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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: 11 LB 203/06
Rechtsgebiete: ARB 1/80, AufenthG, AuslG


Vorschriften:

ARB 1/80 Art. 7
AufenthG § 5 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 5 Abs. 4 S. 2
AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 7
AufenthG § 54 Nr. 5
AuslG § 44 Abs. 1 Nr. 3
1. Das aus Art. 7 ARB 1/80 abgeleitete Aufenthaltsrecht des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers erlischt außer in den Fällen des Art. 14 ARB 1/80 nur, wenn der Aufenthaltsberechtigte den Aufnahmemitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat (wie EuGH, Urt. v. 4.10.2007 - C-349/06 -, Polat).

2. Eine durch die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe im Ausland bedingte Abwesenheit vom Bundesgebiet kann jedenfalls dann nicht mehr als von berechtigten Gründen getragen angesehen werden, wenn der assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige das Bundesgebiet bereits mit der Absicht verlassen hatte, im Ausland eine Straftat zu begehen, bei deren Ahndung er mit der Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe rechnen musste (hier: Ausreise mit der Absicht der Beteiligung an einer gewaltsamen Besetzung der Fatih-Moschee in Istanbul in Verfolgung der Zielsetzungen des "Kalifatstaats").

3. Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen Vorliegens des Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (Verdacht auf Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung).


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Bestehen eines Aufenthaltsrechts für den Kläger.

Der am 1. Juli 1967 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Am 18. Oktober 1981 reiste er zu seinen Eltern in das Bundesgebiet ein. Nachdem ihm zunächst fortlaufend befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden waren, erhielt er am 15. Dezember 1992 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Er schloss nach islamischem Ritus die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen. Aus der Verbindung sind drei am 12. Dezember 1994, 15. Juni 1996 und 14. September 1998 geborene Töchter hervorgegangen.

Im Juli 1998 reiste der Kläger in die Türkei. Drei Tage nach der Geburt seiner jüngsten Tochter kehrte er im September 1998 für zwei Wochen in das Bundesgebiet zurück. Anfang Oktober 1998 begab er sich erneut in die Türkei. Dort wurde er am 29. Oktober 1998 festgenommen. Mit Urteil vom 11. April 2000 verurteilte ihn das türkische Staatssicherheitsgericht Nr. 2 Istanbul wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande bzw. einer illegalen Organisation zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten. Das Staatssicherheitsgericht ging davon aus, dass der Kläger der Organisation AFID (Föderierter Islamstaat Anatolien) angehöre, die es als bewaffnete terroristische Organisation einstufte. Die AFID ist seit dem Jahre 1994 im Bundesgebiet unter der Bezeichnung "Kalifatstaat" (Hilafet Devleti) bekannt. Der "Kalifatstaat" wurde bezogen auf das Bundesgebiet am 8. Dezember 2001 vom Bundesministerium des Inneren vereinsrechtlich verboten. Nach den Feststellungen des türkischen Staatssicherheitsgerichts reiste der Kläger auf den Aufruf zu einem Selbstmordanschlag in die Türkei ein und beteiligte sich an dem Plan, die Fatih-Moschee in Istanbul zu besetzen und dort die Fahne des "Kalifatstaats" zu öffnen, indem er Geld für die Beschaffung von Waffen übergab, die bei der Aktion mitgeführt werden sollten. Mit dem Geld seien sechs Waffen des Typs Kalaschnikow beschafft worden. In Vorbereitung der Aktion sei zudem Sprengstoff im Hof der Fatih-Moschee vergraben worden. Daneben von Anhängern der AFID verfolgte Planungen, ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug während der Feierlichkeiten zum türkischen Nationalfeiertag am 29. Oktober 1998 auf das Atatürk-Mausoleum in Ankara abstürzen zu lassen, seien wegen schlechter Wetterverhältnisse aufgegeben worden. Aus der übersetzten Urteilsabschrift folgt, dass sich der Kläger bei der polizeilichen Vernehmung zur Sache erklärt und seine Schuld gestanden habe. In der Vernehmung vor Gericht habe er die ihm zur Last gelegten Straftaten dagegen ebenso wie zuvor gegenüber dem Bereitschaftsrichter und der Staatsanwaltschaft bestritten.

Infolge der Inhaftierung in der Türkei wurde der Kläger im Bundesgebiet melderechtlich zum 15. Juni 1999 abgemeldet. Die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis betrachtete die Beklagte mit Wirkung vom 15. Dezember 1999 als erloschen. Die nach islamischem Ritus geschlossene Ehe des Klägers wurde während der Zeit der Haftverbüßung geschieden. Aufgrund einer Gesetzesänderung wurde der Vollzug der gegen den Kläger verhängten Freiheitsstrafe am 5. November 2004 aufgehoben. Nach seiner Freilassung reiste der Kläger am 2. Dezember 2004 in das Bundesgebiet ein. Seinen Wohnsitz meldete er unter der Anschrift seiner Eltern an. Am 18. Februar 2005 beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung. Bei einer von der Beklagten am selben Tag durchgeführten sicherheitsrechtlichen Befragung erklärte er unter anderem, zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer Vereinigung oder Partei gewesen zu sein und sich in seinem Heimatstaat oder anderen Staaten zu keinem Zeitpunkt an gewalttätigen Aktionen oder entsprechenden Planungen beteiligt zu haben. Im weiteren Verfahren machte er geltend, in der Türkei zu Unrecht verurteilt worden zu sein. Er habe sich in keiner Weise an einer politischen oder terroristischen Vereinigung beteiligt. Sein Geständnis bei der türkischen Polizei sei unter Folter erzwungen worden. Einen Rechtsanwalt habe er erst im gerichtlichen Verfahren hinzuziehen dürfen, in dem er die ihm zur Last gelegten Straftaten bestritten habe. Als Beleg für die erlittene Folter legte der Kläger die Kopie eines gerichtsmedizinischen Gutachtens vom 5. November 1998 nebst Übersetzung vor. Danach wurden bei einer körperlichen Untersuchung des Klägers am Hals und in der Rückengegend Hämatome festgestellt. Der Kläger habe über Schmerzen geklagt und angegeben, grob geschlagen und aufgehängt sowie mit warmem und kaltem Wasser abgespritzt worden zu sein. Als Ergebnis der Untersuchung wurden Gewalt und Schlagspuren festgestellt. Hinsichtlich des beabsichtigten Aufenthaltszwecks der Familienzusammenführung führte der Kläger an, während der Zeit seiner Inhaftierung in der Türkei zu seinen Kindern und deren Mutter insbesondere durch den Austausch von Briefen und durch Telefongespräche Kontakt gehalten zu haben. Nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet baue er die Beziehung schrittweise wieder auf. Die frühere Ehefrau des Klägers gab am 3. März 2005 gegenüber der Beklagten an, dass der Kläger Mitglied der AFID gewesen sei (Gesprächsvermerk v. 4.3.2005, Beiakte A, Bl. 498). Die Zugehörigkeit zu dieser Organisation hänge mit dem Besuch einer entsprechenden Moschee zusammen. Ihr gegenüber habe der Kläger jedoch stets bestritten, an der Vorbereitung von Attentaten in der Türkei beteiligt gewesen zu sein. Die Polizeiinspektion Braunschweig teilte der Beklagten mit Schreiben vom 27. Januar 2005 mit, aufgrund der langen Haftzeit des Klägers könne nicht sicher beurteilt werden, ob er noch Mitglied der AFID sei; dies werde aber für sehr wahrscheinlich gehalten. Gegen den "Kalifatstaat" werde weiterhin ermittelt. Es werde davon ausgegangen, dass von Anhängern der Organisation weiterhin erhebliche Gefahren drohten.

