Judicialis Rechtsprechung
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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: 1 NDH L 1/04
Rechtsgebiete: NBG, NDO
Vorschriften:
NBG § 85 I | |
NDO § 12 I | |
NDO § 18 I |
2. Die Aberkennung des Ruhegehalts setzt grundsätzlich nur voraus, dass bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre. In den Fällen, in denen der durch das Gewicht des Dienstvergehens eingetretene Vertrauensschaden so erheblich ist, dass bei einem aktiven Bamten die Entfernung aus dem Dienst erfolgen muss, ist die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich, um den mit dieser Disziplinarmaßnahme verfolgten Zwecken der Generalprävention und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes Geltung zu verschaffen.
3. Entzieht ein Rechtspfleger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und die dazu gehörige Verfahrensakte dem Geschäftsgang, um den Fortgang der Vollstreckung gegen sich oder einen Angehörigen zu verhindern, und leitet er in der Folgezeit Schreiben des Gläubigers, die den Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses betreffen, nicht an den zuständigen Rechtspfleger weiter, um zu verhindern, dass der Verlust der o.g. Unterlagen bekannt wird, setzt er sich über grundlegende Dienstpflichten eines Rechtspflegers hinweg. Die Weiterbeschäftigung eines solchen Rechtspflegers ist dem Dienstherrn nicht zuzumuten.
Gründe:
I.
Der 1945 geborene Ruhestandsbeamte absolvierte nach dem Besuch der Volksschule eine zweijährige Handelsschule. Anschließend begann er eine Lehre als Speditionskaufmann, die er nach ca. einem halben Jahr abbrach, um seinen schwer erkrankten Vater im elterlichen Betrieb zu ersetzen. Ab Oktober 1964 leistete der Ruhestandsbeamte Grundwehrdienst bei der Bundeswehr. Danach war er Soldat auf Zeit.
Am 1. August 1972 trat der Ruhestandsbeamte als Rechtspflegeranwärter in den niedersächsischen Justizdienst ein. Im November 1975 bestand er die Prüfung für den gehobenen Justizdienst mit der Note "gut". Mit Wirkung vom 1. März 1977 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Justizinspektor ernannt. Am 1. Juli 1979 erfolgte die Beförderung zum Justizoberinspektor. Am 1. Mai 1990 wurde er zum Justizamtmann ernannt.
Die dienstlichen Leistungen des Ruhestandsbeamten wurden zunächst mit "gut" und für die Beurteilungszeiträume ab 1990 mit "sehr gut" (unterer Bereich) beurteilt.
Von Oktober 1976 bis Dezember 1999 war der Ruhestandsbeamte - von kurzzeitigen Abordnungen abgesehen - beim Amtsgericht F. tätig, zuletzt als Rechtspfleger in Zivil- und Vollstreckungssachen. Mit Wirkung vom 6. Dezember 1999 wurde er wegen der ihm zur Last gelegten Vorwürfe an das Amtsgericht G. abgeordnet. Im Februar 2002 wurde ihm Altersteilzeit mit der Hälfte der regulären Arbeitszeit ab dem 1. April 2002 bewilligt. Mit Verfügung vom 12. Februar 2004 stellte der Präsident des Oberlandesgerichts H. die dauernde Dienstunfähigkeit des Ruhestandsbeamten fest und versetzte ihn mit Ablauf des Monats Februar 2004 in den Ruhestand.
Der Ruhestandsbeamte ist seit 1968 verheiratet und hat einen volljährigen Sohn. Mit Ausnahme des ihm zur Last gelegten Fehlverhaltens ist er weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
II.
Unter dem 12. September 1997 beantragte die Bayerische Hypotheken- und WechselBank beim Amtsgericht F. den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen den Ruhestandsbeamten und dessen Sohn wegen einer Forderung von 11.360,- DM. Dieser Antrag wurde auf Veranlassung des Geschäftsleiters des Amtsgerichts von dem Vertreter des Ruhestandsbeamten bearbeitet. Nachdem dieser den beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen und diesen einer Mitarbeiterin zur Ausfertigung übergeben hatte, verschwanden der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, die für die Drittschuldner bestimmten Beschlussausfertigungen, das Schreiben an die Gläubigerin und die Verfahrensakte aus dem Geschäftsgang. Mit Schreiben vom 27. Juli 1999 teilte die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank dem Amtsgericht F. mit, dass der beantragte Vollstreckungstitel bei ihr noch nicht eingegangen sei. Außerdem bat sie um Rückgabe der Vollstreckungsunterlagen. Mit weiterem Schreiben vom 14. September 1999 erinnerte die Bank an die Erledigung der Angelegenheit. Beide Schreiben, adressiert an das Amtsgericht F., Vollstreckungsgericht, zu Händen Herrn I. persönlich, leitete der Ruhestandsbeamte nicht an den zuständigen Rechtspfleger weiter, sondern bewahrte sie in seinem Dienstzimmer auf.
