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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.08.2007
Aktenzeichen: 10 LA 271/05
Rechtsgebiete: GG, Nds. Verf., NGO, NKAG


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 28 Abs. 2
Nds. Verf. Art. 2 Abs. 2
Nds. Verf. Art. 57 Abs. 5
NGO § 127 Abs. 1 S. 3
NGO § 130 Abs. 1 S. 1
NKAG § 6 Abs. 5 S. 1
Zu den Anforderungen an eine kommunalaufsichtsrechtliche Beanstandung.

Die Kommunalaufsicht des Landes hat sicherzustellen, dass die Gemeinden die geltenden Gesetze beachtet (Art. 20 Abs. 3 GG, 2 Abs. 2, 57 Abs. 5 Nds. Verfassung). Dieses Verfassungsgebot erfordert bei eindeutigen Rechtsverstößen ein Einschreiten der Kommunalaufsicht; insoweit ist das Ermessen auf ein Einschreiten der Kommunalaufsicht gerichtet (sog. intendiertes Ermessen).


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 10 LA 271/05

Datum: 15.08.2007

Gründe:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind von der Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden.

1.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164). Dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist genügt, wenn innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (Nds. OVG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 -2 LA 413/03 -, NdsRpfl 2005, 80). Die dem Revisionsrecht nachgebildete Darlegungspflicht bestimmt als selbständiges Zulässigkeitserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie verlangt qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinander setzen. Hierbei ist als Mindestvoraussetzung für die Darlegung zu verlangen, dass geltend gemacht wird, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist und dass die Sachgründe hierfür bezeichnet und erläutert werden. Mit dem Abstellen auf die Ergebnisrichtigkeit ist gesagt, dass sich der Begriff der "ernstlichen Zweifel" nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen ist. Auch wenn die Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes nicht in der Weise ausgelegt und angewandt werden dürfen, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-) Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert, so unterliegt es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, ein Mindestmaß an Substantiierung zu verlangen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 21. Januar 2000 - 2 BvR 2125/97 -, DVBl. 2000, 407 und Beschluss vom 7. November 1994 - 2 BvR 2079/93 -, DVBl. 1995, 35).

Nach Maßgabe dessen kann die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen werden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der kommunalaufsichtsrechtlichen Beanstandung ihrer Beitragssatzung für straßenbauliche Maßnahmen vom 26. Januar 2005 begehrt hat, abgewiesen, weil die angefochtene Verfügung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nds. Gemeindeordnung (NGO) rechtmäßig sei. Die Neufassung der Straßenausbaubeitragssatzung widerspreche dem in § 6 Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) normierten Vorteilsprinzip. Die Entscheidung des Beklagten, gegen den Satzungsbeschluss der Klägerin einzuschreiten, sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Im Wege der Rechtsaufsicht stelle der Staat sicher, dass die von den Gemeinden ausgeübte öffentliche Gewalt die Bindung an Recht und Gesetz beachte. Dabei sei die Aufsichtsbehörde nicht verpflichtet, in jedem Fall einzuschreiten. Im Rahmen der Ausübung des Ermessens sei zu beachten, dass die Aufsicht allein dem öffentlichen Interesse diene. Im vorliegenden Fall habe das Einschreiten des Beklagten im öffentlichen Interesse gelegen, weil der den Anliegern erwachsene Vorteil von der Allgemeinheit (mit-)entgolten würde. Der Beklagte habe zur Begründung seiner Entscheidung zu Recht auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 7. September 2000 - 2 A 756/99 - Bezug genommen. Die in dem angefochtenen Bescheid dargelegten Gründe rechtfertigten aus den im Interesse der Allgemeinheit bestehenden Grundsätze der kommunalen Finanzwirtschaft das Einschreiten des Beklagten.

