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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 6 Ta 112/09
Rechtsgebiete: GKG, RVG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 45
RVG § 32 Abs. 1
ZPO § 3
Ein unechter Hilfsantrag (hier: Weiterbeschäftigung nach Kündigung) ist bei der Wertfestsetzung der Anwaltsgebühren auch dann werterhöhend zu berücksichtigen, wenn über ihn nicht entschieden wird.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 6 Ta 112/09

25.06.2009

Im Beschwerdeverfahren

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 25.06.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beklagtenvertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.04.2009 - 2 Ca 200 c/09 - teilweise abgeändert.

2. Der Streitwert wird auf 7.736,-- € festgesetzt.

3. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien stritten im Ausgangsverfahren um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Der Kläger hatte gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.01.2009 am 10.02.2009 Kündigungsschutzklage mit folgenden Anträgen erhoben:

1. "Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche, ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.01.2009 nicht aufgelöst ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist.

3. Im Falle des Obsiegens mit dem Klagantrag zu 1., wird die Beklagte verurteilt, den Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kraftfahrer (Klasse 3) und Lagerarbeiter weiterzubeschäftigen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits."

Der Rechtsstreit endete durch einen am 24.03.2009 festgestellten Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO mit folgendem Inhalt:

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet auf Grund der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 27.01.2009 aus dringenden betrieblichen Gründen am 28.02.2009.

2. Der Kläger bleibt unter Fortzahlung seiner Bezüge und unter Anrechnung etwa noch bestehender Urlaubsansprüche bis zum 28.02.2009 freigestellt.

3. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 1.200,-- € brutto. Die Abfindung ist fällig mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses.

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aus der Sicht eines wohlwollenden Arbeitgebers zu erteilen.

5. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.

Die Beklagtenvertreter beantragten,

den Streitwert festzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.04.2008 den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert auf 5.802,-- € und für den Vergleich einen Mehrwert von 603,61 € festgesetzt. Es hat die Anträge zu 1. und 2. insgesamt mit einem 1/4-Jahresverdienst des Klägers (3 x 1.934,-- €) in Ansatz gebracht. Dem Antrag zu 3. hat es keinen weiteren Wert beigemessen. Die in Ziff. 4. des Vergleichs geregelte Verpflichtung zur Zeugniserteilung hat das Arbeitsgericht mit 500,-- € berücksichtigt und den Wert der Freistellung gemäß Ziff. 2 mit 103,61 €.

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21.04.2009 haben die Beklagtenvertreter mit am 04.05.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Sie meinen, der als uneigentlicher Hilfsantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag sei mit einem Bruttomonatsgehalt bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Bei der Bewertung der Freistellung sei auch der vor Vergleichsschluss liegende Zeitraum mit einem Viertel der Vergütung zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (vgl. Nichtabhilfebeschluss vom 03.06.2009 = Bl. 37 f d. A.) und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. § 32 Abs. 1 RVG, 68 Abs. 1 S. 1 GKG zulässig. Der Beschwerdewert ist angesichts dessen, dass die Beklagtenvertreter statt des ursprünglich festgesetzten Streitwerts von 5.802,-- € die Festsetzung von 7.736,-- € sowie einen um 379,89 € höheren Vergleichsmehrwert beantragt haben, erreicht.

In der Sache ist die Beschwerde nur teilweise begründet.

1. Mit Recht rügen die Beklagtenvertreter, dass das Arbeitsgericht den Wert des uneigentlichen Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung nicht mit einem weiteren Monatsgehalt berücksichtigt hat.

a) Die Bewertung dieses uneigentlichen (unechten) Hilfsantrags, der nur für den Fall des Obsiegens mit der Klage nach § 4 KSchG geltend gemacht wird, ist umstritten. Teilweise wird der Antrag nur berücksichtigt, wenn über ihn entschieden wird (LAG Düsseldorf 21.12.2006 - 6 Ta 640/06 - zit. n. JURIS; LAG Hessen 23.04.1999 - 15/6 Ta 28/98 - NZA-RR 1999, 434; ErfK/Koch 9. Aufl. § 12 ArbGG Rn. 17). Auch zwei Kammern des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein haben bis in jüngster Zeit diese Auffassung vertreten (LAG Schleswig-Holstein 14.01.2003 - 2 Ta 224/02 - zit. n. JURIS; LAG Schleswig-Holstein 23.12.2005 - 1 Ta 228/05 -). Die Gegenansicht ist stets für eine Addition (LAG Köln 04.07.1995 - 10 Ta 80/95 - MDR 1995, 1150; LAG Nürnberg 13.03.2008 - 6 Ta 58/08 - zit. n. JURIS; LAG Hamm 28.06.2002 - 9 Ta 283/02 - zit. n. JURIS; LAG Berlin 09.03.2004 - 17 Ta 6010/04 - NZA RR 2004, 492; Schwab/Weth/Vollstädt ArbGG 2. Aufl. § 12 Rn. 150; AnwK-ArbR/Krönig, § 12 ArbGG Rn. 42; BCF/Creutzfeldt ArbGG 5. Aufl., § 12 Rdn. 60).