Dieser Sachverhalt wurde dem Direktor des Amtsgerichts F. bekannt, als die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank mit Schreiben vom 8. November 1999 beanstandete, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss immer noch nicht erlassen worden sei. Nachdem der Direktor des Amtsgerichts Verdacht gegen den Ruhestandsbeamten geschöpft hatte, berichtete er mit Schreiben vom 19. November 1999 dem Präsidenten des Landgerichts K.. Zugleich übersandte er der Staatsanwaltschaft L. einen Bericht mit der Bitte um Prüfung, ob strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen seien. Danach leitete er durch Verfügung vom 29. November 1999 disziplinarische Vorermittlungen gegen den Ruhestandsbeamten ein, die er wegen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens aussetzte.
Durch Urteil vom 9. Februar 2001 verhängte das Amtsgericht F. gegen den Ruhestandsbeamten wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Diebstahl und Urkundenunterdrückung eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 100,- DM. Die Berufung des Ruhestandsbeamten gegen diese Entscheidung verwarf das Landgericht K. durch Urteil vom 10. Oktober 2002 mit der Maßgabe, dass die Geldstrafe auf 70 Tagessätze zu je 40,- € herabgesetzt wird. Zur Begründung dieser Entscheidung führte das Landgericht u. a. folgendes aus:
"Unter dem 12.09.1997 beantragte die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank aus M. als Gläubigerin beim Amtsgericht F. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Sohn des Angeklagten ... und gegen den Angeklagten als Schuldner wegen eines Zinsteilbetrages von 11.360,-- DM ... zuzüglich 40,-- DM Kosten. Der Antrag vom 12.09.1997 ging am 17.09.1997 beim Amtsgericht F. ein. Weil ... die Bearbeitung dieses Antrags in den Zuständigkeitsbereich des Angeklagten fiel, wurde der Antrag dem Geschäftsleiter O. des Amtsgerichts vorgelegt. Dieser ließ für die Personalakte des Angeklagten eine Ablichtung des Antrags fertigen. Anschließend ließ er den Antrag durch eine Mitarbeiterin des Amtsgerichts an den Rechtspfleger P. als Vertreter des Angeklagten zur weiteren Bearbeitung übergeben. In engem zeitlichen Zusammenhang mit dem 17.09.1997 wurde der beantragte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Sohn des Angeklagten, Q., und gegen den Angeklagten vom zuständigen Rechtspfleger P. erlassen. Das Aktenzeichen lautete R.. Noch am selben Tag oder an einem der darauffolgenden Tage informierte der Rechtspfleger P. den Angeklagten über den gegen ihn erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.
Wenige Tage nach Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verschaffte sich der Angeklagte die komplette Akte R., die für die Drittschuldner bestimmten Beschlussausfertigungen sowie das Schreiben an die Gläubigerbank über den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und auch den diesem Schreiben beigefügten Vollstreckungstitel. Auf diese Weise wollte der Angeklagte den Fortgang des Vollstreckungsverfahrens gegen sich selbst verhindern. Dieses Vorgehen war ihm dadurch möglich, dass er als Rechtspfleger in der Vollstreckungsabteilung des Amtsgerichts F. mit den dort üblichen und praktizierten Handlungsabläufen bei der Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen bestens vertraut war. Dem Angeklagten war es allerdings nicht möglich, sich auch die oben erwähnte Ablichtung des Antrags der Gläubigerbank vom 17.09.1997 aus seiner Personalakte zu verschaffen. Der Angeklagte erreichte das von ihm mit dem Entfernen der o.a. Urkunden erstrebte Ziel: Die mit dem Antrag vom 17.09.1997 gegen ihn eingeleitete Zwangsvollstreckung wurde nicht betrieben. Was der Angeklagte mit den Urkunden gemacht hat, nachdem er sich diese verschafft hatte, konnte nicht festgestellt werden ... .
Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden und der Zeugenaussagen steht zur Überzeugung der Berufungskammer zweifelsfrei fest, dass sich der Angeklagte im September 1997 die damals vorhandenen Vorgänge zu dem kurz zuvor gegen ihn selbst und auch gegen seinen Sohn Q. erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verschafft hat ... .
