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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 11 LC 138/06
Rechtsgebiete: GG, VersG, VwVfG


Vorschriften:

GG Art. 8
VersG § 15 Abs. 1
VwVfG § 35 Abs. 1 S. 2
Das anlässlich des Castor-Transports im November 2004 im Wege der Allgemeinverfügung angeordnete präventive Versammlungsverbot ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ohne das zeitlich und räumlich beschränkte Versammlungsverbot wäre es den Einsatzkräften der Polizei und des Bundesgrenzschutzes unter Berücksichtigung der Länge der Transportstrecke, des teilweise schwer überschaubaren Geländes und der zu erwartenden Zahl von mehreren tausend Demonstranten voraussichtlich nicht möglich gewesen, die Durchführung des Castor-Transports ohne erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten.
Tatbestand:

Gegenstand des Verfahrens sind Beschränkungen des Versammlungsrechts im Zusammenhang mit dem Castor-Transport nach Gorleben im November 2004, gegen die sich die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (e. V.) wehrt.

Anfang November 2004 sollten wie in Vorjahren radioaktive Abfälle aus der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague, Frankreich, in das Zwischenlager Gorleben transportiert werden. Die Deutsche Bahn Nuclear Cargo und Service GmbH war aufgrund einer vollziehbaren Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz vom 27. April 2004 zur Durchführung des Transports berechtigt. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2004 meldete die Klägerin für den 8. November 2004 in der Zeit von 13:00 bis 15:00 Uhr eine Versammlung unter dem Motto "Testlauf" - "Fit gegen Castor" an, die zwischen Langendorf und Groß Gusborn in beiden Richtungen mit einer Teilnehmerzahl von vermutlich 200 Personen stattfinden sollte. Am 18. Oktober 2004 führte die Bezirksregierung Lüneburg mit Vertretern verschiedener Initiativen, die anlässlich des Castor-Transports Versammlungen planten, ein Kooperationsgespräch durch, an dem auch Vertreter der Klägerin teilnahmen.

Am 23. Oktober 2004 machte die Bezirksregierung Lüneburg unter Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Allgemeinverfügung bekannt, mit der alle unangemeldeten öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 6. November 2004, 00:00 Uhr, bis zum 16. November 2004, 24:00 Uhr, und alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 8. November 2004, 00:00 Uhr, bis zum 16. November 2004, 24:00 Uhr, untersagt wurden. Die Verfügung beschränkte sich räumlich auf die Eisenbahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg einschließlich eines Bereichs von 50 m beiderseits der Gleisanlagen und einer Fläche um den Zaun der Umladestation in Dannenberg sowie auf die zwei möglichen Straßentransportstrecken von Dannenberg nach Gorleben einschließlich der Verbindungsstraßen zwischen Quickborn und Kacherien nach Gusborn, eines Bereichs von 50 m beiderseits der Transportstrecke und eines Bereichs um den Eingang des Zwischenlagers. Die betroffenen Bereiche wurden in der Allgemeinverfügung im Einzelnen bezeichnet. Die Verfügung sah vor, dass die Verbote spätestens außer Kraft treten, sobald der Castor-Transport vollständig in das umzäunte Gelände des Zwischenlagers eingefahren ist. Im Übrigen werde die Ordnungsbehörde unverzüglich räumlich bestimmte Streckenabschnitte freigeben, wenn diese nicht mehr für den Transport benötigt würden.

Die Allgemeinverfügung wurde unter näherer Darlegung damit begründet, dass bei dem bevorstehenden Castor-Transport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter bestehe, insbesondere in Gestalt von Blockaden der Transportstrecke, strafbewehrten Eingriffen in den Straßen- und Bahnverkehr, Beschädigungen von Sachen von erheblichem Wert und gewalttätigen Ausschreitungen. Als Grundlage der Gefahrenprognose wurde zunächst auf die Erfahrungen mit den letzten sieben Castor-Transporten verwiesen. Beispielhaft wurden Vorfälle aus den Jahren 2001 bis 2003 genannt, bei denen es etwa zu Sitzblockaden, Blockaden mit Traktoren, Beschädigungen von Gleisanlagen, Unterhöhlungen des Straßenraums, Angriffen auf Polizeibeamte bzw. Einsatzfahrzeuge, Sachbeschädigungen und zur Errichtung von Barrikaden auf der Transportstrecke gekommen sei. Auch bei dem bevorstehenden Transport sei mit erheblichen Störungen zu rechnen. So habe etwa ein Sprecher der Initiative "X-tausendmal quer" in einer Mitteilung im Internet eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straße angekündigt. Ebenso rufe die Gruppe "Widersetzen" ihre Anhänger zu Blockadeaktionen auf der Transportstrecke auf und plane Blockadepunkte in Langendorf und Groß Gusborn. Bei dem am 18. Oktober 2004 durchgeführten Kooperationsgespräch hätten Vertreter der Klägerin und anderer Initiativen nicht ausgeschlossen, auch beim diesjährigen Castor-Transport Blockaden der Schienen- und der Straßenstrecke zu beabsichtigen. Auch wenn die Zahl der Teilnehmer noch nicht absehbar sei, sei davon auszugehen, dass die Proteste und Aktionen wie in früheren Jahren nicht nur von einer kleinen Gruppe getragen würden. Während der letzten Castor-Transporte habe die Gewaltbereitschaft und Aggressivität, die bei den Protesten zum Ausdruck gekommen sei, zwar insgesamt tendenziell abgenommen. Gewaltbereite Störer fühlten sich aber nach wie vor vom Spektrum der Aktivitäten angesprochen. So sei es beispielsweise im Vorfeld des Castor-Transports im November 2001 zu einem Brandanschlag auf eine Eisenbahnbrücke mit schweren Beschädigungen gekommen. Im Jahre 2003 sei eine Unterspülung des Bahndamms geplant gewesen und eine Unterspülung der Straße zwischen Quickborn und Langendorf durchgeführt worden. Nach einem Aufruf der Gruppe "mar-militante atomkraftgegnerInnen reloaded" sei erneut mit der Teilnahme gewaltbereiter Personen an den Demonstrationen während des Castor-Transports zu rechnen. Von den Veranstaltern nicht zu beherrschende gewalttätige Ausschreitungen seien zu befürchten. Wie bei den früheren Transporten sei zu erwarten, dass friedliche Versammlungen zum Anlass genommen würden, spontane Versammlungen mit zum Teil gewalttätigem Verlauf, insbesondere auf der Schienen- und der Straßentransportstrecke abzuhalten. Je näher der Castor-Transport zeitlich rücke, desto mehr hätten auch als friedlich angekündigte Demonstrationen der vier maßgeblichen Initiativen "X-tausendmal quer", "Widersetzen", der Bäuerlichen Notgemeinschaft und der Klägerin das Ziel, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, den Transport zu verhindern oder zumindest zu erschweren bzw. zu verzögern. Rechtswidrige und strafbare Handlungen, wie Blockaden und Unterhöhlungen der Transportstrecke, würden von den großen Protestinitiativen zumindest zustimmend geduldet. In räumlicher und zeitlicher Hinsicht sei das Versammlungsverbot auf das für die Sicherung des Castor-Transports erforderliche Maß beschränkt. Der räumliche Geltungsbereich erfasse im Wesentlichen die Transportstrecke, Alternativstrecken bzw. -streckenabschnitte zur Nutzung bei Beschädigungen der Hauptrouten sowie Bereiche im Umfeld der Umladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben, die als Orte mit besonderer Symbolkraft in besonderer Weise Ziel rechtswidriger Aktionen seien. Für den zeitlichen Beginn des Versammlungsverbots sei der frühestmögliche Termin für die Abwicklung des Castor-Transports zu berücksichtigen. Für den Samstag vor diesem Termin, den 6. November 2004, sei die Auftaktdemonstration geplant, die den Beginn der umfangreicheren Demonstrationen darstelle. Die Allgemeinverfügung sei zeitlich auf das Wochenende vor dem Transport zu erstrecken, um zu verhindern, dass aus einer der Versammlungen heraus die Straße bis zum Transporttag irreparabel beschädigt werde. Dies gelte jedenfalls für unangemeldete Versammlungen, bei denen nicht im Vorhinein mit einem Veranstalter kooperiert werden könne. Um gegen solche Versammlungen vor Ort mit Einzelmaßnahmen vorgehen zu können, müssten jeweils individuelle Gefahrenprognosen angestellt und die verantwortlichen Personen ausfindig gemacht werden. Dadurch könne das Eingreifen der Polizei derart verzögert werden, dass in der Zwischenzeit Beschädigungen der Transportwege, die bis zum Transporttag nicht mehr zu beheben seien, nicht verhindert werden könnten. Da hinsichtlich angemeldeter Versammlungen Verantwortliche als Ansprechpartner bekannt seien, könne insoweit das Wochenende vor dem Transport vom Versammlungsverbot ausgenommen werden.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2004 teilte die Bezirksregierung Lüneburg der Klägerin mit, dass die von ihr für den 8. November 2004 angemeldete Veranstaltung in den zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung falle und deshalb untersagt sei, ohne dass es einer individuellen Gefahrenprognose bedürfe.

Nach Einlegung eines Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung und das Schreiben vom 26. Oktober 2004 wandte sich die Klägerin mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an das Verwaltungsgericht. Durch Beschluss vom 3. November 2004 (3 B 66/04) gab das Verwaltungsgericht dem Antrag teilweise statt. Es stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung wieder her, soweit darin angemeldete öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel außerhalb des Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg (Geltungsbereich der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung) und unangemeldete öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel außerhalb des Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg (Geltungsbereich der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung) für den Zeitraum vom 6. November, 00:00 Uhr, bis zum 7. November 2004, 24:00 Uhr, untersagt wurden. Daneben verpflichtete es die Bezirksregierung Lüneburg im Wege der einstweiligen Anordnung, bis zum 5. November 2004, 16:00 Uhr, auf Grund einer individuellen Gefahrenprognose erneut über die von der Klägerin für den 8. November 2004 angemeldete Versammlung zu entscheiden. Im Übrigen lehnte es die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.

Mit Bescheid vom 5. November 2004 untersagte die Bezirksregierung Lüneburg unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Durchführung des von der Klägerin für den 8. November 2004 geplanten Aufzugs zwischen Langendorf und Groß Gusborn aufgrund einer individuellen Gefahrenprognose. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass die Protestszene eine Strategie der Unberechenbarkeit verfolge, deren Zweck im Rahmen eines übergreifend abgestimmten Gesamtkonzepts vor allem darin bestehe, Polizeikräfte an einzelnen Orten zu binden, um gleichzeitig andernorts rechtswidrige Aktionen wie dauerhafte Blockaden und Beschädigungen der Schienen- und Straßentransportstrecke durchführen zu können. Bei einer Gesamtbetrachtung sei eine Sachlage gegeben, welche die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfülle. Nach Einlegung eines Widerspruchs ersuchte die Klägerin das Verwaltungsgericht auch insoweit um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Auf die Beschwerde der Bezirksregierung Lüneburg lehnte der erkennende Senat mit Beschluss vom 6. November 2004 (11 ME 322/04) unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 3. November 2004 den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung ab.

Ebenfalls mit Beschluss vom 6. November 2004 (3 B 68/04) lehnte das Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 ab.

Der Castor-Transport durchfuhr am 8. November 2004 Lüneburg und erreichte am Vormittag des 9. November 2004 das Zwischenlager Gorleben. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten vom 9. November 2004 kamen anlässlich des Transports insgesamt 15.710 Kräfte der Polizei und des Bundesgrenzschutzes zum Einsatz. Der Straßentransport wurde von 10.097 Einsatzkräften begleitet.

