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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 466/06
Rechtsgebiete: ArbGG, VTV, MTV, TVG, BGB
Vorschriften:
ArbGG § 72 a | |
VTV § 2 | |
MTV § 1 Ziff. 2 S. 2 | |
MTV § 24 | |
TVG § 4 Abs. 3 | |
BGB § 488 Abs. 1 | |
BGB § 812 Abs. 1 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 6 Sa 466/06
Verkündet am 11.07.2007
In dem Rechtsstreit
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 11.07.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 21.06.2006 - 4 Ca 184 b/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um arbeitsvertragliche Ansprüche auf Urlaubsgeld und Zuwendung für das Jahr 2005 sowie um die Berechtigung zum Gehaltsabzug.
Die am ...1973 geborene Klägerin trat am 15.07.1995 als examinierte Altenpflegerin in die Dienste der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Sie arbeitet in Teilzeit mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden in der von der Beklagten betriebenen Residenz W... in B.... Die Klägerin erhielt zuletzt ein festes Grundgehalt von 2.103,61 EUR brutto zuzüglich Nacht-, Sonn- und Zeitzuschläge für Urlaub. Im September 2005 zahlte ihr die Beklagte insgesamt 2.421,86 EUR brutto.
Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
Die Beklagte, die den Betrieb in B... mit Wirkung ab 01.04.2000 übernommen hatte, schloss mit der Klägerin einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit Datum 10./15.05.2001. Nach dessen Anlage 1 hat der Beschäftigte Anspruch auf eine Sonderzuwendung in Höhe von 100 % des Septembergehaltes des laufenden Jahres, soweit das Arbeitsverhältnis am 01.01. des laufenden Jahres bestand und über den 31.03. des Folgejahres hinaus fortbesteht. Nach Anlage 2 zum Arbeitsvertrag besteht ein Anspruch auf Urlaubsgeld in Höhe von 500,00 DM (=255,65 EUR) bei Vollzeitbeschäftigung, fällig am 01.07. des laufenden Jahres. Nichtvollbeschäftigte erhalten den Teil des Urlaubsgeldes, der ihrer durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht (Anlage K 1 - Bl. 9 ff. d. A.).
Die Beklagte betreibt in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Alten- und Pflegeheime. Die P... S... C... und C... für S... AG schloss mit Datum vom 24.09.2004 mit der Gewerkschaft ver.di einen Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV). Dort heißt es unter anderem wie folgt:
§ 1 Geltungsbereich:
1. ...
2. Dieser Tarifvertrag gilt persönlich für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen und Mitglied der vertragsschließenden Gewerkschaft sind. Mit Inkrafttreten des Tarifvertrages werden entsprechende Arbeitsverträge abgeschlossen. ...
§ 24 Besitzstandswahrung:
1. Soweit sich aus der Anwendung dieses Tarifvertrages und diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträgen ein niedrigeres Gesamteinkommen als nach den für den jeweiligen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages oder anderer Regelungen ergibt, gelten folgende Regelungen:
a) Bei denjenigen Arbeitnehmern, die am 30.09.2004 schon bei P... S... beschäftigt waren und deren Stufung nach Berufsjahren bzw. Lebensalter erfolgte, bleibt diese Stufung so lange bestehen, bis er die Anspruchsvoraussetzungen dieses Tarifvertrages zur Höherstufung erfüllt.
b) Arbeitnehmer, deren bisherige Vergütung in Form eines Festbetrages höher ist als die, die sie nach den jeweils gültigen Regelungen dieses Tarifvertrages bekommen würden, erhalten den Differenzbetrag als persönliche Zulage.
§ 27 Inkrafttreten, Laufzeit:
1. Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01.10.2004 in Kraft.
2. Die §§ 10, 12, 12a, 12b, 12c, 13, 16a, 19 und 20 treten mit Wirkung vom 01.01.2005 in Kraft.
Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die entsprechenden, für den einzelnen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten dieses Tarifvertrages geltenden einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen in Kraft.
