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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 11 LB 178/05
Rechtsgebiete: GG, VwVfG, WaffG 1976, WaffG 2002
Vorschriften:
GG Art. 2 Abs. 1 S. 1 | |
VwVfG § 49 | |
WaffG 1976 § 5 II 1 | |
WaffG 2002 § 4 I Nr. 2 | |
WaffG 2002 § 45 II 1 | |
WaffG 2002 § 46 | |
WaffG 2002 § 5 I Nr. 1 | |
WaffG 2002 § 58 I 1 |
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf von Waffenbesitzkarten durch die Beklagte.
Der Landkreis Hannover stellte dem Kläger in den Jahren 1974 und 1978 zwei Waffenbesitzkarten (Nr. 1470/74 und Nr. 8107/78) aus, in die insgesamt sieben Waffen eingetragen sind. Die seit September 2003 zuständige Beklagte holte im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 1. Oktober 2003 über den Kläger ein. Daraus ergaben sich folgende strafrechtliche Verurteilungen:
1. Am 28. Januar 1994 verurteilte ihn das Amtsgericht D. wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 150,-- DM.
2. Am 15. August 1996 verurteilte ihn das Amtsgericht E. am Deister wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 150,-- DM.
3. Am 10. November 1999 verurteilte ihn das Amtsgericht F. wegen einer am 11. November 1997 begangenen versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Dieses Urteil ist seit dem 29. März 2000 rechtskräftig.
Nach Anhörung des Klägers widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2003 die ihm erteilten Waffenbesitzkarten und verpflichtete ihn zugleich, die Waffenbesitzkarten unverzüglich nach Bestandskraft der Verfügung zurückzugeben. Außerdem ordnete sie an, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen binnen 14 Tagen nach Bestandskraft der Verfügung an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und die Überlassung oder Unbrauchbarmachung binnen zwei Wochen schriftlich nachzuweisen. Die letzte Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr erfülle den Tatbestand des § 5 Abs. 1 WaffG 2002. Dies begründe zwangsläufig seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit mit der Folge, dass die ihm erteilten Waffenbesitzkarten nach § 45 Abs. 2 WaffG 2002 zu widerrufen seien. Es handele sich um den Eintritt von nachträglichen Tatsachen, die zur Versagung der Erlaubnisse hätten führen müssen. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass es unzulässig sei, die nach dem neuen Waffengesetz vom 11. Oktober 2002 geltenden schärferen Zuverlässigkeitskriterien rückwirkend auf die noch nach der alten Rechtslage erteilten Erlaubnisse zu übertragen. Er habe die der Verurteilung vom 10. November 1999 zugrunde liegende Straftat noch unter Geltung des WaffG 1976 begangen. Das Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes zum 1. April 2003 stelle keine neue Tatsache im Sinne des § 45 Abs. 2 WaffG 2002 dar. Es handele sich vielmehr um eine neue Rechtslage. Für Rücknahme und Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis, die noch nach dem WaffG 1976 erteilt worden sei, seien die §§ 48 und 49 VwVfG maßgeblich. Würde man auf § 5 Abs. 2 WaffG 1976 abstellen, könne er nicht als unzuverlässig angesehen werden.
Mit Bescheid vom 17. März 2004 wies die Region Hannover den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass der Kläger sich als unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts erwiesen habe, selbst wenn man die frühere Rechtslage zugrunde lege.