Die Klägerin hat am 17. November 2004 Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung und der Verfügungen der Bezirksregierung Lüneburg vom 26. Oktober und 5. November 2004 begehrt hat. Zur Begründung hat sie die versammlungsrechtlichen Maßnahmen der Bezirksregierung Lüneburg angegriffen und unter Bezugnahme unter anderem auf ihr Vorbringen in den Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und die Begründung der von ihr erhobenen Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2395/05 im Zusammenhang mit dem im Jahre 2003 durchgeführten Castor-Transport insbesondere ausgeführt: Der jährlich anlässlich des Transports von radioaktivem Abfall nach Gorleben erfolgende Erlass eines Versammlungsverbots durch Allgemeinverfügung sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 15 VersG nicht gedeckt. Die Norm ermächtige nur zu Maßnahmen gegen eine einzelne Versammlung, nicht aber zu Versammlungsverboten, die ohne einzelfallbezogene Prüfung wiederkehrend in inhaltsgleicher Form erlassen würden. Derart abstrakt-generelle Regelungen, die auf die generelle Festlegung einer "Bannmeile" hinausliefen, seien dem Gesetzgeber vorbehalten. Die erlassene Allgemeinverfügung erstrecke sich räumlich nicht allein auf die Schienentransportstrecke und die zwei möglichen Straßentransportstrecken in Gestalt der Nord- und der Südroute, sondern mit den Straßen zwischen Quickborn bzw. Langendorf und Groß Gusborn auch auf die Verbindungsstraßen zwischen der Nord- und der Südroute. Diese Verbindungsstraßen seien für die Abwicklung des Castor-Transports weder rechtlich noch tatsächlich geeignet. Nach der erteilten Transportgenehmigung habe der Castor-Transport nur auf der Nord- oder der Südroute, nicht aber auf den Verbindungsstraßen geführt werden dürfen. Der Ausbauzustand der Verbindungsstraßen und das Streckenprofil ließen eine Abwicklung des Transports auf diesen Straßen auch tatsächlich nicht zu. Indem die Verbindungsstraßen in den räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung einbezogen worden seien, sei der Zugang zu dem Gebiet zwischen der Nord- und der Südroute unterbunden worden. Faktisch sei das Versammlungsverbot damit unter Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf das gesamte Gebiet zwischen der Nord- und der Südroute erstreckt und ein über viele Quadratkilometer reichendes Sonderrechtsgebiet geschaffen worden. Da die Allgemeinverfügung den Eindruck erwecke, dass nur die Transportstrecke von dem Versammlungsverbot betroffen sei, handele es sich um eine Scheinverfügung. Die Einbeziehung der Verbindungsstraßen zwischen den Transportrouten sei als Reaktion auf die von ihr angemeldete Versammlung anzusehen. Außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung seien keine Versammlungsorte verblieben, die dem berechtigten Interesse an hinreichender Wahrnehmbarkeit und Medienwirksamkeit der Proteste in räumlicher Nähe zum Castor-Transport genügten. Hinzu komme, dass die Medien zunehmend von der Polizei vereinnahmt würden, indem diese etwa durch eigene Pressearbeit auf eine einseitige Berichterstattung hinwirke.

Die bei Erlass der Allgemeinverfügung im Rahmen der Rechtsgüterabwägung angenommene völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Rücknahme des radioaktiven Abfalls sei nicht begründet. Die Durchführung der Castor-Transporte erfolge ausschließlich privatnützig im Interesse der beteiligten Transportunternehmen. Die Allgemeinverfügung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Tatsachengrundlage für die angestellte Gefahrenprognose unrichtig und unvollständig ermittelt, zusammengestellt und bewertet worden sei. Die Bezirksregierung Lüneburg sei von vornherein auf den Erlass eines Versammlungsverbots durch Allgemeinverfügung festgelegt gewesen. Der Sachverhalt sei auf dieses Ergebnis gerichtet einseitig dargestellt worden. In die Gefahrenprognose seien ausschließlich Tatsachen einbezogen worden, die aus Sicht der Bezirksregierung Lüneburg zur Rechtfertigung des Erlasses der Allgemeinverfügung geeignet gewesen seien. Eine Auseinandersetzung mit gegenläufigen Indizien sei nicht erfolgt. Einzelne Vorfälle sowohl aus der entfernteren als auch der jüngeren Vergangenheit seien verzerrt bzw. unzutreffend dargestellt worden. Nicht hinreichend berücksichtigt worden sei zudem, dass es eine Vielzahl von friedlichen Veranstaltern gebe und das Gewaltpotential über die Jahre abgenommen habe. Die von ihr - der Klägerin - in früheren Jahren veranstalteten Versammlungen seien stets friedlich gewesen. Blockadeaktionen habe sie nicht beabsichtigt. Auch habe sie als Veranstalterin in der Vergangenheit wiederholt deeskalierend gewirkt und insgesamt zu einer friedlichen Durchführung der Proteste beigetragen. Soweit es in Vorjahren zu Zwischenfällen gekommen sei, seien diese vielfach durch das Auftreten der Polizei und insbesondere durch exzessive Übergriffe von Polizeibeamten ausgelöst worden. Rechtswidriges polizeiliches Handeln sei nicht nur vereinzelt, sondern massenhaft festzustellen gewesen. Auch diese Gesichtspunkte seien bei der Gefahrenprognose außer Acht gelassen worden. Verlautbarungen sogenannter autonomer Gruppen spiegelten nicht die Auffassung der weit überwiegenden friedlichen Mehrheit von Versammlungsteilnehmern wieder und könnten ebenso wie einzelne Überschreitungen des Versammlungsrechts weder dieser noch ihr selbst als Veranstalterin zugerechnet werden.

Die Kooperationsbemühungen der Bezirksregierung Lüneburg seien unzureichend gewesen. Das Protokoll über das am 18. Oktober 2004 durchgeführte Kooperationsgespräch sei teilweise unrichtig. Die Behauptung, die Protestinitiativen hätten in diesem Gespräch erklärt, an Blockaden festzuhalten zu wollen, sei unrichtig bzw. treffe zumindest für sie selbst nicht zu. Auch hätten die Protestinitiativen ihre Proteste nicht im Sinne eines Gesamtkonzepts aufeinander abgestimmt. Während die Initiativen "Widersetzen" und "X-tausendmal quer" das Konzept nachhaltiger Sitzblockaden verfolgten, setze sie auf witzige, kommunikative und informative Aktionen, Aufzüge und Kundgebungen. Festzustellen sei in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte einen unzutreffenden Gewaltbegriff zugrunde lege und nicht hinreichend zwischen zulässigen und unzulässigen Blockadeaktionen unterscheide.

Ein polizeilicher Notstand habe weder im Jahre 2003 noch bezogen auf den streitgegenständlichen Castor-Transport vorgelegen und sei auch nicht hinreichend durch Tatsachen belegt worden. Nach den bei Erlass der angegriffenen Allgemeinverfügung gegebenen Erkenntnissen sei vielmehr die Annahme gerechtfertigt gewesen, dass bei Durchführung der Versammlungen vor Ort gegebenenfalls gegen einzelne Störer zu richtende Maßnahmen ausreichend gewesen wären und es des Erlasses eines vorab durch Allgemeinverfügung bekannt gegebenen Versammlungsverbots nicht bedurft hätte. Dies gelte umso mehr, als eine Allgemeinverfügung nicht geeignet sei, einzelne gewalttätige Ausschreitungen und rechtswidrige Aktionen zu unterbinden, wie die Erfahrungen aus Vorjahren verdeutlichten. Jeder Bürgerprotest verfolge zulässigerweise eine Strategie der Unberechenbarkeit. Der Polizei stünden ausreichende Mittel zur Verfügung, um darauf zu reagieren. Vereinzelten Blockaden und sonstigen Einsatzlagen könne nach den Erfahrungen der unmittelbar zurückliegenden Vorjahre mit milderen polizeilichen Einzelmaßnahmen als einem Versammlungsverbot begegnet werden. Einwirkungen auf die Transportstrecke seien durch den Einsatz spezieller technischer Geräte, wie Wärmebildkameras und Metalldetektoren, frühzeitig zu erkennen und könnten anschließend rechtzeitig behoben werden. Die Behälter für den Transport des radioaktiven Abfalls seien derart ausgelegt, dass es sowohl bei Verzögerungen des Transports als auch bei Störfällen, wie einem Verkehrsunfall oder einem Anschlag, nicht zu nennenswerten Gefahren für Leib oder Leben komme, welche die Annahme eines polizeilichen Notstands rechtfertigen könnten. Die in der Allgemeinverfügung beschriebenen Gefahren seien nicht von der von ihr angemeldeten Versammlung ausgegangen. Ein unterschiedslos auch gegen friedliche und sich rechtmäßig verhaltende Versammlungsteilnehmer gerichtetes Versammlungsverbot sei nicht erforderlich gewesen. Alternative Handlungsmöglichkeiten zum Erlass der Allgemeinverfügung, wie etwa die Erteilung von Auflagen zu der von ihr angemeldeten Versammlung, seien nicht erwogen worden. Das berechtigte Interesse an der Durchführung friedlicher Proteste sei im Rahmen der Interessenabwägung nicht angemessen zur Geltung gebracht worden. Die Ermessensausübung sei fehlerhaft erfolgt. Zu beachten sei ferner, dass sie die für den 8. November 2004 geplante Versammlung bereits vor Erlass der Allgemeinverfügung angemeldet habe. Die Bezirksregierung Lüneburg habe es unterlassen, auf die im Vorfeld des Erlasses der Allgemeinverfügung angemeldeten Versammlungen einzugehen, ihr Gefahrenpotential gesondert abzuschätzen und sie in der angestellten Gefahrenprognose konkret zu würdigen. Zumindest sei die Einbeziehung angemeldeter Versammlungen in das Versammlungsverbot unverhältnismäßig, denn hinsichtlich solcher Versammlungen seien der Bezirksregierung Lüneburg individuelle Gefahrenprognosen zuzumuten gewesen. Die Verwaltungsvorgänge seien unvollständig und ermöglichten keine Überprüfung der Entscheidung für den Erlass der Allgemeinverfügung. Die im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung vorhandenen Erkenntnisse seien für weitere versammlungsrechtliche Maßnahmen verbraucht. Aus den dargelegten Gründen seien auch die Bescheide vom 26. Oktober und 5. November 2004 rechtswidrig. Insgesamt sei der Wesensgehalt der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG verletzt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Allgemeinverfügung der Beklagten, veröffentlicht am 23. Oktober 2004 in der Elbe-Jeetzel-Zeitung, sowie das daraufhin ergangene Versammlungsverbot für die Versammlung "Testlauf" vom 26. Oktober 2004 und 5. November 2004 rechtswidrig waren und sie in ihren Rechten verletzten,

hilfsweise, Beweis zu erheben gemäß den im Termin zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zuletzt gestellten Beweisanträgen.

Die beklagte Polizeidirektion Lüneburg hat als Rechtsnachfolgerin der Bezirksregierung Lüneburg beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die von der Bezirksregierung Lüneburg getroffenen versammlungsrechtlichen Maßnahmen verteidigt und ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten. Insbesondere hat sie erwidert: Die anlässlich des Castor-Transports gegebene Sachlage habe zum Erlass eines präventiven Versammlungsverbots in Gestalt einer Allgemeinverfügung berechtigt. Auf das Bestehen einer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Rücknahme des radioaktiven Abfalls komme es nicht an. Die angestellte Gefahrenprognose sei unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung, die dort ergänzend dargelegten Erkenntnisse und den Beschluss des Senats vom 6. November 2004 (11 ME 322/04) nicht zu beanstanden. Unmittelbar im Vorfeld des Castor-Transports erfolgte Ankündigungen hätten die Annahme bekräftigt, dass die Protestszene eine Strategie der Unberechenbarkeit verfolgt habe. Das Vorgehen der Protestinitiativen sei im Rahmen eines abgestimmten Gesamtkonzepts darauf gerichtet gewesen, den Polizeikräften die Begleitung der Proteste und Reaktionen insbesondere auf geplante Blockaden der Transportstrecke durch eine Vielzahl von einzelnen Aktionen und eine hohe Beweglichkeit der Demonstranten entlang der Transportstrecke zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. Ziel sei es gewesen, möglichst viele Polizeikräfte zu binden, um den auf die Verhinderung oder zumindest größtmögliche zeitliche Verzögerung des Castor-Transports gerichteten Protesten unter Berücksichtigung der Länge der Transportstrecke zum Erfolg zu verhelfen. Diese Annahme sei durch die Ereignisse während der Durchführung des Castor-Transports bestätigt worden. Blockaden auf der Schiene und der Straße seien nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Für die Orte Groß Gusborn, Langendorf und Quickborn als strategisch wichtigen Punkten entlang der Straßentransportstrecke seien von verschiedenen Initiativen Aktionen angekündigt worden. Eine individuelle Gefahrenprognose für jede einzelne angemeldete Versammlung sei angesichts des verfolgten Gesamtkonzepts nicht möglich gewesen. Zu befürchten gewesen sei zudem, dass einzelne Störer nicht hinreichend von den sich rechtmäßig verhaltenden Versammlungsteilnehmern hätten getrennt werden können. Insgesamt sei die Heranziehung der Grundsätze des polizeilichen Notstands gerechtfertigt gewesen. Das verfügte Versammlungsverbot sei auch verhältnismäßig. Der Verbotskorridor beschränke sich auf die möglichen Transportrouten, zu denen auch die Verbindungsstraßen von Groß Gusborn nach Langendorf und Quickborn gehörten. Es handele sich um Ausweichrouten für den Fall, dass die Nord- oder die Südroute blockiert oder sonst nicht befahrbar sei. Entgegen dem Vortrag der Klägerin habe sich das Versammlungsverbot nicht auf den gesamten Bereich zwischen den Transportrouten erstreckt. Die von der Klägerin für den 8. November 2004 angemeldete Versammlung sei in den Geltungsbereich der Allgemeinverfügung gefallen. Eines individuellen Verbots habe es daher nicht bedurft. Die Untersagungsverfügung vom 5. November 2004 sei im Hinblick auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. November 2004 (3 B 66/04) rein vorsorglich ergangen. Im Übrigen hat die Beklagte zum Verlauf des Castor-Transports und zu den erfolgten Protestaktionen vorgetragen.

