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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.04.2008
Aktenzeichen: 1 MN 58/08
Rechtsgebiete: BauNVO, VwGO


Vorschriften:

BauNVO § 22 Abs. 4
VwGO § 47 Abs. 2
VwGO § 47 Abs. 6
1. Zur Normenkontrollantragsbefugnis eines Plannachbarn, wenn die Ausnutzungsmöglichkeiten durch die Planänderung erweitert werden.

2. Zur Frage, wann ein Bebauungsplan einstweilen außer Vollzug gesetzt werden darf, wenn dieser heilbare Mängel aufweist.

3. Die abweichende Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 4 BauNVO muss im normativen Teil des Bebauungsplanes festgesetzt werden; es reicht nicht aus, wenn diese nur in der Planbegründung erläutert wird.


Gründe:

Die Antragsteller sind Eigentümer eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks unmittelbar nördlich des Geltungsbereichs des hier angegriffenen Bebauungsplans, mit dessen 1. Änderung der Antragsgegner die Voraussetzungen für die Vergrößerung des dort stehenden, vom Beigeladenen betriebenen Altenpflegeheims schaffen will. Das Areal liegt nördlich der Straße "Im Scheunenfeld", die aus Nordosten kommend auf das unweit südwestlich des Plangebiets liegende Zentrum des Antragsgegners zuführt und dort auf die nach Norden führende Landesstraße 420 (Rodenberger Straße) stößt. Von der Straße Im Scheunenfeld geht eine Reihe von Straßen nach Norden (und Süden) ab, die im Wesentlichen Wohnquartiere erschließen. Eine davon ist die Stettiner Straße, von der die Danziger Straße nach Westen abgeht und nach einem Knick, an dessen Außenseite das Grundstück der Antragsteller liegt, nach Süden auf die Straße Im Scheunenfeld führt. An der Westseite dieses "Astes" liegt das nordsüdlich langgestreckte Grundstück des Beigeladenen. Dieses ist von Süden bis etwa in die Mitte des Areals reichend mit einem "Altenzentrum" bestanden, von dessen knapp 60 m langem Baukörper zwei Flügel im Süden sowie kurz vor dessen nördlichen Ende nach Westen abgehen. Der Beigeladene möchte diesen Baukörper auf rund 96 m verlängern. Der entsprechende Bauantrag ist schon gestellt, mit Rücksicht auf dieses Normenkontrolleilverfahren aber noch nicht beschieden.

Die planungsrechtliche Situation hat sich folgendermaßen entwickelt:

Das Grundstück des Beigeladenen ist das untere Drittel eines Areals, das im Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 10 (wohl: "Das Scheunenfeld") als Gewerbegebiet bei zweigeschossiger Bauweise mit einer Grundflächenzahl von 0,8 und einer Geschossflächenzahl von 1,2 festgesetzt worden war. Als überbaubar war die gesamte Grundstücksfläche mit Ausnahme eines Pflanzstreifens festgesetzt worden, der im Norden, Osten und Südosten 10 m, im Westen 5 m und im Süden zum Teil noch breiter war. Das Areal war bis auf eine in der Südostecke stehende, landwirtschaftlich genutzte Scheune unbebaut. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bebauungsplans Nr. 10 war die Danziger Straße bereits vorhanden. Dieser Bebauungsplan setzt neben dem Gewerbegebiet südlich und nördlich der Danziger Straße bis zur Straße Im Scheunenfeld reichend allgemeines Wohngebiet bei zweigeschossiger Bauweise und einer Grundflächenzahl von 0,4 sowie einer Geschossflächenzahl von 0,7 fest. Das Baugrundstück der Antragsteller existierte seinerzeit noch nicht. Dieses entstand (mit den Festsetzungen: WA, eingeschossige Bauweise, GRZ und GFZ jeweils 0,3, nur Einzelhäuser zulässig) durch den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 33 "Scheunefelde". Dessen Geltungsbereich "verbrauchte" die oberen zwei Drittel des oben genannten Gewerbegebiets aus dem Bebauungsplan Nr. 10, ließ aber das Restgrundstück unverändert. Mit diesem Bebauungsplan Nr. 33 "Scheunefelde" setzte die Antragsgegnerin - offenbar zur Abpufferung" - u.a. den Grünzug an der Westgrenze des Beigeladenen-Grundstücks, außerdem die Leipziger Straße fest, welche zwischen der Danziger Straße im Osten und der Rodenberger Straße (Landesstraße 420) im Westen von der Straße Im Scheunenfeld nach Norden abgeht. Dieser Straße zugewandt setzt der Bebauungsplan Nr. 33 Mischgebietsflächen bei zweigeschossiger Bauweise mit einer Grundflächenzahl von 0,4 und einer Geschossflächenzahl von 0,6 (möglicherweise 0,8) fest, die bis zur Landesstraße 420 reichen und eine nicht unerhebliche Tiefe haben. Erst nördlich davon beginnen die allgemeinen Wohngebiete, welche für den Bereich, in dem das Grundstück der Antragsteller liegt, die erwähnten Ausnutzungsziffern hat, im Übrigen eingeschossige Bauweise mit einer Grundflächen- und Geschossflächenzahl von jeweils 0,4 und der Festsetzung Einzel-/Doppelhäuser enthält. Tatsächlich scheinen diese Bereiche im Wesentlichen allein zu Wohnzwecken genutzt zu werden.