Die Klägerin sieht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts darin, dass es die Fehler bei der Ermessensausübung des Beklagten unzureichend gewürdigt habe. Gegenstand des Verfahrens sei die kommunalaufsichtsrechtliche Beanstandung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 NGO. Diese Vorschrift räume der Kommunalaufsichtsbehörde Ermessen ein. In der angefochtenen Beanstandungsverfügung habe der Beklagte nur pauschal ausgeführt, dass er Ermessen ausgeübt habe. Jedoch fehle eine wertende Entscheidung, warum er die von ihr mehrfach vorgetragenen Gründe für die beanstandete Satzung nicht akzeptiert habe. Weiter fehle eine Auseinandersetzung mit der besonderen Situation vor Ort, die nach der Erklärung des Beklagten auch nicht erfolgt sei. Weiter habe der Beklagte eingeräumt, seine Entscheidung ohne Ortskenntnis getroffen zu haben. Das Verwaltungsgericht habe zur Ermessensausübung Ausführungen gemacht. So habe es dargelegt, dass die Beanstandung der Satzung im öffentlichen Interesse gelegen habe. Das Gericht zitiere hierzu Ausführungen des Verwaltungsgerichts Dessau, die sich ausführlich mit dem der Gemeinde zustehenden Ermessen hinsichtlich der Erhebung von Kommunalabgaben, aber nur am Rande mit dem Ermessen der Kommunalaufsichtsbehörde bei Beanstandungen befassten. Die Ermessensausübung sei daher durch das Verwaltungsgericht falsch bewertet worden.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht ermessensfehlerhaft ist. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Verwaltungsgericht, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder die Verwaltungsbehörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 57 Abs. 1 Nds. Verfassung verwalten die Gemeinden ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verwaltung (Selbstverwaltungsgarantie). Dabei sind die Gemeinden bei Ausübung ihrer Selbstverwaltung an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 2 Nds. Verfassung). Das Land stellt durch seine Aufsicht sicher, dass die Selbstverwaltungskörperschaften die Gesetze beachten (Art. 57 Abs. 5 Nds. Verfassung). Verfassungsrechtlich stellt die Kommunalaufsicht die institutionelle Absicherung dafür dar, dass sich die Gemeinden bei der Wahrnehmung des Selbstverwaltungsrechts "im Rahmen der Gesetze" halten (vgl. Langrehr, in: Thieme, Nds. Gemeindeordnung - 3. Auflage, 1997 -, § 127 Rdnr. 3); die Kommunalaufsicht ist damit das notwendige "Korrelat" zu der Befugnis zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die Gemeinden (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 BvR 3/56 -, BVerfGE 6, 104, 118; BVerwG, Urteil vom 18. November 1955 - BVerwG II C 180.54 -, BVerwGE 2, 329, 334; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2002 - BVerwG 7 C 24.01 -, BVerwGE 117, 1, 6; Ipsen, Nds. Kommunalrecht - 3. Auflage, 2006 -, Rdnr. 838).

Diese Grundsätze finden sich in § 127 Abs. 1 NGO wieder. Nach dieser Bestimmung schützt die Kommunalaufsicht die Gemeinden in ihren Rechten, sichert aber auch die Erfüllung der Pflichten der Gemeinden. Die Kommunalaufsicht stellt sicher, dass die Gemeinden die geltenden Gesetze beachten. Sie soll so gehandhabt werden, dass die Entschlusskraft und die Verantwortungsfreude nicht beeinträchtigt werden. Ob und inwieweit die Aufsichtsbehörden von den Mitteln der §§ 129 bis 132 NGO Gebrauch machen, liegt im Ermessen der Kommunalaufsichtsbehörde; sie ist nicht zwingend zum Einschreiten verpflichtet (OVG Lüneburg, Urteil vom 25. März 1987 - 2 A 126/85 -, NVwZ 1988, 464, 465; Thiele, Nds. Gemeindeordnung - 7. Auflage, 2004 -, § 127 Nr. 4; Langrehr, a.a.O., Rdnr. 4; Smollich, in: Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen (Stand: Juni 2007), § 127 NGO Rdnr. 7; Ipsen, a.a.O., Rdnr. 844).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens nicht eingehalten oder er von seinem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das hierauf bezogene Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe lediglich angeführt, sein Ermessen ausgeübt zu haben, jedoch fehle eine wertende Entscheidung, aus welchen Gründen er die von ihr mehrfach vorgetragenen Gründe für die beanstandete Satzung nicht akzeptiert habe, sowie eine Auseinandersetzung mit der besonderen Situation vor Ort, rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Vielmehr hat der Beklagte zur Begründung seiner Beanstandungsentscheidung ausgeführt, ein Einschreiten der Kommunalaufsicht sei geboten und notwendig, weil mit dem betr. Satzungsbeschluss Verstöße gegen das NKAG und den Gleichbehandlungsgrundsatz vorlägen und es nicht hingenommen werden könne, dass die Klägerin diese Vorgaben nicht beachte. Die Beanstandung sei geeignet und erforderlich, um rechtmäßige Zustände herzustellen (Seite 4 des angefochtenen Bescheides).