Mit Urteil vom 16. März 2006 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg rechtswidrig ist, soweit darin unangemeldete Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge (sogenannte Spontanversammlungen) für den Zeitraum vom 6. November 2004, 00:00 Uhr, bis einschließlich 7. November 2004, 24:00 Uhr, außerhalb des durch Ziffer IV a der Allgemeinverfügung beschriebenen räumlichen Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg und angemeldete öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge außerhalb desselben Bereichs untersagt worden sind. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Das mit der angegriffenen Allgemeinverfügung ausgesprochene Versammlungsverbot sei in dem Umfang, in dem der Klage stattzugeben sei, unverhältnismäßig und rechtswidrig. Die generelle Untersagung von Versammlungen sei insoweit nicht erforderlich gewesen. Weder seien in diesem Umfang von der Allgemeinverfügung betroffene Versammlungen als Störer anzusehen gewesen noch hätten sie nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstands als Nichtstörer in Anspruch genommen werden können. Die Behörde sei vielmehr verpflichtet gewesen, im Einzelfall aufgrund einer individuellen Gefahrenprognose zu entscheiden, ob von der konkreten Versammlung Gefahren ausgingen, die beschränkende Maßnahmen oder eine Untersagung hätten rechtfertigen können. Zwar sei die der Allgemeinverfügung zugrunde liegende Gefahrenprognose, nach der während des Castor-Transports eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter bestanden habe, unter Auswertung der im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung vorliegenden Erkenntnisse nicht zu beanstanden. Da Ausschreitungen und Störungen aber nur von einzelnen Demonstranten bzw. einer Minderheit zu erwarten gewesen seien, habe für die übrigen Versammlungsteilnehmer die Versammlungsfreiheit erhalten bleiben müssen. Ein polizeilicher Notstand, bei dem die Polizei Störungen der öffentlichen Sicherheit nicht mehr durch ein Vorgehen gegen die Störer bzw. mit eigenen Kräften bewältigen könne, sei nicht zu erwarten gewesen. Hinsichtlich angemeldeter Versammlungen sei nicht hinreichend dargelegt worden, dass Störungen der öffentlichen Sicherheit nicht individuell mit Einzelmaßnahmen handhabbar gewesen wären. Auch im Nachhinein könne nicht vom Vorliegen eines polizeilichen Notstands ausgegangen werden. Insbesondere seien weder die Zahl der angemeldeten Versammlungen mit insgesamt 57, davon 15 im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung, noch die Zahl der zu erwartenden Teilnehmer so groß gewesen, dass es der Behörde nicht möglich gewesen wäre, die Versammlungen einer einzelfallbezogenen Prüfung zu unterziehen. Für unangemeldete Versammlungen gelte bezogen auf das Wochenende vor dem Castor-Transport (6. und 7. November 2004) im Ergebnis das Gleiche.

Soweit unangemeldete Versammlungen für den Zeitraum ab dem 8. November 2004, 00:00 Uhr, untersagt worden seien, sei die Allgemeinverfügung dagegen rechtmäßig, denn insoweit seien die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfüllt gewesen. Ab dem 8. November 2004 sei mit Tausenden von Demonstranten zu rechnen gewesen, die von der Polizei nicht sämtlich hätten begleitet werden können, da entlang der gesamten Transportstrecke Protestveranstaltungen geplant gewesen seien. Zu rechnen gewesen sei mit Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke, mit Eingriffen in den Bahn- und Straßenverkehr, mit Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Bei der Vielzahl der zu erwartenden Proteste habe es nicht mehr als Erfolg versprechend angesehen werden können, gegen Störungen der öffentlichen Sicherheit, die von unangemeldeten Versammlungen ausgingen, ohne Vernachlässigung des allgemeinen Schutzauftrags mit polizeilichen Einzelmaßnahmen auf der Grundlage individueller Gefahrenprognosen vorzugehen. Dies gelte umso mehr, als nach den Erfahrungen mit früheren Castor-Transporten Störungen der öffentlichen Sicherheit oftmals in der Nähe von friedlichen Versammlungen entstünden und die verantwortlichen Personen nicht wirksam von friedlichen Demonstranten getrennt werden könnten. Versammlungen auf und neben der Schienentransportstrecke seien von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Die Allgemeinverfügung sei hinsichtlich ihres räumlichen, zeitlichen und gegenständlichen Geltungsbereichs teilbar, weshalb der Klage nur teilweise durch Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung zu entsprechen sei.

Die Untersagungsverfügung der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 sei demgegenüber nicht zu beanstanden. Anlässlich des von der Klägerin mit einer hohen Dynamik für den 8. November 2004 geplanten "Testlaufs" seien ausgehend von dieser Versammlung Störungen der öffentlichen Sicherheit, insbesondere durch eine Blockade der Transportstrecke, zu befürchten gewesen. Bei dem Schreiben der Bezirksregierung Lüneburg vom 26. Oktober 2004 handele es sich um einen bloßen Hinweis auf die erlassene Allgemeinverfügung, dem nicht die Qualität eines Verwaltungsakts zukomme. Das angesichts der teilweisen Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung anzuerkennende schutzwürdige Interesse der Klägerin an einer individuellen Entscheidung über die von ihr angemeldete Versammlung sei mit dem Erlass des Bescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 entfallen. Den von der Klägerin hilfsweise gestellten Beweisanträgen sei nicht zu entsprechen gewesen.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Zur Begründung der Berufung rügt die Klägerin unter näherer Darlegung, der Tatbestand des angefochtenen Urteils sei unvollständig bzw. unrichtig. Inhaltlich beruhe das Urteil auf Verfahrensfehlern. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und die von ihr gestellten Beweisanträge zu Unrecht nicht berücksichtigt. Der richterlichen Hinweispflicht sei nicht genügt worden. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei überraschend gewesen. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt worden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts leide an einem Begründungsmangel. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sei vom Verwaltungsgericht verkannt worden. Die Tatsachenwürdigung sei willkürlich. Effektiver Rechtsschutz sei nicht gewährt worden. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin auch zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend insbesondere geltend: Entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei die Allgemeinverfügung nicht teilbar. Sofern die Allgemeinverfügung in Teilen als rechtswidrig angesehen werde, sei ihre Rechtswidrigkeit insgesamt festzustellen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe im Hinblick auf den Castor-Transport im November 2004 ein polizeilicher Notstand nicht vorgelegen, denn es sei weder erkennbar gewesen noch hinreichend durch Tatsachen belegt worden, dass mit einer großen Anzahl gewaltbereiter Störer zu rechnen gewesen sei. Nach den Erfahrungen der Vorjahre seien allenfalls 50 bis 100 gewaltbereite Demonstranten zu erwarten gewesen, von denen anzunehmen gewesen sei, dass sie sich vorrangig an der Schienenstrecke mobilisierten. Die Gewaltbereitschaft sei erheblich zurückgegangen. Sitzblockaden seien rechtlich nicht als Anwendung von Gewalt einzustufen. Gegenüber der auf den Castor-Transport im März 2001 bezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2001 (1 BvR 15/01) seien durch die Einbeziehung der Verbindungsstraßen zwischen den Transportrouten und die Erstreckung des Versammlungsverbots über die Transportphase hinaus sowohl der räumliche als auch der zeitliche Geltungsbereich der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung weiter ausgedehnt worden, ohne dass dies inhaltlich begründet gewesen sei. Die Transportgenehmigung für den Castor-Transport gestatte ein Ausweichen auf Alternativstrecken nicht, so dass der Transport in keinem Fall über die Verbindungsstraßen zwischen der Nord- und der Südroute hätte geführt werden dürfen. Auch die ihr gegenüber individuell ausgesprochene Untersagung der für den 8. November 2004 angemeldeten Versammlung sei rechtswidrig. Weder hätten von der von ihr geplanten Versammlung Gefahren gedroht noch seien auch insoweit die Grundsätze des polizeilichen Notstands einschlägig. Selbst wenn ein polizeilicher Notstand vorgelegen haben sollte, sei von der Beklagten hinsichtlich angemeldeter Versammlungen zumindest zu prüfen gewesen, ob eine Ausnahme von dem mit Allgemeinverfügung angeordneten Versammlungsverbot in Betracht gekommen wäre. Schließlich rügt die Klägerin erneut die Unvollständigkeit der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und begehrt die Beiziehung weiterer Unterlagen. Die weitere Aufklärung werde unter anderem die Einseitigkeit der behördlichen Ermittlungen und die von vornherein erfolgte Festlegung auf den Erlass einer Allgemeinverfügung erkennen lassen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. März 2006 festzustellen, dass die Allgemeinverfügung der Beklagten, veröffentlicht am 23. Oktober 2004 in der Elbe-Jeetzel-Zeitung, und das Versammlungsverbot für die Versammlung "Fit gegen Castor - Testlauf -" am 8. November 2004 von 13:00 bis 15:00 Uhr zwischen Langendorf und Groß Gusborn rechtswidrig waren, und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise, unter Aufhebung des Urteils vom 16. März 2006 die Rechtssache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Lüneburg zurückzuverweisen,