Die Bebaubarkeit des verbleibenden Gewerbegebiet-Grundstücks setzte die Antragsgegnerin erst zur Vorbereitung des vom Beigeladenen beabsichtigten und realisierten Vorhabens (Altenwohn-/Pflegeheim) im Jahre 2001 durch den Bebauungsplan Nr. 44 "Danziger Straße" neu fest, und zwar als Mischgebiet mit folgenden Ausnutzungsziffern: zweigeschossige Bauweise, GRZ: 0,4, GFZ: 0,7 bei offener Bauweise. Die Baugrenze reicht im Westen, Süden und Osten auf 3 m an die Grundstücksgrenze heran, im Norden, d.h. zum Grundstück der Antragsteller hin, hält sie einen Abstand von 10 m ein.

Der Beigeladene nutzte die Festsetzungen wie folgt aus: Das Scheunengebäude wurde abgerissen, das Altenwohn-/Pflegeheim in nordsüdlicher Aufstellung errichtet. Die nördliche Abschlusswand reicht in etwa bis zur Mitte des Gebäudes Danziger Straße 2. Die Länge des vorhandenen Gebäudes beträgt knapp 60 m.

Am 31. Oktober 2007 beschloss der Verwaltungsausschuss des Antragsgegners, den Plan im Wege des § 13 a BauGB zum ersten Mal zu ändern. Der Planentwurf wurde vom 11. Dezember 2007 bis zum 10. Januar 2008 öffentlich ausgelegt. Am 7. Februar 2008 beschloss der Rat des Antragsgegners die 1. Änderung als Satzung und deren Begründung. Die Festsetzung als Mischgebiet blieb erhalten. Dasselbe gilt für die Baugrenzen und die Grundflächenzahl. Die Geschossflächenzahl wurde von 0,7 auf 0,8 erhöht. Statt der offenen setzt der Plan nunmehr abweichende Bauweise fest. Zweck und Hintergrund der 1. Planänderung ist die Absicht des Beigeladenen, das Altenwohn-/Pflegeheim nach Norden erweitern zu wollen. Damit der Gebäudekomplex einheitlich genutzt und insbesondere alle Flure durchgehend und barrierefrei gestaltet werden können, hätte dies auf der Grundlage einer offenen Bauweise nicht verwirklicht werden sollen. Das Gesamtvorhaben soll nach der Planbegründung rund 96 m lang werden.

Die Anliegergemeinschaft, zu der auch die Antragsteller gehören, hatte gegen das Vorhaben eine ganze Reihe von Einwendungen erhoben. Das waren insbesondere die folgenden:

Die Ausnutzung der Planfestsetzungen werde die Qualität ihrer Wohngrundstücke erheblichen Umfangs senken. Schon die Länge des Gesamtgebäudes von 96 m erzeuge zu ihren Lasten erdrückende Wirkung. Mit der Inbetriebnahme gehe eine unzumutbare Verstärkung des An- und Abfahrtsverkehrs einher. Nicht nur werde die Bettenzahl verdoppelt. Zu berücksichtigen sei vielmehr auch, dass in dem Gebäude nunmehr verstärkten Umfangs schwerstpflegebedürftige Personen aufgenommen werden sollten. Das werde einen verstärkten Kranken- und Unfallwagenverkehr zur Folge haben. Diesen könne die ausgesprochen schmale Danziger Straße nicht mehr aufnehmen. Es komme hinzu, dass der vom Vorhaben verursachte ruhende Verkehr schon jetzt erheblichen Umfangs die Danziger Straße verstopfe. Das werde sich über die Grenze der Zumutbarkeit hinaus verstärken, wenn die Bettenzahl verdoppelt werde und sich dementsprechend verstärkter An- und Abfahrtsverkehr von Besuchern ergebe. Der Plan lasse jede Lösung des ruhenden Verkehrs vermissen und verweise diesen allein auf das Genehmigungsverfahren. Das sei unzulässig. Vielmehr habe die Antragsgegnerin schon im Plan die durch das Vorhaben hervorgerufenen Konflikte zu lösen. Die Umstrukturierung in der Art der Patienten lasse auch die Standortwahl als nur vorgeschoben erscheinen. Denn diesen begründe die Antragsgegnerin im Wesentlichen mit der Erwägung, den Bewohnern des Altenheimes die Vorzüge stadtnahen Wohnens zukommen zu lassen. Diesen Vorzug könnten schwerstpflegebedürftige Patienten gar nicht genießen. Bereits jetzt habe der Beigeladene Außensitzgruppen eingerichtet, auf denen zu Lasten ihrer Grünflächen laute Gespräche geführt würden. Ihre Außenwohnbereiche könnten künftig zudem deshalb nicht mehr, jedenfalls nicht mehr im bisherigen Umfang und der Qualität genossen werden können, weil vom streitigen Vorhaben nunmehr darin Einsicht genommen werden könne. Außerdem bewältige der Plan nicht den in der Vergangenheit wiederholt zu beobachtenden Umstand, dass die Bewohner der vom Beigeladenen betriebenen Einrichtungen Unrat auf ihre Grundstücke entsorgten. Die Ausnutzung der Planfestsetzungen verunstaltet das Ortsbild. Der Plan definiere nicht, was unter abweichender Bauweise verstanden werden solle. Es handele sich um eine unzulässige "Briefmarkenplanung". Das Grundstück selbst könne nicht als "Mischgebiet" im eigentlichen Sinne angesehen werden. Auch deshalb sei der Plan sowohl in seiner Ur- als auch in der Fassung seiner 1. Änderung unwirksam. Das könnten sie jetzt auch noch rügen.