b) Richtig ist, dass gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG (§ 19 Abs. 1 S. 2 GKG a. F.) ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch nur dann mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet wird, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Das gilt aber nur für den Kostenstreitwert und nicht für den für die Rechtsanwaltsgebühren maßgeblichen Wert. Hier entsteht der gebührenauslösende Tatbestand bereits mit der Stellung des (Hilfs-)antrags. Hinzu kommt, dass die Vorschrift nur den echten, nicht aber den unechten Hilfsantrag in den Blick nimmt. Den echten Hilfsantrag kennzeichnet, dass der Kläger von zwei Leistungen nur eine begehrt. Beim unechten Hilfsantrag strebt der Kläger dagegen beide Leistungen an. In § 45 Abs. 1 S. 2 GKG ist nur der echte Hilfsantrag geregelt, nicht dagegen der unechte. Die in § 45 Abs. 1 S. 2 GKG vorgesehene Anrechnung rechtfertigt sich daraus, dass anstelle des eigentlichen Ziels ein "Weniger" begehrt wird. Dagegen kennzeichnet den uneigentlichen Hilfsantrag, dass er gerade für den Erfolg des Hauptziels ein weiteres, von diesem unabhängiges Ziel anstrebt. Es handelt sich also um wirtschaftlich verschiedene Streitgegenstände. Werden mit einer Klage unterschiedliche Streitgegenstände verfolgt, sind ihre Streitwerte regelmäßig zu addieren.

2. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts hält sich hinsichtlich der Festsetzung des Vergleichsmehrwerts für die Freistellungsvereinbarung im Rahmen des ihm nach § 3 ZPO zustehenden Ermessens. Das Beschwerdegericht hat keine eigene Ermessensentscheidung zu treffen.

Die Beklagtenvertreter können nicht verlangen, dass der Zeitraum der Freistellung vor der Vereinbarung in dem Vergleich vom 24.03.2009 (ab 26.01.2009) bei der Wertfestsetzung berücksichtigt wird. Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass eine vergleichsweise vereinbarte Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht während der Kündigungsfrist grundsätzlich keine Erhöhung des Vergleichswerts rechtfertigt, wenn die Parteien nicht vor Vergleichsschluss über die Freistellungsfrage gerichtlich oder außergerichtlich gestritten haben (LAG Köln 29.01.2002 - 7 Ta 285/01 -LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 127; LAG Nürnberg 27.11.2003 - 9 Ta 154/03 -, NZA-RR 2004, 261). Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, dass über die Frage der Freistellung zwischen den Parteien Streit bestanden hat. Insbesondere vor diesem Hintergrund durfte das Arbeitsgericht für die wirtschaftliche Bewertung der Freistellung auf den Zeitraum ab ihrer Vereinbarung abstellen. Eine rückwirkende Freistellung ist zudem nicht möglich. Denn die Freistellung entbindet den freigestellten Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Wegen des Fixschuldcharakters der Arbeit kann der Arbeitnehmer nicht nachträglich von der Arbeitspflicht entbunden werden. Deshalb ist entgegen der Auffassung der Beklagtenvertreter nicht der gesamte Freistellungszeitraum zu berücksichtigen, insbesondere nicht der Zeitraum in dem der Kläger vor Abschluss der vergleichsweisen Freistellungsvereinbarung freigestellt war, sondern nur der ab Zustandekommen des Vergleichs.

Indem das Arbeitsgericht für die Zeit der Freistellung 25 % der auf diesen Zeitraum entfallenden Vergütung angesetzt hat, hat es sich an der Rechtsprechung der ersten und zweiten Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein orientiert (vgl. 27.12.2006 - 1 Ta 175/06 -; 12.03.2007 - 2 Ta 296/06 -). Hiergegen wenden sich die Beklagtenvertreter nicht.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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