weiterhin hilfsweise, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt zur Begründung der von ihr eingelegten Berufung und in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Klägerin sei die erlassene Allgemeinverfügung in vollem Umfang rechtmäßig. Die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands hätten vorgelegen. Zwar verhalte sich die Mehrheit der Versammlungsteilnehmer friedlich. Von einer großen Gruppe von Demonstranten seien aber rechtswidrige Verhinderungsblockaden zu erwarten gewesen. Hinzu komme, dass sich eine Minderheit unfriedlich verhalte, indem sie etwa Ankettaktionen an der Schiene oder Straßenunterhöhlungen plane. Es gebe einen Kern gewaltbereiter Autonomer, die überwiegend von auswärts anreisten und gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei anstrebten. Ankündigungen gewalttätiger Aktionen habe es auch im Vorfeld des streitgegenständlichen Castor-Transports gegeben. Bei der Vielschichtigkeit des Protests sei es den Einsatzkräften nicht möglich, vor Ort zwischen den unterschiedlichen Gruppen von Demonstranten zu unterscheiden und gewalttätige Einzelaktionen, wie etwa Straßenunterhöhlungen, wirksam zu unterbinden, wenn sie - wie teilweise in der Vergangenheit - im Schutze friedlicher Versammlungsteilnehmer erfolgten. Hinsichtlich unangemeldeter Versammlungen sei das Versammlungsverbot auch bereits für das Wochenende vor dem Transport gerechtfertigt gewesen. Im Zuge unangemeldeter Versammlungen vorgenommene Sabotageakte, wie Straßenunterhöhlungen oder das Anbringen sogenannter Schienenhemmschuhe, brächten erhebliche Gefahren nicht nur für die Transportfahrzeuge, sondern auch für Leib und Leben der Einsatzkräfte und unbeteiligter Dritter mit sich. Da Einsatzkräfte nicht unbegrenzt zur Verfügung stünden, seien erhebliche Verzögerungen infolge von Beschädigungen der Transportstrecke nicht verkraftbar. Um nach Störaktionen den Zustand der Transportstrecke prüfen und gegebenenfalls wiederherzustellen zu können, bedürfe es eines zeitlichen Vorlaufs. Auf die jeweilige Versammlung bezogene individuelle Gefahrenprognosen würden die polizeilichen Möglichkeiten zur Erforschung der konkreten Gefährdungssituation übersteigen, zumal in der Vergangenheit angemeldete Versammlungen trotz Kooperation mit dem Veranstalter häufig einen von den Planungen abweichenden Verlauf genommen hätten. Auch entfernten sich nach Beendigung einer Versammlung oftmals nicht alle Teilnehmer vom Versammlungsort, sondern starteten anschließend rechtswidrige Blockadeaktionen auf der Transportstrecke. Die Verbindungsstraßen zwischen der Nord- und der Südroute seien von der Transportgenehmigung für den Castor-Transport nicht erfasst und bisher auch noch nicht für die Abwicklung des Transports genutzt worden. Soweit die eigentliche Transportstrecke nicht befahrbar sei, sei es angesichts des überwiegenden öffentlichen Interesses an einer zügigen Fortsetzung des Transports aber rechtlich zulässig, auf die Verbindungsstraßen auszuweichen, wobei gegebenenfalls eintretende Beschädigungen dieser Straßen durch den Transport hingenommen werden müssten. Die Einbeziehung der Verbindungsstraßen in das Versammlungsverbot sei zudem notwendig, um Einsatzlagen auf der Nord- bzw. der Südroute, wie sie etwa bei Blockadeaktionen entstünden, durch eine schnelle Verlagerung von Polizeikräften begegnen zu können. Über die vorgelegten Verwaltungsvorgänge hinaus existierten keine den Streitgegenstand betreffenden weiteren Unterlagen.

Der Senat hat die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge abgelehnt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. Mai 2008 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und den Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Klage ist insgesamt abzuweisen, denn die streitgegenständliche Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg ist in vollem Umfang rechtmäßig. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Neben der Allgemeinverfügung sind auch das Schreiben der Bezirksregierung Lüneburg vom 26. Oktober 2004 und der Bescheid vom 5. November 2004 rechtlich nicht zu beanstanden.

1) Die von der Klägerin gegen die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig (a), aber nicht begründet, denn die erlassene Allgemeinverfügung erweist sich insgesamt als rechtmäßig (b).

a) Die mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der ergangenen Allgemeinverfügung erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin ist zulässig. Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Eine Wiederholungsgefahr ist begründet, wenn die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den betroffenen Veranstalter besteht und die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 ff. = DVBl. 2004, 822 ff.). Da es sich bei der Klägerin um eine der großen Protestinitiativen handelt, die anlässlich der Durchführung von Castor-Transporten Versammlungen veranstalten, und die Beklagte in diesem Zusammenhang voraussichtlich auch zukünftig gegebenenfalls versammlungsbeschränkende Maßnahmen in Gestalt einer Allgemeinverfügung ergreifen wird, sind diese Anforderungen erfüllt.

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist aber nicht begründet. Die angegriffene Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

aa) Der auf diese Rechtsgrundlage gestützte Erlass eines Versammlungsverbots im Wege einer Allgemeinverfügung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Entsprechend dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 VersG bezieht sich die Befugnis der zuständigen Behörde darauf, eine einzelne Versammlung oder einen einzelnen Aufzug zu verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig zu machen. Die Vorschrift schließt allerdings den Erlass einer Allgemeinverfügung nicht aus, von der zusammenfassend mehr als nur eine Versammlung betroffen ist. Als Allgemeinverfügung kann ein Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 2 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG unter anderem ergehen, wenn er sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Dies ist bei versammlungsbeschränkenden Maßnahmen der Fall, wenn sich die Maßnahmen vor dem Hintergrund eines bestimmten Ereignisses oder Anlasses an alle Personen wenden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines bestimmten Zeitraums an einem bestimmten Ort oder innerhalb eines näher bezeichneten räumlichen Bereichs zu Versammlungen zusammenzukommen beabsichtigen. Während die Adressaten bei dieser Form der personenbezogenen Allgemeinverfügung nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt sind, liegt der Regelung mit einem bestimmten Anlass ein konkreter Einzelfall zugrunde. Die Bestimmtheit des geregelten Lebenssachverhalts unterscheidet die personenbezogene Allgemeinverfügung von der Rechtsnorm, bei der weder der Adressatenkreis noch der zu regelnde Lebenssachverhalt konkret bestimmt ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 35 Rn. 103; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., Abschnitt J, Rn. 363). Anlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung ist der im November 2004 durchgeführte Castor-Transport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelt, nimmt der Umstand, dass sich die versammlungsbeschränkenden Maßnahmen auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt haben, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (vgl. auch Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, Komm. zum VersG, 14. Aufl., § 15 Rn. 17; Hettich, Versammlungsrecht in der kommunalen Praxis, Rn. 208; Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422, 429).

Das ergangene Versammlungsverbot ist auch nicht deshalb als abstrakt-generelle Regelung anzusehen, die den Erlass einer Rechtsnorm erfordern würde, weil bisher bei jedem durchgeführten Castor-Transport eine versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung erlassen worden ist. Die Allgemeinverfügung ist im Jahre 2004 ebenso wie in den Vorjahren jeweils auf der Grundlage einer von der Behörde neu angestellten Gefahrenprognose ergangen, in die neben den Erfahrungen aus Vorjahren Erkenntnisse über den jeweils bevorstehenden Castor-Transport eingeflossen sind. Der bloße Umstand, dass die einzelfallbezogene Prüfung und Interessenabwägung bei jedem Castor-Transport im Ergebnis zur Anordnung versammlungsbeschränkender Maßnahmen durch Allgemeinverfügung geführt hat, lässt den einzelfallbezogenen Charakter der jeweiligen Allgemeinverfügung nicht entfallen. Um eine abstrakt-generelle Regelung würde es sich nur handeln, wenn bezogen auf ein bestimmtes Gebiet unabhängig von einem konkreten Anlass jegliche öffentliche Versammlung untersagt worden wäre (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a. a. O., § 15 Rn. 16; Lisken/Denninger, a. a. O., Rn. 364). Ein solches sogenanntes Flächenverbot, das einer Bannmeilenregelung im Sinne des § 16 VersG gleichkommen würde, enthält die konkret auf den Castor-Transport im November 2004 bezogene Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg jedoch nicht (vgl. zum Castor-Transport im November 2003: Beschl. des Senats v. 16.5.2005 - 11 LA 318/04 -, V. n. b.).

bb) Die formelle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Allgemeinverfügung unterliegt keinen Zweifeln. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der Bezirksregierung Lüneburg und der öffentlichen Bekanntgabe der Allgemeinverfügung folgt der Senat den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen in diesem Umfang auf die erstinstanzliche Entscheidung (dort S. 30) Bezug (vgl. zur Zulässigkeit der Bezugnahme: BVerwG, Beschl. v. 3.1.2006 - 10 B 17/05 -, juris, m. w. N.). Der Umstand, dass zu den anlässlich des Castor-Transports durchgeführten Versammlungen Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet zu erwarten waren, begründete keine Verpflichtung der Bezirksregierung Lüneburg, die Allgemeinverfügung überregional oder sogar bundesweit bekanntzumachen. Da sich der Schwerpunkt des Protests auf die von der Allgemeinverfügung räumlich betroffenen Landkreise konzentriert und maßgeblich von dort aus organisiert wird, ist die in diesen Landkreisen erfolgte Veröffentlichung der Allgemeinverfügung in mehreren örtlichen Tageszeitungen ausreichend (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 41 Rn. 53).

cc) Gemessen an den Anforderungen des § 15 Abs. 1 VersG ist die streitgegenständliche Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Be-griff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 ff. = DVBl. 1985, 1006 ff.). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, juris; Beschl. v. 21.4.1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, 834 ff.). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. zu Letzterem: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., Rn. 151). Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, a. a. O., m. w. N.). Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, so sind auch diese in einer den Grundrechtsschutz hinreichend berücksichtigenden Weise einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007 - 1 BvR 1423/07 -, NJW 2007, 2168 ff.). Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, a. a. O.). Dabei können an die Wahrscheinlichkeit umso geringere Anforderungen gestellt werden, je größer und folgenschwerer der drohende Schaden ist (Dietel/Gintzel/Kniesel, a. a. O., § 15 Rn. 30). Andererseits sind die Anforderungen an die Gefahrenprognose umso höher, je größer der Korridor und je länger der demonstrationsfreie Zeitraum ist (Kniesel/Poscher, a. a. O., S. 429). Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (BVerfG, Beschl. v. 21.4.1998, a. a. O.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist durch den Einsatz des jeweils mildesten Mittels zu wahren.

Hiervon ausgehend erweist sich die Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg in vollem Umfang als rechtmäßig.

(1) Bei Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung war mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es ohne versammlungsbeschränkende Maßnahmen zu unmittelbaren Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit kommen würde. Die von der Bezirksregierung Lüneburg angestellte Gefahrenprognose ist insoweit nicht zu beanstanden. Insbesondere lagen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Transportstrecke über einen möglichst langen Zeitraum von Gegnern des Castor-Transports blockiert werden sollte, um den Transport zu verhindern oder jedenfalls so lange wie möglich zu verzögern und dadurch die Kosten für die Durchführung des Transports so weit wie möglich zu steigern. Im Zusammenhang mit den zu befürchtenden Blockadeaktionen war auch mit Sachbeschädigungen, insbesondere an der Schienen- und der Straßentransportstrecke zu rechnen.

Vor allem die Protestinitiativen "X-tausendmal quer" und "Widersetzen" hatten ihre Anhänger vor dem Castor-Transport zu Blockadeaktionen auf der Transportstrecke aufgerufen. In einer Mitteilung im Internet vom 14. Oktober 2004 kündigte die Initiative

"X-tausendmal quer" eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straßenstrecke an (vgl. Anlage 17 zur Allgemeinverfügung). Die Initiative plane, zurück zu ihren Wurzeln zu gehen. Nachdem es im letzten Jahr mit der erfolgreichen Schienenblockade bei Rohstorf eine Aktion gegeben habe, die ausschließlich von gut vorbereiteten Bezugsgruppen bestritten worden sei, werde es diesmal wieder eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straße geben, die für alle offen sei, die sich auch kurzfristig dazusetzen wollten. Daneben werde es weiter einen Kern von Bezugsgruppen geben, die sich gut vorbereiteten und die Blockaden gemeinsam planten. Die Auftaktdemonstration beginne am 6. November 2004 in Dannenberg, wo am ganzen Wochenende Bezugsgruppen gebildet und Aktionskonzepte besprochen würden. Irgendwann rechtzeitig werde dann in Richtung Straßenstrecke umgezogen. Angemeldet werde eine Versammlung vor dem Verladekran. Hingewiesen wurde in dieser Mitteilung zudem darauf, dass die wendländische Aktionsgruppe "Widersetzen" zwei Blockadepunkte in Langendorf auf der nördlichen Straßenstrecke und in Groß Gusborn auf der Südstrecke plane. Die Bäuerliche Notgemeinschaft wolle im Anschluss an die Auftaktdemonstration Aktionen auf der Straßenstrecke starten.

In dem Internetaufruf der Gruppe "Widersetzen" heißt es: "Falls der Castor-Zug Dannenberg erreichen sollte, wird es höchste Zeit zum WiderSetzen. Wir brauchen Euch in Groß Gusborn und Langendorf. Auf der Straße ist Platz für viele tausend Menschen." "WiderSetzen" sitze in Groß Gusborn und Langendorf. Gebraucht würden Menschen, die sich mit auf die Straße setzten (vgl. Anlage 18 der Allgemeinverfügung). In einer Anzeige der Klägerin in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 3. November 2004 wird unter der Überschrift "Bewegung, Bewegung - MitGehen, RumStehen, AusSitzen" ausgeführt: "Ziehen Sie sich warm an, gehen Sie los, Sie bleiben bestimmt nicht alleine! Bleiben Sie, wo es Ihnen passt, ob an Schiene oder Straße oder im Kulturzelt! Und daran denken: Wenn die Beine müde sind: hinsetzen! Und nicht entmutigen lassen!" (vgl. Bl. 141 Beiakte C).

