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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 6 TaBV 46/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 4 Satz 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 2
Sieht eine Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit bei Samstagsarbeit die Gewährung eines Ersatzruhetages vor, um die Einhaltung der 5-Tage-Woche zu gewährleisten, handelt es sich ausschließlich um eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 6 TaBV 46/05

verkündet am 17.01.2007

Im Beschlussverfahren

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 17.01.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.09.2005 - 5 BV 11 c/05 - teilweise abgeändert und die Beteiligte zu 2.) verpflichtet, den Mitarbeitern, die für Samstagsarbeit eine umsatzabhängige Vergütung nach der Betriebsvereinbarung ZuV vom 12.02.2002 gewählt haben, bei Leistung von Samstagsarbeit einen Ersatzruhetag zu gewähren.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch darüber, ob die Arbeitgeberin Mitarbeitern, die eine besondere umsatzabhängige Vergütung gewählt haben, bei Samstagsarbeit einen Ersatzruhetag gewähren muss.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2.) führt Prüfungen und Zulassungen im Bereich des Straßenverkehrs durch. Neben Fahrerlaubnisprüfungen sind dies vor allem die regelmäßigen Fahrzeugprüfungen (TÜV-Abnahmen). Diese Abnahmen finden zum einen in den 4 Betriebsstätten der Arbeitgeberin in K..., H..., N... und E... statt; zum anderen werden sie direkt bei den Kunden, zumeist Werkstätten, durchgeführt. Dieser Bereich wird als Überwachungsorganisation bezeichnet. Die Mitarbeiter sind regelmäßig entweder den Stationen oder der Überwachungsorganisation zugeordnet.

Der Beteiligte zu 1.) ist der für den sogenannten Betriebsratsbereich 2 gewählte Betriebsrat. Dieser Bereich umfasst die Stationen K..., N..., E... und H.... Im Jahr 2003 wollte die Arbeitgeberin die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter flexibilisieren und insbesondere die Anordnung von Samstagsarbeit ermöglichen. Weil sich die Beteiligten nicht einigen konnten, wurde ein Einigungsstellenverfahren eingeleitet. Die Einigungsstelle beschloss durch Spruch vom 22.09.2003 eine Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit (BV Flexible Arbeitszeit = Bl. 10 ff. d. A.). Gemäß Ziff. 1 S. 1 gilt die Betriebsvereinbarung für alle Mitarbeiter des Betriebsratsbereichs 2. Die mit "Flexible Arbeitszeit" überschriebene Ziff. 3 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"3.1 Arbeitszeitrahmen

Die Arbeitszeit wird regelmäßig auf 5 Werktage verteilt und zwar arbeitstäglich im Zeitraum Montag bis Freitag von 7:00 bis 18:00 Uhr und Samstag von 8:00 bis 14:00 Uhr. Die Arbeitgeberin darf für den einzelnen Arbeitnehmer nur zwei Samstage pro Monat, höchstens 15mal im Jahr, dienstplanmäßige Arbeitszeit disponieren.

Pro Kalenderwoche sollen zwei zusammenhängende freie Tage (incl. Sonntag) gewährt werden. Wird ein Arbeitnehmer am Samstag eingesetzt, soll der freie Tag auf den folgenden Montag, sonst auf den vorhergehenden Montag und, wenn das nicht möglich ist, spätestens am folgenden Freitag eingeteilt werden.

In verkürzten Wochen (mit Wochenfeiertag) ist der freie Tag spätestens in der danach folgenden Woche zu gewähren.

3.2 TÜV-Stationen

Für Einsätze an den TÜV-Stationen richten sich die Arbeitszeiten der technischen Mitarbeiter und der dort eingesetzten Verwaltungsmitarbeiter nach den in der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung festgelegten Öffnungszeiten. Die Mitarbeiter können im Rahmen von Dienstplänen innerhalb der Öffnungszeiten entsprechend dem Kundenaufkommen flexibel eingesetzt werden. Die Arbeitszeit an Samstagen beginnt für den Mitarbeiter, der den Schließdienst verrichtet, 15 Minuten vor und endet 15 Minuten nach der Öffnungszeit (Rüstzeit).