Der Angeklagte hatte ein starkes persönliches und wirtschaftliches Interesse daran, den bereits ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wieder aus der Welt zu schaffen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus seinen Schreiben an die Gläubigerbank und seinen Telefongesprächen mit dem in deren Filiale in S. beschäftigten Zeugen T.. Der Angeklagte wusste zudem, dass ihm jederzeit weitere Unbill seitens der Gläubigerbank drohen konnte: Dass sein Sohn Q. - in seinen Augen der Hauptschuldner gegenüber der Gläubigerin - mit seinen Rückzahlungen in Verzug geraten war, war ihm seit dem Jahre 1996 bekannt. In gleicher Weise war ihm - wie seine eigene Einlassung zeigt - auch bekannt, dass sein Sohn seinen Aufforderungen, die Sache mit der Bank in Ordnung zu bringen, offensichtlich nicht nachgekommen war. Um die Gläubigerin ruhig zu stellen, stellte der Beamte deshalb einiges an. Das wird durch seine Schreiben an die Bank und deren Antwortschreiben eindrucksvoll belegt. Sein damit verfolgtes Ziel, die Gläubigerin zur Rücknahme des bereits ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu bewegen, hat er jedoch letztlich nicht erreicht. Das ergibt sich aus seinem - letzten - Schreiben an die Gläubigerbank vom 27.10.1997 und deren Antwortschreiben an ihn vom 4.11.1997... . Der Angeklagte hat das Schreiben der Gläubigerbank vom 4.11.1997 seinerzeit zeitnah erhalten. Aufgrund des Inhalts dieses Schreibens musste er nun einsehen, dass die Gläubigerbank nur unter von ihr gesetzten bestimmten Bedingungen zur Rücknahme der - aus ihrer Sicht - laufenden Gehaltspfändung bereit war. Deshalb stellte der Angeklagte seinen Schriftwechsel mit der Gläubigerbank ein. Das wiederum konnte er auch tun. Anders als die Gläubigerbank wusste er nämlich, dass es überhaupt keine Gehaltspfändung gab. Eine Gehaltspfändung konnte es nicht geben, weil er die Vorgänge zum o.a. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss inzwischen in seinen Besitz gebracht hatte. Deshalb ist er auch davon ausgegangen, dass das von der Gläubigerbank beantragte Vollstreckungsverfahren gegen ihn nicht betrieben werden würde. Weitere Aktivitäten waren von seiner Seite gegenüber der Gläubigerbank jetzt nicht mehr erforderlich. ... Die theoretische Möglichkeit, dass sich ein unbekannt gebliebener Dritter - etwa ein Mitarbeiter des Amtsgerichts F. oder auch eine Person außerhalb des Amtsgerichts - die o.a. Unterlagen aus dem Geschäftsbetrieb des Amtsgerichts verschafft haben könnte, ist derart fernliegend, dass sie außer Betracht bleiben kann. Dazu haben sich keinerlei Anhaltspunkte in der Beweisaufnahme ergeben. Dieser unbekannte Dritte müsste dann nämlich - und das bei drei Gelegenheiten - zu den genau richtigen Zeitpunkten und an den genau richtigen Stellen im Geschäftsgang beim Amtsgericht zugegriffen haben können. Das alles hätte dann auch ohne vorherige Absprache mit dem Angeklagten erfolgen müssen. Darüber hinaus bliebe hierzu auch zu fragen, welches Interesse ein Dritter an einer solchen Tat zugunsten des Angeklagten oder seines Sohnes Q. gehabt hätte. Wenn sich ein Dritter ohne vorherige Absprache mit dem Angeklagten die Vorgänge verschafft hätte, hätte der Angeklagte auch Nachfragen nach den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen stellen müssen; dass ein solcher Beschluss ergangen war, war ihm - wie der Inhalt seiner Schreiben an die Gläubigerbank vom Oktober 1997 zeigt - nämlich bekannt. Vor diesem Hintergrund wäre die vom Angeklagten Ende Oktober/Anfang November 1997 an den Tag gelegte Untätigkeit gegenüber der Gläubigerbank unverständlich gewesen ... .
Für eine Täterschaft des Angeklagten spricht schließlich auch der Umstand, dass er die beiden Schreiben der Gläubigerbank vom 27.7.1999 und 14.9.1999 nicht an den zuständigen Rechtspfleger des Amtsgerichts F. weiterleitete, sondern in seinem Dienstzimmer aufbewahrte. Dort wurden beide Schreiben am 29.11.1999 von der Polizei sichergestellt. Beide Schreiben waren zwar an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zu Händen Herrn I. persönlich - gerichtet. Aus dem Betreff beider Schreiben war jedoch klar ersichtlich, dass sie die eigene Vollstreckungsangelegenheit des Angeklagten aus dem Jahre 1997 betrafen. Für deren Bearbeitung war der Angeklagte - was ihm auch nach seiner eigenen Einlassung bekannt war - nicht zuständig. Er hätte beide Schreiben an den zuständigen Gerichtspfleger weitergeben müssen. Das hat er jedoch nicht getan."
Gegen dieses Urteil legte der Ruhestandsbeamte Revision ein, die das Oberlandesgericht H. durch Beschluss vom 7. Februar 2003 als unbegründet verwarf.
Während des strafgerichtlichen Verfahrens dehnte der Direktor des Amtsgerichts F. durch Verfügung vom 27. August 2001 die Vorermittlungen auf die Verwahrung und das Unterlassen der Weitergabe der Schreiben der Gläubigerbank vom 27. Juli 1999 und 14. September 1999 aus. Mit Verfügung vom 8. Januar 2003 brach er die disziplinarischen Vorermittlungen schließlich ab.
Danach leitete der Präsident des Oberlandesgerichts H. mit Verfügung vom 27. Januar 2003 ein förmliches Disziplinarverfahren gegen den Ruhestandsbeamten ein. Zugleich setzte er dieses Verfahren im Hinblick auf das damals noch anhängige Revisionsverfahren aus. Nach Abschluss des Revisionsverfahrens setzte er das förmliche Disziplinarverfahren durch Verfügung vom 11. Februar 2003 fort und enthob den Ruhestandsbeamten durch Verfügung vom 14. März 2003 vorläufig des Dienstes.
