Insbesondere bedurfte es keines Arbeitsangebots des Klägers. Denn indem die B. GmbH (i. L.) die Arbeitspflicht des Klägers aufgehoben hat, hat sie auf ein Angebot der Arbeitsleistung verzichtet. Durch eine Freistellung des Arbeitsnehmers von der Arbeitspflicht werden die Voraussetzungen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers erfüllt, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Arbeitsnehmers bedarf (BAG 23.01.2008 - 5 AZR 393/07 - zit. nach JURIS). Die einseitige Freistellung von der Arbeit ist nicht anders zu beurteilen, als wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit nach Hause schickt, weil er ihn nicht mehr beschäftigen will. Beiden Fällen ist gemein, dass der Arbeitgeber erklärt, die Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung werde abgelehnt. Eines wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer (§ 295 BGB) bedarf es nicht, denn der Arbeitgeber lässt erkennen, unter keinen Umständen zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bereit zu sein.

Im vorliegenden Fall liegt die den Annahmeverzug begründende Erklärung der B. GmbH (i. L.) darin, dass sie dem Kläger am 13., jedenfalls aber am 17.05.2005 mitgeteilt hat, dass es keine Arbeit mehr gebe und sie ihn folglich nicht mehr beschäftigen könne. Sie hat den Kläger also nach Hause geschickt, weil sie ihn nicht mehr beschäftigen wollte und konnte. Denn der operative Geschäftsbetrieb war laut Schreiben des Insolvenzverwalters S. bereits zum 15.05.2005 zum Erliegen gekommen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass sie die Arbeitsleistung des Klägers nicht ausdrücklich abgelehnt hat. In der Freistellung von der Arbeitspflicht ist bereits die Erklärung zu sehen, die Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung werde abgelehnt.

bb) Der vom Kläger erstmals in der Berufungsbegründung geleistete Vortrag zu den Voraussetzungen des schon im Verhältnis zur B. GmbH (i. L.) begründeten Annahmeverzugs ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verspätet. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder § 61 a Abs. 3 oder 4 ArbGG gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Nach § 67 Abs. 3 ArbGG dürfen Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die in der ersten Instanz entgegen der allgemeinen Prozessförderungspflicht (§ 282 ZPO) nicht rechtzeitig vorgetragen worden sind, in der Berufungsinstanz nur zugelassen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Partei das Vorbringen in der ersten Instanz nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat. Soweit das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach den Absätzen 2 und 3 des § 67 ArbGG zulässig ist, sind diese vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung vorzubringen.

Der Kläger hat erstmals in der Berufungsinstanz die Ansicht vertreten, bereits die B. GmbH (i. L.) habe sich in Annahmeverzug befunden und dieser wirke gegenüber der Beklagten als Betriebserwerberin fort. Den entsprechenden Tatsachenvortrag hat er in der Berufungsbegründung geleistet. Mit diesen tatsächlichen Behauptungen wäre er aber nur dann ausgeschlossen, wenn bei ihrer Berücksichtigung eine Verzögerung des Rechtsstreits eintreten würde. Unstreitiges Vorbringen führt niemals zu einer Verzögerung und darf nicht ausgeschlossen werden. Eine Verzögerung liegt nur vor, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung länger dauern würde als bei Nichtzulassung des Vortrags. Im vorliegenden Fall ist durch die Berücksichtigung des neuen Sachvortrags keine Verfahrensverzögerung eingetreten. Zudem ist der neue Tatsachenvortrag im Kern unstreitig. Denn auch die Beklagte hat vorgetragen, dass die B. GmbH (i. L.) dem Kläger mitgeteilt habe, dass es keine Arbeit mehr gebe und sie ihn folglich nicht mehr beschäftigen könne.

c) Über die Höhe des Vergütungsanspruchs des Klägers für den Zeitraum 20.06.2005 bis 15.06.2006 besteht kein Streit. Die im Antrag genannte Vergütungsforderung ist somit gemäß § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen.

2. Der Kläger hat in dem Vergleich vom 21.08.2006 (Arbeitsgericht Kiel, Az. 1 Ca 1348 b/06; Anlage K 3 = Bl. 36 f. d. A.) nicht wirksam auf die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche verzichtet.