Die Öffnungszeiten der TÜV-Stationen sind als Anlage Bestandteil dieser Vereinbarung.

3.3 Einsätze im Arbeitsgebiet ÜO und Fahrzeugbewertung (SWG)

Der Arbeitszeitrahmen liegt von Montag bis Freitag im Zeitraum von 7:00 bis 20:00 Uhr und Samstag von 8:00 bis 14:00 Uhr.

Die Mitarbeiter planen ihre Einsätze unter Berücksichtigung der vom Arbeitgeber für sie disponierten Termine. Die Arbeitgeberin darf für den einzelnen Arbeitnehmer nur für einen Tag pro Woche dienstplanmäßige Arbeitszeit bis 20:30 Uhr disponieren (z. B. ATU). Die Einsätze sind so zu planen, dass die Aufgaben/Aufträge unter Einhaltung der gesetzlichen und tariflichen Vorgaben im Rahmen der für die jeweilige Woche vorgesehenen Arbeitszeit abgewickelt werden können.

3.4 Einsatz Fahrerlaubnisprüfer (FEP)

Für Fahrerlaubnisprüfer kann die Arbeitszeit entsprechend den Kundenanforderungen der Fahrschulen im Rahmen der Bandbreite gem. Ziff. 3.1 disponiert werden.

3.5 Sonstige Mitarbeiter

Sonstige Mitarbeiter sind Mitarbeiter, die nicht unter die Bedingungen der Ziffern 3.2 bis 3.4 fallen. Für diese Mitarbeiter gilt der Arbeitszeitrahmen gemäß Ziffer 3.1.

Der Mitarbeiter hat dabei die Möglichkeit, seine Arbeitszeit entsprechend seinen Wünschen unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange festzulegen (Vertrauensarbeitszeit). Dabei ist sicher zu stellen, dass während der Servicezeiten von 07:00 bis 16:00 Uhr mindestens ein Mitarbeiter anwesend ist. Bei Arbeiten im Team stimmen die Teammitglieder die Lage ihrer Arbeitszeiten eigenverantwortlich ab.

Die Vertrauensarbeitszeit kann, sofern es betrieblich erforderlich sein sollte, z. B. bei Krankheit, Urlaub oder Terminarbeiten, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat vorübergehend ausgesetzt werden.

3.6 Arbeitsgebiet

Für alle Mitarbeiter gelten bei der Dienstplaneinteilung die Arbeitszeitregelungen des Arbeitsgebietes, in dem sie jeweils zum Einsatz kommen."

Unter Ziff. 5. ist die Zeiterfassung und das Arbeitszeitkonto auszugsweise wie folgt geregelt:

"Die geleistete Arbeitszeit ist von allen Mitarbeitern zu dokumentieren und wird für jeden Mitarbeiter auf einem Arbeitszeitkonto erfasst.

Zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle dürfen die Daten nicht verwendet werden.

Die Erfassung der Arbeitszeit hat auch bei den Mitarbeitern zu erfolgen, die an der ZuV teilnehmen. Für ZuV-Teilnehmer im Außendienst werden Zeiten oberhalb von 38,5 Stunden (Mo-Fr) dokumentiert, aber nicht dem Zeitkonto gutgeschrieben.

Hinsichtlich der Samstagsarbeit gilt für alle ZuV-Teilnehmer folgende Regelung:

Der Mitarbeiter hat ein Wahlrecht:

Er kann entweder Gutschrift der tatsächlich geleisteten Zeit oder Anwendung der Betriebsvereinbarung ZuV verlangen, die sich nach der ZuV in der jeweils gültigen Fassung richtet. Die Erfassung dient in diesen Fällen der Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen nach Tarifvertrag, ArbZG und dieser Betriebsvereinbarung. Das gilt, soweit nicht durch abändernde Betriebsvereinbarung eine Neuregelung der ZuV vereinbart wird.