Am 2. April 2003 stellte der Ruhestandsbeamte bei der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück den Antrag, die vorläufige Dienstenthebung aufzuheben. Diesen Antrag lehnte die Disziplinarkammer durch Beschluss vom 7. Juli 2003 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Niedersächsische Disziplinarhof durch Beschluss vom 15. September 2003 zurück.
III.
Mit der am 14. August 2003 bei der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück eingegangenen Anschuldigungsschrift hat der Vertreter der Einleitungsbehörde den Ruhestandsbeamten beschuldigt, ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem er
1. nach dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sich die komplette Verfahrensakte, die für die Drittschuldner bestimmten Beschlussausfertigungen, das an die Gläubigerbank gerichtete Schreiben und den beigefügten Vollstreckungstitel verschafft habe, um den Fortgang des Vollstreckungsverfahrens zu verhindern,
2. das Schreiben der Gläubigerbank vom 27. Juli 1999 nicht an den für die Bearbeitung der Vollstreckungssache zuständigen Kollegen weitergeleitet habe, um zu verhindern, dass der Verlust der Vollstreckungsunterlagen bekannt wird,
3. das Schreiben der Gläubigerbank vom 14. September 1999 in seinem Dienstzimmer aufbewahrt habe, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass das Schreiben den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen ihn und seinen Sohn betraf.
Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat beantragt,
den Ruhestandsbeamten aus dem Dienst zu entfernen.
Der Ruhestandsbeamte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
und bestritten, die ihm zur Last gelegte Straftat begangen zu haben.
IV.
Die Disziplinarkammer hat durch Urteil vom 9. Dezember 2003 festgestellt, dass der Ruhestandsbeamte eines Dienstvergehens schuldig ist, und auf Entfernung aus dem Dienst erkannt. Zugleich hat sie dem Ruhestandsbeamten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 Prozent des im Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils erdienten Ruhegehalts für die Dauer von sechs Monaten bewilligt. Zur Begründung dieser Entscheidung hat die Disziplinarkammer folgendes ausgeführt:
Bei der Entscheidung sei von dem angeschuldigten Sachverhalt auszugehen. Denn es gebe keinen Grund, die tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts K., die diesen Sachverhalt belegten, nach § 18 Abs. 1 Satz 2 NDO einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen. Die Einlassungen des Ruhestandsbeamten böten keinen Anlass, die Richtigkeit der Feststellungen des Landgerichts in Zweifel zu ziehen. Seine Behauptung, dass es keine feste Indizienkette gebe, sei unzutreffend. Aus den vom Landgericht dargelegten Gründen sei es ausgeschlossen, dass die Verfahrensakte und die weiteren Unterlagen anders als durch den Zugriff des Ruhestandsbeamten abhanden gekommen seien. Das Landgericht habe sich auch mit dem Zweck der Tat auseinandergesetzt und den Besitz der Schreiben der Gläubigerbank vom 27. Juli 1999 und 14. September 1999 gewürdigt. Mit der Mutmaßung, dass sich in einem erneuten Prozess die Unschuld des Ruhestandsbeamten herausstellen könnte, lasse sich eine Lösung von der Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteils nicht begründen. Daher habe der Ruhestandsbeamte schuldhaft die ihm gemäß §§ 62 Satz 2, 62 Satz 3 und 63 Satz 3 NBG obliegenden Dienstpflichten verletzt und dadurch ein Dienstvergehen im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 NBG begangen. Dieses Dienstvergehen fordere die Entfernung aus dem Dienst. Der Zugriff eines Beamten auf dienstliche Unterlagen sei nicht weniger gravierend als der Zugriff auf ihm dienstlich anvertrautes Geld, der regelmäßig mit der strengsten Disziplinarmaßnahme geahndet werde. Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Da der Ruhestandsbeamte schon wegen des Fehlverhaltens, das zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe, aus dem Dienst zu entfernen sei, komme es auf das disziplinare Gewicht des Vorenthaltens der Schreiben der Gläubigerbank vom 27. Juli und 14. September 1999 nicht an. Allerdings spreche einiges dafür, dass der Ruhestandsbeamte auch in diesem Zusammenhang seine Dienstpflichten schwerwiegend verletzt habe.
V.
Gegen dieses dem Ruhestandsbeamten am 29. Dezember 2003 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 27. Januar 2004 bei der Disziplinarkammer eingegangen ist.