Am 14. März 2008 haben die Antragsteller gegen die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 44 Normenkontrollantrag gestellt und zugleich beantragt, dessen Vollziehung einstweilen auszusetzen. Zur Begründung des Eilantrags wiederholen und vertiefen sie ihr bisheriges Vorbringen.

Antragsgegnerin und Beigeladener treten dem Normenkontrolleilantrag entgegen.

Der Normenkontrolleilantrag hat Erfolg.

Die Antragsteller sind antragsbefugt. Das ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, welche geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215 = DVBl 1999, 100 = BRS 60 Nr. 46) kann die (mögliche) Verletzung eines solchen Rechts auch/insbesondere aus einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgen. Antragsbefugt kann derjenige sein, der sich auf einen abwägungserheblichen Belang zu berufen vermag. Um einen "nachbarschützenden", d.h. einen Belang, auf den sich der Normenkontrollantragsteller bei dem Versuch berufen könnte, eine in Ausnutzung der Planfestsetzungen erteilte Baugenehmigung zu Fall zu bringen, muss es sich damit nicht notwendigerweise handeln. Bei der planerischen Abwägung unbeachtet bleiben können hingegen alle Interessen, die städtebaurechtlich entweder objektiv geringwertig oder etwa deswegen nicht schutzwürdig sind, weil der Antragsteller mit einer solchen Festsetzung rechnen musste.

Danach ist den Antragstellern die Antragsbefugnis nicht abzusprechen. Es trifft zwar zu, dass der Schutz einer freien Aussicht in aller Regel nicht zum abwägungsrelevanten Material gehört (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschl. v. 23.12.1981 - 4 B 196.81 -, Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 25; Beschl. v. 9.2.1995 - 4 NB 17.94 -, NVwZ 1995, 895 = BRS 57 Nr. 42). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NB 3.92 -, DVBl 1992, 1441 = NVwZ 1993, 468 = BRS 54 Nr. 21 m.w.N.) hat die Gemeinde das Interesse der vorhandenen Bebauung, rückwärtig angrenzende Flächen im Interesse der Wohnruhe und Erholung weiterhin freigehalten zu sehen, selbst dann ihre Abwägung einzustellen, wenn sich dieser Vorteil lediglich als Reflex einer nicht nachbarschützenden Festsetzung darstellt.

Danach hatte die Antragsgegnerin bei der hier angegriffenen 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 auch die Frage zu beantworten, ob und in welcher Tiefe und Dichte sie einen Baukörper an das Grundstück der Antragsteller heranführen darf. Diese werden zwar im Gegensatz zu den Gebäuden an der Ostseite der Danziger Straße bei einer Ausnutzung der Festsetzungen nicht so stark betroffen. Denn ihnen wird/würde der Erweiterungsbau aller Voraussicht nach nur einen "Flügel" zuwenden, wie er voraussichtlich in Entsprechung des Südflügels auch am Nordende des Erweiterungsbaus angelegt werden wird. Es trifft zwar auch zu, dass schon die bisher festgesetzte überbaubare Grundstücksfläche es gestattet haben würde, bis an die (10 m Abstand zu ihrer Grundstückssüdgrenze haltende) Baugrenze reichend ein zweieinhalbgeschossiges Bauwerk zu errichten. Die Erhöhung der Geschossflächenzahl und die bislang festgesetzte offene Bauweise bildeten im Ergebnis jedoch in gewissem Umfang einen Schutz. Denn die bisherige Festsetzung als "offene Bauweise" hatte zur Folge, dass jedenfalls ein Gesamt-Vorhaben, welches barrierefrei "in einem Zuge" zur Unterbringung alter und pflegebedürftiger Personen genutzt werden sollte, nicht annähernd so nah an die Südgrenze ihres Grundstücks würden heranrücken können. Denn § 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 begrenzt die Länge von Gebäuden, welche bei festgesetzter offener Bauweise errichtet werden dürfen, auf höchstens 50 m. Demnach musste bei Beibehaltung des vorhandenen Baukörpers und der bisherigen Festsetzungen ein barrierefrei und einheitlich zu nutzender Bau mindestens 45 m südlich ihres Grundstücks enden, möglicherweise auch noch verlängert durch den Abstand, der sich aus der Differenz zwischen der Grundstücksgrenze und der Baugrenze ergibt. Das soll durch die angegriffene 1. Änderung geändert werden. Die damit verbundenen Auswirkungen hatte die Antragsgegnerin bei der hier zu prüfenden Abwägungsentscheidung mit in Blick zu nehmen. Ob das zwingend zu einem den Antragstellern günstigeren Ergebnis führen muss, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern erst der Begründetheit.

Der auch im Übrigen zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Wegen der weitreichenden Folgen, welche die Aussetzung eines Bebauungsplanes regelmäßig hat, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Aussetzung ein strenger Maßstab anzulegen. Ob ein schwerer Nachteil in diesem Sinne vorliegt (vgl. dazu Erichsen/Scherzberg, DVBl 1987, 168, 174 m.w.N.: ganz besondere Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Antragsteller oder ein ihnen abverlangtes außergewöhnliches Opfer), lässt der Senat hier unentschieden. Denn der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ist aus anderen wichtigen Gründen i.S. des § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten. Da das Gewicht dieser Gründe ungefähr dem des schweren Nachteils entsprechen muss, ist die Aussetzung des Vollzugs aus diesem Anordnungsgrund zur Verhinderung vollendeter Tatsachen nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn der Normenkontrollantrag mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird (vgl. Senatsbeschl. v. 21.3.1988 - 1 D 6/87 -, BRS 48 Nr. 30). Das ist hier der Fall.