Diese Begründung der Ermessensentscheidung des Beklagten unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Auf Grund der festgestellten materiellen Rechtswidrigkeit des Satzungsbeschlusses der Klägerin wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 5 NKAG und Art. 3 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 6. Juni 2001 - 9 LA 907/01 -, NVwZ-RR 2002, 294) bedurfte die angefochtenen Beanstandungsverfügung keiner weitergehenden Begründung. Soweit die Klägerin aus dem Fehlen von weiteren Ermessenserwägungen auf eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens seitens des Beklagten schließt, lässt sie außer Betracht, dass im vorliegenden Fall das Ermessen auf ein Einschreiten gerichtet ist (sogen. intendiertes Ermessen). Ist eine Ermessensvorschrift dahin auszulegen, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst; in diesem Fall bedarf es auch keiner das Selbstverständliche darstellende Begründung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 -, BVerwGE 105, 55, 57 m.w.N.; Nds. OVG, Beschluss vom 4. Mai 2004 - 7 LA 110/04 - und Beschluss vom 25. Januar 2006 - 8 LA 85/05 -, DWW 2006, 210). Die das Ermessen des Beklagten lenkenden Vorgaben im dargestellten Sinne sind im vorliegenden Fall den Art. 20 Abs. 3 GG, 2 Abs. 2, 57 Abs. 5 Nds. Verfassung zu entnehmen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 25. März 1987, a.a.O.). Hiernach hat die Kommunalaufsicht des Landes sicherzustellen, dass die Gemeinden die geltenden Gesetze beachten. Dieses Verfassungsgebot erfordert bei eindeutigen Rechtsverstößen ein Einschreiten der Kommunalaufsicht; die Sollvorschrift des § 127 Abs. 1 Satz 3 NGO muss deshalb bei materiellen Gesetzesverletzungen zurücktreten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25. März 1987, a.a.O.). Dies steht auch im Einklang mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, 57 Abs. 1 Nds. Verfassung), da diese "im Rahmen der Gesetze" gewährleistet ist.

Auf Grund der vom Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der angeführten Rechtsprechung des Nds. OVG (Beschluss vom 6. Juni 2001 - 9 LA 907/01 -) festgestellten Verstöße der Satzungsbeschlusses der Klägerin gegen § 6 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 NKAG sowie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) lagen atypische Gegebenheiten, die Anlass zu einer abweichenden Entscheidung hätten sein können, nicht vor. Diese Verstöße gegen das materielle Recht können nicht als unerheblich angesehen werden. Dies folgt zunächst daraus, dass nicht nur einzelne von der umstrittenen Satzungsbestimmung betroffen sind. Zudem sind die finanziellen Folgen für die Allgemeinheit beträchtlich.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte die von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte - insbesondere die örtlichen Verhältnisse - in seine Entscheidung nicht mit eingestellt hat. Der Annahme der Klägerin steht entgegen, dass die Beteiligten im Vorfeld der Beschlussfassung im Januar 2005 über einen längeren Zeitraum die Frage der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen eingehend erörtert haben. Hierbei hat die Klägerin umfassend zu den örtlichen Verhältnissen vorgetragen, so dass auch unter Berücksichtigung der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Unterlagen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte in Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse seine Entscheidung getroffen hat.

2.

Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Die gebotene Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung erfordert die Formulierung einer bestimmten höchst- oder obergerichtlich noch ungeklärten sowie für die Berufungsentscheidung erheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage und setzt außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung bestehen soll (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. für das insoweit inhaltsgleiche Revisionsrecht: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26).

