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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 467/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 15
BGB § 626
Gegenüber einem Betriebsratsmitglied kann gem. § 15 KSchG nur eine außerordentliche fristlose Kündigung, nicht eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen werden. Die gesetzliche Regelung erlaubt in diesem Fall eine soziale Auslauffrist nicht.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 467/05

Verkündet am 15.08.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts W... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter R... und L... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.09.2005 - 1 Ca 1608/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

Die Klägerin ist am ....1949 geboren. Sie ist verheiratet. Sie hat den Beruf der Bürokauffrau erlernt. Bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ist sie seit dem 01.01.1995 als Bürokauffrau mit einer Vergütung von zuletzt 2.270 EUR brutto monatlich beschäftigt. Die Klägerin war bis zur Neuwahl im Frühjahr 2006 Mitglied des im Betrieb gebildeten Betriebsrates.

Die Beklagte betreibt eine Fachklinik für onkologische Rehabilitation. Es werden 112 Betten unterhalten. Die Beklagte beschäftigt 64 Mitarbeiter. Diese Klinik war von der Beklagten mit Wirkung vom 01.10.2001 übernommen worden.

Zu den Aufgaben der Klägerin gehören der Empfang der Patienten und die Verwaltung zweier Kassen. In die Hauptkasse sind die Zahlungen für Zeitungen und Telefonrechnungen einzubuchen und einzulegen. Die zweite Kasse betrifft das Essensgeld. Dieses Geld wird jeweils einmal wöchentlich abgerechnet und in die Hauptkasse gelegt. Für beide Kassen ist ein Kassenbuch zu führen. Die Verwaltung der Kasse erfolgt über den Computer.

Die Rezeption ist von 07.30 Uhr bis 17.00 Uhr besetzt. Die Klägerin ist bis etwa 15.45 Uhr tätig und wird sodann von einer anderen Mitarbeiterin aus der Abteilung vertreten. Die Abteilung ist mit 4 Mitarbeiterinnen besetzt, davon die Klägerin in Vollzeit, 2 Mitarbeiterinnen mit 30 Stunden in der Woche und die Leiterin mit 19,5 Stunden. Die weitere Aufgabe der Abteilung ist die Patientenaufnahme. Dort sind die anderen Mitarbeiterinnen eingesetzt. Soweit die Klägerin abwesend ist, vertreten die anderen Mitarbeiterinnen die Klägerin. Die Klägerin wird nicht in der Patientenaufnahme tätig.

Die Beklagte erteilte der Klägerin mit Datum vom 19.08.2004 wegen einer Fehlbuchung eine "letztmalige" Abmahnung (Bl. 26 d. A). Am 19.02.2004 fand ein Gespräch statt. Am 01.04.2004 wurde der Klägerin eine weitere Abmahnung erteilt. Die Beklagte beabsichtigte im Herbst 2004, die Klägerin wegen mangelhafter Arbeitsleistungen zu entlassen. Der Betriebsrat verweigerte am 24.09.2004 die Zustimmung, da er der Auffassung war, die Arbeitsleistungen würden sich noch verbessern. Mit Datum vom 07.10.2004 erteilte die Beklagte der Klägerin eine weitere Abmahnung (Bl. 23 d. A.).

Am 04.05.2005 kehrte die Klägerin nach einem 3-wöchigen Urlaub zurück und wurde zu einem Personalgespräch gebeten. Dort wurden mangelnde Freundlichkeit gegenüber Patienten und Mängel bei der Kassenführung thematisiert. Die Klägerin hat hierzu eine Stellungnahme abgegeben (Bl. 29, 31 d. A.). Am 04.05.2004 reisten 2 Patienten ab, die sich in der Folge über die Klägerin beschwerten. Für die Woche vom 02. bis 08.05.2005 ergab sich eine Kassendifferenz von 7,50 EUR. Die Klägerin buchte 3 Mittagessen zu 2,50 EUR auf 3 Mitarbeiter eines Reinigungsunternehmens. Tatsächlich hatte die Klägerin ein Frühstück zu 1,50 EUR und ein Mittagessen von 6,00 EUR für eine Begleitperson nicht gebucht gehabt. Am 10.05.2005 schloss die Klägerin die Kasse mit einem Bestand von 51,30 EUR ab und druckte eine Bestandsliste, aus der sich dieser Betrag ergab. Danach bestellte eine Ärztin 3 Mittagessen zu 2,50 EUR, die die Klägerin im PC erfasste. Eine neue Liste druckte sie nicht aus. Am folgenden Tag übernahm die Mitarbeiterin S... die Kasse und stellte fest, dass Kasse und Bestand laut PC nicht übereinstimmten. Eine weitere Kassendifferenz von 9,00 EUR am selben Tag, die auf einer fehlerhaften Eingabe - 1,00 EUR statt 10,00 EUR - durch die Klägerin beruhte, berichtigte diese noch vor Arbeitsschluss. Die Abrechnungskontrolle des Essensgeldes am 18.05.2005 für die Vorwoche ergab eine Differenz von 7,50 EUR. Nach Rücksprache mit Dr. W... korrigierte die Klägerin 2,50 EUR und legte zum Ausgleich von ihrem eigenen Geld 5,00 EUR in die Kasse. Sodann erstellte sie eine korrigierte Abrechnungsliste.

