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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2007
Aktenzeichen: 10 PA 96/07
Rechtsgebiete: AufenthG, EMRK, GG


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 5 S. 1
EMRK Art. 8 Abs. 1
EMRK Art. 8 Abs. 2
GG Art. 6 Abs. 1
Zu den Anforderungen eines Ausreisehindernisses nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutz der Familie im Falle eines volljährigen Ausländers und seines pflegebedürftigen Elternteils.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargetan.

Der Kläger kann eine Verlängerung der ihm im August 2001 nach § 30 Abs. 3 Ausländergesetz erteilten und bis zum 29. August 2003 befristeten Aufenthaltsbefugnis, die infolge seines Verlängerungsantrages und nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bis zum Erlass des angefochtenen Bescheides als Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG fortgegolten hat (§ 81 Abs. 4 AufenthG), nicht beanspruchen. Im Hinblick hierauf ist der Ausländer verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig und bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG); der Beklagte hat den anwaltlich vertretenen Kläger unter dem 19. April 2004 ausdrücklich aus seine Mitwirkungspflicht hingewiesen.

Hiernach ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus §§ 22 bis 24 AufenthG nicht. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis nicht auf Grundlage des § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit der Bleiberechtsregelung des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 6. Dezember 2006 (Nds. MBl. 2007, 43) wegen der strafgerichtlichen Verurteilungen des Klägers verlängert werden (Nr. 5.1.2. und 5.3 des Erlasses). Aus diesem Grund scheidet auch eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG aus (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG).

Des Weiteren kann das Verpflichtungsbegehren des Klägers nicht auf § 23a AufenthG (Aufenthaltsgewährung in Härtefällen) gestützt werden, da diese Bestimmung subjektive Rechte des Ausländers nicht vermittelt, wie sich aus § 23a Abs. 1 Satz 4 AufenthG ergibt. Ebenso liegt ein Fall des § 24 Abs. 1 AufenthG nicht vor, da dem Kläger nicht auf Grund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union vorübergehend Schutz gewährt worden ist.

Der Kläger hat mit seiner Klage auch nicht dargetan, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG erfüllt sind. Ihm kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG nicht erteilt werden, weil das zuständige Bundesamt den Kläger weder als Asylberechtigten anerkannt, die Flüchtlingseigenschaft (§ 60 Abs. 1 AufenthG) zuerkannt noch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG zugunsten des Klägers festgestellt hat. Da der Kläger nicht lediglich einen vorübergehenden Aufenthalt begehrt, kann die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht auf § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gestützt werden.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht hinreichend dargelegt. Nach dieser Regelung kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Unter "Ausreise" im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen. Nur wenn sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 17. April 2007 - 10 LC 262/05 -; BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - BVerwG 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192 [196] mit weiteren Nachweisen).

Der Kläger ist nicht gehindert, freiwillig nach Serbien (einschließlich Kosovo) auszureisen. Es stehen seiner freiwilligen Ausreise weder tatsächliche noch rechtliche Gründe entgegen. Zunächst fehlen Anhaltspunkte dafür, dass aus tatsächlichen Gründen eine freiwillige Ausreise nach Serbien nicht möglich ist.

Des Weiteren ist nach der vorerwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, eine freiwillige Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen unter anderem auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - BVerwG 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192 [197]).