Auf dem Zeitkonto dürfen grundsätzlich nicht mehr als 30 Minusstunden und sollen nicht mehr als 75 Plusstunden angesammelt werden. Die Zeitsalden sind zum Ende des Ausgleichszeitraumes auszugleichen. Enthält das Zeitkonto eines Mitarbeiters drei Monate vor Ende des Ausgleichzeitraumes mehr als 40 Stunden, haben Vorgesetzter und Mitarbeiter gemeinsam zu vereinbaren, wie das Zeitkonto zum Ende des Ausgleichszeitraumes auszugleichen ist. Können sie sich nicht einigen, muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine einvernehmliche Regelung vereinbaren. Nicht ausgeglichene Minusstunden müssen nicht nachgearbeitet werden. Verbleibt am Ende des Ausgleichzeitraumes dennoch ausnahmsweise ein Guthaben, ist dies als Mehrarbeit (MTV § 3 I alt und neu) auszugleichen."

Bei der Arbeitgeberin gibt es neben der regelmäßigen Vergütung der geleisteten Arbeitszeit eine umsatzabhängige Vergütung. Grundlage ist die Betriebsvereinbarung über die leistungsorientierte Zusatzvergütung vom 12.02.2002 (BV ZuV = Bl. 58 ff. d.A.). Die an dem Zusatzvergütungssystem teilnehmenden Mitarbeiter erhalten eine feste Vergütung, welche sich auf die tarifvertragliche Arbeitszeit bezieht. Darüber hinaus kann eine umsatzabhängige Vergütung erzielt werden, wenn bestimmte Soll-Umsätze von den Mitarbeitern überschritten werden. Über die tarifliche Arbeitszeit hinausgehende Zeiten werden erfasst, um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu gewährleisten. Eine zusätzliche Vergütung dieser Stunden erfolgt nicht. Für die an Samstagen erzielten Umsätze wird eine Zusatzvergütung entsprechend der BV ZuV gezahlt. Die an Samstagen geleistete Arbeitszeit wird sodann nicht zusätzlich vergütet. Allerdings kann der Mitarbeiter bei Samstagseinsätzen anstelle der Auszahlung eine Umrechnung der Zusatzvergütung in Freizeitausgleich verlangen.

Vorgerichtlich stritten die Beteiligten über die Aufnahme der Samstagseinsätze in die Dienstpläne sowie über den Ausgleich von Samstagsarbeit. Am 13.07.2004 fand ein Schlichtungsverfahren, wie es in Ziff. 12 der BV Flexible Arbeitszeit vorgesehen ist, statt. Eine Einigung über die strittigen Punkte konnte nicht erzielt werden.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, auch die Mitarbeiter, die für Samstagsarbeit Vergütung nach der BV ZuV gewählt haben, hätten Anspruch auf Arbeitsbefreiung nach Ziff. 3.1 der BV Flexible Arbeitszeit. Ziel dieser Regelung sei die Wahrung der 5-Tage-Woche. Das ergebe sich aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vereinbarung. Die von der Arbeitgeberin behauptete Gefahr einer Doppelvergütung bestehe nicht. An dem freien Tag könnten die Mitarbeiter keine Umsätze erzielen. Durch den Ersatzruhetag werde entweder ihr Arbeitszeitkonto gemindert oder ihre Leistungszulage.

Der Betriebsrat hat - soweit in der Beschwerdeinstanz noch relevant - beantragt,

1. Die beteiligte Firma ist verpflichtet, allen Mitarbeitern in den Betriebsstätten K..., H..., N... und E... nebst der zugehörigen Außendienstbereiche, auch denen, die für die Samstagsarbeit eine besondere Umsatz abhängige Vergütung nach der so genannten ZuV erhalten, für Arbeiten an Sonnabenden Freizeitausgleich zu gewähren. Die Lage des Freizeitausgleichs bestimmt sich nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung von Arbeitszeiten im Betriebsratsbereich II vom 29.09.2003 in der jeweils geltenden Fassung.