Die Beklagte sprach nach Vorliegen der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung (Bl. 5 d. A.) am 27.05.2005 eine außerordentliche Kündigung zum 31.05.2005 aus. Hiergegen hat die Klägerin am 01.06.2005 Klage erhoben, mit der sie gerügt hat, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Außerdem liege kein wichtiger Grund vor, da ihr nur kleinere Sorgfaltspflichtverletzungen vorgeworfen würden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.09.2005, auf das hinsichtlich der Einzelheiten des weiteren Sachvortrags sowie der Entscheidungsgründe verwiesen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 27.05.2005 nicht beendet worden ist. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin weiterzubeschäftigen. Die Beklagte ist dem nachgekommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, das Arbeitsgericht habe bei seiner Abwägung nicht berücksichtigt, dass die Klägerin sich weisungswidrig verhalte, indem sie die von ihr verauslagten 5,00 EUR nicht wieder an sich genommen und den Fehlbestand buchhalterisch ordnungsgemäß auszuweisen. Die Klägerin sei nicht einsichtig, dass ihr Verhalten fehlerhaft sei. Dieses berechtige die Vermutung, dass sich Entsprechendes jederzeit wiederholen werde. Zwar könnten einfache Fehler in der Arbeitsleistung eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Hier liege jedoch eine bewusste vorsätzliche Missachtung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch die Klägerin vor. Das erforderliche arbeitgeberseitige Vertrauen in eine korrekte Kassenführung und Loyalität einer Mitarbeiterin habe hier den Vorrang gegenüber dem Interesse der Klägerin an dem Erhalt des Arbeitsplatzes. Zudem sei das Arbeitsgericht von einer zu kurz bemessenen fiktiven Kündigungsfrist ausgegangen. Damit berücksichtige das Gericht nicht, wann sich die Beklagte tatsächlich von der Klägerin fristgemäß trennen könne. Eine Weiterbeschäftigung von mindestens mehr als einem Jahr sei ihr, der Beklagten, aufgrund des gestörten Vertrauensverhältnisses unzumutbar gewesen. Da die Klägerin wiederholt das Vertrauen der Beklagten verletzt habe, habe sie, die Beklagte, sich gezwungen gesehen, der Leiterin des Kassenbereichs aufzugeben, täglich eine Kassenkontrolle bei der Klägerin durchzuführen. Dies stelle doppelte Arbeit in dem Bereich dar, die durch die Unzuverlässigkeit der Klägerin bedingt sei. Es könne ihr, der Beklagten, nicht zugemutet werden, nicht einmal für 4 Monate, die Klägerin bei dieser Situation weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.09.2005 - 1 Ca 1608/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter vor, sie habe, wie sich auch aus dem Zwischenzeugnis vom 30.09.2001 ergebe, ihre Tätigkeit bis zum Jahr 2004 beanstandungsfrei ausgeübt. Erstmals im Jahr 2004 habe die Beklagte damit begonnen, angebliches Fehlverhalten in Form von behaupteten