Nach Maßgabe dessen hat die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Sie sieht die Frage als grundsätzlich bedeutend an, ob mit der Festlegung von nur zwei Straßentypen und der Unterschreitung der 50 %-Grenze für Anliegerstraßen das Vorteilsprinzip nach § 6 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 NKAG verletzt ist. Im Hinblick hierauf führt sie näher aus, diese Frage sei von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts bisher nicht geklärt worden. Sie legt jedoch nicht dar, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung bestehen soll.

Daneben ist in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geklärt, dass das aus § 6 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 NKAG abgeleitete Vorteilsprinzip nicht nur eine Obergrenze, sondern auch eine Untergrenze bedingt, so dass der Anliegeranteil bei Anliegerstraßen jedenfalls über 50 % des beitragsfähigen Aufwandes liegen muss (Nds. OVG, Beschluss vom 6. Juni 2001, a.a.O.). Schafft nämlich eine Gemeinde durch den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung die Voraussetzungen für die Erhebung von Beiträgen, ist sie den rechtlichen Bindungen des NKAG und damit dem Vorteilsprinzip unterworfen. Dann steht es ihr nicht frei, die Höhe des Gemeindeanteils und damit die Höhe des Anliegeranteils nach ihrem freien Ermessen - gewissermaßen unbeschränkt - festzulegen. Hierbei übt die Gemeinde das ihr zustehende Einschätzungsermessen bei der Festsetzung des Anliegeranteils nur dann sachgerecht aus, wenn der durch den Erlass der Beitragssatzung erklärten Verpflichtung zur Beitragserhebung durch eine angemessene Vorteilsbemessung Rechnung getragen wird. Daraus folgt die Anerkennung einer Untergrenze der Vorteilsbemessung. Dient eine Straße also überwiegend dem Anliegerverkehr, muss sich - ausgehend vom Vorteilsprinzip - auch die Vorteilsbemessung daran ausrichten. Bei Anliegerstraßen muss der Vorteil der Anlieger jedenfalls über 50 % und der Vorteil der Allgemeinheit - und damit der Gemeindeanteil - unter 50 % liegen (Nds. OVG, Beschluss vom 6. Juni 2001, a.a.O.).

Des Weiteren wäre die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage für die angestrebte Berufungsentscheidung nicht entscheidungserheblich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, dass das o.a. Vorteilsprinzip eine Berücksichtigung der Verkehrsbedeutung der ausgebauten Straßen und der ausgebauten Teileinrichtungen erfordert, muss jedenfalls zum einen nach reinen Wohnstraßen (Anliegerstraßen), Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr (Haupterschließungs- oder Innerortsstraßen) und Straßen mit Durchgangsverkehr (Hauptverkehrs- oder Durchgangsstraßen) und zum anderen zumindest nach Fahrbahnen und Gehwegen unterschieden werden (vgl. Beschluss vom 6. Juni 2001, a.a.O. mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind in dem Gemeindegebiet der Klägerin die drei genannten Straßentypen tatsächlich vorhanden, so dass auf Grund der unterschiedlichen Verkehrsbedeutung und damit der voneinander abweichenden Vorteile für die Anlieger eine differenzierte Beitragsbemessung zu erfolgen hat. Eine einheitliche Zuordnung der reinen Wohnstraßen (Anliegerstraßen) und der Innerortsstraßen zu einer Beitragsgruppe genügt den o.a. rechtlichen Anforderungen des § 6 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 NKAG nicht. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob im Falle der Festlegung von nur zwei Straßentypen eine Unterschreitung der 50 %-Grenze für Anliegerstraßen § 6 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 NKAG verletzt.

3.

Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen werden. Die Klägerin legt mit ihrem Zulassungsantrag schon nicht dar, worin die besondere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeit in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bestehen soll. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache sind unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen zu verneinen. Die maßgeblichen Anforderungen, die an ein Einschreiten der Kommunalaufsichtsbehörde zu stellen sind, sowie die entscheidungserheblichen Fragen des Kommunalbeitragsrechts sind nach der angeführten Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts geklärt.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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