2. Der Beteiligten zu Ziffer 2 wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die gerichtlich auferlegte Verpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,-- € angedroht.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, es bestehe bei Gewährung von Freizeitausgleich die Gefahr der Doppelvergütung. Das aber habe Ziff. 5 der BV Flexible Arbeitszeit verhindern sollen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.09.2005 die Arbeitgeberin verpflichtet, alle Einsätze von Mitarbeitern in den im Antrag zu 1.) genannten Betriebsstätten an Sonnabenden in die Dienstpläne aufzunehmen und sie dem Betriebsrat zur Zustimmung vorzulegen. Im Übrigen hat es den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Die Zurückweisung hat das Arbeitsgericht damit begründet, dass ein Anspruch auf zusätzlichen Freizeitausgleich neben der Bezahlung nach der BV ZuV unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehe. Der Mitarbeiter könne entweder Gutschrift geleisteter Zeit oder Anwendung der Betriebsvereinbarung verlangen.

Gegen den am 14.10.2005 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 14.11.2005 Beschwerde eingelegt und diese am 14.12.2005 begründet.

Der Betriebsrat betont mit seiner Beschwerde, dass es ihm um den Ersatzruhetag und damit um die Einhaltung der 5-Tage-Woche gehe. Es werde nicht Freizeitausgleich als besondere Form der Abgeltung geleisteter Arbeit verlangt. Grundlage der Auslegung müsse die BV Flexible Arbeitszeit sein und nicht die BV ZuV. Letztere habe einen ganz anderen Regelungsgegenstand.

Der Betriebsrat beantragt,

der Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.09.2005 - 5 BV 11 c/05 - wird teilweise abgeändert und die Beteiligte zu 2.) verpflichtet, den Mitarbeitern, die für Samstagsarbeit eine umsatzabhängige Vergütung nach der Betriebsvereinbarung ZuV vom 12.02.2002 gewählt haben, bei Leistung von Samstagsarbeit einen Ersatzruhetag zu gewähren. Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts, soweit es den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen hat. Das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt ausgehend von der BV Flexible Arbeitszeit unter Berücksichtigung der BV ZuV zutreffend gewürdigt. Danach könne ein Mitarbeiter, der im Zusammenhang mit geleisteter Samstagsarbeit eine Vergütung nach der BV ZuV nicht zugleich die Gewährung von Freizeitausgleich beanspruchen. Denn der Mitarbeiter habe ein Wahlrecht, wonach er sich entweder für eine Gutschrift der tatsächlich geleisteten Zeit oder für die Anwendung der BV ZuV entscheiden müsse. Für zusätzlichen Zeitausgleich sei daneben kein Raum.

II.

Auf die Beschwerde des Betriebsrats war der Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und dem geänderten Antrag stattzugeben.

A.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht erhoben und begründet.

Der Betriebsrat hat im Anhörungstermin seinen ursprünglichen Sachantrag dahingehend geändert, dass nicht mehr Gewährung von Freizeitausgleich, sondern eines Ersatzruhetags begehrt wird. Zudem hat er seinen Antrag hinsichtlich der Personengruppe, der die Leistung gewährt werden soll beschränkt und anstelle des Antrags nach § 23 Abs. 3 BetrVG einen allgemeinen Leistungsantrag gestellt. Streitgegenstand war danach nur noch die Frage, ob die Arbeitgeberin diejenigen Mitarbeiter, die für Samstagsarbeit eine umsatzabhängige Vergütung nach der BV ZuV gewählt haben, in Anwendung der BV Flexible Arbeitszeit einen (unbezahlten) Ersatzruhetag beanspruchen können, wenn sie am Samstag arbeiten.

Diese Antragsänderung war zulässig. Gemäß § 81 Abs. 3 S. 1 ArbGG kann der Antrag geändert werden, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Zustimmung der Beteiligten zu der Änderung des Antrags gilt als erteilt, wenn die Beteiligten sich, ohne zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung auf den geänderten Antrag eingelassen haben, § 81 Abs. 3 S. 2 ArbGG.

Die Arbeitgeberin hat im Termin am 17.01.2007 auf der Grundlage des geänderten und teilweise zurückgenommenen Antrags des Betriebsrats verhandelt.