Die Tarifvertragsparteien schlossen zudem am 24.09.2004 einen Vergütungstarifvertrag Nr. 1 zum MTV, der am 01.01.2005 in Kraft trat. Er regelt Grundvergütungen, Ortszuschläge, Stundenvergütungen und eine allgemeine Zulage. Der ebenfalls am 24.09.2004 abgeschlossene Tarifvertrag über eine Zuwendung ist ab dem 01.10.2004 gültig und sieht vor, dass der Arbeitnehmer unter den in § 2 VTV genannten Anspruchsvoraussetzungen eine Zuwendung in Höhe von 82 % der Septembervergütung des laufenden Jahres erhält, zahlbar in 12 gleichen monatlichen Beträgen für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Beginn der Zahlung ist jeweils der November des Kalenderjahres. Eine Urlaubsgeldzahlung ist nach den tariflichen Regelungen nicht vorgesehen.
Die Beklagte zahlte der Klägerin 2005 kein Urlaubsgeld. Sie gruppierte die Klägerin auch nicht nach dem MTV/VTV ein und zahlte ihr folglich auch nicht das Tarifgehalt, da zwischen der Beklagten und ver.di Uneinigkeit über die Auslegung der Tarifverträge besteht. Die Beklagte zahlt der Klägerin nach wie vor die einzelvertraglich vereinbarte Grundvergütung.
Die in der Anlage zum Arbeitsvertrag vereinbarte Zuwendung zahlte die Beklagte ebenfalls im November 2005 an die Klägerin nicht. Stattdessen erhielt die Klägerin im September und Dezember 2005 ausweislich der Verdienstabrechnungen jeweils eine Zahlung in Höhe von 143,75 EUR (insgesamt 287,50 EUR) mit der Bezeichnung "Sonderzuwendung 1/12".
Gleichzeitig zog die Beklagte der Klägerin in den Monaten Dezember 2005 bis Mai 2006 jeweils 80,38 EUR netto mit der Bezeichnung "Rückzahlung Darlehen 1/12 (11-2003)" ab. Dabei handelte es sich um eine von der Beklagten im November 2003 geleistete Nettozahlung mit der Bezeichnung "Sonderzahlungsvorschuss". Eine Zuwendung hatte die Klägerin für das Jahr 2003 daneben nicht erhalten.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage Zahlung eines Urlaubsgeldes für 2005 in Höhe von 238,44 EUR brutto verlangt. Weiter hat sie eine Zuwendung nach Anlage 1 des Arbeitsvertrages in Höhe von 2.421,86 EUR brutto abzüglich gezahlter 287,50 EUR brutto gefordert, d.h. den Differenzbetrag von 2.134,36 EUR brutto. Schließlich hat sie Zahlung der in den Monaten Dezember 2005 bis Mai 2006 von der Vergütung abgezogenen Beträge in Höhe von insgesamt 482,28 EUR netto geltend gemacht und hierzu die Ansicht vertreten, dass die von der Gegenseite behauptete Darlehensabrede nicht bestehe.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin suche sich jeweils die für sie günstigste Regelung aus den arbeitsvertraglichen und den tarifvertraglichen Regelungen heraus. Hingegen sei ein kollektiver Günstigkeitsvergleich vorzunehmen, demzufolge die bisher an die Klägerin gezahlte Vergütung einschließlich der Sonderzahlung ergebe, dass die tarifvertraglichen Leistungen insgesamt günstiger für die Klägerin seien und daher auch kein Anspruch auf arbeitsvertraglich vereinbarte Sonderzuwendungen bestehe. Hierzu hat die Beklagte auf die mit Schriftsatz vom 20.04.2006 überreichte Berechnung verwiesen (vgl. Bl. 53 d.A.). Die Nettozahlung im Jahr 2003 sei als Darlehen geleistet worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umgang entsprochen.
Gegen dieses ihr am 26.09.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.10.2006 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.12.2006 am 19.12.2006 begründet hat.
Die Beklagte vertritt einerseits die Ansicht, dass die Klägerin sich nicht auf den Tarifvertrag berufen könne. Der MTV finde auf das Arbeitsverhältnis noch keine Anwendung, weil gemäß § 1 Ziff. 2 S. 2 MTV mit Inkrafttreten des Tarifvertrages entsprechende Arbeitsverträge abgeschlossen werden sollten, was noch nicht geschehen sei. Die abzuschließenden Arbeitsverträge seien Wirksamkeitsvoraussetzungen für das Inkrafttreten des MTV. Da zwischen den Tarifvertragsparteien noch keine Einigung über die Fassung der abzuschließenden Arbeitsverträge erzielt werden konnte, habe der Tarifvertrag noch nicht in Kraft treten können. Ansprüche hieraus könnten derzeit nicht geltend gemacht werden.