Der Kläger hat am 16. April 2004 Klage erhoben und seinen Rechtsstandpunkt wiederholt und vertieft.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Region Hannover vom 17. März 2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. August 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Rechtsgrundlage für den Widerruf sei das seit dem 1. April 2003 gültige WaffG 2002. Denn bei der hier vorliegenden Anfechtungsklage sei zur Beurteilung maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen. Die Beklagte habe den Widerruf zu Recht auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG 2002 gestützt. Der Kläger besitze die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a WaffG 2002 erforderliche Zuverlässigkeit nicht, weil er wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und seit dem Eintritt der Rechtskraft dieser Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen seien. Ein Ermessen stehe der Behörde in den Fällen des § 5 Abs. 1 WaffG 2002 nicht zu, so dass es nicht darauf ankomme, ob - wie bei den Fällen des Abs. 2 - ein Ausnahmefall vorliege. Bedenken gegen den Widerruf bestünden auch nicht unter dem aus dem Rechtsstaatprinzip herzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die von der Beklagten angeordneten Nebenfolgen seien nach § 46 Abs. 1 und 2 WaffG 2002 gerechtfertigt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung des Klägers. Er macht ergänzend geltend:
Das angefochtene Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Anwendung von § 45 WaffG 2002. Die dem Widerruf der Waffenbesitzkarten zugrunde liegende Straftat sei vor dem Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes begangen worden. § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG 1976 habe die vermutete Unzuverlässigkeit nur für die Dauer von fünf Jahren seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung vorgesehen. Diese Frist sei bereits am 29. März 2005 abgelaufen. Neue Straftaten oder weitere Gründe, die seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründen könnten, lägen nicht vor. § 45 Abs. 2 WaffG 2002 verlange ausdrücklich eine "neue Tatsache" für den Widerruf der Waffenerlaubnis. Die Novellierung eines Gesetzes stelle aber keine "neue Tatsache" dar. Vielmehr handele es sich um eine Änderung der Rechtslage, die vom Wortlaut der Vorschrift nicht mit umfasst werde. Diese Auffassung vertrete auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen. Die rückwirkende Subsumierung eines abgeschlossenen Sachverhalts unter ein neues Gesetz stelle eine unzulässige "echte Rückwirkung" dar, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit den Grundsätzen des Rechtsstaatsprinzips nicht vereinbar sei. Somit verbiete es sich, die Fristenberechnung nach dem neuen Recht vorzunehmen.
Das Verwaltungsgericht habe weiter zu Unrecht ein Ermessen der Beklagten verneint. Da für die Anwendung von § 45 Abs. 2 WaffG 2002 aus den oben angeführten Gründen kein Raum sei, seien die §§ 48 und 48 VwVfG heranzuziehen, welche die Ausübung von Ermessen voraussetzten. Dieses habe die Beklagte nicht ausgeübt.
Wenn aber der Widerruf der Waffenbesitzkarten rechtswidrig sei, fehle auch eine Grundlage für das Verlangen nach § 46 Abs. 2 WaffG.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klagantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert: Die Bedenken des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gegen die Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG 2002 seien nicht stichhaltig. Zur Begründung verweise sie auf den gegenteiligen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. August 2004, dessen Argumentation sie sich zu eigen mache. Der Kläger verkenne, dass das Tatbestandsmerkmal des Eintritts nachträglicher Tatsachen nicht durch die Änderung des Waffengesetzes, sondern durch die nach der Erteilung der Waffenbesitzkarten erfolgte strafrechtliche Verurteilung erfüllt worden sei. Würde man sich der Auffassung des Klägers anschließen, könnte die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG 2002 normierte 10-Jahres-Frist faktisch erst ab 1. August 2008 uneingeschränkt Anwendung finden. Dies dürfte aber kaum der Wille des Gesetzgebers gewesen sein. Wenn er dies gewollt hätte, hätte er entsprechende Übergangsregelungen getroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Region Hannover verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen.
Der mit Bescheid der Beklagten vom 6. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Region Hannover vom 17. März 2004 ausgesprochene Widerruf der in Form der Waffenbesitzkarten mit den Nrn. 1470/74 und 8107/78 erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Auf den Widerruf sind ausschließlich die Regelungen des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970, ber. BGBl I S. 4592 - WaffG 2002 -) anzuwenden. Das bisher geltende WaffG 1976 ist gemäß Art. 19 Nr. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Oktober 2002 (a.a.O.) am 1. April 2003 außer Kraft getreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit entsprechend der für die Anfechtung rechtsgestaltender Verwaltungsakte geltenden Regelung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen (vgl. etwa Urt. v. 13.12.1994, BVerwGE 97, 245 = GewArch 1995, 383).
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG 2002, der mit der bisherigen Regelung in § 47 Abs. 2 Satz 1 WaffG 1976 übereinstimmt, ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Diese fehlt Personen, die rechtskräftig verurteilt worden sind wegen eines Verbrechens (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 a WaffG 2002) oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 b WaffG 2002), wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Ein derartiger Fall liegt hier vor.
Der Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts F. vom 10. November 1999 wegen einer am 11. November 1997 begangenen versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Auch sind seit dem Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung am 29. März 2000 zehn Jahre noch nicht verstrichen. Bei der Verurteilung des Klägers handelt es sich um eine nachträgliche Tatsache im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG 2002, weil sie zeitlich nach der Erteilung der Waffenbesitzkarten in den Jahren 1994 und 1978 eingetreten ist. Dies hat zur Folge, dass die Waffenbesitzkarten nach § 45 Abs. 2 Satz 1 zwingend zu widerrufen sind, ohne dass der Beklagten insoweit ein Ermessensspielraum zusteht.