Das ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin die "abweichende Bauweise" nicht, wie durch § 22 Abs. 4 Satz 1 BauNVO 1990 geboten, "im Bebauungsplan ... festgesetzt" hat. Es entspricht - soweit ersichtlich - zumindest weitgehend einhelliger Kommentatorenmeinung, dass die "abweichende Bauweise" im sog. normativen Teil eines Bebauungsplans festgesetzt werden muss (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, § 22 Rdnr. 34 unter Hinweis auch auf BWVGH, Beschl. v. 10.4.1995 - 3 S 608/95 -, ZfBR 1995, 221 = BWVBl. 1995, 434; König/Roeser/Stock, BauNVO 2. Aufl. § 22 Rdnr. 21 und 22 b; Knaup/Stange, BauNVO Kommentar, § 22 Rdnr. 44; ebenso wohl Fickert/Fieseler, BauNVO Kommentar 10. Aufl. § 22 Tz 10).

Der Senat teilt diese Auffassung. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 4 BauNVO 1990. Die gegenteilige Annahme der Antragsgegnerin, es reiche aus, wenn dies in der Begründung zum Bebauungsplan ausreichend zum Ausdruck gebracht werde, trifft nicht zu. Ausführungen in der Planbegründung mögen geeignet sein, Widersprüche in zeichnerischen und/oder textlichen Festsetzungen so weit aufzuklären, dass sich unter Zuhilfenahme der Planbegründung eine bündige, d.h. ausreichend bestimmte Regelung ergibt. Die im normativen Teil des Bebauungsplanes, d.h. den textlichen und zeichnerischen Festsetzungen zu treffenden Anordnungen können Ausführungen in der Planbegründung indes nicht ersetzen.

Es kommt hier hinzu, dass die Ausführungen in der Begründung zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Danziger Straße" insoweit auch nicht ausreichen. Nicht nur hinsichtlich der Positionierung der Zu- und Abfahrten sowie der Flächen für den ruhenden Verkehr hat die Antragsgegnerin im Wesentlichen auf das Vorhabengenehmigungsverfahren verwiesen. Auch hinsichtlich des Baukörpers im Einzelnen hat sie sich im Wesentlichen auf das zurückgezogen, was der Beigeladene voraussichtlich zur Genehmigung stellen wird, ohne dies durch eindeutige Zeichnung und Dimensionierung zum Inhalt der Planbegründung gemacht zu haben. Dazu hätte u.a. auch gehört, nicht nur die Länge des Gesamtvorhabens mit ca. 96 m anzugeben, sondern etwa auch darzutun, in welcher Weise entlang der Südgrenze der Antragsteller dann noch ein weiterer Flügel würde angefügt werden können.

Dieser Mangel wird in einem ergänzenden Verfahren zwar geheilt werden können. Er führt jedoch hier dazu, dass der Bebauungsplan bis zur einwandfreien Heilung einstweilen außer Vollzug zu setzen ist. Zur Frage, ob und in welchem Umfang heilbare Mängel die einstweilige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplanes trotz/wegen der damit verbundenen weitreichenden Folgen zu rechtfertigen vermögen, hat der Senat in seinem unveröffentlichten Beschluss vom 15. November 2000 - 1 M 3238/00 - u.a. das Folgende ausgeführt:

"Die fehlende Sicherung der geplanten Ersatzmaßnahme kann durch eine vertragliche Regelung wirksam nachgeholt werden. .....

Diese Maßnahmen sind bislang nicht geschehen. Nach dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 15. November 2000 ist noch nicht einmal beabsichtigt, dies zu tun. Die Antragsgegnerin meint vielmehr, mit dem Abschluss des Vertrages und seiner grundbuchlichen Sicherung alles zur Heilung Erforderliche unternommen zu haben.

Das führt dazu, dass der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO aus anderen Gründen dringend geboten und dem Eilantrag daher stattzugeben ist.

Der Senat hat sich in seinem Beschluss vom 27. September 1999 (1 M 2579/99) zwar der Auffassung des OVG Münster (Beschl. v. 3.12.1997 - 7 a B 1110/97.NE -, BauR 1999, 362, 363 f.) angeschlossen, wonach die mögliche nachträgliche Fehlerbehebung bei der Prüfung zu berücksichtigen sein kann, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten sei. Dies wird indes nicht gleichsam automatisch zu geschehen haben, wenn Mängel nach § 215 a BauGB geheilt werden können. Das verbietet sich schon deshalb, weil auch Abwägungsmängel nach § 215 a BauGB 'nur' zur Unwirksamkeit des Planes (statt zu seiner Nichtigkeit) führen können. Dementsprechend ist zu differenzieren.