B.

Die Arbeitgeberin ist nach der BV Flexible Arbeitszeit verpflichtet, den Mitarbeitern im Falle von Samtstagsarbeit einen Ersatzruhetag nach Maßgabe von Ziff. 3.1 der Betriebsvereinbarung zu gewähren. Das gilt auch, wenn der Mitarbeiter Vergütung nach der BV ZuV gewählt hat. Die Beschwerdekammer kommt insoweit zu einem anderen Auslegungsergebnis als das Arbeitsgericht.

I.

Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen richtet sich wegen deren normativer Wirkung (§ 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG) nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung (BAG 21.08.2001 - 3 AZR 746/00 - AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 10; BAG 17.11.1998 - 1 AZR 221/98 - AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 6). Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebspartner im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, sofern diese erkennbar zum Ausdruck gekommen sind. Zu beachten ist dabei der Gesamtzusammenhang der Regelung, weil er auf den wirklichen Willen der Betriebspartner schließen lassen kann (BAG 17.11.1998 a. a. O.).

II.

Diese Kriterien sprechen für die Sichtweise des Betriebsrats.

1.

Bereits aus dem Wortlaut der BV Flexible Arbeitszeit folgt, dass allen Arbeitnehmern, die am Samstag eingesetzt werden, ein Ersatzruhetag zu gewähren ist.

Die Betriebsvereinbarung geht von der 5-Tage-Woche aus und will ihre Einhaltung sichern.

Denn in Ziff. 3.1 der Betriebsvereinbarung heißt es im ersten Satz: "Die Arbeitszeit wird regelmäßig auf 5 Werktage verteilt...." Das macht deutlich, dass für die Mitarbeiter im Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung die 5-Tage-Woche gelten soll. Der Geltungsbereich wiederum wird in Ziff. 1 definiert. Danach gilt die Betriebsvereinbarung für alle Mitarbeiter des Betriebsratsbereichs 2. An dieser Stelle werden nicht etwa solche Mitarbeiter ausgenommen, die eine besondere Vergütung gewählt haben. Ausnahmen sind überhaupt nicht vorgesehen.

Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes findet sich auch nicht in den weiteren Regelungen der Ziff. 3.1 BV Flexible Arbeitszeit. Dort wird vielmehr die Umsetzung der 5-Tage-Woche geregelt. Im zweiten Absatz der Ziffer ist vorgesehen, dass pro Kalenderwoche zwei zusammenhängende freie Tage (incl. Sonntag) gewährt werden sollen. Näher ausgeführt wird dazu, dass einem Arbeitnehmer, der am Samstag eingesetzt wird, der freie Tag am folgenden Montag, sonst am vorhergehenden Montag und, wenn das nicht möglich ist, spätestens am folgenden Freitag gewährt werden soll. Damit regelt die Betriebsvereinbarung im Einzelnen, wie die 5-Tage-Woche - bei Samstagsarbeit - eingehalten werden soll.

Neben diesem in Ziff. 3.1 BV Flexible Arbeitszeit festgelegten Grundsatz finden sich in den Ziff. 3.2 bis 3.5 Regelungen für einzelne Mitarbeitergruppen. Zwar sind insoweit bereichsspezifische Regelungen für Samstagsarbeit vorgesehen; Ausnahmen vom Grundsatz der 5-Tage-Woche und ihrer Gewährleistung durch Ersatzruhetage fehlen jedoch auch hier.

2.