In dem Vergleich konnte der Kläger nur auf solche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verzichten, die ihm zu diesem Zeitpunkt noch zustanden. Soweit die Agentur für Arbeit an ihn Arbeitslosengeld gezahlt hat, sind die für die Zeit vom 20.06.2005 bis 15.06.2006 entstandenen Gehaltsansprüche aber bereits mit der Zahlung durch die Bundesagentur für Arbeit auf diese übergegangen (§ 115 SGB X; vgl. zu § 117 Abs. 4 S. 2 AFG - BAG 23.09.1981 - 5 AZR 527/79 - ZIP 1981, 1364). Somit war der Kläger im Zeitpunkt des Vergleichs nicht mehr Gläubiger der Gehaltsansprüche und konnte über diese nicht mehr verfügen. Aufgrund des Schreibens des Klägervertreters vom 26.03.2006 wusste die Beklagte auch von dem Anspruchsübergang (Anlage K 2 = Bl. 32 ff d. A.). Die Vereinbarung vom 21.08.2006 steht der Klageforderung daher nicht entgegen.

3. Der Kläger hat die streitbefangene Vergütungsforderung auch rechtzeitig geltend gemacht, indem er am 04.08.2005 Klage auf Feststellung erhoben hat, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagten übergegangen ist.

Nach dem für das Arbeitsverhältnis zuletzt maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 26.10.2000 müssen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens 3 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden; nach Ablauf dieser Frist erlöschen sie.

Die Geltendmachung ist eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Ist - wie im vorliegenden Fall - für die Geltendmachung Schriftform vorgeschrieben, so wird diese Form durch eine Klage gewahrt. Die Kündigungsschutzklage wahrt - mit ihrem Zugang beim Arbeitgeber - Ausschlussfristen, die Schriftform vorsehen, für solche Ansprüche, die vom erfolgreichen Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängen. Das gilt insbesondere für Ansprüche aus Annahmeverzug (vgl. BAG 26.04.2006 - 5 AZR 403/05 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 188). Die Kündigungsschutzklage zielt regelmäßig nicht nur auf den Erhalt des Arbeitsplatzes ab, sondern auch auf die Wahrung der Ansprüche, die durch den Verlust der Arbeitsstelle möglicherweise verloren gehen. Mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist der Arbeitgeber ausreichend vom Willen des Arbeitnehmers unterrichtet, die durch die Kündigung bedrohten Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten (BAG a. a. O.).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar keine Kündigungsschutzklage erhoben. Vielmehr hat er mit seiner Klage vom 04.08.2005 geltend gemacht, dass sein Arbeitsverhältnis zum 02.05. bzw. 17.05.2005 auf die Beklagte übergegangen ist. Die zur Kündigungsschutzklage entwickelten Grundsätze können aber auch auf eine solche Klage übertragen werden. Derjenige, der sein Arbeitsverhältnis einklagt, bringt damit regelmäßig zum Ausdruck, dass er die vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängige regelmäßige Vergütung will (vgl. Zwanziger in Däubler TVG 2. Aufl. § 4 Rn 1160). Auch derjenige, der den Übergang seines Arbeitsverhältnisses reklamiert, will nicht nur geklärt wissen, dass zu dem Betriebserwerber ein Arbeitsverhältnis besteht. Ihm geht es mit der Klärung dieser Frage um die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz. Er will wissen, wem er zur Arbeitsleistung verpflichtet ist und wer ihm Arbeitsvergütung zahlen muss. Auf eben diese Punkte hat der Kläger in seiner Klage vom 04.08.2005 hingewiesen. Demnach war auch die Beklagte durch die erhobene Feststellungsklage ausreichend vom Willen des Klägers unterrichtet, die Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Für diese Auslegung spricht insbesondere der Umstand, dass der Kläger die Beklagte in der Klagschrift vom 04.08.2005 auf die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs hingewiesen hat, wonach die Beklagte in alle Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses des Klägers eingetreten ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 2 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, weil - soweit ersichtlich - die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob durch eine auf Feststellung des Übergangs eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage eine Ausschlussfrist gewahrt werden kann, die Schriftform verlangt, bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist.

Ende der Entscheidung

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