Mit Bescheid vom 29. März 2005 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Unter Androhung der Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat forderte sie ihn für den Fall der Entlassung aus der Abschiebehaft unter Setzung einer Ausreisefrist zugleich zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger erfülle den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dem Urteil des türkischen Staatssicherheitsgerichts habe er die AFID als terroristische Vereinigung bei der Vorbereitung einer bewaffneten Aktion unterstützt. Die Zugehörigkeit zu dieser Organisation habe er in einem aus der Haft heraus an seine frühere Ehefrau gerichteten Brief eingeräumt, indem er im Zusammenhang mit der Verurteilung durch das türkische Staatssicherheitsgericht die Formulierung "unsere Organisation" verwandt habe. Auch seine frühere Ehefrau habe die Mitgliedschaft in der AFID bestätigt. Des Weiteren liege der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG vor, denn der Kläger habe bei der durchgeführten sicherheitsrechtlichen Befragung falsche Angaben zur Zugehörigkeit zu einer Vereinigung und zur Beteiligung an gewalttätigen Aktionen oder entsprechenden Planungen gemacht. Dass der Kläger in der Türkei zu Unrecht verurteilt worden sei, könne nicht angenommen werden. Dem vorgelegten gerichtsmedizinischen Gutachten sei nicht zu entnehmen, dass die festgestellten Verletzungen dem Kläger von der türkischen Polizei zugefügt worden seien. Für die Richtigkeit der Feststellungen des türkischen Staatssicherheitsgerichts spreche, dass sich das Gericht auf eine umfangreiche Beweisaufnahme gestützt und das Verfahren für andere Angeklagte mit einem Freispruch geendet habe. Die Möglichkeit, gegen das Urteil Revision einzulegen, habe der Kläger nicht genutzt. Umstände, die es rechtfertigten, ausnahmsweise von der gesetzlich vorgesehenen Regelausweisung abzusehen, seien nicht gegeben. Eine Aufenthaltserlaubnis könne nicht erteilt werden, denn der Kläger sei ohne das erforderliche Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 AufenthG). Da der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei, stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch die Vorschrift des § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen. Eine Ausnahme von dieser Bestimmung könne nicht zugelassen werden. Der Kläger habe sich weder offenbart noch glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Eine den Anforderungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG genügende hinreichend intensive Beziehung des Klägers zu seinen Kindern sei nicht erkennbar. Aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (ARB 1/80) könne der Kläger keine Ansprüche ableiten.

Der Kläger hat am 30. März 2005 Klage erhoben. Nach Ablehnung eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht (5 B 278/05) wurde der Kläger am 31. März 2005 in die Türkei abgeschoben.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger ergänzend im Wesentlichen geltend gemacht: Zu seinen Gunsten sei ein aus Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht begründet. Im Bundesgebiet habe er mindestens fünf Jahre mit seinen Eltern zusammengelebt, die ihrerseits bereits im Oktober 1968 bzw. im Juni 1969 eingereist und hier erwerbstätig gewesen seien. Seine damit erworbene assoziationsrechtliche Rechtsstellung sei durch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe in der Türkei und die dadurch bedingte Abwesenheit vom Bundesgebiet nicht erloschen. Der Europäische Gerichtshof habe mehrfach entschieden, dass die Verbüßung einer Haftstrafe im Bundesgebiet nicht zum Verlust eines assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts führe. Entsprechendes müsse für die Verbüßung einer Haftstrafe im Ausland gelten, zumal er sich in dieser Zeit im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus berechtigten Gründen nicht im Bundesgebiet aufgehalten habe. Ebenso wenig sei die ihm nach nationalem Recht erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis erloschen. Zwar habe er sich mehr als sechs Monate nicht im Bundesgebiet aufgehalten. Mit der an Abwesenheiten vom Bundesgebiet von einer solchen Länge anknüpfenden Vorschrift des § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG über das Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis habe der Gesetzgeber aber unter Berücksichtigung der den übrigen Regelungen des § 44 AuslG zugrundeliegenden Wertungen erkennbar nur Abwesenheitszeiten erfassen wollen, die auf eigenem Willen beruhten. Nach Entlassung aus dem Strafvollzug sei er unter Wahrung der entsprechend heranzuziehenden Frist des § 44 Abs. 2 AuslG in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Hinsichtlich einer Mitgliedschaft in der AFID genüge es nicht, auf mehrere Jahre zurückliegende Umstände zu verweisen. Die Beklagte sei vielmehr gehalten gewesen, eine aktuelle Gefahrenprognose anzustellen, bei der auch hätte geprüft werden müssen, ob die Gruppierung nach Abschiebung des Führers der Organisation "Kalifatstaat" Metin Kaplan überhaupt noch im Bundesgebiet existiere. Im Übrigen hat er weiterhin jegliche Verbindung zur Organisation AFID bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2005 aufzuheben,

2. festzustellen, dass er im Besitz eines Aufenthaltstitels in Form einer Niederlassungserlaubnis ist,

hilfsweise, festzustellen, dass ihm auf Grund des Assozia-tionsratsbeschlusses 1/80 ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zusteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert: Der Kläger habe die nach Art. 7 ARB 1/80 ursprünglich erworbene Rechtsstellung verloren, indem er das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe. Im Jahre 1998 sei er in die Türkei ausgereist, um in Verfolgung der Zielsetzungen des "Kalifatstaats" einen Anschlag vorzubereiten. Der "Kalifatstaat" habe die Beseitigung des laizistischen Staatsgefüges der Türkei und die Einführung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scharia angestrebt. Angesichts dieser langfristig angelegten Zielsetzung sei davon auszugehen, dass der Kläger die Absicht gehabt habe, das Bundesgebiet auf Dauer zu verlassen. Die zur Frage der Auswirkungen des Verbüßens einer Haftstrafe auf eine assoziationsrechtlich begründete Rechtsstellung ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei für den Kläger nicht einschlägig. Da er das Bundesgebiet dauerhaft und nicht nur vorübergehend habe verlassen wollen, sei die nach nationalen Rechtsvorschriften erteilte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erloschen. Hinsichtlich einer Verbindung zum "Kalifatstaat" sei der Kläger bereits im Januar 1995 aufgefallen, als ihm entsprechend einer gegen ihn erstatteten Strafanzeige eine Körperverletzung zur Last gelegt worden sei, die durch eine negative Äußerung über den "Anführer" Kaplan ausgelöst worden sein solle. Die Polizeiinspektion Braunschweig habe mit Stellungnahme vom 27. Januar 2005 darauf hingewiesen, dass von der AFID bzw. dem "Kalifatstaat" weiterhin erhebliche Gefahren ausgingen.

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der früheren Ehefrau des Klägers als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11. Oktober 2005 verwiesen.

Mit Urteil vom 11. Oktober 2005 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2005 aufgehoben und festgestellt, dass dem Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht zusteht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die von der Beklagten verfügte Regelausweisung sei rechtswidrig. Der Kläger habe eine Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 erworben, die durch den Aufenthalt in der Türkei nicht erloschen sei. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei geklärt, dass ein türkischer Staatsangehöriger ein aus Art. 7 ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht nicht wegen einer durch die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe bedingten Abwesenheit vom Arbeitsmarkt verliere. Da Art. 7 ARB 1/80 den freien Zugang zum regulären Arbeitsmarkt eröffnen wolle, mache es keinen Unterschied, ob eine verhängte Freiheitsstrafe im Inland oder im Ausland verbüßt werde. Der Kläger habe das Bundesgebiet auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen. Dass er im Jahre 1998 die Absicht gehabt habe, seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei zu verlagern, könne nach den glaubhaften Angaben seiner früheren Ehefrau nicht festgestellt werden, die in der mündlichen Verhandlung unter anderem erklärt habe, der Kläger habe im Oktober 1998 nur etwa 14 Tage in der Türkei bleiben wollen. Soweit sich der Aufenthalt des Klägers in der Türkei durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unbeabsichtigt verlängert habe, habe sich diese Entwicklung seinen Einwirkungsmöglichkeiten entzogen. Mangels Erlöschens der nach Art. 7 ARB 1/80 bestehenden Rechtsstellung habe über die Ausweisung des Klägers nur nach Ermessen entschieden werden dürfen. Eine Ermessensentscheidung habe die Beklagte indes nicht getroffen. Ob die nach nationalem Recht erteilte Aufenthaltserlaubnis erloschen sei, bedürfe aufgrund des nach Art. 7 ARB 1/80 bestehenden Aufenthaltsrechts des Klägers keiner Entscheidung. Hinsichtlich der vom Kläger ergänzend begehrten Feststellung, im Besitz eines Aufenthaltstitels in Form einer Niederlassungserlaubnis zu sein, sei die Klage unzulässig. Insoweit bestehe die Möglichkeit einer vorrangig zu verfolgenden Verpflichtungsklage. Hinsichtlich des gestellten Hilfsantrags auf Feststellung eines assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts sei die Feststellungsklage demgegenüber zulässig und begründet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassene Berufung der Beklagten. Der Kläger hat Anschlussberufung eingelegt.