Auf der anderen Seite meint die Beklagte, die Klägerin könne ihre Ansprüche nicht auf den Arbeitsvertrag vom 10./15.05.2001 nebst dessen Anlagen 1 und 2 stützen. Die Klägerin suche sich, indem sie die Sonderzuwendungen aus dem Arbeitsvertrag und gleichzeitig die Eingruppierung aus dem MTV/VTV begehre, jeweils die "Rosinen" aus den jeweiligen Regelungen heraus. Insoweit sei jedoch ein kollektiver Günstigkeitsvergleich anzustellen. Der Tarifvertrag sei insgesamt günstiger, so dass ein Anspruch auf Sonderzuwendung entfalle. Die Anlagen 1 und 2 des Arbeitsvertrages, die Ansprüche auf Sonderzuwendungen regeln, seien durch den Manteltarifvertrag abgelöst worden. Hinsichtlich der Zahlung des Urlaubsgeldes und der Zuwendung für das Jahr 2005 sei ein Sachgruppenvergleich anzustellen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stehe ihr, der Beklagten, auch ein Rückzahlungsanspruch aus dem Sonderzahlungsvorschuss für das Jahr 2003 zu. Bei der Zahlung habe es sich um ein Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrags gehandelt. In der internen Mitteilung vom Februar 2004 sei unmissverständlich dargelegt worden, dass es sich um ein Arbeitgeberdarlehen mit Rückzahlungsanspruch handele. Dass es sich nicht um eine Weihnachtsgeldzahlung gehandelt habe, lasse sich den Verdienstabrechnungen entnehmen. Daher könnte sie die Zahlung ratenweise wieder in Abzug bringen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 21.06.2006 - 4 Ca 184 b/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Das Urlaubsgeld 2005 und die Zuwendung 2005 stehe ihr nach dem Arbeitsvertrag zu. Zwar sei der MTV vom 24.09.2004 auf das Arbeitsverhältnis aufgrund unmittelbarer Geltung anwendbar. Sie, die Klägerin, könne sich aber auf die günstigeren arbeitsvertraglichen Regelungen berufen. Der Arbeitsvertrag sei mit Abschluss des MTV nicht abgelöst worden.
Die Klägerin bestreitet, dass im Jahr 2003 eine Darlehensvereinbarung getroffen worden sei. Sie habe im November 2003 weder einen Sonderzahlungsvorschuss erhalten noch einen Darlehensvertrag unterzeichnet. Die Zuwendung sei vorbehaltlos gezahlt worden. Die internen Mitteilungen habe sie mit dem Schriftsatz der Beklagten nicht erhalten. Sie müsse bestreiten, dass die behaupteten internen Mitteilungen den angegebenen Inhalt hätten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Beklagte ist ungeachtet der Existenz des MTV/VTV verpflichtet, der Klägerin das arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaubsgeld sowie die arbeitsvertraglich vereinbarte Sonderzuwendung zu zahlen. Der Gehaltsabzug ab Dezember 2005 war unberechtigt. Im Einzelnen:
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung des anteiligen Urlaubsgeldes für das Jahr 2005 in Höhe von 238,44 EUR brutto sowie der restlichen Sonderzuwendung in Höhe von 2.134,36 EUR brutto. Diese Ansprüche beruhen auf den Anlagen 1 und 2 ihres Arbeitsvertrages.
Die Klägerin kann sich trotz des Inkrafttretens des MTV, des VTV sowie des Tarifvertrages über eine Zuwendung (jeweils vom 24.09.2004) auf die günstigeren arbeitsvertraglichen Regelungen berufen. Dabei geht die Berufungskammer - insoweit zugunsten der Beklagten - davon aus, dass die Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar sind. Würden die Tarifverträge nicht gelten, wie von der Beklagten eingangs ihrer Berufungsbegründung vertreten, käme es auf die Frage, ob der Arbeitsvertrag die Klägerin gegenüber den tariflichen Regelungen begünstigt, gar nicht an; die Ansprüche würden sich (weiterhin) allein nach dem einzelvertraglich Vereinbartem richten.
