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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 10 LA 144/07
Rechtsgebiete: VwVfG, ZAV


Vorschriften:

VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
ZAV § 12 Abs. 2 S. 1
Die Entscheidung über den anteiligen Einzug der Referenzmenge zugunsten der Reserve des Landes gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV gehört nicht zu den Entscheidungen, deren Verwaltungsverfahren nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wieder aufgegriffen werden kann (hier wegen späterer Wiederaufnahme der eigenen Milcherzeugung).
Gründe:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind vom Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden.

1.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164). Dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist genügt, wenn innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. Hierbei ist als Mindestvoraussetzung für die Darlegung zu verlangen, dass geltend gemacht wird, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist, und dass die Sachgründe hierfür bezeichnet und erläutert werden. Mit dem Abstellen auf die Ergebnisrichtigkeit ist gesagt, dass sich der Begriff der "ernstlichen Zweifel" nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen ist.

Nach Maßgabe dessen kann die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen werden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 9. Februar 2004 die Bescheinigung des Übergangs einer Anlieferungs-Referenzmenge von 23.258 kg begehrt hat, abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Bescheinigung des Übergangs einer weiteren Referenzmenge infolge der Beendigung des Pachtverhältnisses mit Herrn A. B.. Auf Antrag des Klägers vom 22. Januar 2004 sei mit bestandskräftigem Bescheid der Übergang der Referenzmenge abschließend bescheinigt worden. Der Antrag des Klägers vom 2. Dezember 2004, den Übergang einer weitergehenden Referenzmenge aus Anlass der Beendigung des Pachtverhältnisses zu bescheinigen, gehe daher ins Leere. Den Regelungen über den Referenzmengenübergang könne nicht entnommen werden, dass die Übergänge zweier getrennt zu sehender Teilmengen bescheinigt würden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Dass der Kläger nunmehr auf die Referenzmenge angewiesen sei, stelle eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten im Sinne dieser Vorschrift nicht dar. Der Kläger hätte mit seinem ersten Antrag im Januar 2004 geltend machen müssen, dass er künftig auf die Referenzmenge angewiesen sein werde. Es könne offen bleiben, ob der Kläger von einem Sachbearbeiter der Beklagten falsch beraten worden sei. Dieser Umstand stelle einen Wiederaufgreifensgrund nicht dar.

Hiergegen wendet der Kläger zunächst ein, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts stehe der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2004 der beantragten Bescheinigung nicht entgegen. Dass auf ihn eine Referenzmenge von 47.221 kg von seinem Pächter übergegangen sei, schließe nicht aus, dass auch eine höhere Referenzmenge auf Grund der Beendigung des Pachtverhältnisses auf ihn übergegangen sei. Dem Tenor des Bescheides lasse sich nicht entnehmen, dass auf keinen Fall eine höhere Referenzmenge auf ihn übergegangen sei. Dass der Übergang der Referenzmenge auf einem einheitlichen Vorgang beruhe, bedeute nicht, dass die Übertragung der im Gesetz in § 12 Abs. 2 und Abs. 4 ZAV gesondert behandelten Teile der Referenzmenge nicht auch in zwei verschiedenen Bescheiden bescheinigt werden könne.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Beklagte durch ihren Bescheid vom 9. Februar 2004 den Übergang der Referenzmenge - zum einen Teil zugunsten des Klägers und zum anderen Teil zu Gunsten der Reserve des Landes - auf Grund der Beendigung des Pachtverhältnisses abschließend geregelt hat. Der genannte Bescheid der Beklagten hat einen zweifachen Gegenstand: Er bescheinigt zum einen - gestützt auf § 17 Abs. 1 Nr. 1 ZAV - dem Verpächter, welche Referenzmenge auf ihn wegen der Beendigung des Pachtverhältnisses gesetzlich übergegangen ist. Zum anderen verfügt die Beklagte durch Verwaltungsakt den Teil der Referenzmenge, der zugunsten der Reserve des Landes nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV eingezogen wird - sog. Drittelabzug - (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Oktober 2007- BVerwG 3 C 11.07 -, Buchholz 451.514 ZAV Nr. 4). Da dem abgebenden Betrieb A. B. die vom Kläger verpachtete Referenzmenge von 70.479 kg vollständig entzogen worden ist und zugleich auf den Kläger zu 67 v.H. und auf die Reserve des Landes zu 33 v.H. übergegangen ist, besteht kein Raum für eine darüber hinausgehende Bescheinigung eines Referenzmengenübergangs zugunsten des Klägers.