Zur Begründung der Berufung trägt der Ruhestandsbeamte im Wesentlichen folgendes vor: Entgegen der Annahme der Disziplinarkammer bestehe Anlass, die strafgerichtlichen Feststellungen zu überprüfen. Eine Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil sei insbesondere dann angezeigt, wenn die Verurteilung auf der Grundlage einer Indizienkette erfolgt sei, der Angeklagte die Tat aber bestreite. So liege der Fall auch hier. Er habe im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, den Zeugen P. dazu zu vernehmen, zu welchem Zeitpunkt er ihn über den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses informiert habe. Diesem Antrag hätte die Disziplinarkammer nachgehen müssen, weil er erheblich entlastet worden wäre, wenn die Zeugenvernehmung ergeben hätte, dass er von dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erst Kenntnis erlangt habe, als er in das Geschehen nicht mehr habe eingreifen können. Die Disziplinarkammer hätte auch seinem Antrag entsprechen müssen, eine Bescheinigung des Direktors des Amtsgerichts darüber einzuholen, dass nach den Akten intensiv gesucht worden sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Schreibkraft, die den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in der Kanzlei geschrieben haben soll, bei ihrer Vernehmung erklärt habe, sich an diesen Vorgang nicht erinnern zu können. Er habe die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen. Er wisse auch nicht, wer für das Verschwinden der Unterlagen verantwortlich sein könnte. Im Übrigen sei die von der Disziplinarkammer verhängte Disziplinarmaßnahme nicht angemessen. Die Disziplinarkammer sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Zugriff auf dienstliche Unterlagen ebenso schwer wiege wie der Zugriff eines Beamten auf ihm dienstlich anvertrautes oder zugängliches Geld. Denn das "Verschwinden" einer Akte stehe der Unterschlagung von Geld nicht gleich. Außerdem liege ein anerkannter Milderungsgrund vor, weil er sich 1997 in einer unverschuldeten und ausweglosen wirtschaftlichen Situation befunden habe. Sein Sohn habe 1993 mit einem Bankkredit ein Mehrfamilienhaus gekauft und eine der Wohnungen an ihn vermietet. Er habe für die Rückzahlung des Kredits gebürgt. In der Folgezeit habe er seinem Sohn Miete gezahlt und angenommen, dieser werde das Geld zur Tilgung des Kredits verwenden. Später habe er erfahren, dass dies nicht geschehen sei und gegen seinen Sohn und ihn vollstreckt werden solle. Dadurch sei er in eine ausweglose wirtschaftliche Lage geraten, weil er nicht in der Lage gewesen sei, die Schulden vollständig zu tilgen. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme müsse überdies berücksichtigt werden, dass die ihm zur Last gelegte Tat ein einmaliges unbedachtes Verhalten darstelle, für das er lediglich zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt worden sei. Gegen die Verhängung einer strengen Disziplinarmaßnahme spreche auch seine jahrzehntelange einwandfreie Dienstausübung, sein untadeliges Verhalten nach der Abordnung zum Amtsgericht G. und die Dauer des Disziplinarverfahrens. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er mit Ablauf des Monats Februar 2004 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sei. Daher komme die Entfernung aus dem Dienst nicht mehr in Betracht. Eine Aberkennung des Ruhegehalts scheide ebenfalls aus, weil diese Disziplinarmaßnahme unangemessen wäre. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei allenfalls in besonderen Ausnahmefällen möglich, weil der Gesichtspunkt der Generalprävention bei Ruhestandsbeamten eine geringere Bedeutung als bei aktiven Beamten habe.
Der Ruhestandsbeamte beantragt,
das Urteil der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück vom 9. Dezember 2003 zu ändern und ihn freizusprechen.
Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt wird.
Er erwidert: Die Disziplinarkammer sei zutreffend davon ausgegangen, dass sie an die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts K. gebunden sei. Denn es gebe keinen Grund, die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen im disziplinargerichtlichen Verfahren zu überprüfen. Die Disziplinarkammer habe das Fehlverhalten des Ruhestandsbeamten ferner zu Recht als besonders schwerwiegend angesehen und eine Parallele zu dem Zugriff eines Beamten auf dienstlich anvertrautes Geld gezogen, der regelmäßig mit der Entfernung aus dem Dienst geahndet werde. Der Ruhestandsbeamte könne sich schließlich auch auf keinen anerkannten Milderungsgrund berufen. Der von ihm geltend gemachte Milderungsgrund des Handelns in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage liege nur dann vor, wenn ein Beamter auf ihm dienstlich anvertrautes oder zugängliches Geld zugreife, weil er nicht mehr über ausreichende finanzielle Mittel verfüge, um den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen zu decken. Dabei orientiere sich die höchstrichterliche Rechtsprechung an den Sozialhilfesätzen. Die Dienstbezüge des Ruhestandsbeamten seien nach §§ 850 ff. ZPO in Höhe der Sozialhilfesätze jedoch nicht pfändbar gewesen. Daher habe sich der Ruhestandsbeamte in keiner existenzbedrohenden wirtschaftlichen Notlage befunden. Außerdem fehle es an einer einmaligen, unbedachten Tat. Denn der Ruhestandsbeamte habe planvoll an verschiedenen Stellen im Amtsgericht auf die Vollstreckungsunterlagen zugegriffen. Die einwandfreie Pflichterfüllung vor und nach der Tat könne ihn gleichfalls nicht entlasten. Das gelte auch für die familiäre Konfliktsituation, in der er sich angeblich befunden habe. Daher sei die Verhängung der strengsten Disziplinarmaßnahme geboten. Da die Verfügung vom 12. Februar 2004, mit dem der Beamte mit Ablauf des Monats Februar 2004 in den Ruhestand versetzt worden sei, inzwischen bestandskräftig sei, komme die von der Disziplinarkammer angeordnete Entfernung aus dem Dienst aber nicht mehr in Betracht. Daher sei auf die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die Beiakten A bis I Bezug genommen.
VI.
Die Berufung des Ruhestandsbeamten gegen das Urteil der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück vom 9. Dezember 2003 ist unbegründet.
