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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 556/05
Rechtsgebiete: InsO, BetrVG


Vorschriften:

InsO § 38
InsO § 55
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
InsO §§ 121 ff.
InsO § 122
InsO § 123
InsO § 123 Abs. 2 Satz 2
InsO § 209
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 209 Abs. 1 Ziff. 3
InsO § 210
BetrVG § 102
BetrVG §§ 111 ff.
BetrVG § 113 Abs. 1
BetrVG § 113 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 556/05

Verkündet am 24.08.2006

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 24.08.2006 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden Dr. O... in Vertretung und die ehrenamtlichen Richter H... und P... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10.11.2005 - 3 Ca 2374/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung als Masseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO in Höhe von 41.070,00 EUR zusteht.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Nachteilsausgleichsanspruchs im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.

Der Kläger trat 1968 in die Dienste der S... Ingenieurbüro und Apparatebau GmbH ein. Dort erzielte er zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.220,00 EUR.

Am 01.07.2005 wurde über das Vermögen der S... Ingenieurbau und Apparatebau GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte, der bereits vorläufiger Insolvenzverwalter war, als Insolvenzverwalter bestellt.

Am 08.06.2005 führte er in dieser Funktion mit dem bei der späteren Schuldnerin gewählten Betriebsrat ein Erörterungsgespräch. Der genaue Inhalt des Gesprächs ist streitig. Mit Schreiben vom 22.06.2005 an den Betriebsrat (Abl. Bl. 12 d. A.) teilte der Beklagte mit, dass die Betriebsstilllegung zum 30.09.2005 geplant sei. Den Arbeitnehmern solle nach Anzeige einer Massenentlassung wegen der Betriebsstilllegung zum 30.09.2005 gekündigt werden.

Mit einem am 01.07.2005 beim Arbeitsamt eingegangenen Schreiben zeigte er die beabsichtigte Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit Lübeck an; die Agentur für Arbeit stellte den Eintritt der Rechtswirksamkeit der Anzeige nach Stellungnahme des Betriebsrats vom 06.07.2005 (Abl. Bl. 14 d.A) zum 08.07.2005 fest (Abl. Bl. 13 d. A.).

Am 01.07.2005 stellte der Beklagte 19 von 34 Mitarbeitern frei. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger kündigte er mit Schreiben vom 21.07.2005 zum 31.10.2005. Auch andere Mitarbeiter erhielten an diesem Tag ihre Kündigung. Vor Ausspruch dieser Kündigungen hat der Beklagte mit dem Betriebsrat keine Verhandlungen über einen Interessenausgleich geführt. Der Betrieb ist dann am 30.09.2005 auch tatsächlich stillgelegt worden.

Am 18.08.2005 hat das Amtsgericht Lübeck unter dem Aktenzeichen 52 b IN 113/05 Masseunzulänglichkeit festgestellt.

Der Kläger verlangt nach Rücknahme der zunächst erhobenen Kündigungsschutzklage Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG und ist der Auffassung, dass es sich um eine Masseverbindlichkeit handele.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zusteht, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 41.070,00 EUR jedoch nicht unterschreiten sollte.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei einem Nachteilsausgleichanspruch handele es sich um eine einfache Insolvenzforderung, die zur Insolvenztabelle angemeldet werden müsse. Die Forderung sei zudem unbegründet. Das Unternehmen habe sich in einer ausweglosen Situation befunden. In einem solchen Fall könne die Durchführung des Interessenausgleichsverfahrens nicht verlangt werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies damit begründet, dass der Beklagte die Betriebsänderung in Form der Betriebsstilllegung durchgeführt habe, ohne zuvor den Versuch eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Unerheblich sei, ob sich die Betriebsänderung aus einer wirtschaftlichen Notlage ergeben habe.

Gegen dieses, ihm am 15.11.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.12.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die der Beklagte am 12.01.2006 durch Telekopie und am 16.01.2006 durch Originalschriftsatz begründet hat.

Der Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe dem Feststellungsbegehren zu Unrecht stattgegeben. Der Feststellungsantrag sei unzulässig. Darüber hinaus sei die Forderung des Klägers zu Unrecht als Masseverbindlichkeit qualifiziert worden.