Nach einem Bericht der taz vom 3. November 2004 stellten Vertreter von 15 norddeutschen Anti-Atom-Gruppen am 2. November 2004 in der Hamburger Roten Flora ihre Konzepte gegen den Castor-Transport vor. In dem Artikel heißt es: "Dabei stehen erneut zahlreiche Schienen- und Straßenblockaden auf der Castor-Route im Vordergrund. Sie sollen den Transport immer wieder verlangsamen oder zeitweise ganz zum Erliegen bringen. Aktionen sind auf der gesamten Transportstrecke vorgesehen, auf der ab Sonntagabend die strahlende Fracht erwartet wird... Für die 'heiße Phase' Anfang kommender Woche rechnen die Initiativen mit 3.000 bis 5.000 AtomkraftgegnerInnen. Dabei werde es wieder zu 'spektakulären Aktionen' kommen, kündigte eine Sprecherin von Robin Wood an." (vgl. Bl. 152 Beiakte C). Im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung (11 ME 322/04) hat die Klägerin zu der Berichterstattung in der taz darauf hingewiesen, dass auf der Pressekonferenz am 2. November 2004 jede Widerstandsgruppe eigenständig und eigenverantwortlich über ihre Pläne hinsichtlich des bevorstehenden Castor-Transports berichtet und es keine gemeinsame Erklärung gegeben habe. Bestritten hat sie die in dem Artikel wiedergegebenen Aussagen aber nicht.

Auch die Elbe-Jeetzel-Zeitung berichtete am 4. November 2004, dass die Widerstandsgruppe "Widersetzen" zum Straßentransport gewaltfreie Sitzblockaden in Groß Gusborn und Langendorf plane. Ebenso plane "X-tausendmal quer" eine Sitzblockade (vgl. Bl. 208 Beiakte C). Bereits zuvor wurde in einem Bericht der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 15. Oktober 2004 die Initiative "X-tausendmal quer" mit der Ankündigung zitiert, es werde wieder "eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straße" geben. In Dannenberg würden schon am Wochenende vor dem Transport juristische Information und Blockadetrainings angeboten (vgl. Anlage 29 zur Allgemeinverfügung). In einer Pressemitteilung vom 3. November 2004 hat auch die Initiative "X-tausendmal quer" selbst nochmals im Internet angekündigt, dass sie sich auf eine große gewaltfreie Sitzblockade auf der Straßentransportstrecke zwischen Dannenberg und Gorleben vorbereite. Das Presseteam von "X-tausendmal quer" unterstütze außerdem die große Blockadeaktion "WiderSetzen", die in diesem Jahr an der Nord- und Südtransportstrecke zwischen Dannenberg und Gorleben stattfinden werde (vgl. Bl. 143 Beiakte C). Auf beide Aktionen wird auch in einem von der Klägerin herausgegebenen Flugblatt mit der Überschrift "Grüne Wochen im Wendland" hingewiesen (vgl. Bl. 144 Beiakte C).

Einer Ankündigung der Bäuerlichen Notgemeinschaft auf den Internetseiten der Klägerin lässt sich entnehmen, dass zumindest ein Teil der Protestszene eine Strategie der Unberechenbarkeit zu verfolgen beabsichtigte. So heißt es dort: "Unerwartete Aktionen werden dort stattfinden, wo niemand damit rechnet, wo sich die Polizei auf Riesen-Action einstellt, wird sie möglicherweise nur mit sich selbst zu tun haben. Nichts ist planbar - und das ist unsere 'Stärke'. Angemeldete Versammlungen werden die Hüter der Ordnung in Bewegung, die Einsatzleiter zur Verzweiflung bringen. Genauso unberechenbar werden sich Menschen aber auch andernorts treffen, dort, wo Protest auch noch Wirkung haben kann." (vgl. Bl. 140 Beiakte C).

Im Internetauftritt der Klägerin wurde ferner auf die Aktion "widerStands-Nest - ein ganzes Dorf als Camp" in Metzingen an der Schienentransportstrecke hingewiesen (vgl. Bl. 145 Beiakte C). Unter dem zugehörigen Link wurde eine weitere Aktion unter dem Motto "Wir machen Arbeit" angekündigt. Bewegung und Geländespiele in frischer Waldluft seien angesagt, offen für alle. Jede(r) bestimme selbst das Tempo und wieweit sie oder er gehen möchte (vgl. Bl. 146 Beiakte C). Bei einem im Juli 2004 durchgeführten Sommerfest, an dem auch die Initiative "X-tausendmal quer" beteiligt war, wurde unter anderem ein Vortrag mit praktischen Übungen zum Thema "Anketten als direkte, gewaltfreie Aktionsform" angeboten (vgl. Anlage 20 zur Allgemeinverfügung).

Den genannten Erkenntnissen ist zu entnehmen, dass ein wesentlicher Bestandteil der Planungen von Protestgruppen im Vorfeld des Castor-Transports darin bestand, Blockadeaktionen zu organisieren. Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind allerdings von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. -, BVerfGE 104, 92 ff. = DVBl. 2002, 256 ff.; Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u. a. -, BVerfGE 73, 206 ff. = DVBl. 1987, 86 ff.; Dietel/Gintzel/Kniesel, a. a. O., § 15 Rn. 163, 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257, 259 f.; Hettich, a. a. O., Rn. 24, 221 f.). Ebenso sind gefährliche Eingriffe in den Schienen- oder Straßenverkehr, wie das Bereiten von Hindernissen, Unterhöhlungen von Straßen, Ausheben von Gullydeckeln oder Ankettaktionen, nicht vom Schutzbereich des Art. 8 GG gedeckt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a. a. O., Rn. 206; Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a. a. O.). Die beabsichtigte Verhinderung bzw. Erschwerung des Castor-Transports durch Sitzblockaden stellt demzufolge eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Dass sich die von Protestinitiativen und -gruppen geplanten Sitzblockaden und sonstigen Blockadevorhaben allein auf symbolische und kurzfristige Aktionen beschränken sollten, nach denen die Transportstrecke jeweils ohne erhebliche Behinderung des Transports wieder uneingeschränkt freigegeben werden sollte, kann angesichts der angeführten öffentlichen Ankündigungen und Aufrufe nicht angenommen werden. Insbesondere nach der Berichterstattung in der taz vom 3. November 2004 ging es zumindest einigen Protestinitiativen darum, den Castor-Transport immer wieder zu verlangsamen oder zeitweise ganz zum Erliegen zu bringen, wobei Aktionen auf der gesamten Transportstrecke vorgesehen waren. Verfehlt ist die im Vorbringen der Klägerin zum Ausdruck kommende Auffassung, Sitzblockaden müssten als gewaltfreie Protestform von der zuständigen Behörde bzw. der Polizei stets hingenommen werden, weil die Blockade polizeilich jedenfalls durch Entfernung der Demonstranten beseitigt werden könne (vgl. zu einer Sandsackaktion in diesem Sinne: BVerfG, Beschl. v. 26.3.2001 - 1 BvQ 15/01 -, DVBl. 2001, 797 ff.). Die Durchführung des Castor-Transports war behördlich genehmigt. Blockadeaktionen, die in erster Linie auf eine größtmögliche Behinderung des Transports unter Beeinträchtigung der Rechte der beteiligten Transportunternehmen gerichtet sind, kann daher als Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit insbesondere mit räumlichen Beschränkungen des Versammlungsrechts begegnet werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a. a. O., § 15 Rn. 163; Hettich, a. a. O.). Auf die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich zur Rücknahme des radioaktiven Abfalls verpflichtet ist, kommt es angesichts der erteilten Transportgenehmigung für den Castor-Transport in diesem Zusammenhang nicht an. Ob die Transportgenehmigung auf zutreffenden Erwägungen beruht, bedarf im vorliegenden Verfahren gleichfalls keiner Klärung, sondern wäre gegebenenfalls in einem gegen diese Genehmigung gerichteten Verfahren gerichtlich zu klären.

Daneben waren auch Hinweise gegeben, dass über Blockadeaktionen hinaus Sachbeschädigungen an der Schienen- bzw. der Straßenstrecke geplant waren. In einem im Internet veröffentlichten Aufruf der Gruppe "mar-militante atomkraftgegnerInnen reloaded" vom 15. Oktober 2004 heißt es unter der Überschrift "Gorleben im November 2004: No risk - no fun!": "Dies ist ein Aufruf an alle Linksradikalen und Autonomen, sich an den Protesten rund ums Wendland wieder entschlossen und massiv zu beteiligen... Wenn wir es schaffen, dass wir durch dezentrales und vielfältiges Intervenieren die Unberechenbarkeit der Bewegung wieder ein wenig zu verstärken, haben wir schon eine Menge gewonnen! Wir gehen von dem Grundgedanken aus, den ökonomischen wie politischen Preis, den die Atomlobby und der Staat für die Durchführung der Transporte zu zahlen haben, immens zu erhöhen. Damit ist auch eine wesentliche Erhöhung materieller Schäden gemeint... Wie in den letzten Jahren auch, wird es vor Ort eine Infrastruktur geben, die wir nutzen können: Scheunen, Infopunkte, Vokü. Alles Weitere liegt auch an uns. Also organisiert euch, überlegt euch Möglichkeiten und Wege der direkten Intervention, der Verwirrung!" Der Artikel endet mit dem Aufruf: "Deutschland zerlegen, den Atomstaat demontieren! Schraube für Schraube, Schiene für Schiene! no risk, no fun!" (vgl. Anlage 25 zur Allgemeinverfügung). Auf den Internetseiten "www.contratom.de" und "www.gruene-buchholz.de" wurde nach dem nicht angegriffenen Vortrag der Bezirksregierung Lüneburg im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung zur Aktion "BrückeBesetzt" am Tag X aufgerufen. In der Ankündigung sei weiter ausgeführt worden: "Macht Euch bemerkbar in einem Tunnel unter der Castor-Trasse." (vgl. Bl. 137 Beiakte C).

Aufgrund dieser Anhaltspunkte musste befürchtet werden, dass wie im Vorjahr 2003, in dem eine Unterspülung des Bahndamms der Schienentransportstrecke durchgeführt werden sollte und die Straßentransportstrecke an einer zwischen Quickborn und Langendorf gelegenen Stelle unterspült wurde, und im Jahre 2002, in dem es auf demselben Abschnitt zu einer Unterhöhlung der Straßentransportstrecke gekommen war, erneut Beschädigungen an den Gleisanlagen bzw. der Straßenstrecke erfolgen sollten.

Soweit die genannten Erkenntnisse nicht sämtlich bereits bei Bekanntmachung der Allgemeinverfügung am 23. Oktober 2004 vorgelegen haben, können sie dennoch bei Überprüfung der behördlichen Gefahrenprognose berücksichtigt werden, denn es handelt sich um Erkenntnisse, die der Behörde noch vor der Durchführung des Castor-Transports bekannt geworden sind und welche die angestellte Gefahrenprognose lediglich bestätigen bzw. untermauern. Etwas anderes würde insoweit nur gelten, wenn es sich bei den nachgeschobenen Gründen um völlig neue Tatsachen handeln würde, die zu einer Wesensänderung der Allgemeinverfügung führen und den Erlass einer neuen Allgemeinverfügung erfordern würden (vgl. bereits Beschl. des Senats v. 6.11.2004 - 11 ME 322/04 -, Nds. VBl. 2005, 49 = Nds. RPfl. 2005, 42 = NordÖR 2004, 490 = NVwZ-RR 2005, 820 und Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a. a. O.). So verhält es sich bei der hier gegebenen aktualisierten Gefahrenprognose aber nicht. Hervorzuheben ist insbesondere, dass sämtliche Erkenntnisse noch vor der Durchführung des Castor-Transports vorgelegen haben und bereits in das gerichtliche Verfahren um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung eingeführt worden sind (vgl. zur Berücksichtigung einer aktualisierten Gefahrenprognose auch: BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, a. a. O.).