Bereits während des Berufungszulassungsverfahrens ist der Kläger mit einer ihm für den Besuch seines schwer kranken und inzwischen verstorbenen Vaters erteilten Betretenserlaubnis mit Geltungsdauer vom 1. bis zum 8. Juli 2006 in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Nachdem der Senat zwei Anträge des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt hatte (11 MC 201/06 und 11 MC 233/06), hat er mit Beschluss vom 8. Juni 2007 (11 MC 162/07) unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. März 2007 (2 BvR 1977/06) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 29. März 2005 angeordnet.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor: Der Kläger könne für seine langjährige Abwesenheit vom Bundesgebiet keine berechtigten Gründe anführen. Im Oktober 1998 habe er das Bundesgebiet mit der Absicht der Begehung einer mit mehrjähriger Haftstrafe bedrohten Straftat verlassen. Mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe habe sich das von ihm bewusst eingegangene Risiko verwirklicht, für längere Zeit an der Rückkehr in das Bundesgebiet gehindert zu sein. Seine Ausreise sei damit auf unabsehbare Zeit angelegt gewesen. Die Aufgabe seines Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet und den Verlust des bestehenden Integrationszusammenhangs habe er billigend in Kauf genommen. Die Angaben der früheren Ehefrau des Klägers ließen keine zwingenden Rückschlüsse auf die tatsächlichen Gründe des Klägers für seine Ausreise zu und seien gegenüber den im Urteil des türkischen Staatssicherheitsgerichts getroffenen Feststellungen nicht überzeugend. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass Unionsbürger ein nach der Richtlinie 2004/38/EG erworbenes Daueraufenthaltsrecht bei zweijähriger ununterbrochener Abwesenheit vom Bundesgebiet unabhängig von den für die Abwesenheit tragenden Gründen stets verlören. Entsprechendes müsse für die Rechtsstellung türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen gelten. Soweit der Kläger die Zugehörigkeit zur AFID bestreite, sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass er bereits im Jahre 1986 für einige Monate, nämlich vom 16. Juni bis 27. September 1986 unter einer dem "Kalifatstaat" zuzuordnenden Adresse in Köln gemeldet gewesen sei. Nach Mitteilung der Polizeiinspektion Braunschweig seien dem Kläger in späterer Zeit Aufgaben unmittelbar von Metin Kaplan übertragen worden. Als Leiter der Jugendabteilung habe er in einer Moschee in Braunschweig die Lehren des "Kalifatstaats" verbreiten sollen. Unter seiner Leitung seien Vorbereitungen für die in der Türkei geplanten Anschläge besprochen worden. Da sich der Kläger nicht von der AFID losgesagt habe, müsse angenommen werden, dass er weiterhin Mitglied der Organisation sei. Die nach nationalem Recht erteilte Aufenthaltserlaubnis sei gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AuslG erloschen.

Nachdem die Beklagte ihren Bescheid vom 29. März 2005 hinsichtlich der darin verfügten Ausweisung mit Schriftsatz vom 10. März 2008 aufgehoben hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und festzustellen, dass er im Besitz eines Aufenthaltstitels in Form einer Niederlassungserlaubnis ist,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Zur Begründung wiederholt er zunächst im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit seiner Klage stattgegeben worden ist. Ergänzend trägt er vor: Im Juli 1998 sei er vorrangig deshalb in die Türkei gereist, weil es in der Beziehung zu seiner früheren Ehefrau Schwierigkeiten gegeben habe und er Abstand habe gewinnen wollen, um über das künftige Zusammenleben nachzudenken. Im Oktober 1998 habe er lediglich für weitere zwei bis drei Wochen in der Türkei bleiben wollen. Eine dauerhafte Ausreise habe er nicht beabsichtigt, zumal er im Bundesgebiet seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder zu versorgen gehabt habe. Als gläubiger Moslem habe er sich zur Ausübung seines Glaubens häufig in der Moschee aufgehalten und dort auch Aufgaben übernommen. Kontakt zur AFID bzw. zum "Kalifatstaat" habe er jedoch weder über die Moschee noch sonst unterhalten. In diesem Zusammenhang legt er in der mündlichen Verhandlung eine eidesstattliche Versicherung seiner früheren Ehefrau vor. Gegen das Urteil des türkischen Staatssicherheitsgerichts habe er ein Rechtsmittel eingelegt, das aber erfolglos geblieben sei. Zur Frage des Erlöschens der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG bezieht er sich ergänzend auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 30. November 2005 (4 K 1013/05).

Mit Verfügung vom 13. März 2008 hat der Senat einen den Verwaltungsvorgängen der Beklagten entnommenen Erkenntnisvermerk des Bundeskriminalamts vom 15. April 2005 über die Verbindung des Klägers zum "Kalifatstaat" in das Verfahren eingeführt.

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Insoweit wird ergänzend auf das Sitzungsprotokoll vom 27. März 2008 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und den Verfahren 11 MC 201/06, 11 MC 233/06 und 11 MC 162/07 sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der von der Beklagten mit Bescheid vom 29. März 2005 verfügten Ausweisung in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist in diesem Umfang für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).

Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2005 hinsichtlich der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und der verfügten Abschiebungsandrohung rechtmäßig. Der Kläger ist auch weder im Besitz eines noch geltenden Aufenthaltstitels noch kann er sich auf ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht berufen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, soweit es der Klage hinsichtlich dieser Streitgegenstände teilweise stattgegeben hat. Die Klage ist insoweit in vollem Umfang abzuweisen. Die Anschlussberufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Die mit Bescheid der Beklagten vom 29. März 2005 erfolgte Ablehnung des vom Kläger am 18. Februar 2005 gestellten Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist nicht zu beanstanden. Der Kläger gehört nicht mehr zu dem nach Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigten Personenkreis, dem gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG auf Antrag eine (deklaratorische) Aufenthaltserlaubnis ausgestellt wird (a). Auch im Übrigen ist die Beklagte nicht verpflichtet, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (b).

a) Soweit der Kläger nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten als Kind türkischer Arbeitnehmer ursprünglich eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben hatte, hat er diese Rechtsstellung verloren, indem er das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) kann ein aus Art. 7 ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat nur in zwei Fällen beschränkt werden: Entweder stellt die Anwesenheit des assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 dar oder der Betroffene hat das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen (vgl. Urt. v. 16.3.2000 - C-329/97 -, Ergat, InfAuslR 2000, 217 ff.; Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 -, Cetinkaya, NVwZ 2005, 198 ff.; Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 -, Aydinli, DVBl. 2005, 1256 ff.; Urt. v. 16.2.2006 - C-502/04 -, Torun, NVwZ 2006, 556 ff.; Urt. v. 18.7.2007 - C-325/05 -, Derin, InfAuslR 2007, 326 ff.; Urt. v. 4.10.2007 - C-349/06 -, Polat, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. Urt. v. 6.10.2005 - 1 C 5/04 -, BVerwGE 124, 243 ff. = NVwZ 2006, 475 f.; Urt. v. 28.6.2006 - 1 C 4/06 -, Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 47; Urt. v. 9.8.2007 - 1 C 47/06 -, InfAuslR 2007, 431 ff.).