Er habe in der Zeit Mai/Juni 2005 als vorläufiger Insolvenzverwalter der Fortführung des Betriebes zugestimmt. Der Geschäftsführer habe gemeinsam mit ihm, dem Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter, eine Betriebsversammlung abgehalten und die Arbeitnehmer darüber unterrichtet, dass mit einer Betriebsstilllegung zu rechnen sei, weil keine weiteren Aufträge beworben werden könnten und auch die Hausbank keine weiteren Finanzmittel zur Verfügung stelle. Er, der Beklagte, habe am 08.06.2005 diesbezüglich den Betriebsrat über eine geplante Betriebsänderung zum 30.09.2005 unterrichtet. Das habe der Betriebsrat der Agentur für Arbeit in seinem Schreiben vom 06.07.2005 auch mitgeteilt. Am 22.06.2005 sei der Betriebsrat nach § 102 BetrVG über diese Maßnahme angehört worden. Es seien alle Arbeitnehmer von dieser Betriebsstilllegung zum 30.09.2005 betroffen gewesen. Im Juni 2005 hätten die Geschäftsleitung und er als vorläufiger Insolvenzverwalter die Massenentlassungsanzeige vorbereitet und der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt.

Vor Insolvenzeröffnung hätten ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan nicht aufgestellt werden können, da noch nicht festgestanden habe, ob ausreichende Mittel vorhanden gewesen seien. Am 01.07.2005 seien dann die 19 von 34 Freistellungen erfolgt und in der Folge Kündigungen ausgesprochen worden.

Auf Drängen des Betriebsrats, der von den Rechtsanwälten O... und H... vertreten worden sei, seien dann Verhandlungen über einen Sozialplan aufgenommen worden. Dieser sei auch zwischenzeitlich vereinbart. Danach hätten der Kläger und seine Kollegen Sozialansprüche der Höhe nach zuerkannt bekommen.

Es sei keine ausreichende Masse vorhanden, um die laufenden Lohn- und Gehaltsansprüche zu bedienen. Die freigestellten Arbeitnehmer hätten für den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung keine Zahlung erhalten. Es bestehe ein Lohnrückstand für die Monate Juli, August, September bzw. auch Oktober 2005. Aus diesem Grunde könnten auch die noch zu ermittelnden Sozialplanansprüche nicht bedient und bezahlt werden, da bei Masseunzulänglichkeit Sozialplansprüche nach § 123 InsO nicht bedient werden könnten und dürften.

Aus alledem ergebe sich, dass die Geltendmachung eines Anspruches nach § 113 Abs. 3 BetrVG bei dieser Sachkonstellation unzulässig sei.

Selbst wenn man unterstelle, dass der Nachteilsausgleichsanspruch bestehe, sei die Klage auf Feststellung dennoch unzulässig. Der Feststellungsanspruch qualifiziere die Forderung als Masseverbindlichkeit, die als solche nach § 209 InsO im Falle einer quotalen Auszahlung die gleiche Rangstufe erhalte wie die Forderung der Arbeitnehmer auf Lohn- und Gehaltszahlung von Juli bis September/Oktober 2005. Das bedeute, dass die Summe der Masseverbindlichkeiten aus Lohn- und Gehalt für den Zeitraum sich um den Feststellungsbetrag erhöhe, so dass die Quote unter Einbezug des festgestellten Nachteilsausgleichsanspruchs geringer ausfalle als ohne diesen Anspruch. Die sonstigen Arbeitnehmer würden durch das Urteil in ihrer Quotenchance benachteiligt. Das könne nicht richtig sein. Außerdem sei der festgestellte Nachteilsausgleichsanspruch, soweit er nicht auf einem individuellen Sozialplananspruch anrechenbar sei, gegenüber dem Sozialanspruch im Rang qualifiziert. Während der Sozialanspruch gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2 InsO gar nicht bedient werden könne, müsse der Nachteilsausgleichsanspruch als eine Masseverbindlichkeit berücksichtigt werden. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf eine Abfindung nach § 113 Abs. 3 sei deswegen nur einfache Insolvenzforderung.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Der Kläger hat mit Zustimmung des Beklagten seinen Antrag dahingehend geändert, dass beantragt wird,

festzustellen, dass dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung als Masseforderung gemäß § 209 Absatz 1 Ziff. 3 InsO in Höhe von 41.070,00 EUR zusteht

und im Übrigen beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts. Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleichsanspruch gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG lägen vor.