Soll ein Plan 'aus anderen Gründen' einstweilen außer Vollzug gesetzt werden, so müssen diese das gleiche Gewicht und "die gleiche Richtung" haben wie die "schweren Nachteile", welche nach der ersten Alternative des § 47 Abs. 6 Halbsatz 2 VwGO die Außervollzugsetzung (allein) rechtfertigen (können). Bei der ersten Tatbestandsalternative prüft der Senat allein, ob die Verwirklichung der Planfestsetzungen für den Antragsteller schwere Nachteile nach sich zieht. Der Umstand, dass das Normenkontrollverfahren nach Überwindung der Zulässigkeitshürde des § 47 Abs. 2 VwGO ein 'objektives Verfahren' darstellt, ändert daran nichts. Dementsprechend ist auch bei der zweiten Alternative zu prüfen, ob der behebbare Mangel gerade Rechte des Antragstellers betrifft. Ist es beispielsweise so, dass die angegriffene Abwägungsentscheidung - auch - im Hinblick auf Rechtspositionen des Antragstellers zu beanstanden ist, ist es ungeachtet der durch § 215 a BauGB eröffneten Möglichkeit, dies zu korrigieren, geboten, den Plan einstweilen außer Vollzug zu setzen, bis es der planenden Gemeinde tatsächlich gelungen ist, diesen Abwägungsmangel zu heilen. Ob ihr dies gelungen ist, ist vom Senat dann in einem Abänderungsverfahren zu prüfen, welches nach seiner Rechtsprechung in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 7 VwGO statthaft ist (vgl. Beschl. v. 18.7.1997 - 1 M 3210/97 -, BauR 1997, 814 = NVwZ-RR 1998, 421 = BRS 59 Nr. 53). Dieses Abänderungsverfahren stellt die Änderungsüberlegungen der Gemeinde zur Nachprüfung des Senats und damit sicher, dass der Plan erst dann vollzogen werden kann, wenn diese die Verletzung des drittschützenden Rechts, auch die Belange des Antragstellers gerecht abzuwägen, voraussichtlich 'wirklich' geheilt hat.

Anders kann es sich verhalten, wenn, wie hier, der Plan 'lediglich' wegen solcher Belange in heilbarer Weise unwirksam ist, welche der Antragsteller nicht als eigene Rechte reklamieren kann. In diesem Zusammenhang muss dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass der Plan ja nicht nur mögliche Rechte des Antragstellers verletzen kann, sondern zugleich einem unter mehreren Grundstückseigentümern Rechtsvorteile verheißt. Das rechtfertigt es auch, diese Fälle anders zu behandeln als 'bipolare' Konstellationen, in denen beispielsweise eine bauordnungsrechtliche Verfügung wegen unterlassener Anhörung formell rechtswidrig ist. In einem solchen Fall ist zwar mit einiger Gewissheit damit zu rechnen, dieser Mangel werde entsprechend § 45 VwVfG bis zum Abschluss des Klageverfahrens geheilt werden. Gleichwohl überwiegt in einem solchen Fall einstweilen das Interesse des betroffenen Bürgers, von der Vollziehung des formell rechtswidrigen Bescheides bis zur Heilung dieses Mangels einstweilen verschont zu bleiben. Von dieser 'bipolaren' Konstellation unterscheidet sich das Normenkontrollverfahren dadurch, dass der angegriffene Plan entsprechend Art. 14 Abs. 1 GG die Grundlage zur baulichen Ausnutzung des Baugrundstücks für eine oder mehrere Eigentümer schafft.

In diesem 'Dreiecksverhältnis' muss eine Lösung gefunden werden, welche den Interessen aller Beteiligten gerecht wird. Dies schließt es aus, den Interessen des Eigentümers eines Plangrundstückes und/oder der planenden Gemeinde stets Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers einzuräumen, von der Verwirklichung der Planfestsetzungen einstweilen verschont zu bleiben. Denn dann liefe dieser Gefahr, dass ihm ein Erfolg im Hauptsacheverfahren wegen zwischenzeitlicher Planverwirklichung nicht mehr von Nutzen ist. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn der Plan - wie hier - nur wenige Grundstücke umfasst und seine Festsetzungen alsbald verwirklicht werden können. Das Risiko, einen sich derzeit abzeichnenden Erfolg im Hauptsacheverfahren wegen zwischenzeitlich bewirkter Bautätigkeit nicht mehr genießen zu könne, braucht der Antragsteller bei gerechter Abwägung der konkurrierenden Interessen daher nur dann zu tragen, wenn sich im derzeitigen Verfahrensstadium verlässlich absehen lässt, bis zur Entscheidung im Normenkontroll(hauptsache)verfahren werde der Mangel beseitigt sein. Das ist hier nicht der Fall. Die Antragsgegnerin hat durch ihren Schriftsatz vom 15. November 2000 zu erkennen gegeben, sie arbeite derzeit eben nicht (erfolgversprechend) daran, den Mangel unzureichenden Ausgleichs des Eingriffes in Natur und Landschaft bis zur mündlichen Verhandlung zu beseitigen. Angesichts dessen kann den Antragstellern nicht zugemutet werden, 'sehenden Auges' zuzusehen, dass die derzeit unwirksamen Planfestsetzungen doch verwirklicht werden. Dass diese Gefahr besteht, hat das Verfahren gezeigt, welche die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Teilbaugenehmigung vom 10. November 2000 praktiziert hat."