Die genannten Verlustgründe sind grundsätzlich abschließend. In seinen neueren Entscheidungen betont der EuGH, die Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 könne "nur" unter diesen Voraussetzungen eingeschränkt werden (vgl. Rs. Torun, Derin und Polat, a. a. O.). Daraus hat der EuGH unter anderem den Schluss gezogen, dass die längere Abwesenheit vom Arbeitsmarkt wegen Verbüßung einer - auch mehrjährigen - Freiheitsstrafe nicht zum Verlust des aus Art. 7 ARB 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrechts führt (vgl. Rs. Cetinkaya, Aydinli und Derin, a. a. O.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6.10.2005, a. a. O.). Im Gegensatz zu Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hänge die Entstehung des Aufenthaltsrechts eines Familienangehörigen nach Art. 7 ARB 1/80 nicht davon ab, dass dieser dem regulären Arbeitsmarkt des betreffenden Staates angehöre und während einer bestimmten Dauer eine Beschäftigung ausübe, sondern lediglich davon, dass er während einer Anfangszeit von drei Jahren seinen Wohnsitz tatsächlich bei dem Arbeitnehmer habe, von dem er seine Rechte ableite. Zudem gewähre Art. 7 ARB 1/80 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers den Zugang zu einer Beschäftigung, erlege ihnen jedoch keine Verpflichtung auf, eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben, wie sie in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehen sei (vgl. Rs. Aydinli, a. a. O., Rn. 28 f.). Mit dieser Rechtsprechung hat der EuGH Art. 7 ARB 1/80 weitgehend aus seiner beschäftigungsrechtlichen Zwecksetzung gelöst (vgl. Dörig, DVBl. 2005, 1221, 1225; Mallmann, ZAR 2006, 50, 54).

Soweit der Kläger aus der Rechtsprechung des EuGH zum Verbüßen einer Freiheitsstrafe ableitet, er habe seine ursprünglich nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 begründete Rechtsstellung nicht dadurch verloren, dass er in der Türkei eine mehrjährige Haftstrafe habe verbüßen müssen, und in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend macht, es könne keinen Unterschied machen, ob eine verhängte Freiheitsstrafe - wie in den vom EuGH entschiedenen Rechtssachen - im Bundesgebiet oder im Ausland verbüßt werde, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Der Kläger lässt außer Acht, dass für den Verlust der für ihn ursprünglich begründeten Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 nicht die mit der Verbüßung der verhängten Haftstrafe in der Türkei verbundene Abwesenheit vom Arbeitsmarkt tragend ist, sondern der Umstand, dass er das Bundesgebiet unter Berücksichtigung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Im Gegensatz zu der bloßen Abwesenheit vom Arbeitsmarkt hat der EuGH den zuletzt genannten Gesichtspunkt - wie ausgeführt - ausdrücklich als Grund für den Verlust des aus Art. 7 ARB 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrechts anerkannt.

Nähere Ausführungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe auszugehen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen. Die Auslegung hat sich zur Überzeugung des Senats in erster Linie am Regelungszweck des Art. 7 ARB 1/80 zu orientieren. Die Vorschrift bezweckt zunächst, die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt angehört, dadurch zu fördern, dass ihm in diesem Staat die Aufrechterhaltung seiner familiären Bande ermöglicht wird. Das Recht der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, nach einer gewissen Zeit Zugang zu einer Beschäftigung im Aufnahmemitgliedstaat zu haben, soll überdies die Stellung der Familienangehörigen in diesem Staat festigen, indem ihnen die Möglichkeit gegeben wird, unabhängig zu werden (vgl. EuGH, Rs. Aydinli, a. a. O., Rn. 23; Urt. v. 17.4.1997 - C-351/95 -, Kadiman, NVwZ 1997, 1104 ff., Rn. 34 f.). Diese Erwägung zielt auf die fortschreitende und dauerhafte Integration der Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat (vgl. EuGH, Rs. Derin, a. a. O., Rn. 53, und Rs. Kadiman, a. a. O.; Mallmann, a. a. O., S. 54). Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzungen des Art. 7 ARB 1/80 können Abwesenheiten vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats jedenfalls dann nicht mehr als unerheblich oder von berechtigten Gründen getragen angesehen werden, wenn sie der Verfestigung der persönlichen Integration des assoziationsberechtigten türkischen Familienangehörigen entgegenstehen und dem Regelungszweck der Förderung der dauerhaften Integration zuwiderlaufen (vgl. Beschl. des Senats v. 11.1.2008 - 11 ME 418/07 -, juris).

Diese Auslegung bedeutet nicht, dass es dem nach Art. 7 ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen gänzlich verwehrt wäre, den Aufnahmemitgliedstaat zu verlassen. So hat der EuGH in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass sich der Betroffene aus berechtigten Gründen für einen angemessenen Zeitraum vom gemeinsamen Wohnsitz entfernen dürfe, um z. B. Urlaub zu machen oder seine Familie im Heimatland zu besuchen. Solche kurzzeitigen Unterbrechungen der Lebensgemeinschaft im Aufnahmemitgliedstaat, die ohne die Absicht erfolgten, den gemeinsamen Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat in Frage zu stellen, seien den Zeiten gleichzustellen, während deren der Familienangehörige tatsächlich mit dem türkischen Arbeitnehmer zusammengelebt habe (vgl. Rs. Kadiman, a. a. O., Rn. 48). Erst recht habe dies für einen weniger als sechsmonatigen Aufenthalt des Betroffenen in seinem Heimatland zu gelten, wenn dieser Aufenthalt nicht von seinem eigenen Willen abhängig gewesen sei (a. a. O., Rn. 49). Auch wenn die Entscheidung des EuGH zu der Frage ergangen ist, ob ein ununterbrochener dreijähriger gemeinsamer Wohnsitz als Voraussetzung für die Entstehung der Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 vorgelegen hat, können diese Ausführungen auch für die Frage des Verlusts eines nach dieser Vorschrift begründeten Aufenthaltsrechts durch Abwesenheit vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe herangezogen werden (ebenso: Bay. VGH, Beschl. v. 21.3.2006 - 24 ZB 06.233 -, juris; vgl. auch den Hinweis des EuGH auf die Rs. Kadiman in der Rs. Ergat, a. a. O., Rn. 48).

aa) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger das Bundesgebiet zunächst für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlassen. Nach der Anfang Oktober 1998 erfolgten Ausreise in die Türkei ist er nach Verbüßung der gegen ihn verhängten Haftstrafe erst am 2. Dezember 2004 in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Die ununterbrochene Abwesenheit vom Bundesgebiet über einen Zeitraum von rund sechs Jahren hinweg kann nicht mehr als eine einem Urlaubsaufenthalt oder einem Familienbesuch im Heimatland vergleichbare lediglich kurzzeitige Unterbrechung des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat angesehen werden. Der vom EuGH im Hinblick auf die Entstehung der Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 als jedenfalls unschädlich bezeichnete Zeitraum von weniger als sechs Monaten ist weit überschritten. Der Lebensmittelpunkt des Klägers lag in dieser Zeit nicht mehr im Bundesgebiet. Angesichts der Verurteilung zu einer Haftstrafe von zunächst zwölf Jahren und sechs Monaten war unklar, ob und gegebenenfalls wann der Kläger in das Bundesgebiet zurückkehren würde. Der durch den langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet entstandene Integrationszusammenhang wurde über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren hinweg unterbrochen. Abwesenheitszeiten von einer solchen Dauer laufen der Zielsetzung des Art. 7 ARB 1/80 zuwider, die dauerhafte persönliche Integration des Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern, und können deshalb nicht mehr als für die Aufrechterhaltung einer nach Art. 7 ARB 1/80 erworbenen Rechtsstellung unschädlich betrachtet werden. Die der Verfestigung der persönlichen Integration im Bundesgebiet entgegenstehende Wirkung des durch die Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe bedingten mehrjährigen Aufenthalts in der Türkei wird für den Kläger auch daran deutlich, dass seine nach islamischem Ritus geschlossene Ehe während der Zeit der Haftverbüßung in der Türkei geschieden wurde und seine frühere Ehefrau eine neue Beziehung eingegangen ist. Die frühere Ehefrau des Klägers hat dazu in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts erklärt, nach der Verurteilung des Klägers zu einer Haftstrafe von über 11 Jahren habe sie sich entschieden, sich vom Kläger zu trennen, weil sie sich über einen so langen Zeitraum nicht in der Lage gesehen habe, sich allein um die Kinder zu kümmern. Nach zwei Jahren Haft habe der Kläger in die Scheidung eingewilligt. Zuvor habe sie eine Beziehung zu einem kuwaitischen Staatsangehörigen aufgenommen, den sie später geheiratet und mit dem sie weitere Kinder habe. Nach der Rückkehr in das Bundesgebiet hat der Kläger einen neuen Wohnsitz unter der Anschrift seiner Eltern begründet. Das persönliche Verhältnis zu seinen Kindern musste er eigenem Vorbringen zufolge schrittweise wieder aufbauen.