Die Disziplinarkammer hat zu Recht festgestellt, dass der Ruhestandsbeamte eines Dienstvergehens schuldig ist, das mit der strengsten Disziplinarmaßnahme zu ahnden ist. Die von ihr verhängte Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst kommt aber nicht mehr in Betracht, nachdem der Ruhestandsbeamte mit Ablauf des Monats Februar 2004 in den Ruhestand versetzt worden ist. Daher ist die strengste Disziplinarmaßnahme gegen einen Ruhestandsbeamten zu verhängen. Folglich ist das Urteil der Disziplinarkammer mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass statt auf Entfernung aus dem Dienst auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt wird.
Gegenstand der berufungsgerichtlichen Würdigung ist der Sachverhalt, den der Vertreter der Einleitungsbehörde in der Anschuldigungsschrift unter den Ziffern 1. bis 3. umrissen hat. Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats bzw. aufgrund der Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts K. vom 10. Oktober 2002 fest. Soweit es um den Zugriff des Ruhestandsbeamten auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, die für die Drittschuldner bestimmten Ausfertigungen des Beschlusses, das Schreiben an die Gläubigerin und die Verfahrensakte geht (Ziffer 1 der Anschuldigungsschrift), sind die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts L. nach § 18 Abs. 1 Satz 1 NDO für den Senat bindend. Soweit der angeschuldigte Sachverhalt im Übrigen in Rede steht (Ziffern 2 und 3 der Anschuldigungsschrift), ist der Senat von dessen Richtigkeit überzeugt.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 NDO binden die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils, auf denen die Entscheidung beruht, in einem Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, nicht nur den Dienstvorgesetzten, die Einleitungsbehörde und den Untersuchungsführer, sondern grundsätzlich auch das Disziplinargericht. Dieses kann zwar die nochmalige Prüfung der Feststellungen beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln (§ 18 Abs. 1 Satz 2 NDO). Ein solcher Beschluss kommt im vorliegenden Fall jedoch nicht in Betracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Disziplinargerichte ist eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen im Urteil eines Strafgerichts nur unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich. Das Disziplinargericht darf die eigene Entscheidung nicht an die Stelle derjenigen des Strafgerichts setzen. Daher sind strafgerichtliche Feststellungen auch dann für das Disziplinargericht bindend, wenn dieses aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich hält. Andernfalls wäre die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 1 NDO auf die Fälle beschränkt, in denen das Disziplinargericht der Beweiswürdigung des Strafgerichts ohnehin folgen würde. Das aber wäre weder mit dem Begriff der gesetzlichen Bindung noch damit vereinbar, dass die Disziplinargerichte keine Überprüfungsinstanz für Strafurteile sind. Deshalb ist eine Lösung von den entscheidungserheblichen Feststellungen in einem Strafurteil nach § 18 Abs. 1 Satz 2 NDO nur dann möglich, wenn das Disziplinargericht ansonsten gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden. Die bloße Möglichkeit, dass das Geschehene auch anders gewesen sein könnte, reicht für einen Lösungsbeschluss hingegen nicht aus (NDH, Urt. v. 13.1.2005 - 2 NDH L 10/03 -; Urt. v. 18.3.2003 - 2 NDH L 5/02 -; ebenso zum gleichlautenden § 18 Abs. 1 Satz 2 BDO: BVerwG, Urt. v. 20.06.2000 - 1 D 2/99 -; Urt. v. 15.09.1999 - 1 D 47.98 -).
Danach kommt eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts K. zu dem Anschuldigungspunkt 1 nicht in Betracht. Denn diese Feststellungen sind nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung weder als unzutreffend erkannt noch offensichtlich unrichtig. Daran ändern die Einwände des Ruhestandsbeamten im disziplinargerichtlichen Verfahren nichts. Denn diese bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen des Landgerichts, der Ruhestandsbeamte habe sich den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, die für die Drittschuldner bestimmten Ausfertigungen des Vollstreckungstitels, das Schreiben an die Gläubigerin und die Verfahrensakte verschafft, um den Fortgang der Zwangsvollstreckung gegen sich und seinen Sohn zu verhindern, offensichtlich unzutreffend sind.
Daher steht aufgrund der Bindungswirkung des Strafurteils fest, dass der Ruhestandsbeamte sich die o. g. Unterlagen in der Absicht verschafft hat, den Fortgang der Zwangsvollstreckung gegen sich und seinen Sohn zu verhindern (Ziffer 1 der Anschuldigungsschrift).