Fehlbuchungen vorzuwerfen und Abmahnungen auszusprechen. Eine Fehlbuchung vom 29.07.2004 habe sie, die Klägerin, nachträglich korrigiert, nachdem sie zuvor versehentlich einen nach zu buchenden Betrag in Höhe von 200 EUR zunächst eingebucht und dann wieder ausgebucht gehabt habe. Weitere unbeabsichtigte Fehlbuchungen im September 2004 hätten zu einer weiteren Abmahnung vom 07.10.2004 geführt. In den folgenden 7 Monaten sei es nicht zu Beanstandungen gekommen. Als sie, die Klägerin, aus dem Urlaub im Mai 2005 wieder an ihrem Arbeitsplatz erschienen sei, sei sie 3 Tage später zu einem Personalgespräch gebeten worden. Dort seien ihr völlig unerwartet Vorhaltungen gemacht worden. Es seien dabei keine konkreten Fälle genannt worden. Wegen der Vielzahl der Vorwürfe, die ihr gemacht worden seien, sei sie überrascht und verunsichert gewesen. Wenige Stunden nach diesem Gespräch habe sie dann festgestellt, dass die Essensgeldkasse einen Plusbestand von 7,50 EUR aufgewiesen habe. Verunsichert habe sie zur Korrektur zunächst 3 Mittagessen zu einem Wert von je 2,50 EUR unter dem Buchungsnamen "MCL" für die Reinigungskräfte gebucht. Sie sei davon ausgegangen, dass diese Buchungen versehentlich noch nicht eingegeben worden seien. Dies sei für sie die einzig logische Erklärung gewesen. Nachdem sich herausgestellt habe, dass dieser Grund nicht zugetroffen habe, sei die Essensgeldkasse richtig gestellt worden. Der Beklagten sei ein Schaden nicht entstanden. Sie, die Klägerin, habe nicht bewusst eine Falschbuchung vorgenommen, sondern allenfalls mit nicht ausreichender Sorgfalt gearbeitet. Das zuvor erfolgte Personalgespräch mit den Vorwürfen seitens der Beklagten und auch der Zeitdruck infolge der verspätet eingetroffenen Patienten hätten dazu geführt, dass sie sich psychisch in einer Extremsituation befunden habe. Ein weiteres Personalgespräch vom 10.05.2005 habe die Vorhaltungen und den Druck erhöht. Danach sei es zu dem angeblichen Fehlverhalten gekommen, weil die Essensgeldkasse bereits abgeschlossen gewesen sei. Den Ausdruck habe sie nicht aus Bequemlichkeit unterlassen. Sie sei nicht von einem fehlerhaften Verhalten ausgegangen. Auch hier sei ihre seelische Belastung zu berücksichtigen. Nach dem dritten Personalgespräch innerhalb einer Woche, am 11.05.2005, habe sie eine Differenz von + 9,00 EUR festgestellt, habe diese jedoch umgehend berichtigen können. Der Fehler wäre auch ohne Kassenprüfung bemerkt worden, da es sich um einen schlichten Eingabefehler gehandelt habe. Nicht vorgeworfen werden könne ihr, dass sie 5,00 EUR zum Ausgleich in die Kasse gelegt habe. Sie habe im Ergebnis den Konflikt gescheut und vor dem Hintergrund der am 04.05., 10.05. und 11.05.2005 geführten Personalgespräche den Fehlbetrag aus ihrem eigenen Geld in die Kasse gelegt. Eine Fehlbuchung habe es insoweit nicht gegeben. Dies bestreite sie nachdrücklich.