An diesen Ausführungen hält der Senat fest. Das OVG Münster, an dessen Rechtsprechung sich der Senat in der zitierten Entscheidung angelehnt hat, hat zwar in seiner neueren Rechtsprechung (vgl. insbesondere Beschl. v. 25.1.2008 - 7 B 1743/07.NE -, NuR 2008, 210 = ZfBR 2008, 280) entschieden, ein Bebauungsplan sei nicht wegen eines Mangels (dort: bei Ermittlung und Bewertung der im Planaufstellungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen) einstweilen außer Vollzug zu setzen, wenn dieser Mangel während des noch anhängigen Normenkontrollverfahrens "ohne Weiteres im Wege des ergänzenden Verfahrens durch einen neuen Ratsbeschluss - ggf. mit Rückwirkung - behoben werden kann.". Das allein stellt eine ausreichende Berücksichtigung der im Senatsbeschluss vom 15. November 2000 - 1 M 3238/00 - skizzierten konkurrierenden Interessen für sich noch nicht ausreichend sicher. Zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber die bei Beschlussfassung vom 15. November 2000 noch gegebene Differenzierung in Nichtigkeits- und bloße Unwirksamkeitsfolge durch Neufassung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 VwGO beseitigt und angeordnet hat, ein begründeter Normenkontrollantrag könne stets nur zur "Unwirksamkeit" der angegriffenen Norm führen. Darin drückt sich zwar die Einschätzung des Gesetzgebers aus, eine Vielzahl von Mängeln könne - sei es mit, sei es ohne Rückwirkung - noch geheilt und so der Plan (jedenfalls im Wesentlichen) "gerettet" werden. Gleichwohl hat der Gesetzgeber § 47 Abs. 6 VwGO im Wesentlichen unangetastet gelassen. Das nötigt zur Annahme, auch Mängel, welche "nur" zur Unwirksamkeit führen und mehr oder minder schnell beseitigt werden können, könnten die einstweilige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplanes rechtfertigen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Planfestsetzungen ein "Recht" der Antragsteller, d.h. genauer: einen bei der Abwägung in ihrem Interesse zu berücksichtigenden Belang nachteilig berühren. Das ist hier der Fall. Wie oben dargelegt ist auch in ihrem Interesse durch den Rat eindeutig im normativen Teil des Bebauungsplanes festzulegen und zu verantworten, wie die "abweichende", d.h. in § 22 Abs. 4 BauNVO gerade nicht definierte Bauweise auszusehen hat. Solange dies nicht in eindeutiger Weise geregelt ist, wäre es auch unter Berücksichtigung des Dreiecksverhältnisses, d.h. der triftigen Interessen des Beigeladenen nicht zu rechtfertigen, die Planfestsetzungen nunmehr ausnutzen zu können, solange dem Antragsgegner die Planreparatur "nicht gelungen ist".

Mit Rücksicht auf die weiteren Rügen sieht der Senat Anlass zu folgenden Ausführungen:

Die Rüge, für das Grundstück selbst habe keine "Briefmarkenplanung" gemacht werden dürfen, welches das Grundstück isoliert als "Mischgebiet" festsetzt, greift aller Voraussicht nach nicht durch. Sogenannte "Briefmarkenplanungen" sind nicht schlechthin unzulässig (vgl. zum Nachweis etwa die Hinweise bei Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts 3. Aufl., Rdnr. 325 und 1514). Allerdings ist in solchen Fällen verstärkt die städtebauliche Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB) sowie die Abwägungsgerechtigkeit im Hinblick auf die gebotene Konfliktbewältigung zu prüfen. Außerdem mag sich die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang gestellte Frage aufwerfen, ob ein solches Grundstück tatsächlich die Festsetzung als "Mischgebiet" verdient. Das ist hier zu bejahen. Mischgebiete sind sozusagen stets "problematisch". Denn das vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 BauNVO als charakteristisch vorgestellte "gleichberechtigte Mischungsverhältnis" von Wohn- und gewerblicher Nutzung, welche das Wohnen nicht wesentlich stört, wirft bei der Realisierung eines als Mischgebiet überplanten Bereichs stets die Frage und das Problem auf, wann diese Gleichmäßigkeit und "Durchmischung" noch gewährleistet ist. Um ein Abkippen in ein allgemeines/reines Wohn- oder reines Gewerbegebiet andererseits zu verhindern, ist der Ortsgesetzgeber häufig verbunden, dies durch Feingliederungsfestsetzung nach § 1 Abs. 4 ff. BauNVO sicherzustellen. Statt eine solche Gliederung zu wählen, kann der Gesetzgeber aber auch - wie hier - durch die Bebauungspläne Nr. 33 und 44 geschehen - nördlich der Straße Im Scheunenfeld "größere Mischgebiete" festsetzen und für einen Teilbereich - wie hier im Bereich des Bebauungsplans Nr. 44 geschehen - sozusagen als Ersatz für eine solche Feingliederungsmaßnahme eine "Briefmarkenplanung" einsetzen. Das durch § 6 Abs. 1 BauNVO gebotene Mischungsverhältnis muss nicht dann in dem Bebauungsplan Nr. 44 allein erreicht werden. Das Mischungsverhältnis stellt sich dann vielmehr durch die anderen, benachbarten Flächen ein, welche schon im Bebauungsplan Nr. 33, von dessen Festsetzungen nicht zuletzt die Antragsteller durch Festsetzung ihres Baugrundstücks profitieren, festgesetzt worden ist. Bei dieser gesamtheitlichen Betrachtungsweise dürfte gegen die Festsetzung eines Mischgebiets aller Voraussicht nach keine Bedenken bestehen. Zudem wäre es durchaus fragwürdig, ob ein Pflegeheim in Anwendung des § 3 Abs. 4 BauNVO 1990 - wie die Antragsteller meinen - auch in einem allgemeinen oder sogar einem reinen Wohngebiet würde festgesetzt werden können. Bei der Größe, welche das Vorhaben des Beigeladenen schon jetzt erreicht und erst recht bei derjenigen, welche es nach dem Willen der Antragsgegnerin (1. Planänderung) erreichen soll, dürfte dies mit dem Gebietscharakter des § 3 Abs. 1 und des § 4 Abs. 1 BauNVO möglicherweise nicht mehr zu vereinbaren sein.