Die Beklagte verkennt Bedeutung und Inhalt des in § 4 Abs. 3 TVG kodifizierten Günstigkeitsprinzips. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann für den Günstigkeitsvergleich nicht auf die Gesamtbeträge abgestellt werden, die sich aus der Summe aller Vergütungsansprüche aus den drei genannten Tarifverträgen ergeben. Im Übrigen würde selbst diese Betrachtung zu keinem für die Beklagte günstigen Ergebnis führen.
a)
Beim Günstigkeitsvergleich ist nach einhelliger Auffassung ein so genannter Sachgruppenvergleich vorzunehmen (BAG 07.11.1989 - GS 3/85 - NZA 1990, 816; Schaub/Schaub 11. Aufl. § 204 Rn. 40). Dabei sind die in einem inneren Zusammenhang stehenden Normen des Tarifvertrags mit denen des Arbeitsvertrags zu vergleichen. Beim Vergleich von unterschiedlichen Leistungen kommt es darauf an, ob diese funktional äquivalent sind. Ein Günstigkeitsvergleich scheidet danach aus, wenn die zu vergleichenden Leistungen mit unterschiedlichen Gegenleistungen verbunden sind (BAG 30.03.2004 - 1 AZR 85/03; BAG 27.01.2004 - 1 AZR 148/03 - jeweils zitiert nach JURIS). Im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs sind auch vor Inkrafttreten eines Tarifvertrags abgeschlossene arbeitsvertragliche Vereinbarungen zu berücksichtigen (BAG 25.07.2001 - 10 AZR 391/00 - zitiert nach JURIS).
Der von der Beklagten offenbar für richtig gehaltene Gesamtvergleich kommt nicht in Betracht. Würde man sich bei dem Günstigkeitsvergleich auf die Gesamtheit aller Arbeitsbedingungen beziehen, wäre ein rationales objektivierbares Günstigkeitsurteil nicht mehr möglich (Löwisch/Rieble, TVG 2. Aufl., Rn. 300 zu § 4 TVG). Denn dann müsste man den Vergleich konsequenterweise nicht nur auf die Geldansprüche, sondern auch auf die weiteren Rahmenbedingungen, wie Kündigungsfristen und Urlaub erstrecken. Damit aber wäre ein nachvollziehbares objektives Günstigkeitsurteil nicht mehr möglich.
Der von der Beklagten angeführte "kollektive Günstigkeitsvergleich" ist ebenfalls nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers (individuelle Günstigkeit). Wendet der Tarifvertrag dem Arbeitnehmer ein Individualrecht zu, so kann sich eine andere Abmachung dann durchsetzen, wenn sie eine für den Arbeitnehmer günstigere Rechtsfolge auslöst (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl., Rd.-Ziff. 291 zu § 4 TVG). Auf das Gesamtinteresse der Belegschaft oder einer Gruppe von Arbeitnehmern kommt es nur bei betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Normen an (Schaub/Schaub 11. Aufl. § 204 Rn. 39).
b)
In Anwendung dieser Grundsätze sind die einzelvertraglichen Regelungen zum Urlaubsgeld und zur Zuwendung für die Klägerin günstiger als die vergleichbaren tariflichen Vereinbarungen. Folglich werden die arbeitsvertraglichen Regelungen durch die Tarifbestimmungen nicht verdrängt.
Eine Sachgruppe bilden alle einzelvertraglichen Sonderzahlungen, zu denen das Urlaubsgeld und die Zuwendung gehören. Ihr sind die entsprechenden tariflichen Leistungen gegenüberzustellen. Es ist für den Sachgruppenvergleich nicht weiter zu unterscheiden zwischen Urlaubsgeld und Zuwendung. Beides sind Einmalzahlungen, die deshalb zu einer Sachgruppe zusammenzufassen sind.
Auf arbeitsvertraglicher Seite ist somit neben dem Septembergehalt das pauschale Urlaubsgeld in den Vergleich einzustellen. Ihm steht die tarifliche Zuwendung in Höhe von 82 % der Septembervergütung gegenüber. Die arbeitsvertragliche Regelung ist folglich die günstigere Regelung im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG.
c)
Ein alle Entgeltansprüche erfassender (beschränkter) Gesamtvergleich scheidet aus einem weiteren Grund aus und würde zudem zu keinem für die Beklagte günstigen Ergebnis führen.