Der Beklagte habe die Betriebsänderung als Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung durchgeführt, ohne vorher den Versuch eines Interessenausgleichs anzustellen. Begonnen habe der Beklagte die Betriebsänderung durch Freistellung der Mitarbeiter am 01.07.2005 sowie durch die Kündigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, einen Interessenausgleich zu versuchen, gelte auch bei Massenunzulänglichkeit. Weitere Einschränkungen sehe die Insolvenzordnung nicht vor. Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich bei dem Anspruch auch nicht um eine einfache Insolvenzforderung, sondern um eine Masseforderung im Sinne des § 55 InsO.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Beweisantritte der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist dem Wert der Beschwer nach statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie jedoch nicht gerechtfertigt.

A.

Aufgrund des mit Zustimmung des Beklagten geänderten Antrages des Klägers im Berufungsrechtszuge war der Tenor dahingehend klarzustellen, dass dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung als Masseforderung gemäß § 209 Abs. 1 Ziff. 3 InsO in der zuerkannten Höhe zusteht.

B.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann die Feststellung verlangen, dass er als Masseforderung einen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 BetrVG in der geforderten Höhe hat. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

I.

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.

Der Kläger kann den Beklagten als Insolvenzverwalter mit seiner Klage direkt in Anspruch nehmen, da es sich bei seiner Forderung aus Nachteilsausgleich nicht um eine einfache Insolvenzforderung, sondern um eine Masseforderung handelt (1.). Auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage liegt vor (2.).

1. Der Anspruch des Klägers auf einen Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG ist eine Masseverbindlichkeit.

a) Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG ist dann einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO, wenn die Betriebsstilllegung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen und der Versuch eines vorherigen Interessenausgleichs unterblieben ist (BAG, 08.04.2003 - 2 AZR 15/02 - AP Nr. 40 zu § 113 BetrVG 1972), hingegen Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn die Betriebsänderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen und durchgeführt wird (BAG, 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 -, BAGE 107, 91 = AP Nr. 42 zu § 113 BetrVG 1972; 18.11.2003 - 1 AZR 30/03 -, BAGE 108, 294 = AP Nr. 162 zu § 112 BetrVG 1972). Durchgeführt wird eine geplante Betriebsänderung dann, wenn der Arbeitgeber mit ihr beginnt und damit vollendete Tatsachen schafft. Abzustellen ist darauf, ob und wann der Arbeitgeber rechtsgeschäftliche Handlungen vornimmt, die das ob und wie der Betriebsänderung vorwegnehmen (BAG, 04.12.2002 - 10 AZR 16/02 -, BAGE 104, 94 = AP Nr. 2 zu § 38 InsO). Kündigt der Arbeitgeber im Zuge einer geplanten Betriebsstilllegung seiner Belegschaft, so beginnt er die Betriebsänderung durchzuführen (BAG, 08.04.2003 - 2 AZR 15/02 -; 23.09.2003 - 1 AZR 576/02 -, BAGE 107, 347 = AP Nr. 43 zu § 113 BetrVG 1972).

b) Der Anspruch des Klägers auf den Nachteilsausgleich im Streitfall wegen unterbliebener Durchführung des Interessenausgleichsverfahrens (§ 113 Abs. 3 BetrVG) ist erst nach Insolvenzeröffnung entstanden. Der Beklagte hat im Streitfall die in der Betriebsstilllegung liegende Betriebsänderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (01.07.2005) begonnen und durchgeführt. Er hat erst an diesem Tag 19 von 34 Mitarbeiter freigestellt und die Betriebsänderung dann später durch Ausspruch der Kündigungen fortgeführt. Die Massenentlassungsanzeige ist bei der Agentur für Arbeit erst an diesem Tage eingegangen und erst zum 06.07.2005 wirksam geworden.

c) Der Einwand des Beklagten, er habe mit der Betriebsänderung bereits begonnen, weil er als vorläufiger Insolvenzverwalter im Juni 2005 die Betriebsstilllegung beschlossen und den Betriebsrat hierüber unterrichtet und die Massenentlassungsanzeige vor Insolvenzeröffnung gefertigt habe, greift nicht durch. Er hat damit die Betriebsänderung lediglich vorbereitet, nicht jedoch bereits mit ihr begonnen. Der Beklagte hat dadurch keinerlei rechtsgeschäftliche Handlungen vorgenommen, die hinsichtlich der Betriebsänderung, der beabsichtigten Betriebsstilllegung, vollendete Tatsachen schaffen oder das ob und wie der Betriebsänderung betreffen. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG war deswegen zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden, da in diesem Stadium Verhandlungen über einen Interessenausgleich noch möglich waren.