bb) Die langjährige Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet war auch nicht von berechtigten Gründen getragen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH kommen als berechtigte Gründe für das Verlassen des Bundesgebiets für einen nicht unerheblichen Zeitraum auf eine angemessene Zeitspanne angelegte Urlaubsaufenthalte oder Besuche der Familie im Heimatland in Betracht (Rs. Kadimann, a. a. O., Rn. 49). Dass solche kurzzeitigen Unterbrechungen des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat die Rechtsstellung eines Familienangehörigen nach Art. 7 Satz 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 nicht in Frage stellen, hat nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Kadiman erst recht zu gelten für einen weniger als sechsmonatigen Aufenthalt des Betroffenen in seinem Heimatland, wenn dieser Aufenthalt nicht von seinem eigenen Willen abhängig war (a. a. O., Rn. 49). In der Literatur werden darüber hinaus als berechtigte Gründe Erkrankung oder Unfall sowie Naturereignisse oder kriegerische Handlungen angeführt (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: Februar 2008, Art. 7 ARB 1/80, Rn. 14; Gutmann in: GK-AufenthG, Stand: November 2007, Art. 7 ARB 1/80, Rn. 68).

Den angeführten Beispielen für das Vorliegen berechtigter Gründe im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zum Verlust einer nach Art. 7 ARB 1/80 erworbenen Rechtsstellung ist gemeinsam, dass der Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat entweder die Verfolgung anerkennenswerter Interessen zugrunde liegt (z. B. Urlaub, Besuch der Familie im Heimatland) oder der Aufenthalt außerhalb des Hoheitsgebiets des Aufnahmemitgliedstaats nicht vom eigenen Willen abhängig war (z. B. Erkrankung, Unfall, Naturereignisse). Zwar hat der EuGH in der Rechtssache Kadiman in Zusammenfassung der die Entscheidung tragenden Erwägungen ausgeführt, für die Zwecke der Berechnung des dreijährigen ordnungsgemäßen Wohnsitzes im Sinne von Art. 7 Satz 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 sei ein "unfreiwilliger Aufenthalt" des Betroffenen von weniger als sechs Monaten in seinem Heimatland zu berücksichtigen (a. a. O., Rn. 54). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass ein auf äußerem Zwang beruhender und durch fehlende Freiwilligkeit gekennzeichneter Aufenthalt außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats für die Aufrechterhaltung der Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 stets unschädlich wäre. Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kadiman war, dass der Ehemann der Klägerin jenes Verfahrens bei einem gemeinsamen Aufenthalt in der Türkei den Pass seiner Ehefrau an sich genommen hatte und ohne sie in das Bundesgebiet zurückgekehrt war (a. a. O., Rn. 13). Bei dieser Sachlage kann die Entscheidung des EuGH nur so verstanden werden, dass ein unfreiwilliger Aufenthalt im Heimatland nur dann vorliegt, wenn dieser Aufenthalt des Betroffenen "nicht von seinem eigenen Willen abhängig war". Dies hat der EuGH in der genannten Entscheidung ausdrücklich ausgeführt (a. a. O., Rn. 49). Ein weitergehendes Verständnis der Entscheidung verlässt den Hintergrund der den zugrunde liegenden Sachverhalt kennzeichnenden besonderen Umstände des Einzelfalls und findet in der Entscheidung keine hinreichende Stütze.

In der Rechtsprechung wird aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Kadiman demgegenüber teilweise abgeleitet, dass für die Frage des Vorliegens berechtigter Gründe ohne weitere Einschränkung maßgebend allein auf die Freiwilligkeit des Aufenthalts außerhalb des Bundesgebiets abzustellen sei, wobei die Freiwilligkeit auch nachträglich entfallen könne, so etwa, wenn eine Inhaftierung die zunächst beabsichtigte Rückkehr nach Deutschland unmöglich mache oder unzumutbar erschwere (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.1.2007 - 19 E 990/06 -, juris; Bay. VGH, a. a. O.; VG Aachen, Urt. v. 31.7.2007 - 3 K 896/05 -, juris). Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen führt in seinem einer Beschwerde gegen die Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stattgebenden Beschluss vom 17. Januar 2007 (a. a. O.) ergänzend aus, dass die Bejahung dieser Voraussetzung nicht davon abhängen dürfte, ob die - in jenem Verfahren serbischen - Strafgerichte die Täterschaft des Klägers zu Recht angenommen hätten (ebenso in dem in der Hauptsache geführten Klageverfahren: VG Aachen, a. a. O.).

Dieser Rechtsprechung kann jedenfalls für den Fall nicht gefolgt werden, dass der im Ausland eine Haftstrafe verbüßende assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige das Bundesgebiet bereits mit der Absicht verlassen hat, im Ausland eine Straftat zu begehen, bei deren Ahndung er mit der Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe rechnen musste. Begeht der die Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 genießende türkische Staatsangehörige im Ausland eine bereits bei der Ausreise aus dem Bundesgebiet geplante vorsätzliche Straftat, obgleich für den Fall der Ergreifung eine mehrjährige Haftstrafe und eine damit einhergehende Abwesenheit vom Bundesgebiet droht, ist die in Verwirklichung des von ihm bewusst eingegangenen Risikos während der Haftzeit im Ausland eintretende Abwesenheit vom Bundesgebiet auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen und kann nicht als ein von seinem Willen unabhängiger Aufenthalt außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats angesehen werden. Eine über diese Auslegung hinausgehende, allein an den Begriff der Freiwilligkeit der Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat anknüpfende Beurteilung der Frage, ob der Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers das Bundesgebiet aus berechtigten Gründen verlassen hat, vernachlässigt - wie bereits dargelegt - die für das Verständnis der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kadiman wesentlichen tatsächlichen Umstände des in jenem Verfahren zur Entscheidung stehenden Sachverhalts und führt zu einer unzulässigen Verkürzung der Entscheidung des EuGH. Hinzu kommt, dass sich der nach Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige bei einer solchen Sachlage bewusst in Widerspruch zum Regelungszweck der Vorschrift setzt, seine persönliche Integration im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern. Mit der in Umsetzung eines bereits bei der Ausreise aus dem Bundesgebiet bestehenden Vorsatzes erfolgenden Begehung einer mit mehrjähriger Haftstrafe bedrohten Straftat verdeutlicht der Betroffene, dass er für den Fall der Ergreifung eine der Verfestigung seiner Integration im Aufnahmemitgliedstaat entgegenstehende und den entstandenen Integrationszusammenhang unterbrechende Abwesenheit vom Bundesgebiet hinzunehmen bereit ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann sein Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets deshalb nicht als von berechtigten Gründen getragen angesehen werden.