In der Regelung zur Besitzstandwahrung in § 24 MTV und der hierzu vereinbarten Protokollnotiz heißt es ausdrücklich, dass als Bestandteile des monatlichen Gesamteinkommens die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die allgemeine Zulage bei der Besitzstandswahrungsberechnung heranzuziehen sind. Einmalzahlungen, die bei der Berechnung des jeweiligen "Gesamteinkommens" zu berücksichtigen wären, sind ausdrücklich nicht erwähnt worden. Angesichts der in der Protokollnotiz vorgenommenen Definition des Gesamteinkommens dürfen sie daher nicht in den Gesamtvergleich mit einbezogen werden.
Selbst wenn man sich darüber hinwegsetzt, ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Berechnung (Bl. 53 d.A.), dass die Jahresvergütung der Klägerin unter Einschluss aller Vergütungsbestandteile nach Maßgabe der Tarifverträge um 3.235,71 EUR brutto unter der nach dem Arbeitsvertrag liegt. Es bleibt das Geheimnis der Beklagten, warum dies für die Klägerin günstiger sein soll.
2.
Die Beklagte hat der Klägerin die in den Monaten Dezember 2005 bis Mai 2006 abgezogenen Nettobeträge von 80,38 EUR, d.h. insgesamt 482,28 EUR, auszuzahlen. Der monatliche Abzug war unberechtigt. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend begründet (Seite 10 f.). Die Ausführungen in der Berufung führen zu keiner anderen Entscheidung.
Nach wie vor ist nicht nachvollziehbar, wie zwischen den Parteien ein Darlehensvertrag zustande gekommen sein soll, der eine Rückzahlung in monatlichen Raten ab Dezember 2005 vorsieht. Gemäß § 488 Abs. 1 BGB wird der Darlehensgeber durch den Darlehensvertrag verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen; der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten. Der Abschluss eines Darlehensvertrags setzt danach eine Einigung über die Höhe des zur Verfügung gestellten Geldbetrags, die Laufzeit, die Verzinslichkeit (ggf. Zinshöhe) und die Aus- und Rückzahlungsmodalitäten voraus. Zwar kann ein Darlehensvertrag auch konkludent geschlossen werden. Die Vertragspartner müssen aber um den notwendigen Inhalt eines solchen Vertrags wissen. Die Zahlung im November 2003 kann nicht als Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrags gedeutet werden. Das verbietet schon die Bezeichnung als "Sonderzahlungsvorschuss für das Jahr 2003". Dass hier nur ein Darlehen gewährt werden sollte, war danach jedenfalls bei Zahlung im November nicht erkennbar. Im Zusammenhang mit dem Zahlungszeitpunkt liegt es vielmehr nahe, die Leistung als Vorschuss auf die Sonderzuwendung anzusehen. Der Wortteil "Vorschuss" lässt nämlich nicht auf eine Rückzahlungspflicht schließen, sondern viel eher auf eine Verrechnung mit bestehenden Ansprüchen.
Die von der Beklagten in der Berufungsbegründung angeführten "internen Mitteilungen" von Januar und Februar 2004 können der Zahlung gleichfalls nicht die Bedeutung eines Angebots, gerichtet auf Abschluss eines Darlehensvertrags, beimessen. Die Mitteilungen lagen der Berufungsbegründung nicht bei und sind auch nicht nachgereicht worden.
Zu den Darlehenskonditionen, insbesondere zu den Rückzahlungsmodalitäten, die bei Abschluss des behaupteten Vertrags vereinbart worden sein sollen, schweigt sich die Beklagte aus. Folglich kann nicht nachvollzogen werden, ob das von der Beklagten behauptete Darlehen überhaupt zur Rückzahlung fällig war. Der Rückzahlungsanspruch der Beklagten ergibt sich auch nicht wegen ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB. Die Zahlung im November 2003 erfolgte mit Rechtsgrund. Die Beklagte war der Klägerin auch im Jahr 2003 zur Zahlung der vertraglichen Sonderzuwendung verpflichtet. Dieser Anspruch ergab sich aus der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 97 ZPO.
Die Vorraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.
Ende der Entscheidung
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