Der Kläger sieht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts weiter darin begründet, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG verneint hat. Nachdem er im August 2004 tatsächlich begonnen habe, Milch abzuliefern, und er deshalb die Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung benötige, habe sich die dem Bescheid vom 9. Februar 2004 zugrunde liegende Sachlage nachträglich zu seinen Gunsten geändert. Er habe diesen Umstand in dem Antragsverfahren im Januar 2004 weder geltend machen noch den erforderlichen Nachweis hierfür erbringen können. Vielmehr habe er den Nachweis erst führen können, nachdem er die Milcherzeugung aufgenommen und diese sich über einen Zeitraum von ein bis zwei Monaten verfestigt habe.

Auch dieses Vorbringen vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht aufzuzeigen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verfahrens verneint. Nach § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Zudem muss der Betroffene den Antrag binnen drei Monaten, nachdem er von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, stellen (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor: Die Entscheidung über den anteiligen Einzug der Referenzmenge zugunsten der Reserve des Landes gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV gehört nicht zu den Entscheidungen, deren Verwaltungsverfahren nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wieder aufgegriffen werden kann. Einem Wiederaufgreifensantrag kann nach dieser Bestimmung nur dann entsprochen werden, wenn sich die geltend gemachte Änderung der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage überhaupt auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auswirken kann. Einen solchen Einfluss kann die Änderung der Sach- oder Rechtslage regelmäßig nur bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung haben, d.h. bei solchen, deren Wirkung nach Sinn und Zweck und dem einschlägigen materiellen Recht wesensgemäß auf Dauer angelegt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt ein auf Dauer angelegtes oder in seinem Bestand von ihm abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert. Im Gegensatz dazu stehen Verwaltungsakte, die auf eine einmalige Gestaltung der Rechtslage gerichtet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 - BVerwG 1 C 29.95 -, BVerwGE 104, 115 [120] m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist der Bescheid über den Einzug der Referenzmenge zugunsten der Reserve des Landes kein Dauerverwaltungsakt. Mit dieser rechtlichen Zuordnung der Referenzmenge zur Landesreserve kommt dem Bescheid insoweit unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung zu. Darin erschöpft sich die Wirkung der Einziehung der Referenzmenge.

Unabhängig davon hat der Kläger die Antragsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG nicht gewahrt. Denn er hat nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem er von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hatte, den Wiederaufgreifensantrag gestellt. Der vom Kläger geltend gemachte Grund für das Wiederaufgreifen - nämlich die Wiederaufnahme der eigenen Milcherzeugung - lag mehr als drei Monate vor der Antragstellung am 2. Dezember 2004, und fand bereits im August 2004 statt. Mit Blick auf die Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Verpächter meint, seine Milcherzeugung sei nunmehr gefestigt. Maßgeblich ist allein der Umstand, ob der Verpächter geltend machen kann, dass er die Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung benötigt. Dies beurteilt sich in zeitlicher Hinsicht spätestens nach dem Zeitpunkt der Aufnahme der eigenen Milcherzeugung.

2.

Die Berufung kann schließlich auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Der Streitfall weist besondere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten in rechtlicher Hinsicht nicht auf. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, innerhalb welcher Frist ein Verpächter von Referenzmengen nach Beendigung des Pachtverhältnisses geltend machen kann, dass er die verpachtete Referenzmenge zur eigenen Milcherzeugung gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV benötigt, stellt sich - wie oben aufgezeigt - in dem vom Kläger angestrebten Berufungsverfahren nicht.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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