Von diesen Erwägungen ausgehend hat der Kläger das Bundesgebiet im Oktober 1998 ohne berechtigte Gründe verlassen. Nach den vom türkischen Staatssicherheitsgericht im Urteil vom 11. April 2000 getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass er bereits bei der Ausreise aus dem Bundesgebiet die Absicht hatte, in der Türkei eine Straftat zu begehen. Dem Urteil des türkischen Staatssicherheitsgerichts ist zu entnehmen, dass er als Mitglied der Organisation AFID auf den Aufruf zu einem Selbstmordanschlag in die Türkei einreiste und sich an dem Plan beteiligte, die Fatih-Moschee in Istanbul unter Mitführung von Waffen und Sprengstoff zu besetzen und dort die Fahne des "Kalifatstaats" zu öffnen, indem er Geld für die Beschaffung von Waffen übergab. Die Umsetzung der entsprechenden Planungen wurde durch das Eingreifen türkischer Sicherheitskräfte verhindert. Dass ihm bei Aufdeckung der Planungen und Ergreifung in der Türkei eine mehrjährige Haftstrafe drohte, musste dem Kläger unter Berücksichtigung des Ausmaßes und Gewichts der geplanten Aktion bewusst sein. Berechtigte Gründe für das Verlassen des Bundesgebiets sind bei dieser Motivlage nicht zu erkennen. Durch sein Verhalten hat sich der Kläger bewusst in Widerspruch zu dem auf die Förderung der Integration im Bundesgebiet gerichteten Zweck des Art. 7 ARB 1/80 gesetzt sowie eigenverantwortlich und bewusst die Ursache für den Umstand begründet, dass ihm eine Rückkehr in das Bundesgebiet wegen der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren hinweg von vornherein nicht möglich war. Eine nicht von seinem eigenen Willen abhängige Abwesenheit vom Bundesgebiet, welche die ursprünglich nach Art. 7 ARB 1/80 begründete Rechtsstellung unberührt ließe, ist dementsprechend nicht gegeben.

An der Richtigkeit der vom türkischen Staatssicherheitsgericht mit Urteil vom 11. April 2000 getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat der Senat keine durchgreifenden Zweifel. Soweit der Kläger geltend macht, er sei in der Türkei zu Unrecht verurteilt worden, nachdem die türkische Polizei ihn unter Folter zu einem Geständnis gezwungen habe, könnte für dieses Vorbringen die vorgelegte Kopie eines gerichtsmedizinischen Gutachtens vom 5. November 1998 sprechen, nach dem bei einer Untersuchung an seinem Körper die Anwendung von Gewalt und Schlagspuren festgestellt worden sind. Selbst wenn der Kläger bei der türkischen Polizei Folter ausgesetzt worden sein sollte, rechtfertigt dies im Ergebnis allerdings nicht den Schluss, seine Verurteilung sei zu Unrecht erfolgt. So ist bereits nicht ersichtlich, dass das vom Kläger bei der türkischen Polizei abgelegte Geständnis für die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe maßgebend gewesen ist. Die Beklagte hat ihrem Bescheid vom 29. März 2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass sich das türkische Staatssicherheitsgericht auf eine umfangreiche Beweisaufnahme gestützt hat (vgl. Seite 59 ff. der Urteilsübersetzung). Gegen die Entscheidungserheblichkeit des Schuldeingeständnisses des Klägers gegenüber der türkischen Polizei spricht weiterhin, dass von 27 in dem Strafverfahren angeklagten Personen insgesamt 15 Personen freigesprochen worden sind, obgleich das Urteil des türkischen Staatssicherheitsgerichts vom 11. April 2000 erkennen lässt, dass auch diese Personen sämtlich bei der polizeilichen Vernehmung ein Geständnis abgelegt hatten. Trotz dieses Umstands hielt das türkische Staatssicherheitsgericht die Beweislage für eine Verurteilung dieser Angeklagten für nicht ausreichend (vgl. Seite 65 f. der Urteilsübersetzung).

Die Richtigkeit der den Kläger betreffenden Feststellungen des türkischen Staatssicherheitsgerichts wird zudem durch die über den Kläger im Bundesgebiet vorliegenden Erkenntnisse gestützt. In dem Erkenntnisvermerk des Bundeskriminalamts vom 15. April 2005 wird ausgeführt, dass sich in der Braunschweiger Gemeinde des "Kalifatstaats", der eine zentrale Rolle im Verbandsgefüge zugekommen sei, mehrere Jugendliche unter Führung des Klägers in der Funktion des Jugendbeauftragten mit den Zielen des Kaplan-Verbandes identifiziert und den Anweisungen des selbst ernannten "Kalifen" Metin Kaplan untergeordnet hätten. Eigenen Angaben zufolge habe sich der Kläger dem "Kalifatstaat" bereits 1989/90 angeschlossen. In der Moschee des Verbandes habe er zeitweise als Vorbeter und Jugendemir fungiert. Für den Verband habe er Reisen ins Ausland unternommen, um Gelder zu überbringen. Weiterhin habe er angegeben, nach Bosnien gereist zu sein, um dort zu kämpfen. Darüber hinaus habe er an einer Vielzahl von Treffen und Veranstaltungen des Kaplan-Verbandes teilgenommen. Bei der Planung der Anschläge anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung der Republik Türkei am 29. Oktober 1998 sei der Braunschweiger Gemeinde des "Kalifatstaats" eine herausragende Stellung zugekommen. Sechs der später in der Türkei verurteilten Personen - darunter der Kläger - seien Mitglieder der Braunschweiger Gemeinde des "Kalifatstaats" gewesen. Sie seien in Ausführung der von Metin Kaplan ausgerufenen "Mobilmachung für den Dschihad" und dessen Erklärung, einige Mitglieder der Organisation müssten sich opfern, um Anschläge auszuführen, in die Türkei eingereist. Mit den Vorbereitungen für die geplanten Taten sei bereits in Deutschland begonnen worden. Der Kläger habe zu diesem Zweck Vorbereitungstreffen organisiert, um die Planungen abzustimmen und die notwendigen Schritte zu deren Umsetzung einzuleiten. Unter Leitung des Klägers seien Gelder gesammelt und bereits in Deutschland ein Teil der Tatmittel beschafft worden. Anschließend seien die Täter auf verschiedenen Wegen in die Türkei eingereist und hätten die Aktionen vorbereitet. Der Kläger habe die geplante Besetzungsaktion in der Fatih-Moschee organisiert. Er habe die Anschlagsvorbereitungen koordiniert und sei für die Finanzierung zuständig gewesen. Er sei bereit gewesen, für den "Kalifatstaat" mit seinem Leben einzutreten und im Kampf um die besetzte Fatih-Moschee zu sterben. Wie dem Vermerk vom 15. April 2005 zu entnehmen ist, bezieht sich das Bundeskriminalamt hinsichtlich der über den Kläger gewonnenen Erkenntnisse nicht allein auf die Ergebnisse der Ermittlungen türkischer Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den für den 29. Oktober 1998 geplanten Aktionen, sondern auch auf eigene Ermittlungen im Rahmen eines von der Bundesanwaltschaft gegen Metin Kaplan geführten Ermittlungsverfahrens.