2. Die Klage ist auch als Feststellungsklage zulässig. Der Kläger kann nicht auf die Leistungsklage verwiesen werden, da das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage auf Zahlung einer Masseforderung mit Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Beklagten aufgrund des Vollstreckungsverbots entfallen ist. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Nachteilsausgleich unterfällt dem Vollstreckungsverbot nach §§ 210, 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO (hierzu BAG, 22.11.2005 - 1 AZR 458/02 -).

II.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gemäß § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrVG.

1. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich für Betriebsänderungen (§ 111 bis 113 BetrVG) gelten auch in der Insolvenz des Unternehmens.

a) Wie jeder andere Arbeitgeber muss auch der Insolvenzverwalter in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Versuch eines Interessenausgleichs unternehmen, wenn er eine Betriebsänderung beabsichtigt (vgl. nur BAG 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 -, a.a.O.; 18.11.2003 - 1 AZR 30/03 -, a.a.O.). Die §§ 121 ff. InsO setzen die Anwendbarkeit der §§ 111 ff. BetrVG voraus. Auch § 113 Abs. 3 BetrVG ist im Insolvenzverfahren anwendbar, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 123 Abs. 2 S. 2 InsO ergibt (BAG, 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 -, a.a.O.).

b. Die allgemeinen insolvenzrechtlichen Einwendungen des Beklagten über die Verringerung der Masse durch Ansprüche auf Nachteilsausgleich sind unbegründet. Dass die Ansprüche auf Nachteilsausgleich zur Minderung der Quoten der anderen Massegläubiger, insbesondere auch der Ansprüche der Arbeitnehmer auf Gehaltszahlung und aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Sozialplan führen, liegt in der Natur der Sache und gebietet keine Abweichung von diesen Rechtsgrundsätzen. Unschädlich ist auch, dass Ansprüche auf Nachteilsausgleich möglicherweise gegenüber den Ansprüchen aus einem nach Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Sozialplan privilegiert werden, da insoweit die Beschränkungen gemäß § 123 InsO nicht anzuwenden sind (hierzu BAG, 22.07.2003, - 1 AZR 541/02 -, a.a.O.).

2. Diese Verpflichtung des Beklagten ist auch nicht wegen der wirtschaftlichen Situation des Betriebes entfallen.

Der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zwar in seinem Urteil vom 23.01.1979 (- 1 AZR 64/76 -, AP Nr. 4 zu § 113 BetrVG) angenommen, dass Verhandlungen über einen Interessenausgleich entbehrlich sein könnten, wenn sie unter den gegebenen Umständen "nichts anderes als eine leere Formalität seien und den betroffenen Arbeitnehmern nur Nachteile bringen könnten". Der Senat hat aber in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 22.07.2003 ausdrücklich klargestellt, dass diese Voraussetzungen jedenfalls im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens nach der am 01.01.1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung nicht vorliegen. Das ergibt sich insbesondere aus § 122 InsO. § 111 BetrVG will nach seinem sozialen Schutzzweck alle darin aufgezählten, für die Arbeitnehmer nachteiligen Maßnahmen erfassen, die dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zuzurechnen sind. Für den Insolvenzverwalter bestehen im Rahmen der Verhandlungen über einen Interessenausgleich auch regelmäßig Gestaltungsspielräume. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten wie etwa den Zeitpunkt von Entlassungen und Freistellungen oder die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Abwicklungsarbeiten Einfluss zu nehmen.

3. Die vom Arbeitsgericht antragsgemäß festgesetzte Höhe des Abfindungsanspruchs ist nicht zu beanstanden und von der Beklagten im Berufungsrechtszug nicht angegriffen worden.

Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die zu entscheidenden Rechtsfragen sind bereits vom Bundesarbeitsgericht in den zitierten Urteilen entschieden.

Ende der Entscheidung

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