Auf Grund der nach § 42 Satz 1 AsylVfG die Beklagte bindenden Feststellung des Bundesamtes, dass bezogen auf den Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG - jetzt § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG - nicht vorliegen, ist aufenthaltsrechtlich davon auszugehen, dass zielstaatsbezogene Gefahren für den Kläger nicht bestehen und deshalb seine freiwillige Ausreise nach Serbien möglich ist. Soweit der Kläger vorbringt, er sei durch die Haft selbst traumatisiert und seine "schwerwiegende psychische Erkrankung" könne in seinem Heimatland nicht angemessen behandelt werden, macht er ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis geltend. Insoweit unterliegt die Beklagte und damit zugleich der Kläger allerdings der Bindungswirkung der Feststellung des Bundesamtes. Unter Zugrundelegen der im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Klägers nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeführten Umstände kann ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot nicht festgestellt werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Hinblick auf den Schutz der familiären Bindungen des Klägers gemäß Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK seine Ausreise rechtlich unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist oder bezogen auf § 5 Abs. 3 Halbsatz 2 AufenthG die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger trotz Vorliegens von Ausweisungsgründen (Regelausweisungsgrund des § 53 Nr. 1 AufenthG sowie Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Dabei ist zu beachten, dass der grundrechtliche Schutz der Familie unmittelbar keinen Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt. Die Ausländerbehörde hat jedoch bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, u.a. bei Ermessensentscheidungen, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über den Aufenthalt seine Bindungen an im Bundesgebiet berechtigterweise lebende Familienangehörige angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, DVBl. 2006, 247, vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, DVBl. 2003, 1260, vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 und vom 1. August 1996 - 2 BvR 1119/96 -, NVwZ 1997, 479; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1 C 19/96 -, BVerwGE 106,13). Für die ausländerrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG ist die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern entscheidend, wobei eine Betrachtung des Einzelfalles geboten ist. Der grundrechtliche Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst auch die familiären Bindungen des volljährigen Kindes zu seinen Eltern. Allerdings wird eine familiäre Gemeinschaft zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern im Regelfall als Begegnungsgemeinschaft geführt; in diesen Fällen ist die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis unbedenklich. Weitergehende Schutzwirkungen ergeben sich aus Art. 6 Abs. 1 GG nur dann, wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und sich diese Hilfe allein im Bundesgebiet erbringen lässt. Nur unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. Kann der Beistand nur im Bundesgebiet erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, im Regelfall einwanderungspolitische Belange zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verliert die grundrechtlich geschützte Beistandsgemeinschaft ihre Funktion nicht dadurch, dass sie nicht als Hausgemeinschaft gelebt wird oder die Lebenshilfe auch durch Dritte - etwa Pflegepersonal - erbracht werden kann. Vielmehr besteht eine Beistandsgemeinschaft grundsätzlich so lange, als ein Familienmitglied auf Lebenshilfe angewiesen ist und ein anderes Familienmitglied diese Hilfe tatsächlich regelmäßig erbringt (BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 -, BVerfGE 80, 81; Kammerbeschlüsse vom 1. August 1996, a.a.O., vom 25. Oktober 1995 - 2 BvR 901/95 -, NVwZ 1996, 1099 und vom 12. Dezember 1989 - 2 BvR 377/88 -, NJW 1990, 895; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 11 S 1131/03 -, VBlBW 2004, 312 und Beschluss des Senats vom 22. Mai 2007 - 10 ME 79/07 -, V.n.b.).

Der Kläger hat jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass seine Mutter weiterhin auf seine Lebenshilfe angewiesen ist und er diese tatsächlich regelmäßig erbringt. Der Kläger hat in Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 AufenthG entsprechende ärztliche Bescheinigungen über den aktuellen gesundheitlichen Zustand seiner Mutter nicht beigebracht. In den Verwaltungsvorgängen der Beklagten finden sich lediglich eine ärztliche Bescheinigung des Arztes Dr. C. vom 19. April 2000 sowie ein Bericht des sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes des Landkreises Cuxhaven vom 15. August 2000. Auch wenn in dem Bericht des Gesundheitsamtes des Landkreises Cuxhaven angeführt wird, dass bei der Mutter des Klägers eine chronische depressive Verstimmung vorliege und wegen der Schwere des Krankheitsbildes eher von einer schlechten Prognose auszugehen sei, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Erkrankung nach Ablauf von mehr als sieben Jahren in unveränderter Schwere fortbesteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Pflegebedürftigkeit und die Notwendigkeit der Überwachung der Mutter im Hinblick auf die im Jahr 2000 festgestellte Suizidalität auf Grund einer schweren depressiven Episode ärztlich attestiert wurde, die im Zusammenhang mit dem Verlust naher Familienangehöriger infolge eines Verkehrsunfalls Ende 1999 stand. Daneben ist festzustellen, dass der Kläger von November 2003 bis August 2005 - mithin über einen Zeitraum etwa 1 3/4 Jahren die zunächst notwendige Pflege seiner Mutter auf Grund seiner Inhaftierung nicht erbringen konnte. Dies kann darauf hindeuten, dass die Pflegebedürftigkeit der Mutter des Klägers zwischenzeitlich entfallen ist oder der Pflegebedarf durch Dritte - etwa den Ehemann oder andere Familienangehörigen - sichergestellt worden ist. Der Kläger macht insoweit ohne nähere Begründung lediglich geltend, die Pflegebedürftigkeit oder Selbstmordgefahr seiner Mutter sei unverändert gegeben und die gesundheitlichen Leiden hätten sich eher verschlechtert. Diese Behauptung macht der Kläger aber nicht glaubhaft, etwa durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung.

