Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 10 ME 328/08
Rechtsgebiete: AufenthG, GG


Vorschriften:

AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Zu den Anforderungen, unter den die Abschiebung eines Ausländers wegen der von ihm beabsichtigten Eheschließung mit einer bleiberechtigten Ausländerin und bevorstehender Geburt seines Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen wird, auszusetzen ist (Erteilung einer Duldung).
Gründe:

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Mai 2008 anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers auszusetzen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen, bleibe ohne Erfolg, weil der angefochtene Bescheid sich voraussichtlich als rechtmäßig erweise. Die Antragsgegnerin habe zu Recht den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 31 und 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung habe der Antragsteller auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch, ihn bis zu der beabsichtigten Eheschließung wegen des besonderen Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG zu dulden, nicht glaubhaft gemacht. Zwar könne sich aus Vorwirkungen des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung ein Abschiebungshindernis ergeben. Hier stehe die Eheschließung jedoch nicht unmittelbar bevor, weil ein Termin zur Eheschließung noch nicht bestimmt worden sei. Zudem lägen dem Standesamt die für die Eheschließung notwendigen Unterlagen noch nicht vor. Weiter sei die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses beim Oberlandesgericht Celle noch nicht beantragt worden.

Die vom Antragsteller mit seiner Beschwerde dagegen vorgebrachten Gründe rechtfertigen eine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht.

Zunächst macht der Antragsteller geltend, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die besondere familiäre Situation und seiner Verlobten, die in der sechsten Woche schwanger sei. Da sein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen werde, sei ihm - dem Antragsteller - nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Dieser Einwand greift nicht durch. Dem Antragsteller kann derzeit eine Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt werden. Nach dieser Bestimmung ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen. Diese Voraussetzungen liegen hier - vor der Geburt des Kindes - nicht vor. Erst nach der Geburt des Kindes kann der Antragsteller die Personensorge tatsächlich ausüben. Allenfalls die Erteilung einer Duldung kommt in solchen Fällen in Frage (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 11 ME 214/07 -, n.v.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. April 2008 - 2 M 84/08 -, AuAS 2008, 137, m.w.N.; Sächs. OVG, Beschluss vom 15. September 2006 - 3 BS 189/06 -, InfAuslR 2006, 446; OVG Saarland, Beschluss vom 24. April 2008 - 2 B 199/08 -, juris).

Auch hat das Verwaltungsgericht zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den Antragsteller bis zur Eheschließung zu dulden, abgelehnt. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).

Im Hinblick hierauf macht der Antragsteller geltend, auf Grund der bevorstehenden Geburt seines Kindes bestünden im Bundesgebiet familiäre Bindungen, die durch eine Abschiebung unterbrochen würden. Aus dem Schutz der Familie (Art. 6 GG) und der in Art. 6 Abs. 5 GG vorgesehenen Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern sei zu folgern, dass die Vollziehung der Ausreisepflicht derart in das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG eingreife, dass gegebenenfalls vorliegende öffentliche Interessen zurücktreten müssten. Art. 6 GG vermittele auch dem noch nicht geborenen Menschen einen Grundrechtsschutz. Deshalb sei ihm eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu erteilen.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Aussetzung der Abschiebung. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Derzeit ist die Ausreise des Antragstellers auch unter Berücksichtigung der schützenswerten Belange aus Art. 6 Abs. 1 GG aber nicht rechtlich unmöglich.

Zunächst steht die Absicht des Antragstellers, die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen C. D. schließen zu wollen, der Abschiebung nicht entgegen. Art. 6 Abs. 1 GG schützt die rechtswirksam zustande gekommene Ehe, verbietet allerdings auch nachteilige Einwirkungen staatlicher Stellen auf die Bereitschaft zur Eheschließung und garantiert damit den ungehinderten Zugang zur Ehe (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1970 - 1 BvR 409/67 -, BVerfGE 29, 166, 175). Ein Duldungsanspruch wird daher in der Rechtsprechung anerkannt, wenn die Eheschließung tatsächlich ernsthaft beabsichtigt ist und unmittelbar bevorsteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 1995 - 1 B 223.94 - Buchholz 402.240 § 12 AuslG 1990 Nr. 5; Senatsbeschluss vom 26. Juli 2007 - 10 ME 163/07 -, n.v.; Bay. VGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 19 CE 07.3454 -, juris und Beschluss vom 7. November 2007 - 24 CE 07.2969 -, juris). Hier steht die beabsichtigte Eheschließung nicht unmittelbar bevor. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts und verweist deshalb in Anwendung des § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO hierauf. Dem ist der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht entgegengetreten.

Auch aus dem Vorbringen des Antragstellers zur bevorstehenden Geburt seines Kindes lässt sich vorliegend ein rechtliches Ausreisehindernis nicht herleiten. Eine Vaterschaft des Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen Staatsangehörigen entfaltet für sich genommen noch keine aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen in Ansehung des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Nur wenn sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt, dass die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des Ausreisepflichtigen eine Verletzung der Rechtspositionen der zurückbleibenden Mutter oder des ungeborenen Kindes konkret befürchten lässt, folgt hieraus zugunsten des Betroffenen ein zwingendes rechtliches Ausreisehindernis. Bestehen solche besonderen Umstände hingegen nicht, ist es dem Ausländer regelmäßig zuzumuten, seine beabsichtigte Eheschließung und eine spätere Herstellung der Lebensgemeinschaft mit dem noch nicht geborenen Kind vom Heimatland aus zu betreiben (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 24. April 2008, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. April 2008, a.a.O.). Mit seiner Beschwerde legt der Antragsteller besondere Umstände in Bezug auf die Schwangerschaft von Frau D. nicht dar, so dass ein zwingendes Ausreisehindernis nicht festgestellt werden kann.

Hiernach hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern (§ 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG), zumal der Antragsteller nicht nur einen vorübergehenden, sondern einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet anstrebt.

Ende der Entscheidung

Zurück