Demgegenüber kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, dass das neue WaffG nicht auf seinen Fall anwendbar sei, weil er die dem Widerruf der Waffenbesitzkarten zugrunde liegende Straftat vor dessen Inkrafttreten begangen habe.
Durch die Neuregelung des Waffenrechts sind die waffenrechtlichen Unzulässigkeitsvorschriften verschärft worden. Während § 5 Abs. 2 WaffG 1976 vorsah, dass die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, die einen der dort genannten Tatbestände erfüllen, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, wird nach § 5 Abs. 1 WaffG 2002 bei Personen, die wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden sind, die absolute waffenrechtliche Unzuverlässigkeit für die Dauer von zehn Jahren ab Rechtskraft des letzten Urteils unwiderlegbar vermutet. Die nach dem neuen Waffenrecht geltenden strengeren Bestimmungen über die Zuverlässigkeit dienen ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 14/7758, S. 1) dem Zweck, den missbräuchlichen Umgang mit Waffen einzudämmen. Den Fall der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr hält der Gesetzgeber dabei für eine so gravierende Verletzung der Rechtsordnung, "dass das Vertrauen in die Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen für die Dauer der Zehn-Jahres-Frist als nicht wieder herstellbar anzusehen ist" (BT-Drs. 14/7758, S. 54). Es liegen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vor, dass im Falle einer - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des Waffenrechts (1. April 2003) erfolgten strafrechtlichen Verurteilung die Inhaber von Waffenbesitzkarten von der Verschärfung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeitsvorschriften verschont bleiben sollen. Diese Auslegung, die der Senat bereits in seinem Beschluss vom 9. Juni 2004 (11 LA 63/04) - allerdings ohne nähere Begründung - für vorzugswürdig gehalten hat, entspricht auch der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 6.4.2005 - 20 B 155/05 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4.3.2005 - 1 M 279/04 -; VGH Bad-Württ., Beschl. v. 19.8.2004, VBlBW 2005, 102; Sächs. OVG, Beschl. v. 10.3.2004 - 3 BS 8/03 -; VG Chemnitz, Beschl. v. 3.6.2005 - 3 K 449/05 -; VG Sigmaringen, Urt. v. 31.1.2005 - 2 K 978/04 -; VG Aachen, Urt. v. 31.3.2004 - 6 K 1922/03 -). Die davon abweichende Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa Beschl. v. 12.1.2004 - 19 Cs 03.3148 - u. v. 14.11.2003 - 21 Cs 03.2056 -) und von Teilen des Schrifttums (Runkel, in: Hinze, WaffR, Bd. 2, Stand: Februar 2005, § 5 WaffG RdNr. 11; Apel/Bushart, WaffR, Bd. 2: WaffG, 3. Aufl., § 58 WaffG RdNr. 4) vermag nicht zu überzeugen.
Zwar kann die Neuregelung des Waffenrechts nicht als nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG 2002 angesehen werden. Soweit es um die Verschärfung der Zuverlässigkeitsanforderungen geht, handelt es sich vielmehr um eine Änderung der Rechtslage, die aber bei der Prüfung, ob die betreffende strafrechtliche Verurteilung einen Versagungstatbestand erfüllt, berücksichtigt werden muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll nämlich der zwingend vorgeschriebene Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Eintritts von Versagungstatsachen nicht einer vergangenen, sondern der im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf gegebenen Rechtslage hinsichtlich der Voraussetzungen für die weitere Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen Rechnung tragen (vgl. Urt. v. 30.4.1985, BVerwGE 71, 234, 243 zu § 47 Abs. 2 Satz 1 WaffG 1976).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Übergangsregelung des § 58 WaffG 2002. Auch wenn nach Abs. 1 dieser Vorschrift Erlaubnisse im Sinne des WaffG 1976 fortgelten, bedeutet dies nicht, dass Inhaber solcher "Alterlaubnisse" von den Zuverlässigkeitsmaßstäben des § 5 WaffG 2002 freigestellt werden. Vielmehr vertritt der Senat in Übereinstimmung mit der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Bedeutung dieser Vorschrift darin erschöpft, dass die waffenrechtlichen Erlaubnisse - auch die Waffenbesitzkarten des Klägers - mit Inkrafttreten des WaffG 2002 nicht ihre Gültigkeit verloren haben und auch nicht erneut beantragt werden mussten. Damit hängt der weitere Bestand einer nach § 58 Abs. 1 Satz 1 WaffG 2002 fortgeltenden Erlaubnis allein von den Voraussetzungen ab, die die seit dem 1. April 2003 geltende Neuregelung für die Innehabung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen aufstellt.