Ferner ist der Senat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung davon überzeugt, dass der Ruhestandsbeamte die Schreiben der Gläubigerbank vom 27. Juli und 14. September 1999 nicht weitergeleitet, sondern in seinem Dienstzimmer aufbewahrt hat, um zu verhindern, dass der Verlust der o. g. Unterlagen bekannt wird (Ziffern 2 und 3 der Anschuldigungsschrift). Ausweislich des Durchsuchungsberichts der Polizeiinspektion Y. vom 30. November 1999 sind beide Schreiben bei der polizeilichen Durchsuchung im Dienstzimmer des Ruhestandsbeamten sichergestellt worden. Für den Ruhestandsbeamten war zudem offensichtlich, dass er diese Schreiben an den zuständigen Rechtspfleger hätte weiterleiten müssen. Sie waren zwar an das Amtsgericht, Vollstreckungsgericht, zu Händen Herrn I. persönlich, gerichtet. Aus dem Betreff und dem Inhalt beider Schreiben ergab sich jedoch zweifelsfrei, dass sie das Vollstreckungsverfahren gegen den Ruhestandsbeamten und seinen Sohn betrafen, für dessen Bearbeitung der Ruhestandsbeamte nicht zuständig war. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Ruhestandsbeamte durch sein Verhalten verhindern wollte, dass der Verlust der Vollstreckungsunterlagen bekannt wird. Da er sich den Vollstreckungstitel, die für die Drittschuldner bestimmten Ausfertigungen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, das Schreiben an die Gläubigerin und die Verfahrensakte verschafft hat, um den Fortgang der Zwangsvollstreckung gegen sich und seinen Sohn zu verhindern, liegt diese Absicht auf der Hand.
Durch die festgestellten Verfehlungen im Amt hat der Ruhestandsbeamte sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht. Die Disziplinarkammer hat zutreffend festgestellt, dass er seine Pflicht zu uneigennütziger und gewissenhafter Ausübung des ihm anvertrauten Amtes (§ 62 Satz 2 NBG) grob verletzt hat. Die Straftaten und das Zurückhalten der Schreiben der Gläubigerbank stehen zudem in krassem Widerspruch zu der Verpflichtung eines Beamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 62 Abs. 3 NBG). Außerdem verstößt der unberechtigte Zugriff auf dienstliche Unterlagen gegen die Pflicht, die allgemeinen Richtlinien des Vorgesetzten zu befolgen (§ 63 Satz 3 NBG).
Diese gravierenden Pflichtverletzungen stellen ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 NDO, 85 Abs. 1 Satz 1 NBG dar, das mit der Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 Abs. 2 NDO) zu ahnden ist.
Die Aberkennung des Ruhegehalts setzt nach § 12 Abs. 1 Satz 1 NDO voraus, dass bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre (vgl. NDH, Urt. v. 13.1.2005 - 2 NDH L 6/04 -; Urt. v. 21.11.2002 - 1 NDH L 3644/02 -; Urt. v. 13.06.2002 - 1 NDH L 1820/01 -). In der Literatur wird zwar die Auffassung vertreten, dass ein Dienstvergehen, das die Entfernung aus dem Dienst rechtfertigt, nach dem Eintritt in den Ruhestand eine geminderte Disziplinarrelevanz habe und daher eine mildere Beurteilung gerechtfertigt sein könne (vgl. Claussen/Janzen, BDO-Kommentar, 8. Aufl., Rdn. 3 zu § 12; Köhler/Ratz, BDO-Kommentar, 2. Aufl., Rdn. 5 zu § 12). Diese Auffassung ist aber unzutreffend, weil das Gesetz, wie sich auch aus § 117 Abs. 7 NDO ergibt, von der Gleichwertigkeit beider Disziplinarmaßnahmen ausgeht (vgl. NDH, Urt. v. 28.1.2005 - 1 NDH L 6/03 -; Urt. v. 13.06.2002 - 1 NDH L 1820/01 -; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 8.4.2003 - 1 D 27/02 -; Urt. v. 26.09.2001 - 1 D 23/00 -). Außerdem hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich entschieden, dass in den Fällen, in denen der durch das Gewicht des Dienstvergehens eingetretene Vertrauensschaden so erheblich ist, dass bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst erfolgen muss, die Aberkennung des Ruhegehalts sowohl geeignet als auch erforderlich ist, um den mit dieser Disziplinarmaßnahme verfolgten Zwecken der Generalprävention und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes Geltung zu verschaffen (BVerwG, Urt. v. 26.09.2001, a.a.O.). Demnach setzt die Aberkennung des Ruhegehalts grundsätzlich nur voraus, dass bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre. Das gilt auch im vorliegenden Fall, weil keine Gründe vorliegen, die es rechtfertigen könnten, ausnahmsweise von dem o.g. Grundsatz abzuweichen.
Befände sich der Ruhestandsbeamte noch im aktiven Dienst, wäre seine Entfernung aus dem Dienst unerlässlich. Ein aktiver Beamter ist dann aus dem Dienst zu entfernen, wenn das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten endgültig zerrüttet ist (NDH, Urt. v. 12.5.2005 - 1 NDH L 9/03 -; Beschl. v. 23.06.2003 - 1 NDH M 2/03 -). Das ist hier nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung der Fall. Entzieht ein Rechtspfleger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und die dazu gehörige Verfahrensakte dem Geschäftsgang, um den Fortgang der Vollstreckung gegen sich oder einen Angehörigen zu verhindern, und leitet er in der Folgezeit Schreiben des Gläubigers, die den Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses betreffen, nicht an den zuständigen Rechtspfleger weiter, um zu verhindern, dass der Verlust der o. g. Unterlagen bekannt wird, setzt er sich über grundlegende Dienstpflichten eines Rechtspflegers hinweg. Dadurch versagt er nicht nur im Kernbereich seiner Dienstpflichten, sondern zerstört auch das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums und des Dienstvorgesetzten in seine unparteiische und uneigennützige Amtsführung unwiederbringlich. Denn er dokumentiert durch dieses Verhalten, dass er bereit ist, zur Verfolgung persönlicher Interessen grundlegende Dienstpflichten zu missachten. Die Weiterbeschäftigung eines solchen Rechtspflegers ist dem Dienstherrn nicht zuzumuten, weil das Amt eines Rechtspflegers ein hohes Maß an Verlässlichkeit erfordert, das unbedingte Voraussetzung für einen vertrauensvollen Umgang innerhalb der Behörde und mit dem rechtsuchenden Publikum ist. Daher wäre der Ruhestandsbeamte aus dem Dienst zu entfernen, wenn er sich noch im Dienst befände. Folglich ist auf die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen.