Aber selbst wenn weiterhin davon auszugehen wäre, dass die Mutter des Klägers unter einer schweren psychischen Erkrankung leidet und der Pflege bedarf, hat der Kläger nicht in hinreichender Weise dargetan und glaubhaft gemacht, dass er die notwendige Pflege seiner Mutter tatsächlich regelmäßig leistet. Bei der Annahme einer fortbestehenden Erkrankung der Mutter des Klägers geht der Senat davon aus, dass in der Zeit der Inhaftierung des Klägers die Pflege von anderen Personen übernommen worden ist. Es kann deshalb nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung die notwendige Pflege tatsächlich regelmäßig erbringt. Der Kläger trägt lediglich vor, dass auf Grund des gemeinsamen Wohnens ein "ausgeprägtes Verhältnis zwischen Eltern und Kindern" bestehe, an der notwendigen Präsenz seiner Person zur Aufrechterhaltung eines psychisch stabilen Zustands seiner Mutter kein ernsthafter Zweifel bestehen könne und dass es tagtäglich "mehrfach Kontakte" gebe. Unabhängig davon, dass auch dieses Vorbringen in keiner Weise vom Kläger glaubhaft gemacht wird, genügt es nicht, die aufgezeigten Anforderungen an eine tatsächliche regelmäßige Pflege seiner Mutter hinreichend zu erfüllen.

Auch die Bindungen des Klägers zu seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern stehen seiner Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten. Der Senat geht davon aus, dass es der Lebensgefährtin und den gemeinsamen in den Jahren 2002, 2003 und 2004 geborenen Kindern zumutbar ist, dem Kläger nach Serbien zu folgen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann auf Grund des Alters der Kinder von einer derart gefestigten Integration in die hiesigen Verhältnisse nicht ausgegangen werden, dass ihre Integration im Heimatland ihrer Eltern und mit deren Unterstützung nicht möglich sein wird.

Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG steht auch im Einklang mit Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2002, BGBl. II S. 1054 - EMRK -). Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; Art. 8 Abs. 2 EMRK regelt die Zulässigkeit von Eingriffen von staatlichen Stellen in die Ausübung dieses Rechts. Wesentliches Ziel der Vorschrift ist der Schutz des Einzelnen vor willkürlicher Einmischung der öffentlichen Gewalt in das Privat- und Familienleben. Zwar können sich aus Art. 8 EMRK auch positive Verpflichtungen ergeben, deren Reichweite von der Lage der Betroffenen abhängt. Insoweit steht den Konventionsstaaten jedoch ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. die zusammenfassende Darstellung im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 1996 - BVerwG 1 C 17.95 -, BVerwGE 101, 265, 272 und Urteil vom 3. Juni 1997 - BVerwG 1 C 18.96 -, NVwZ 1998, 189). Art. 8 EMRK wirkt demnach - nicht anders als Art. 6 Abs 1 GG - auf die Auslegung und Anwendung des Ausländerrechts ein, ohne jedoch unmittelbar Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu begründen (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - BVerwG 1 C 9.95 -, BVerwGE 105, 35, 41). Die EMRK und damit auch die Garantien des Art. 8 Abs. 1 EMRK enthalten nicht das Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten und nicht ausgewiesen zu werden (EGMR, Urteil vom 16. September 2004 - 11103/03 [Ghiban ./. Deutschland] -, NVwZ 2005, 1046, 1047 und Urteil vom 16. Juni 2005 - 60654/00 [Sisojeva ./. Lettland] -, InfAuslR 2005, 349). Über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden, ist nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen vielmehr das Recht der Vertragsstaaten (EGMR, Urteil vom 16. September 2004, a.a.O., und Urteil vom 7. Oktober 2004 - 33743/03 - [Dragan u.a. ./. Deutschland] -, NVwZ 2005, 1043, 1044). Ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens lässt sich angesichts dieser Regelungskompetenz der Vertragsstaaten nicht schon allein mit dem Argument bejahen, ein Ausländer halte sich bereits seit geraumer Zeit im Vertragsstaat auf und wolle dort sein Leben führen (EGMR, Urteil vom 7. Oktober 2004, a.a.O., das eine Familie betraf, die seit 14 Jahren ihren Aufenthalt im Bundesgebiet hatte).