Durchgreifende Anhaltspunkte für die Annahme, eine solche Festsetzung verstoße gegen das Abwägungsgebot, bestehen nicht. Allgemeines Wohn- und Mischgebiet können benachbart festgesetzt werden. Das gilt hier umso mehr, als dieser Teil des Mischgebiets in einer Weise genutzt werden soll, die nach der Fiktion des Gesetzgebers in § 3 Abs. 4 BauNVO - jedenfalls bis zu einer gewissen Größe - sogar in einem reinen Wohngebiet zulässig sein soll.

Die Annahme einer "erdrückenden Wirkung" wird aller Voraussicht nach ebenfalls nicht gerechtfertigt sein. Der Senat hat die Grundsätze, die bei der Anwendung dieser baurechtlichen "Topos" zu beachten sind, in seinem Beschluss vom 15. Januar 2007 (- 1 ME 80/07 -, ZfBR 2007, 284 = NdsVBl 2007, 248 = AuR 2007, 241) zusammengefasst. Darauf wird verwiesen. Die Annahme einer "erdrückenden Wirkung" kommt danach "wirklich" nur dann in Betracht, wenn das Vorhaben die benachbarte Bebauung gleichsam in eine "Gefängnishofsituation" bringt, es diese wegen Unmaßstäblichkeit der Baukörper regelrecht "erdrückt" und benachbarte Bebauung und Grundstücksnutzung damit die "Luft zum Atmen nimmt". Die in diesen Ausdrücken enthaltene "Dramatik" ist ernst zu nehmen. Nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben eine Grundstückssituation verändert und Nachbarn (sehr) unbequem ist, kann schon im Rechtssinne von "erdrückender Wirkung" die Rede sein. Eine danach vorgenommene Würdigung insbesondere anhand der vorgelegten Pläne, aber auch des Eindrucks, der sich aus "Google earth" ergibt, zeigt folgendes Bild: Der bisherige Baukörper ist in ein vergleichsweise großes Areal eingebettet. Nach Osten greift er zwar schon relativ nah an den Südast der Danziger Straße heran. Das im Norden des vorhandenen Baukörpers gelegene Areal ist aber sowohl durch seine auffällige "Nichtnutzung" sowie die Baugrenzen des Bebauungsplans Nr. 44, möglicherweise zusätzlich durch die noch immer nachwirkende Festsetzung des Areals als Gewerbegebiet so "vorgeprägt", dass die Grundstückssituation für ein solches Erweiterungsvorhaben gleichsam vorbereitet war. Das führt nun zwar nicht dazu, die Interessen der Anlieger als von vornherein mit diesem "Damoklesschwert" belastet anzusehen, dass sie mit einem solchen Vorhaben ohne weiteres rechnen mussten und ihre Normenkontrollanträge daher nicht zulässig wären. Soweit geht die Vorprägung noch nicht. Andererseits ist aber nicht zu verkennen, dass das Pflegeheim derzeit einen Abschluss gefunden hatte, welcher ersichtlich nicht "das letzte Wort" sein sollte. Nach Westen ist es durch einen Grünstreifen abgetrennt. Die Häuser an der Ostseite der Danziger Straße rücken zwar recht nah an diese Straße und damit indirekt auch an den Baukörper des bestehenden sowie eines künftigen Altenpflegeheims heran. Ihre "Luft zum Atmen" erhalten sie nach den vorliegenden Plänen und dem sich aus Google earth ergebenden Eindruck jedoch nicht durch die Westfront, sondern durch die Möglichkeit, welche ihnen die rückwärtigen Grundstücksflächen an Nutzungsmöglichkeiten bieten. Diese werden durch ein solches Vorhaben nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich der Antragsteller gilt dies in noch geringerem Maße. Deren Grundstück wird nicht nur von der Leipziger Straße her erschlossen mit der Folge, dass die von ihnen beklagten, nachstehend zu behandelnden verkehrlichen Folgen sie nicht treffen. Zu ihrem Grundstück setzt der Bebauungsplan Nr. 44 schon in seiner Ur-, in seiner 1. Änderung nicht veränderten Fassung einen Abstand von 10 m zwischen gemeinsamer Grundstücks- und Baugrenze fest. Damit wird selbst dann, wenn ein dort stehendes Gebäude das Schmalseitenprivileg (§ 7a NBauO) würde in Anspruch nehmen können, der vom niedersächsischen Gesetzgeber gewollte Grenzabstand deutlich vergrößert. "Erdrückende Wirkung" im eigentlichen Sinne wird das Vorhaben zu ihren Lasten daher aller Voraussicht nach nicht haben (können).

Das Vorhaben wirft nach dem derzeit absehbaren Stand der Dinge auch keine Probleme des An- und Abfahrtsverkehrs auf, welche die Annahme offensichtlicher Begründetheit des Normenkontrollantrages rechtfertigten. Selbst wenn in dem Erweiterungsbau überwiegend schwerst pflegebedürftige Personen untergebracht werden sollen, bedeutet das nicht, jedenfalls nicht zwingend, dass nunmehr merklich verstärkter Verkehr an Notfallfahrzeugen zu erwarten ist. Auch eine Steigerung der Nutzung der Feuerwehrzufahrt ist nicht zwingend zu erwarten.