Die unter Ziff. 5 der BV Flexibile Arbeitszeit getroffenen Regelungen führen zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Diese Bestimmung befasst sich - wie die Überschrift ausweist - mit der Zeiterfassung und dem Arbeitszeitkonto. Sie schreibt fest, dass die geleistete Arbeitszeit von allen Mitarbeitern zu dokumentieren und für jeden Mitarbeiter auf einem Arbeitszeitkonto zu erfassen ist. Das gilt ausdrücklich auch für Mitarbeiter, "die an der ZuV teilnehmen". Dem widerstreitet auch nicht die Bestimmung, wonach ZuV-Teilnehmer bei Samstagsarbeit ein Wahlrecht haben, das es ihnen ermöglicht, entweder Gutschrift der tatsächlich geleisteten Zeit oder Anwendung der BV ZuV zu verlangen. Denn ausdrücklich ist auch in diesen Fällen eine Erfassung der Samstagsarbeit im Arbeitszeitkonto vorgesehen, und zwar zum Zwecke der Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen u. a. nach der Betriebsvereinbarung. Auch in diesem Zusammenhang findet sich keine Regelung, nicht einmal ein Hinweis darauf, dass ZuV-Teilnehmern bei Samstagsarbeit kein Ersatzruhetag zur Gewährleistung der 5-Tage-Woche zu gewähren ist.

Festzuhalten ist daher, dass sich bereits aus Wortlaut und Systematik der BV Flexible Arbeitszeit, die als Grundlage des streitgegenständlichen Anspruchs Ausgangspunkt jeder Auslegung sein muss, ergibt, dass die Arbeitszeit aller Mitarbeiter gleichmäßig auf 5 Werktage zu verteilen ist. Zur Umsetzung der 5-Tage-Woche sind Ersatzruhetage zu gewähren.

3.

Sinn und Zweck der Ziff. 3.1 BV Flexibile Arbeitszeit bestätigen dieses Auslegungsergebnis. Die Bestimmung will sicherstellen, dass derjenige Arbeitnehmer, der am Samstag eingesetzt wird, an einem anderen Werktag Freizeit zum Zwecke der Erholung erhält. Es handelt sich ausschließlich um eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit. Der Ersatzruhetag für den Samstag dient neben dem beabsichtigten Erholungszweck auch dem (teilweisen) rechnerischen Ausgleich zur Einhaltung der geschuldeten Arbeitszeit und erfolgt deshalb ohne Fortzahlung der Vergütung. Folglich führt die zum Ausgleich der Samstagsarbeit zu gewährende unbezahlte Freizeit auch nicht zu einer Verkürzung der regelmäßigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit. Vielmehr wird die Freizeit vom an sich arbeitsfreien Samstag auf einen anderen Wochentag verlagert.

4.

Aus diesem Grund ergibt sich aus der BV Flexible Arbeitszeit unmittelbar nicht die Gefahr einer Doppelvergütung bei Samstagsarbeit.

Selbst wenn bei Anwendung der Betriebsvereinbarung über die leistungsorientierte Zusatzvergütung in bestimmten Fällen eine Doppelvergütung bei Samstagsarbeit droht, beeinflusst dies das Auslegungsergebnis nicht. Zum einen handelt es sich bei der BV Flexible Arbeitszeit um eine auf örtlicher (Betriebs-)Ratsebene zustande gekommene Vereinbarung, während die BV ZuV eine für das Unternehmen geltende Gesamtbetriebsvereinbarung ist. Die Betriebsvereinbarung kann nicht im Lichte der Gesamtbetriebsvereinbarung ausgelegt werden, zumal die Vereinbarungen unterschiedliche Regelungsgegenstände behandeln. Gegenstand der BV Flexible Arbeitszeit ist die gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtige Verteilung der Arbeitszeit sowie die Regelung ihres Beginns und Endes. Die Gesamtbetriebsvereinbarung hat hingegen die Mitbestimmung in Entgeltfragen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG) zum Gegenstand. Die Regelungsbefugnis der Einigungsstelle erstreckte sich aber nicht auf Vergütungsfragen, sondern nur auf die Frage der Arbeitszeit.

Eine Auslegung der BV Flexible Arbeitszeit, entgegen ihren eindeutigen Wortlaut, kann nicht damit begründet werden, dass es sonst bei Durchführung einer weiteren Betriebsvereinbarung, hier der BV ZuV, zu unerwünschten Ergebnissen kommen könne. Die Vergütungsfragen müssen auf der Ebene der BV ZuV geregelt werden.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch sonst kein Zulassungsgrund ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

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