Die Klägerin bestreitet weiterhin, dass die am 27.05.2005 ausgesprochene Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgt sei. Nur der Vorwurf vom 18.05.2005 liege innerhalb dieser Frist. Da der Beklagten kein Schaden entstanden sei, sei ihr auch zuzumuten, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten, auch wenn dies bedeute, dass die Beklagte bis zu einem Jahr nach Ablauf der Amtszeit als Betriebsratsmitglied festhalten müsse. Sie, die Klägerin, habe sich zu keinem Zeitpunkt Kontrollen der Buchführung entzogen. Die Kassenführung selbst sei nur ein geringer Teil der gesamten Tätigkeit.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zum Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.05.2005 nicht beendet worden ist und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Die Angriffe der Berufung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.

Die Kündigung konnte vorliegend gemäß § 15 KSchG nur ausgesprochen werden, wenn Tatsachen vorlagen, die die Beklagte zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigten. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung lag vor. Sinn der Regelung des § 15 KSchG ist nicht, den Mitgliedern des Betriebsrats Vorteile gegenüber den anderen Arbeitnehmern zu verschaffen, sondern die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats aufrechtzuerhalten. Die im Betriebsrat tätigen Arbeitnehmer sollen ihre Aufgaben ohne Furcht vor Anwendung von Druckmitteln wahrnehmen können. Die personelle Zusammensetzung des Betriebsrats und damit auch seine möglichst vollständige Besetzung soll gewährleistet werden. Der Arbeitgeber kann in dieser Situation nur eine außerordentliche Kündigung aussprechen. Eine ordentliche Kündigung ist auch dann ausgeschlossen, wenn ein Recht zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, aber nur ordentlich gekündigt wird (BAG Urteil vom 12.02.2004 - 2 AZR 163/03 - EzA KSchG n. F. § 15 Nr. 56; BAG Urteil vom 07.10.2004 - 2 AZR 81/03 - EzA KSchG § 15 Nr. 57).

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Kündigung gegenüber einem Betriebsratsmitglied dann gerechtfertigt, wenn ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, d. h. dass dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Fehlverhaltensweisen der Klägerin sind schwerwiegend. Dabei ist aus Sicht der Kammer am stärksten zu gewichten, dass die Klägerin die von ihr begangenen Buchungsfehler dadurch zu verdecken gesucht hat, dass sie andere "Korrektur"buchungen vornahm. Sie hat mithin nicht nur fehlerhaft gearbeitet, sondern dadurch auch in einem erheblichen Maße gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, dass sie über die Fehler getäuscht hat. Die Beklagte als Arbeitgeberin kann nicht mehr darauf vertrauen, dass das Kassenbuch ordnungsgemäß geführt wird. Ob alle Eintragungen tatsächlich so den Ablauf wiedergeben wie es geschehen ist, ist für die Beklagte nicht mehr erkennbar. Dieses Verhalten der Klägerin ist in einem erheblichen Maße geeignet, das Vertrauen der Beklagten zu erschüttern. Fehlbuchungen dieser Art sind daher an sich geeignet, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen.

Dem Arbeitsgericht ist auch zuzustimmen, dass es der Beklagten dennoch zuzumuten gewesen wäre, die Klägerin noch bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dabei nicht noch die nachwirkende Schutzfrist nach Beendigung des Betriebsratsamtes hinzugezählt werden. Vielmehr ist zu prüfen, ob, wenn die Klägerin nicht Betriebsratsmitglied gewesen wäre, ein Arbeitgeber eine fristlose oder eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen hätte. Im Fall der Klägerin wäre es als zumutbar anzusehen gewesen, dann eine fristgerechte Kündigung auszusprechen. Demgemäß ist die fiktive Kündigungsfrist danach zu bemessen, welche Kündigungsfrist der Klägerin im damaligen Zeitpunkt zugestanden hätte, wäre sie nicht Betriebsratsmitglied gewesen. Jede andere Handhabung führte dazu, dass Betriebsratsmitglieder mit anderen Maßstäben beurteilt würden als andere Arbeitnehmer. Sie sollen aber weder bevorzugt noch wegen ihres Amtes benachteiligt werden.

Eine Abwägung der wechselseitigen Interessen führt dazu, die Interessen der Klägerin gegenüber denen der Beklagten überwiegen. Dabei sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Alter der Klägerin zu berücksichtigen, andererseits das Interesse der Beklagten an einem geordneten Betriebsablauf und der Sicherheit, dass Buchungen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Das Alter der Klägerin und die vorher 10jährige beanstandungsfreie Arbeitsleistung überwiegen hier noch. Das Interesse der Beklagten muss demgegenüber zurücktreten.

Die Kammer sieht auch nicht die Möglichkeit einer Umdeutung der außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine solche mit sozialer Auslauffrist, obwohl dies der Interessenlage beider Parteien entspräche. Dem steht die Gesetzeslage entgegen, die gerade nur eine außerordentliche Kündigung vorsieht.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Entscheidung von der Frage abhängt, ob eine außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes einer sozialen Auslauffrist zulässig ist. Soweit ersichtlich ist dies bislang obergerichtlich nicht entschieden (offen gelassen: BAG Urteil vom 15.03.2001 - 2 AZR 624/99 - EzA KSchG n. F. § 15 Nr. 52 zu II 2 der Gründe). Die in der Entscheidung vom 07.10.2004 (2 AZR 81/03 - EzA § 15 Nr. 57) angesprochene Auslauffrist betraf den Fall einer Änderungskündigung, nicht den einer Beendigungskündigung.

Ende der Entscheidung

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