Bezogen auf den Schutz der Familie nach Art. 8 Abs. 1 EMRK verweist der Senat auf seine obigen Ausführungen zu Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 8 EMRK kann dort keine weitergehenden als die durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Schutzwirkungen entfalten, wo sein Anwendungsbereich sich mit dem des Art. 6 Abs. 1 GG deckt. Dies ist für das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern der Fall (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1. C 20.97 -, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 14).

Im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung grundsätzlich Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann. Ob eine solche Fallkonstellation für einen Ausländer in Deutschland vorliegt, hängt zum einen von der Integration des Ausländers in Deutschland, zum anderen von seiner Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab. Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, in einem festen Wohnsitz, einer Sicherstellung des ausreichenden Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und dem Fehlen von Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Mit zu berücksichtigen ist auch die Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts.

Für eine Integration des Klägers in die hiesigen Lebensverhältnisse spricht, dass er sich mit Eltern und Geschwistern seit ca. 15 Jahren im Bundesgebiet aufhält; er war jedoch erst seit August 2000 im Besitz eines Aufenthaltstitels. Er hat hier eine Familie gegründet und spricht die deutsche Sprache.

Demgegenüber sprechen überwiegende Gründe gegen eine gefestigte Integration in der Bundesrepublik Deutschland. So ist dem Kläger die wirtschaftliche Integration trotz seines langen Aufenthalts nicht gelungen. Zwar besuchte er zunächst die Hauptschule, verließ sie jedoch ohne Abschluss. Trotz seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet hat er weder eine Berufungsausbildung absolviert noch eine dauerhafte Beschäftigung gefunden, mit der Folge, dass der Kläger stets auf Sozialleistungen angewiesen gewesen ist, um den Lebensunterhalt seiner Familie sicherzustellen. Nachhaltige Bemühungen um einen Arbeitsplatz hat er nicht nachgewiesen. Deshalb spricht Überwiegendes dafür, dass er und seine Familienangehörigen auch in Zukunft auf Sozialleistungen angewiesen sein werden. Gegen eine Integration des Klägers spricht aber vor allem, dass er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet über einen längeren Zeitraum wiederholt und mit zunehmender Schwere straffällig geworden ist. Bereits im Juli 1995 beging der Kläger einen gemeinschaftlichen Diebstahl im erschwerten Fall, im November 1996 einen gemeinschaftlichen Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, im Dezember 1998 einen Diebstahl im erschwerten Fall, im Dezember 2002 eine versuchte Vergewaltigung sowie im Mai 2003 eine Beleidigung. Selbst die strafgerichtlichen Verurteilungen haben den Kläger nicht davon abhalten können, erneut und erheblich Straftaten zu begehen.

Weiter ist davon auszugehen, dass eine Integration des Klägers in seinem Heimatland nicht mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist. Er verließ sein Heimatland erst im Alter von 15 Jahren. Zuvor war er dort sozialisiert. Es ist deshalb anzunehmen, dass er mit den sozialen und kulturellen Gegebenheiten seines Heimatlandes vertraut ist und sich dort ohne Weiteres verständigen kann. Zusammenfassend geht der Senat davon aus, dass die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ist.

Schließlich kann der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG beanspruchen. Eine Aufenthaltserlaubnis kann nach dieser Bestimmung nur dann verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde; bei Vorliegen dieser Voraussetzungen liegt die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Ausländerbehörde. Eine außergewöhnliche Härte setzt das Vorliegen einer exzeptionellen Ausnahmesituation voraus. Dies kann nur dann bejaht werden, wenn die Aufenthaltsbeendigung den Ausländer auf Grund seiner individuellen Situation ungleich härter treffen würde als andere Ausländer seiner Staatsangehörigkeit in vergleichbarer Situation. Eine außergewöhnliche Härte kann sich für den Ausländer auch aus besonderen Verpflichtungen ergeben, die für ihn im Verhältnis zu dritten im Bundesgebiet lebenden Personen bestehen, etwa im Fall der dauerhaften Betreuung erkrankter Familienangehöriger (vgl. Burr, in: GK-AufenthG § 25 Rdnr. 98; Nr. 25.4.2.2 der Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern, in: Renner, Ausländerrecht - 8. Auflage, 2005). Soweit der Kläger geltend macht, er müsse seine erkrankte Mutter pflegen, trägt dieses Vorbringen nicht. Insoweit verweist der Senat auf die entsprechenden Ausführungen zu § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

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