(2) Die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit rechtfertigten den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen. Angesichts der sich abzeichnenden Blockadeaktionen und Beschädigungen der Schienen- bzw. der Straßentransportstrecke war die Bezirksregierung Lüneburg nicht gehalten, erst vor Ort gegen einzelne Versammlungen oder Versammlungsteilnehmer sowie gegen Störer vorzugehen. Da die geplanten Blockadeaktionen breit angelegt waren und sich auf weite Teile der Transportroute erstrecken sollten, stand mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die Einsatzkräfte nicht sämtliche Blockaden und Beschädigungen der Transportstrecke hätten verhindern können, wenn Personen mit entsprechenden Absichten erst einmal im Schutze rechtmäßiger Versammlungen auf die Transportstrecke gelangt wären. Dies gilt umso mehr, als innerhalb der Protestszene zumindest in Teilen eine Strategie der Unberechenbarkeit verfolgt werden sollte, also gerade beabsichtigt war, dort Aktionen zur Verhinderung oder zumindest größtmöglichen Behinderung des Castor-Transports durchzuführen, wo die Einsatzkräfte entsprechend der vorliegenden Anmeldungen von Versammlungen nicht mit solchen Aktionen rechneten (vgl. Ankündigung der Bäuerlichen Notgemeinschaft, Bl. 140 Beiakte C, und Aufruf der Gruppe "mar-militante atomkraftgegnerInnen reloaded", Anlage 25 zur Allgemeinverfügung). Ebenso war mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass bei Auflösung einzelner Blockaden sogleich andernorts neue Blockaden, insbesondere durch sich auf der Transportstrecke niederlassende Personen entstehen würden. Bei der Länge der Transportstrecke, der Gestalt des Geländes mit Wäldern, Brücken und stellenweise grabenförmigen Tälern entlang der möglichen Transportrouten sowie der zu erwartenden hohen Zahl von mehreren tausend Demonstranten war es den Einsatzkräften nicht möglich, die Transportstrecke in vollem Umfang zu sichern und gezielt herbeigeführte erhebliche Behinderungen des Transports, wie sie durch die Versammlungsfreiheit nicht mehr geschützt sind, auszuschließen. Bei Beschädigungen der Transportstrecke, deren Verhinderung durch die Bindung großer Teile der Einsatzkräfte bei der Auflösung von Sitzblockaden und die dann zu erwartende Unübersichtlichkeit der Lage deutlich erschwert worden wäre, wären gegebenenfalls umfangreichere Reparaturarbeiten erforderlich geworden, die den Transport gleichfalls hätten erheblich behindern und wesentlich verzögern können. Ob die Transportbehälter auch bei einer längeren Dauer des Transports hinreichenden Schutz vor radioaktiver Strahlung geboten hätten, bedarf keiner Klärung. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass Einsatzkräfte nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen und die Abwicklung des Transports deshalb bei erheblichen zeitlichen Verzögerungen, die zudem Protestaktionen weiteren Zulauf hätten verschaffen können, wesentlich erschwert bzw. gefährdet worden wäre (vgl. zum Vorbehalt der Verfügbarkeit von Einsatzkräften: BVerfG, Beschl. v. 26.3.2001, a. a. O.). Der die Sicherheit der im Jahre 2004 verwendeten Castor-Behälter im Falle eines Unfalls, Brandes oder Anschlags sowie sonstiger Störungen betreffende Beweisantrag der Klägerin war dementsprechend als nicht entscheidungserheblich abzulehnen (Beweisantrag 1 der bereits in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts gestellten und vor dem Senat wiederholten Beweisanträge, vgl. Anlage zum Protokoll der Sitzung vom 16.3.2006).

Soweit durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt worden ist, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder rechtswidrigen Aktionen, wie Beschädigungen des Straßenkörpers oder der Gleisanlagen, zu beteiligen, ist dies nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstands nicht zu beanstanden. Wird eine versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung nicht nur auf Situationen bezogen, in denen Rechtsgütergefährdungen von der Versammlung selbst ausgehen, sondern auch auf solche, in denen Dritte aus Anlass der Versammlung und gegebenenfalls parallel zu deren Zielsetzung, wenn auch hinsichtlich der konkreten Umstände möglicherweise ohne Billigung durch den Veranstalter oder Leiter der Versammlung, zu Störern werden, können versammlungsbeschränkende Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des polizeilichen Notstands gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.3.2001, a. a. O.). Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr nicht auf andere Weise abgewehrt bzw. die Störung nicht auf andere Weise beseitigt werden kann und die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte Mittel und Kräfte verfügt, um die betroffenen Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerfG, a. a. O.; Hoffmann-Riem, a. a. O., S. 263; Dietel/Gintzel/Kniesel, § 15 Rn. 41 ff.). Ein polizeilicher Notstand kann auch dann angenommen werden, wenn sich die Masse der Versammlungsteilnehmer ordnungsgemäß verhält und nur eine Minderheit rechtswidrig agiert. Entscheidend ist allein, in welchem Maße diese Minderheit gegen geltendes Recht verstößt und inwieweit es Polizeikräften möglich ist, diese Minderheit von ihrem rechtswidrigen Tun abzuhalten (vgl. Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a. a. O.).

Die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands waren bezogen auf den Anfang November 2004 erfolgten Castor-Transport in vollem Umfang erfüllt (so bereits Beschl. des Senats v. 6.11.2004, a. a. O.). Versammlungsverbote oder Auflagen allein gegen Veranstalter zu richten, von deren Versammlungen erkennbar rechtswidrige Aktionen zu erwarten waren, sowie individuell gegen Störer vorzugehen, konnte nicht als Erfolg versprechend angesehen werden. Insoweit wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen, dass Versammlungen, die nicht oder zumindest nicht von vornherein ersichtlich darauf angelegt waren, den Bereich der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit zu überschreiten, genutzt worden wären, um die Transportstrecke bzw. die in der Allgemeinverfügung bezeichneten Bereiche im Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben zu erreichen. Einmal an diesen Orten angelangt, wäre es Castor-Gegnern ein Leichtes gewesen, dort zu einer auf die Verhinderung bzw. größtmögliche Verzögerung des Castor-Transports gerichteten Sitzblockade überzugehen, auch wenn dies möglicherweise nicht den Planungen des Veranstalters der angemeldeten Versammlung entsprochen oder von diesem gebilligt worden wäre. Die von Teilen der Protestszene verfolgte Strategie der Unberechenbarkeit ließ befürchten, dass Verhinderungsblockaden und andere nicht durch das Grundrecht des Art. 8 GG gedeckte Aktionen an einer Vielzahl von Stellen auf der Transportstrecke erfolgt wären, wodurch Reaktionen der Polizei zusätzlich erschwert worden wären. Bei der zu erwartenden Unübersichtlichkeit der Lage wäre es den Einsatzkräften vor Ort kaum möglich gewesen, zwischen sich rechtmäßig verhaltenden Versammlungsteilnehmern und Personen mit anderen Absichten zu unterscheiden. Die Befassung der Einsatzkräfte mit einer Vielzahl von Einsatzlagen auf der Transportstrecke hätte zudem Beschädigungen der Gleisanlagen bzw. der Straßenstrecke begünstigt, mit denen - wie bereits dargelegt - nach den Vorfällen der unmittelbar zurückliegenden Vorjahre 2002 und 2003 sowie unter Berücksichtigung entsprechender aktueller Aufrufe auch für den Castor-Transport des Jahres 2004 zu rechnen war. Insbesondere bei der Auflösung von Sitzblockaden wäre des Weiteren die Entstehung gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen zumindest einzelnen Demonstranten und der Polizei mit Körperverletzungen und Sachbeschädigungen nicht auszuschließen gewesen. Wie schon ausgeführt, ist die Transportstrecke aufgrund ihrer Länge und der Besonderheiten des Geländes in ihrem gesamten Umfang nur schwer zu kontrollieren. Auch wenn mit rund 10.000 Einsatzkräften beim Straßentransport etwa 2.000 Einsatzkräfte weniger als im Jahre 2003 zum Einsatz gebracht worden sind, kann nicht angenommen werden, dass ohne Vernachlässigung des allgemeinen Schutzauftrags der Polizei insgesamt so viele Polizeibeamte und Beamte des Bundesgrenzschutzes hätten mobilisiert werden können, dass Blockadeaktionen und Sachbeschädigungen trotz Unübersichtlichkeit der Lage bei zeitgleicher Durchführung rechtmäßiger Versammlungen auf der Transportstrecke in vollem Umfang wirksam hätte begegnet werden können. Auf die jeweilige Versammlung bezogene individuelle Gefahrenprognosen mit daran gegebenenfalls anknüpfenden versammlungsrechtlichen Maßnahmen und ein eingegrenztes punktuelles Vorgehen gegen Störer wären bei dieser Sachlage nicht in gleicher Weise geeignet gewesen, die Abwicklung des Transports ohne erhebliche Behinderungen zu gewährleisten.

Auch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen angemeldeten und unangemeldeten Versammlungen konnte nicht als geeignet angesehen werden, Störungen der öffentlichen Sicherheit effektiv zu unterbinden. Von insgesamt 57 angemeldeten Versammlungen waren immerhin 15 bzw. nach Rücknahme von 4 Anmeldungen noch 11 innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung vorgesehen (vgl. Pressemitteilung der Polizeidirektion Lüneburg v. 9.11.2004). Bei der zu erwartenden hohen Gesamtteilnehmerzahl von Demonstranten an den angemeldeten Versammlungen bestand die begründete Besorgnis, dass im Schutze solcher Versammlungen rechtswidrige Aktivitäten mit - wie etwa bei Beschädigungen der Transportstrecke - möglicherweise weit reichenden Folgen entfaltet worden wären, die zumindest nicht sämtlich so rechtzeitig hätten erkannt werden können, dass sie allein mit Einzelmaßnahmen effektiv zu verhindern gewesen wären. Hätten sich im Zuge angemeldeter Versammlungen Verhinderungsblockaden gebildet, für die anzunehmen war, dass zumindest ein Teil der Demonstranten sich auf Aufforderung nicht entfernen oder sich nur zum Schein fortbewegen würde, um an anderer Stelle die Transportstrecke erneut zu blockieren, wäre eine außergewöhnlich komplexe und schwer zu bewältigende Einsatzlage entstanden. Die Sicherung des Castor-Transports gegen größere Behinderungen wäre dann nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet gewesen.

Soweit von der Klägerin darauf hingewiesen wird, dass die Polizei in früheren Jahren Störungen der öffentlichen Sicherheit ohne übermäßigen Aufwand habe bewältigen können, ist entscheidend zu beachten, dass in Vorjahren jeweils im Wege der Allgemeinverfügung ein zeitlich und räumlich beschränktes Versammlungsverbot für die Transportstrecke und Bereiche um die Verladestation in Dannenberg sowie das Zwischenlager in Gorleben angeordnet worden war. Aus der Situation in diesen Jahren kann deshalb nicht ohne Weiteres auf eine Sachlage geschlossen werden, bei der insgesamt mehrere tausend Demonstranten Zugang zur Transportstrecke und den genannten Bereichen haben, weil diese nicht oder nur eingeschränkt mit einem Versammlungsverbot belegt sind. Die Frage, ob die Proteste anlässlich der Castor-Transporte in den von der Klägerin in Bezug genommenen Jahren 2001 bis 2003, während derer jeweils eine sofort vollziehbare versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung zu beachten war, von der Polizei mit "üblichen bzw. normalen polizeilichen Mitteln" bewältigt werden konnten und ein polizeilicher Notstand nicht eingetreten ist, bedarf mithin mangels Entscheidungserheblichkeit nicht der von der Klägerin beantragten weiteren Aufklärung. Hinzu kommt, dass die Einordnung einer Sachlage als polizeilicher Notstand eine rechtliche Wertung erfordert, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich ist (vgl. allgemein: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 86 Rn. 1a). Ob die Proteste in den früheren Jahren überwiegend friedlich verlaufen sind, ist auch deshalb nicht maßgeblich, weil - wie schon ausgeführt - auch friedliche Proteste den Schutzbereich des Art. 8 GG überschreiten, sofern sie auf die zwangsweise Durchsetzung eigener Forderungen bzw. die Steigerung der öffentlichen Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter gerichtet sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es "erheblicher kollektiver Gewalttätigkeiten, terroristischer Gefahren oder sonstiger erheblicher Bedrohungen für den Castor-Transport" ebenso wie der Gefahr eines Transportunglücks nicht, um das Vorliegen der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands annehmen zu können. Die zu erwartenden gezielt herbeigeführten erheblichen Behinderungen des Transports waren bei der hier gegebenen Sachlage vielmehr ausreichend. Soweit sich die von der Klägerin unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung auf "sonstige erhebliche Bedrohungen" erstreckt, ist der in diesem Zusammenhang formulierte Beweisantrag auch nicht hinreichend bestimmt bzw. erfordert eine Wertung, die der Beweiserhebung nicht zugänglich ist. Ob die Polizei die Proteste als ganz überwiegend friedlich und beherrschbar beurteilt hat, ist aus den genannten Gründen für die Entscheidung ebenfalls nicht relevant, zumal für den Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung als Versammlungsbehörde noch die Bezirksregierung Lüneburg und nicht die Beklagte zuständig war. Dem von der Klägerin gestellten Beweisantrag 2, dem Beweisantrag 3 zu a) und b), dem bereits in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts gestellten Beweisantrag 3 zu d) (vgl. Anlage zum Protokoll der Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 16.3.2003) und dem mit Schriftsatz der Klägerin vom 23. April 2008 zu V. formulierten Beweisantrag war demzufolge nicht zu entsprechen.