Diese Auslegung wird auch durch Sinn und Zweck der Neuregelung des Waffenrechts bestätigt. Es war - wie bereits dargelegt - Anliegen des Gesetzgebers, die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Waffenbesitzer zu verschärfen, um damit dem missbräuchlichen Umgang mit Schusswaffen wirksamer als bisher zu begegnen. Angesichts dieser eindeutigen Zielsetzung hätte sich dem Gesetzgeber, wenn er die Betroffenen von den mit der Gesetzesänderung eintretenden materiell-rechtlichen Verschärfungen hätte befreien wollen, aufdrängen müssen, eine Übergangsregelung für die rechtskräftigen Verurteilungen vor dem 1. April 2003 vorzusehen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Gerade unter Berücksichtigung der mit der Gesetzesänderung verfolgten Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. § 1 Abs. 1 WaffG 2002) ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Inhaber von "Alterlaubnissen" von den strengeren Zuverlässigkeitsanforderungen ganz bzw. teilweise freistellen wollte. Eine solche Privilegierung von "Alterlaubnissen" hätte zur Folge, dass für einen längeren Zeitraum zwei verschiedene Rechtslagen nebeneinander bestünden und gleiche Sachverhalte je nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung rechtlich unterschiedlich beurteilt werden müssten. Dies würde eine einheitliche und effektive Umsetzung der Neuregelung erschweren und letztlich auch mit dem waffenrechtlichen Grundsatz kollidieren, dass unzuverlässigen Personen die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen verwehrt werden muss (so zu Recht VGH Bad.-Württ., a.a.O.).
Eine andere Auslegung ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Insbesondere steht der hier vertretenen Auffassung das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot nicht entgegen. Die Regelung des Widerrufs in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG 2002 wirkt nicht auf einen Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des Waffenrechts zurück, weil die mit ihrer Anwendung verbundenen Rechtsfolgen erst nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung eintreten sollen. Die Vorschrift entfaltet daher keine echte Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es handelt sich vielmehr um einen Tatbestand, der den Eintritt seiner Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor seiner Verkündung abhängig macht (sog. tatbestandliche Rückanknüpfung, vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 5.2.2004, BVerfGE 109, 133, 181). In diesen Fällen wird den allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit kein genereller Vorrang vor dem jeweils verfolgten gesetzgeberischen Anliegen eingeräumt. Vielmehr ergeben sich die Grenzen der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 182). Die bereits mehrfach erwähnte überragende Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens bei der Neuregelung des Waffenrechts für das Wohl der Allgemeinheit überwiegt danach das Vertrauen der betroffenen Waffenbesitzer auf den Fortbestand der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG 1976. Mit der Verschärfung der Vorschriften über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit kommt der Gesetzgeber seiner aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Pflicht nach, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der Bürger zu stellen und diese auch vor Gefährdungen durch Personen zu bewahren, die nach geltendem Recht unzulässigerweise im Besitz von Waffen sind. Im Hinblick auf dieses herausragende öffentliche Interesse werden die grundrechtlichen Belange der von der tatbestandlichen Rückanknüpfung betroffenen Waffenbesitzer nicht unverhältnismäßig betroffen (so auch OVG NRW, OVG Sachsen-Anhalt u. VGH Bad.-Württ., jeweils a.a.O.).
Da der vorliegend anzuwendende § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG 2002 eine Sonderregelung zu § 49 VwVfG darstellt (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 79) und der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis in einem solchen Fall zwingend vorgeschrieben ist, greift der Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt, nicht durch. Im Übrigen ging auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 47 Abs. 2 WaffG 1976 diese Vorschrift den Widerrufsregelungen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze vor (vgl. Urt. v. 26.3.1996, BVerwGE 101, 24, 33).
Die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten angeordneten weiteren Maßnahmen ergibt sich aus § 46 Abs. 1 und 2 WaffG 2002.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.
Ende der Entscheidung
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