Die Leistungsfähigkeit der Danziger Straße wirft zwar Fragen auf. Es ist jedoch nicht in einer die Aussetzung des Planes rechtfertigender Weise wahrscheinlich, dass diese den zusätzlichen Verkehr nicht aufzunehmen vermag. Der Senat orientiert sich dabei an den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006, welche die Forschungsgruppe für Straßen- und Verkehrswesen im Jahre 2007 veröffentlicht hat (RASt 06). Nach den Ausführungen in Nr. 4.1der RASt 06 ist es so: PKWs erreichen eine Breite von 1,75 m. Für Begegnungsverkehr sollte zwischen den Personenkraftwagen ein Abstand von 0,25 m freibleiben; dasselbe gilt für den Abstand zum Fahrbahnrand/Gehsteig. Das ergibt eine Fahrbahnbreite von 4,25 m. Dementsprechend wird für Straßen, die im Wesentlichen nur Personenkraftwagen einen Begegnungsverkehr zu ermöglichen haben, eine Breite von "4,75 (4,10)m" empfohlen. Der Klammerzusatz zeigt, dass bei einer Neuanlage von Straßen zur Erhöhung des Komforts zwar eine Breite von 4,75 m anzustreben ist, je nach den örtlichen Verhältnissen, d. h. "unter Umständen" auch eine Breite von nur 4,10 m ausreichen kann. Hier ist die Fahrbahn immerhin 4,25 m breit.

Es mag nun sein, dass die Empfehlungen, welche die RASt 06 unter "modernem Blickwinkel" in ihren Nrn. 5.2.2 (reine Wohnstraßen) und 5.2.3 (Sammelstraßen) gibt, zu größeren Freiraumprofilen gelangt, als sie hier verwirklicht werden können. Es ist aber folgendes zu beachten: Die Danziger Straße erschließt in ihrem gesamten Bereich vom Vorhaben des Beigeladenen abgesehen nur 16 Wohngrundstücke - die beiden Eckgrundstücke Stettiner -/Danziger Straße ebenso eingeschlossen wie das Eckgrundstück im östlichen Knie zwischen Danziger Straße und Im Scheunenfeld. Das ist so wenig, dass selbst unter Berücksichtigung der Personalparkplätze im Dreischichtenbetrieb sowie der Besucher und der Versorgungsfahrzeuge jedenfalls derzeit wenig für die Annahme spricht, die Erweiterung des vorhandenen Pflegeheimes führe zu einer städtebaulich nicht mehr hinzunehmenden Verschlechterung der Verkehrssituation. Sie mag nicht optimal sein. So insuffizient, dass die beabsichtigte Erweiterung zu unterbleiben habe, ist sie aber nicht.

Soweit sich Verkehrsprobleme durch das rechtswidrige Abstellen von Kraftfahrzeugen durch Dritte ergeben (haben), sind diese dem Planvorhaben nicht zwingend zuzurechnen. Rechtswidriges Verhalten Dritter kann in vielerlei Hinsichten nicht vollständig und verlässlich ausgeschlossen werden (Beispiel: Benutzung von Wertstofftonnen außerhalb der zugelassenen Zeiten, Nutzung von Bolzplätzen zur Nachtzeit durch lautstark agierende Halbwüchsige). Ein solcher "Abusus" ist im Regelfall aber nicht geeignet, solche Vorhaben abwehren zu können (zu Bolzplätzen vgl. insbes. OVG Lüneburg, Urt. v. 26.3.1996 - 6 L 5539/94 -, OVGE 46, 371 sowie Urt. v. 29.5.1998 - 6 L 1223/97 -, Vnb). Anderes gilt erst dann, wenn ein "rechtmäßiger Betrieb" schlechthin ausgeschlossen ist oder die Anlage nach Art eines Zweckveranlassers auf eine solche Nutzung letztlich abzielt. Das ist hier nicht der Fall. - Im Baugenehmigungsverfahren mag es zudem möglich sein, die Zufahrten für die Feuerwehr sowie der Anlieferungsfahrzeuge sowie der Kraftfahrzeuge, mit denen Heimbewohner ankommen, vom übrigen Verkehr zu entzerren. Diese nach der Begründung zum Bebauungsplan verschiedentlich geübte planerische Zurückhaltung wird aller Voraussicht nach mit dem damit konkurrierenden Gebot, die durch den Bebauungsplan aufgeworfenen Probleme schon mit den Mitteln des Planungsrechts zu lösen, nicht kollidieren. Es sprechen jedenfalls derzeit die besseren Gründe für die Annahme, die Lage der Feuerwehrzufahrt sowie der Einstellplätze für Personal und Besucher würden im Baugenehmigungsverfahren so bestimmt werden können, dass (wenn auch nicht jedwede Steigerung an Immissionen, wohl aber) verhindert wird, dass der Schutzanspruch der Anwohner (allgemeines Wohngebiet) nicht mehr ausreichend gewahrt wird.

Weitere Ausführungen sind derzeit nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die über den Streitwert aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Nach genauerer Lektüre der Angriffe der Antragsteller ist die für das Hauptsacheverfahren einstweilig getroffene Streitwertfestsetzung von nur 10.000,- € nicht mehr zu rechtfertigen. Die Antragsteller erheben den Vorwurf, dass die Wohnqualität ihres Wohngrundstücks ganz erheblich leidet, wenn die Planfestsetzungen ausgenutzt werden, und sie durch das Vorhaben sogar erdrückender Wirkung ausgesetzt würden. Das rechtfertigt es, den in Nr. 9 lit. b der Streitwertannahmen des Senats (NdsVBl. 2002, 192) enthaltenen Streitwertrahmen für das Hauptsacheverfahren (5.000 bis 25.000 €) im Wesentlichen auszuschöpfen und diesen für das Eilverfahren zu halbieren (Nr. 18 lit. b dieser Streitwerttannahmen).

Ende der Entscheidung

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