Auch wenn das bei den Protesten anlässlich der Castor-Transporte zum Ausdruck kommende Gewaltpotential über die Jahre tendenziell abgenommen hat, kann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der im Vorfeld des streitgegenständlichen Castor-Transports vorliegenden Erkenntnisse und Anhaltspunkte nicht angenommen werden, dass die Abwicklung des Transports ohne die erlassene Allgemeinverfügung wirksam gegen erhebliche Behinderungen hätte geschützt werden können. Die bereits genannten Tatsachen stützen die von der Bezirksregierung Lüneburg angestellte Gefahrenprognose. Dies gilt in Anbetracht der dargelegten Umstände auch dann, wenn im Übrigen einzelne Ereignisse der Vergangenheit in der Allgemeinverfügung oder sonst von der Beklagten unzutreffend dargestellt worden oder als nicht aussagekräftig anzusehen sein sollten. Für die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung ist es nicht erforderlich, dass jeder einzelne darin von der Behörde angeführte Punkt einer verwaltungsgerichtlichen

Überprüfung standhält. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr, dass - wie hier - genügend Umstände verbleiben, welche die Gefahrenprognose stützen und den Erlass der Allgemeinverfügung rechtfertigen (vgl. Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a. a. O.). Eines Eingehens auf die von der Klägerin vereinzelt aufgegriffenen Vorfälle aus früheren Jahren, die von der Bezirksregierung Lüneburg bzw. der Beklagten unzutreffend dargestellt oder eingeordnet worden seien, bedarf es daher nicht.

Dass die Gefahrenlage von der Bezirksregierung Lüneburg einseitig und unter Außerachtlassung gegenläufiger Indizien verzerrt dargestellt und gewürdigt worden wäre, kann unter Berücksichtigung der wiedergegebenen, die Gefahrenprognose tragenden Erkenntnisse nicht festgestellt werden und ist von der Klägerin auch nicht substantiiert dargelegt worden. Für die Gefahrenprognose wesentliche Gegenindizien, die bei der behördlichen Entscheidung nicht beachtet worden wären, hat die Klägerin nicht konkret benannt. Die insgesamt tendenziell abnehmende Gewaltbereitschaft und Aggressivität der Castor-Gegner ist bei Erlass der Allgemeinverfügung auch beispielsweise ausdrücklich in die behördlichen Erwägungen einbezogen worden (vgl. Seite 8 der Allgemeinverfügung). Zum Verhalten der Klägerin ist in der Allgemeinverfügung konkret ausgeführt worden, dass sie sich wie die weitere große Protestinitiative "X-tausendmal quer" zu einem gewaltfreien Protest bekenne, wobei allerdings unterschiedliche Auffassungen zum Begriff "Gewaltfreiheit" bestünden und eine klare Abgrenzung zu gewaltbereiten Demonstranten nicht erfolge (vgl. Seite 10 der Allgemeinverfügung).

Ebenso sind Anhaltspunkte dafür, dass die Bezirksregierung Lüneburg von vornherein auf den Erlass einer versammlungsrechtlichen Allgemeinverfügung festgelegt gewesen wäre und das ihr gemäß § 15 Abs. 1 VersG eingeräumte Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt hätte, nicht gegeben. Der bloße Umstand, dass bislang bei jedem Castor-Transport im Wege einer Allgemeinverfügung ein räumlich und zeitlich beschränktes Versammlungsverbot ausgesprochen worden ist, genügt insoweit nicht. Sowohl der Begründung der Allgemeinverfügung als auch dem Vorbringen der Beklagten ist zu entnehmen, dass für den Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung neben den Erfahrungen aus Vorjahren die aktuelle Einschätzung der Gefahrenlage unter Einbeziehung sämtlicher verfügbarer Erkenntnisse und Anhaltspunkte tragend gewesen ist.

Bei dieser Sachlage ist die Beiziehung weiterer Unterlagen, wie etwa von Vermerken über die Abstimmung mit anderen Behörden und dem Gesamteinsatzbefehl für den Castor-Transport, von der sich die Klägerin vor allem den Nachweis verspricht, dass die Bezirksregierung Lüneburg in Abstimmung mit der Polizei auf den Erlass eines Versammlungsverbots durch Allgemeinverfügung festgelegt gewesen sei und den Sachverhalt deshalb nur unzureichend aufgeklärt bzw. ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, nicht erforderlich. Selbst wenn die behördlichen Planungen frühzeitig den Erlass einer Allgemeinverfügung umfasst haben sollten, ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden, sofern - wie hier - die Entwicklung der Sachlage von der Behörde unter Beobachtung gehalten wird und im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung die Anordnung eines zeitlich und räumlich beschränkten Versammlungsverbots rechtfertigende Tatsachen und Erkenntnisse vorgelegen haben, welche in die behördliche Ermessensentscheidung einbezogen worden sind. Dies gilt umso mehr, als bei Großeinsatzlagen, wie einem Castor-Transport, frühzeitige behördliche Planungen unentbehrlich sind, um organisatorische und technische Vorbereitungen treffen und beispielsweise Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern sowie vom Bundesgrenzschutz bzw. der Bundespolizei rechtzeitig anfordern zu können. Dass vor Erlass der Allgemeinverfügung seitens der Bezirksregierung Lüneburg Abstimmungsgespräche mit der Polizei und anderen Behörden stattgefunden haben, deutet deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf hin, dass der Erlass der versammlungsrechtlichen Allgemeinverfügung von vornherein festgestanden hätte und nicht aufgrund einer umfassenden Gefahrenprognose und unter pflichtgemäßer Ausübung des gesetzlich eingeräumten Ermessens erfolgt wäre. Bei dem dahingehenden Vorbringen der Klägerin handelt es sich um eine Behauptung, die durch keinerlei greifbare Anhaltspunkte gestützt wird. Die insoweit von der Klägerin gestellten Beweisanträge sind daher als sogenannte Beweisermittlungs- bzw. -ausforschungsanträge unsubstantiiert und nicht geeignet, eine Pflicht zur Beweiserhebung auszulösen (vgl. zu Beweisermittlungs- bzw. -ausforschungs-anträgen etwa: BVerwG, Beschl. v. 31.1.2002 - 7 B 92/01 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 318; Beschl. v. 29.9.2005 - 1 B 54/05 -, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff.

AufenthG Nr. 3). Auch wenn es sich um Umstände handelt, die in die Sphäre der Bezirksregierung Lüneburg bzw. der Beklagten fallen und der Klägerin deshalb nicht im Einzelnen bekannt sein können, kommt eine Beweiserhebung nur in Betracht, wenn für die unter Beweis gestellte Behauptung zumindest gewisse tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, woran es hier aber fehlt (vgl. allgemein: Höfling/Rixen in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 86 Rn. 87; Dawin in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2007, § 86 Rn. 94). Der auf die Beiziehung weiterer Unterlagen und die Vernehmung von Zeugen gerichtete Beweisantrag 1 der Klägerin vom 29. Mai 2008 war daher zu a), b), e), f), h) und i) abzulehnen. Gleiches gilt für die mit Schriftsatz der Klägerin vom 23. April 2008 unter III. und IV. unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen. Dass entsprechend dem Beweisantrag zu III. des Schriftsatzes der Klägerin vom 23. April 2008 zwischen der Bezirksregierung Lüneburg als Versammlungsbehörde und der Gesamteinsatzleitung der Polizei Vorgespräche und Abstimmungen stattgefunden haben, die nicht in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert sind, ist des Weiteren zum einen unbestritten und zum anderen unerheblich, da dieser Gesichtspunkt - wie bereits dargelegt - für sich allein nicht auf die Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung schließen lässt.

Der in der mündlichen Verhandlung des Senats vom Prozessbevollmächtigten des Parallelverfahrens 11 LC 141/06 zu Protokoll gegebene Beweisantrag (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 29.5.2008), dem sich die Klägerin angeschlossen hat und der sich ebenfalls auf die Beiziehung weiterer Unterlagen richtet, war zudem mangels Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung nicht zu entsprechen. Die polizeiliche Einsatzplanung sowie die Frage, ob die Polizei den Erlass einer Allgemeinverfügung stets vorausgesetzt hat, sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von der Bezirksregierung Lüneburg als sachlich zuständiger Versammlungsbehörde erlassenen Allgemeinverfügung nicht relevant. Soweit die Beiziehung sämtlicher bei der Beklagten zur polizeilichen Einsatzplanung anlässlich des Castor-Transports im Jahr 2004 vorliegender Verwaltungsvorgänge beantragt worden ist, ist das Beweismittel zudem nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden. Die von der Klägerin mit Beweisantrag 1 zu b) und d) sowie mit Schriftsatz vom 23. April 2008 zu IV. unter Beweis gestellte Personal- und Einsatzplanung ist gleichfalls unerheblich, denn auch sie fällt nicht in die Verantwortung der für den Erlass der Allgemeinverfügung zuständigen Bezirksregierung Lüneburg. Im Übrigen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Senats nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass bei späteren Entwicklungen weitere Einsatzkräfte nicht nachgefordert werden könnten und sich die Personalplanung der Polizei deshalb stets an dem größtmöglichen Einsatz unter Einkalkulierung von Eventualitäten orientiere, so dass es alternativer Personalplanungen nicht bedürfe. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Bezirksregierung Lüneburg war auch nicht von sich aus gehalten, in die Verwaltungsvorgänge weitere der von der Klägerin begehrten Unterlagen aufzunehmen oder weitere Informationen in den Verwaltungsakten zu dokumentieren. Die für die Gefahrenprognose tragenden Erkenntnisse und Anhaltspunkte sind in den Verwaltungsvorgängen enthalten (vgl. Anlagen zur Allgemeinverfügung/Beiakte B) bzw. im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung (3 B 66/04 und 11 ME 322/04) von der Bezirksregierung Lüneburg dargelegt worden. Die für die Ermessensentscheidung der Bezirksregierung Lüneburg maßgebenden tatsächlichen Grundlagen sind damit hinreichend dokumentiert. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Begriff des polizeilichen Notstands in der Allgemeinverfügung nicht ausdrücklich genannt worden ist. Da die dokumentierten Erkenntnisse und Anhaltspunkte das angeordnete zeitlich und räumlich beschränkte Versammlungsverbot tragen, war die ausdrückliche Erwähnung des polizeilichen Notstands, der letztlich nur eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darstellt, nicht erforderlich. Insbesondere kann allein aus der fehlenden Verwendung des Begriffs nicht auf eine fehlerhafte Ermessensausübung der Bezirksregierung Lüneburg geschlossen werden.