Soweit der Kläger bestreitet, sich in Verfolgung der Ziele der AFID bzw. des "Kalifatstaats" an der Planung gewaltsamer Aktionen in der Türkei beteiligt zu haben, und geltend macht, bei den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts handele es sich weitgehend um unberechtigte Anschuldigungen, hält der Senat sein Vorbringen aufgrund des Akteninhalts und des von ihm in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks für unglaubhaft. Insbesondere die Angaben des Klägers zum Anlass seiner im Jahre 1998 erfolgten Reisen in die Türkei sind widersprüchlich. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger hierzu erstmals erklärt, vorwiegend deshalb in die Türkei gefahren zu sein, weil es in der Beziehung zu seiner früheren Ehefrau Schwierigkeiten gegeben habe und er Abstand habe gewinnen wollen, um über das künftige Zusammenleben nachzudenken. Zwar schätze er auch aus religiösen Gründen die Atmosphäre in der Türkei, er habe dort aber auf keinen Fall "missionieren" wollen. Auch Anfang Oktober 1998 habe er sich nur deshalb nochmals in die Türkei begeben, weil er sich zur damaligen Zeit mit seiner früheren Ehefrau nicht so gut verstanden habe. Soweit er sich zuvor zum Zweck seiner Reisen in die Türkei geäußert hatte, hat er demgegenüber angegeben, im Juli 1998 in die Türkei gefahren zu sein, um dort "seine Religion zu predigen" (vgl. Schriftsatz vom 9.10.2006, Seite 2). Auch seine frühere Ehefrau hat bei ihrer Vernehmung als Zeugin in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts erklärt, der Kläger sei ein religiöser Idealist gewesen und habe in seinem Heimatland "seine Religion predigen" wollen. Das Leben im Bundesgebiet habe ihm nicht gefallen; er habe es für weitgehend unmoralisch gehalten. Zwar hat sie ebenso wie in ihrer in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegten eidesstattlichen Versicherung auch über Streitigkeiten mit dem Kläger berichtet, dem Vorhaben des Klägers, in der Türkei aktiv religiöse Vorstellungen zu verfolgen, in ihrer Zeugenaussage aber gleichfalls ein erhebliches Gewicht beigemessen. Hinsichtlich der erneuten Reise des Klägers in die Türkei Anfang Oktober 1998 hat sie darüber hinaus im Gegensatz zum Kläger nicht auf Schwierigkeiten in der Beziehung verwiesen, sondern erklärt, der Kläger habe ihr gesagt, dass er noch einmal in die Türkei gehen müsse, weil er "noch etwas zu erledigen habe". Worum es dabei gegangen sei, habe er ihr nicht erzählt. Vermochte der Kläger damit angesichts der aufgezeigten Widersprüchlichkeiten nicht glaubhaft zu machen, dass er bei seinen Reisen in die Türkei im Jahre 1998 ausschließlich private Gründe verfolgte, besteht für den Senat keine Veranlassung, an den detaillierten Erkenntnissen des Bundeskriminalamts zu zweifeln, nach denen der Kläger tatsächlich mit der Absicht in die Türkei eingereist ist, sich in Verfolgung der Ziele der AFID bzw. des "Kalifatstaats" an einer gewaltsamen Besetzung der Fatih-Moschee in Istanbul zu beteiligen.

Die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers, der jegliche Verbindung zur AFID bzw. zum "Kalifatstaat" bestreitet, wird zudem wesentlich durch den Umstand in Frage gestellt, dass er in einem aus der Strafhaft heraus an seine frühere Ehefrau gerichteten Brief im Zusammenhang mit der Verurteilung durch das türkische Staatssicherheitsgericht die Formulierung "unsere Organisation" verwandt hat (vgl. Beiakte B, Bl. 419). Soweit der Kläger dazu in der mündlichen Verhandlung des Senats erklärt hat, er habe damit lediglich die religiöse Gemeinde in Braunschweig gemeint, erscheint dies als Schutzbehauptung. Dass der Kläger in Kenntnis des strafrechtlich gegen ihn in der Türkei erhobenen Vorwurfs, der AFID als illegaler Organisation bzw. bewaffneter Bande angehört zu haben, und zeitlich noch nach der daraufhin erfolgten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Jahren den Begriff Organisation nicht im Sinne einer durch die Verfolgung gemeinsamer politischer Zielsetzungen gekennzeichneten Verbindung von Personen, sondern allein zur Bezeichnung der Besucher der Moschee in Braunschweig gewählt haben will, überzeugt nicht.

Ein weiteres Indiz für die Verbindung des Klägers zur AFID ist darin zu sehen, dass seine frühere Ehefrau am 3. März 2005 gegenüber der Beklagten erklärt hat, er sei Mitglied dieser Organisation, die aber zum Zeitpunkt seines Eintritts noch nicht verboten gewesen sei (Gesprächsvermerk v. 4.3.2005, Beiake A, Bl. 498).

Des Weiteren fällt auf, dass sich der Kläger nach seiner Schilderung in der mündlichen Verhandlung des Senats bei der Festnahme in Istanbul in Begleitung von weiteren Personen befunden hat, die sämtlich aus Braunschweig stammten. Ein lediglich zufälliges Zusammentreffen dieser Personen in Istanbul, wie es der Kläger unter Hinweis auf den Umstand glaubhaft zu machen versucht, dass er in Braunschweig einen großen Bekanntenkreis habe und es selbstverständlich sei, bei gleichzeitigem Aufenthalt in Istanbul zusammenzutreffen, erscheint unter den gegebenen Umständen nicht glaubhaft. Dies gilt umso mehr, als die vom Kläger als seine Bekannten bezeichneten fünf Personen nach den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts ebenfalls der früheren Braunschweiger Gemeinde des "Kalifatstaats" zuzurechnen sind.

Auch wenn grundsätzlich Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der inzwischen aufgelösten türkischen Staatssicherheitsgerichte berechtigt sein mögen (vgl. EGMR, Urt. v. 12.5.2005 - 46221/99 -, NVwZ 2006, 1267 ff.), vermag der Senat unter Würdigung sämtlicher Erkenntnisse deshalb nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Kläger in der Türkei zu Unrecht verurteilt worden ist. Der Vernehmung der vom Kläger ohne Stellung eines förmlichen Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung insbesondere zum Beweis seiner fehlenden Verbindung zur AFID bzw. zum "Kalifatstaat" angebotenen Zeugen (vgl. Schriftsatz vom 25.3.2008) bedurfte es nicht, da nach dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher Wahrnehmungen die als Zeugen benannten Personen zu Angaben imstande sein sollten, die etwa über die Erklärungen der früheren Ehefrau des Klägers, sie sei persönlich von dessen Unschuld überzeugt und traue ihm die Beteiligung an gewaltsamen Aktionen mit religiösem bzw. politischem Hintergrund nicht zu, hinausgehen und den Schluss auf die Unrichtigkeit der Feststellungen des türkischen Staatssicherheitsgerichts und der Erkenntnisse des Bundeskriminalamts rechtfertigen könnten. Die Vorbereitung gewaltsamer Aktionen zur Durchsetzung religiöser oder politischer Ziele erfolgt aus naheliegenden Gründen regelmäßig im Geheimen und entzieht sich der Wahrnehmung Außenstehender, selbst wenn diese den Beteiligten ansonsten nahestehen mögen.

b) Die Beklagte ist auch im Übrigen nicht verpflichtet, dem Antrag des Klägers vom 18. Februar 2005 zu entsprechen und ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

aa) Zunächst ist festzustellen, dass die dem Kläger nach nationalen Rechtsvorschriften am 15. Dezember 1992 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis bei Erlass des Bescheides der Beklagten vom 29. März 2005 gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen war.

Die Frage, ob die beginnend im Oktober 1998 für mehrere Jahre eingetretene Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet zum Erlöschen der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis geführt hat, bemisst sich nach der bis zum Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 geltenden Vorschrift des § 44 AuslG, die hinsichtlich des hier einschlägigen Tatbestandes des Abs. 1 Nr. 3 im Übrigen der Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG entspricht.

Nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erlischt die Aufenthaltsgenehmigung, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Diese Voraussetzungen sind für den Kläger erfüllt, der nach der Ausreise in die Türkei im Oktober 1998 erst Anfang Dezember 2004 in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist, ohne dass die gesetzlich für die Rückkehr in das Bundesgebiet bestimmte Frist von sechs Monaten entsprechend verlängert worden wäre. Die Vorschrift des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, nach der die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, unter bestimmten Voraussetzungen nicht durch eine mehr als sechs Monate dauernde Ausreise erlischt, kann zugunsten des Klägers keine Berücksichtigung finden, denn diese Norm ist erst am 1. Januar 2005 und damit zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten, zu dem die dem Kläger erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis bereits gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen war. Im Übrigen liegt für den Kläger - wie noch auszuführen ist - der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG vor, welcher der Anwendung von § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausdrücklich entgegensteht.

Nicht entscheidungserheblich für das Erlöschen der Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG ist, aus welchem Grund der Ausländer ausgereist ist und wie lange der Auslandsaufenthalt seiner Vorstellung nach dauern sollte. Ebenso wenig kommt es grundsätzlich auf die Umstände an, aufgrund derer der Ausländer gehindert war, innerhalb von sechs Monaten in das Bundesgebiet zurückzukehren oder gemäß § 44 Abs. 3 AuslG eine Verlängerung der für die Wiedereinreise bestimmten Frist zu beantragen (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 18.1.2007 - 24 CS 07.35 -, und. v. 25.2.2004 - 10 ZB 03.187 -, jeweils zitiert nach juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 4.8.2004 - 18 B 2264/03 -, InfAuslR 2004, 439; OVG Hamburg, Beschl. v. 27.4.2004 - 3 Bs 71/04 -, AuAS 2004, 218 f.; Hailbronner, a. a. O., § 51 AufenthG, Rn. 21, 23).