Von dieser Disziplinarmaßnahme kann auch nicht wegen eines Milderungsgrundes abgesehen werden, weil keiner der von der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe vorliegt.
Der Ruhestandsbeamte kann sich insbesondere nicht auf den Milderungsgrund des Handelns in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage berufen. Dieser Milderungsgrund greift nur vor, wenn ein Beamter in einer für ihn unverschuldeten und ausweglosen finanziellen Notlage ein Zugriffsdelikt zur Abwendung existenzieller Folgen begeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2002 - 1 D 6/02 -; Urt. v. 25.09.2001 - 1 D 62.00 -). Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor. Denn der Ruhestandsbeamte hat sich zur Tatzeit in keiner existenzbedrohenden wirtschaftlichen Notlage befunden. Die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank hat zwar im September 1997 die Pfändung und Überweisung seiner Dienstbezüge beantragt. Die Dienstbezüge waren nach § 850 Abs. 1 und 2 ZPO aber nur pfändbar, soweit sie die Pfändungsgrenze des § 850 c ZPO überstiegen. Diese Pfändungsgrenze liegt indessen weit höher als die damals geltenden Sozialhilfesätze, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Beurteilung, ob eine existenzbedrohende wirtschaftliche Notlage vorliegt, maßgebend sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.08.1997 - 1 D 2/97 -; Urt. v. 05.10.1994 - 1 D 31.94 -, BVerwGE 103, 177). Daher hat sich der Ruhestandsbeamte im Herbst 1997 in keiner existenzbedrohenden wirtschaftlichen Notlage befunden. Folglich kann dahinstehen, ob der Milderungsgrund überhaupt zur Anwendung kommen kann, wenn es - wie im vorliegenden Fall - nicht um den Zugriff auf dienstlich anvertrautes oder zugängliches Geld, sondern um die Entwendung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und der dazu gehörenden Unterlagen geht.
Dem Ruhestandsbeamten steht auch der Milderungsgrund des Handelns in einer psychischen Ausnahmesituation nicht zur Seite. Denn dieser Milderungsgrund setzt voraus, dass das Dienstvergehen Folge einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation ist (BVerwG, Urt. v. 30.09.1998 - 1 D 97/97 -; Urt. v. 09.05.2001 - 1 D 22/00 -), wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen. Die dem Ruhestandsbeamten drohende Zwangsvollstreckung mag für ihn zwar belastend gewesen sein. Sie hat aber keinen Schock in dem Sinne bewirkt, dass der Ruhestandsbeamte in eine psychische Ausnahmesituation geraten ist, in der er nicht mehr in der Lage war, strafbares Verhalten zu vermeiden. Dagegen spricht schon, dass der Ruhestandsbeamte bei dem Zugriff auf die Verfahrensakte, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und die anderen Unterlagen zielgerichtet und planmäßig vorgegangen ist.
Die Dauer des Disziplinarverfahrens rechtfertigt es ebenfalls nicht, von der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen. Die Belastung durch die Dauer des Disziplinarverfahrens kann zwar nach den Umständen des Einzelfalls bei Disziplinarmaßnahmen unterhalb der Höchstmaßnahme, die - wie etwa die Degradierung oder die Gehaltskürzung - eine Pflichtenmahnung bewirken sollen, berücksichtigt werden. Ist jedoch - wie im vorliegenden Fall - die strengste Disziplinarmaßnahme zu verhängen, weil die Verfehlungen des Ruhestandsbeamten zu einem endgültigen Vertrauensverlust geführt haben, ist es nicht möglich, aufgrund der Dauer des Disziplinarverfahrens eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen (vgl. NDH, Urt. v. 6.7.2004 - 2 NDH L 5/03 -; BVerwG, Urt. v. 24.6.1998 - 1 D 23.97 -, BVerwGE 113, 229, 235).
Schließlich lässt auch der Umstand, dass der Ruhestandsbeamte seinen Dienst mit Ausnahme der o. g. Dienstpflichtverletzungen korrekt ausgeübt hat, kein Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme zu. Denn dieser Umstand kann angesichts der Schwere der Dienstpflichtverletzungen keine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen.
Eine Änderung der Entscheidung der Disziplinarkammer zum Unterhaltsbeitrag ist nicht beantragt worden. Daher ist diese Entscheidung im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 NDO.
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 90 NDO).
Ende der Entscheidung
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