Mit dem vom Verwaltungsgericht Bremen entschiedenen Fall (Urt. v. 30.11.2005 - 4 K 1013/05 -, InfAuslR 2006, 198 ff.) ist die Situation des Klägers entgegen der von ihm vertretenen Ansicht nicht vergleichbar. Der Kläger jenes Verfahrens war durch die Verbringung in das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba infolge einer dort bestehenden weitgehenden Kontaktsperre und des langfristigen Vorenthaltens anwaltlichen Beistands gehindert, fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der Wiedereinreisefrist zu stellen. Derartige außergewöhnliche Umstände sind hier nicht gegeben. Befindet sich der Ausländer in ausländischer Untersuchungs- oder Strafhaft, hindert dies die Kontaktaufnahme zur zuständigen Ausländerbehörde über diplomatische oder anwaltliche Vermittlung regelmäßig nicht (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 10.1.2007 - 24 BV 03.722 -, juris). Dass der Kläger daran gehindert gewesen wäre, sich auf diesem Weg um die Verlängerung der Wiedereinreisefrist zu bemühen, ist nicht ersichtlich. Unabhängig von der Frage, ob der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen im Ergebnis zu folgen ist, kommt jedenfalls eine über die dort vertretene Auffassung hinausgehende einschränkende Auslegung der Norm des § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG nicht in Betracht. Eine solche wird im Übrigen auch vom Verwaltungsgericht Bremen nicht befürwortet, das in seiner Entscheidung vom 30. November 2005 ausdrücklich ausführt, dass Untersuchungs- oder Strafhaft im Ausland ein Herantreten an die Ausländerbehörde regelmäßig nicht hindern (a. a. O., S. 201).

Ob der Kläger im Oktober 1998 aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG ausgereist ist, bedarf bei dieser Sachlage keiner Klärung mehr.

bb) Ein Anspruch auf (Neu-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist zugunsten des Klägers ebenfalls nicht begründet. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht ungeachtet der Frage des Vorliegens der sonstigen zu erfüllenden Voraussetzungen der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG entgegen.

Gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen, wenn einer der Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 oder 5a AufenthG vorliegt (Satz 1). Von Satz 1 können in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen werden, wenn sich der Ausländer gegenüber den zuständigen Behörden offenbart und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt (Satz 2). Die Vorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG sieht vor, dass ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften und Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.

Der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG ist erfüllt. Der Kläger ist in der Türkei wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach dem Urteil des türkischen Staatssicherheitsgerichts vom 11. April 2000 hat er der Vereinigung AFID angehört und sich aktiv an Planungen zur gewaltsamen Besetzung der Fatih-Moschee beteiligt. Sowohl bei der beabsichtigten Besetzung der Fatih-Moschee, bei der Waffen und Sprengstoff zum Einsatz kommen sollten, als auch bei dem von Anhängern der AFID geplanten Anschlag auf das Atatürk-Mausoleum mittels eines mit Sprengstoff beladenen Flugzeugs sollte Gewalt gegen Unbeteiligte eingesetzt werden, um die (politischen) Ziele der AFID bzw. des "Kalifatstaats" zu fördern, das laizistische Staatsgefüge der Türkei zu beseitigen und eine Herrschaft des Islam zu begründen. Die geplanten Aktionen sind damit als terroristische Aktivitäten im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen (vgl. zum Terrorismusbegriff: BVerwG, Urt. v. 30.3.1999 - 9 C 23/98 -, BVerwGE 109, 12 ff. = NVwZ 1999, 1349 ff.; Urt. v. 15.3.2005 - 1 C 26/03 -, BVerwGE 123, 114 ff. = NVwZ 2005, 1091 ff.; Hailbronner, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 28 f.). Die Beteiligung des Klägers an der geplanten gewaltsamen Besetzung der Fatih-Moschee wird - wie schon ausgeführt - auch durch die im Vermerk des Bundeskriminalamts vom 15. April 2005 niedergelegten Erkenntnisse belegt. Danach ist der Kläger sogar als Organisator dieser Aktion anzusehen. Dass die Anschläge in der Türkei erfolgen sollten, lässt den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG nicht entfallen, denn die Vorschrift ist auch auf das Ausland bezogen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/420, S. 70; Discher in: GK-AufenthG, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 458).

Soweit § 54 Nr. 5 AufenthG das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefährlichkeit erfordert, machen einerseits das Ausmaß und Gewicht der von den Mitgliedern der AFID im Oktober 1998 geplanten Aktionen und andererseits die im Erkenntnisvermerk des Bundeskriminalamts geschilderte Art und Weise der Beteiligung des Klägers hinsichtlich der Organisation der Besetzung der Fatih-Moschee deutlich, dass der Kläger sich in vollem Umfang mit den Zielen der AFID bzw. des "Kalifatstaats" identifiziert hatte. Nach den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts war er bereit, für den "Kalifatstaat" mit seinem Leben einzutreten und im Kampf um die besetzte Fatih-Moschee zu sterben. Ging die Identifikation des Klägers mit den Zielen der AFID bzw. des "Kalifatstaats" aber so weit, dass er sogar zum Einsatz seines eigenen Lebens bereit gewesen ist, so besteht trotz der längere Zeit zurückliegenden Beteiligung des Klägers an der Planung gewaltsamer Aktionen in der Türkei und des zwischenzeitlich erfolgten Verbots des "Kalifatstaats" im Bundesgebiet die begründete Gefahr, dass er auch weiterhin - wenn auch möglicherweise in anderem Rahmen - für die Ziele der Organisation eintreten wird, denn er hat sich bislang nicht nach außen erkennbar von der AFID bzw. dem "Kalifatstaat" distanziert und eine Abkehr von den Zielen dieser Organisationen nicht bekundet (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.11.2004 - 13 S 2394/04 -, InfAuslR 2005, 31 ff.; Beschl. v. 7.5.2003 - 1 S 254/03 -, juris; Discher, a. a. O., Rn. 606; Hailbronner, a. a. O., Rn. 32). Vielmehr bestreitet er trotz der anderslautenden Erkenntnislage bis heute, an den in der Türkei geplanten Aktionen beteiligt gewesen zu sein und überhaupt in Verbindung zur AFID oder dem "Kalifatstaat" gestanden zu haben.

Mangels Offenbarung und glaubhafter Abstandnahme des Klägers von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln ist zugleich festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme von dem der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehenden zwingenden Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG).

Unerheblich ist schließlich, ob der Kläger tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist bereits dann erfüllt, wenn der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG vorliegt (vgl. Bäuerle in: GK-AufenthG, a. a. O., § 5 AufenthG, Rn. 199; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 5 AufenthG, Rn. 68).

2. Die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung beruht auf § 59 AufenthG und ist nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2005 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 i. V. m. § 125 Abs. 1 VwGO).

3. Da die dem Kläger am 15. Dezember 1992 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis - wie bereits ausgeführt - erloschen ist und der Kläger nicht mehr zu dem nach Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtigten Personenkreis gehört, bleibt die von ihm erhobene Feststellungsklage sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch hinsichtlich des Hilfsantrags ohne Erfolg. Die Zulässigkeit der gestellten Feststellungsanträge kann dabei offen bleiben, denn nach den vorstehenden Erwägungen ist die Feststellungsklage jedenfalls unbegründet. Soweit das Verwaltungsgericht dem hilfsweise gestellten Antrag auf Feststellung des Bestehens eines assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts entsprochen hat, ist das erstinstanzliche Urteil deshalb ebenfalls aufzuheben. Die in Verfolgung des Hauptantrags der erhobenen Feststellungsklage sowie hilfsweise mit dem Begehren der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom Kläger eingelegte Anschlussberufung (§ 127 VwGO) ist zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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