Auf die Frage, ob unmittelbar von der von der Klägerin geplanten Versammlung Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu erwarten gewesen wären, kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erlassenen Allgemeinverfügung nicht an. Handelt die Behörde nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstands, weil sie Gefahren für die öffentliche Sicherheit nicht allein durch ein Vorgehen gegen die Störer und den Einsatz eigener Mittel abwenden kann, ist sie gerade zur Inanspruchnahme sogenannter Nichtstörer berechtigt und dementsprechend befugt, versammlungsbeschränkende Maßnahmen auch gegen Versammlungen zu richten, die sich selbst innerhalb der Grenzen der nach Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit bewegen. Das Verhalten und die Absichten der Klägerin sind dann grundsätzlich nicht mehr relevant. Ebenso wenig ist in einer Situation des polizeilichen Notstands entscheidend, ob sich die Klägerin Aufrufe und Ankündigungen anderer Gruppen sowie rechtswidriges Verhalten Einzelner zurechnen lassen muss oder nicht und ob die einzelnen Protestinitiativen ein aufeinander abgestimmtes Gesamtkonzept verfolgt haben (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a. a. O., § 15 Rn. 41). Auch war die Bezirksregierung Lüneburg bei Erlass der Allgemeinverfügung nicht verpflichtet, gesondert auf die zeitlich vor Bekanntgabe der Allgemeinverfügung angemeldeten Versammlungen einzugehen, ihr Gefahrenpotential individuell abzuschätzen und sie in der Gefahrenprognose konkret zu würdigen. Maßgebend für den Erlass der Allgemeinverfügung war, dass anlässlich des Castor-Transports insgesamt erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten waren, denen nur durch versammlungsbeschränkende Maßnahmen unter Einbeziehung rechtmäßig durchgeführter Versammlungen hinreichend begegnet werden konnte. Eine gesonderte Würdigung des Gefahrenpotentials der bei Erlass der Allgemeinverfügung bereits angemeldeten Versammlungen hätte an dieser Sachlage nichts geändert und war deshalb entbehrlich. Der von der Klägerin mit Beweisantrag 1 zu c) und k) insoweit begehrten weiteren Sachaufklärung bedurfte es demzufolge mangels Entscheidungserheblichkeit nicht.

Da eine Sachlage gegeben war, bei der den zu erwartenden erheblichen Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit nur durch versammlungsbeschränkende Maßnahmen unter Einbeziehung rechtmäßig durchgeführter Versammlungen hinreichend begegnet werden konnte, kam es auch nicht in Betracht, einzelne Gruppen von Versammlungen oder einzelne Veranstalter von vornherein von der Allgemeinverfügung auszunehmen (vgl. dazu auch Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a. a. O.). Auch konnten weitere behördliche Bemühungen um die Kooperation und Abstimmung mit Veranstaltern unterbleiben, die Versammlungen innerhalb des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung planten. Ebenso wie die Anordnung milderer versammlungsrechtlicher Maßnahmen als der verfügten räumlichen und zeitlichen Beschränkung der Versammlungsfreiheit waren derartige Bemühungen nicht als hinreichend Erfolg versprechend zur Abwehr der unmittelbar drohenden Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit anzusehen. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob das von der Bezirksregierung Lüneburg erstellte Protokoll über das am 18. Oktober 2004 durchgeführte Kooperationsgespräch die Unterredung mit Vertretern verschiedener Protestinitiativen, die Versammlungen angemeldet hatten, insoweit zutreffend wiedergibt, als darin ausgeführt wird, die Initiativen hätten auf Nachfrage bekundet, auch beim diesjährigen Castor-Transport an Blockaden der Schienen- und der Straßenstrecke festzuhalten. Selbst wenn dies nicht bzw. nicht hinsichtlich sämtlicher Initiativen der Fall gewesen sein sollte, wird die behördliche Gefahrenprognose jedenfalls durch die übrigen vorliegenden Erkenntnisse hinreichend gestützt.

Soweit die Klägerin geltend macht, als Veranstalterin in der Vergangenheit wiederholt deeskalierend gewirkt und zum friedlichen Verlauf der Proteste beigetragen zu haben, kann in Ansehung der Vielzahl der angelegten Planungen und der von Teilen der Protestszene verfolgten Strategie der Unberechenbarkeit nicht angenommen werden, dass Maßnahmen der Klägerin entscheidend dazu hätten beitragen können, Gefahren für die öffentliche Sicherheit wirksam abzuwehren. Zwar kann die Klägerin etwa einzelne sich rechtswidrig verhaltende Versammlungsteilnehmer aus ihren Reihen verweisen. Dass Demon-stranten eine von ihr veranstaltete Versammlung lediglich dazu nutzen, Zugang zur Transportstrecke zu erhalten, und später am Rande der Versammlung oder andernorts rechtswidrige Aktionen durchführen, kann sie aber nicht effektiv verhindern. Im Übrigen hat sich die Klägerin von den durch die Initiativen "X-tausendmal quer" und "Widersetzen" geplanten Blockadeaktionen im Sinne von Verhinderungsblockaden nicht distanziert, sondern auf dem von ihr herausgegebenen Flugblatt "Grüne Wochen im Wendland" selbst auf diese Aktionen hingewiesen (vgl. Bl. 144 Beiakte C).

Der Erlass eines zeitlich und räumlich beschränkten Versammlungsverbots im Wege der Allgemeinverfügung war auch nicht von vornherein als untauglich anzusehen. Dies kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass es in der Vergangenheit trotz des Erlasses von Allgemeinverfügungen immer wieder zu einzelnen rechtlich nicht geschützten oder sogar gewalttätigen Aktionen und Ausschreitungen innerhalb des von den Allgemeinverfügungen jeweils umfassten Geltungsbereichs gekommen ist. Entscheidend ist, dass ohne den Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung mit weitaus mehr nicht vom Versammlungsrecht gedeckten Aktivitäten im unmittelbaren Bereich der für den Castor-Transport vorgesehenen Transportstrecke sowie im Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben zu rechnen gewesen wäre, bei denen die Einsatzkräfte den Castor-Transport nicht mehr ausreichend gegen gezielt herbeigeführte erhebliche Behinderungen hätten schützen können (vgl. zum Castor-Transport im November 2003: Beschl. des Senats vom 16.9.2005, a. a. O.). Die von der Klägerin zu e) des bereits in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts gestellten Beweisantrags 3 aufgestellte Tatsachenbehauptung, dass in den Jahren 2001 bis 2003 trotz des Erlasses von Allgemeinverfügungen bei keinem Transport friedliche Schienen- und Straßenblockaden hätten verhindert werden können (vgl. Anlage zum Protokoll der Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 16.3.2003), ist daher nicht erheblich.

Ohne Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung bleibt weiterhin, ob und in welchem Umfang die Beklagte bei Umsetzung der Allgemeinverfügung deren Grenzen verkannt bzw. überschritten oder sonst außerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens gehandelt hat. Derartige Vollzugsmängel sind nicht geeignet, die Allgemeinverfügung und die ihr zugrunde liegende Gefahrenprognose in Frage zu stellen, sondern sind gegebenenfalls in gesonderten Einzelverfahren gerichtlich zu klären (vgl. bereits Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a. a. O.). In gleicher Weise ist unerheblich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Strafverfahren gegen Demonstranten von der Polizei ohne berechtigten Anlass eingeleitet bzw. später mit Freispruch beendet oder eingestellt worden sind.

Keiner Betrachtung bedarf ferner, ob die behördliche Gefahrenprognose bei einer vom heutigen Erkenntnisstand ausgehenden rückschauenden Betrachtung (ex post) durch die Ereignisse während der Abwicklung des Castor-Transports bestätigt wird. Nach § 15 Abs. 1 VersG ist die Gefahrenprognose auf der Grundlage der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu treffen. Der weitere Geschehensablauf, insbesondere der konkrete Schadenseintritt, ist für die Prognose allenfalls insofern von Bedeutung, als er eine zutreffende Prognose stützen kann. Umgekehrt ist aber ein günstigerer Geschehensverlauf grundsätzlich nicht geeignet, eine aus früherer Sicht (ex ante) nicht zu beanstandende Prognose zu entkräften (so auch Bay. VGH, Beschl. v. 26.11.1992 - 21 B 92.1672 -, BayVBl. 1993, 658 f.; vgl. zudem Beschl. des Senats v. 16.9.2005, a. a. O.). Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats mit Beweisantrag 2 zu a) und c) sowie mit Beweisantrag 3 zu b) begehrte weitere Sachverhaltsaufklärung war daher hinsichtlich des streitgegenständlichen Jahres 2004 auch aus diesem Grund nicht geboten und mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen.

(3) Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung entspricht auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere sind die räumliche und zeitliche Reichweite der Allgemeinverfügung nicht zu beanstanden.

Räumlich erfasst das im Wege der Allgemeinverfügung erlassene Versammlungsverbot zunächst die Eisenbahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg, die möglichen Straßentransportstrecken von Dannenberg nach Gorleben in Gestalt der Nord- und der Südroute jeweils einschließlich eines Bereichs von 50 m beiderseits der Schienen- bzw. Straßentransportstrecke sowie Bereiche im direkten Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben. Die Allgemeinverfügung beschränkt sich insoweit auf den Schutz der für die Abwicklung des Castor-Transports unmittelbar erforderlichen Transportwege bzw. den Schutz von Orten, die aufgrund ihrer Symbolkraft in gesteigertem Maße Protest anziehen. Für diese Bereiche waren nach den dargelegten Erkenntnissen in besonderer Weise Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere durch Verhinderungsblockaden und Sachbeschädigungen, zu erwarten.

Die Einbeziehung der Verbindungsstraßen zwischen Quickborn und Kacherien nach Gusborn in den räumlichen Geltungsbereich des Versammlungsverbots begegnet gleichfalls keinen Bedenken. Dabei kann offen bleiben, ob die Verbindungsstraßen aufgrund der Transportgenehmigung oder bei Eintritt einer Notsituation in rechtlich zulässiger Weise für die Abwicklung des Transports hätten genutzt werden dürfen und ob sie ihrer Beschaffenheit nach tatsächlich dazu geeignet gewesen wären. Selbst wenn der Castor-Transport nicht über die genannten Verbindungsstraßen hätte geführt werden dürfen oder können, hat die Beklagte im Berufungsverfahren jedenfalls überzeugend dargelegt, dass die Polizei auf eine Nutzung der Verbindungsstraßen angewiesen war, um auf aktuell auftretende Einsatzlagen auf der Nord- oder der Südroute mit einer schnellen Verlagerung von Polizeikräften reagieren zu können (vgl. Schriftsatz v. 26.3.2008 und Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats, Seite 5). Da nach dem nicht angegriffenen Vorbringen der Beklagten erst kurz vor Verlassen der Verladestation in Dannenberg festgelegt wird, ob der Castor-Transport auf der nördlichen oder der südlichen Straßentransportstrecke geführt wird und Aktionen zur Verhinderung oder zumindest größtmöglichen Behinderung des Transports entlang beider Routen zu befürchten standen, musste in Anbetracht der Länge der Transportstrecken mit dem Erfordernis der Verlagerung von Einsatzkräften gerechnet werden. Wären zu diesem Zeitpunkt auf den Verbindungsstraßen zwischen der Nord- und der Südroute Versammlungen durchgeführt worden, wie der von der Klägerin geplante "Testlauf" mit einer erwarteten Teilnehmerzahl von etwa 200 Personen, die sich gegebenenfalls noch durch Zustrom von weiteren Demonstranten erhöht hätte, hätte dies einer möglichst schnellen und effektiven Verlagerung von Einsatzkräften von der Nord- auf die Südroute oder umgekehrt entgegengestanden. Ein milderes Mittel als das räumlich beschränkte Versammlungsverbot, das in gleicher Weise geeignet gewesen wäre, die bei der Länge der Transportrouten und den nur begrenzt zur Verfügung stehenden Einsatzkräften erforderliche Beweglichkeit der zum Einsatz gelangenden Beamten der Polizei und des Bundesgrenzschutzes zu erhalten, ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagte auf das Erfordernis der Verlagerung von Einsatzkräften erst im Berufungsverfahren hingewiesen hat, kann dieser Gesichtspunkt bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung berücksichtigt werden. Ein Nachschieben von Gründen begegnet - wie schon dargelegt - jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn die Gründe bereits bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben und sie nicht zu einer Wesensänderung des Verwaltungsakts führen (vgl. auch Wolff in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 113 Rn. 70 ff.; Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 63 ff.). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Bei dieser Sachlage war der von der Klägerin hinsichtlich der Verbindungsstraßen bereits beim Verwaltungsgericht gestellte Beweisantrag 2 (vgl. Anlage zum Protokoll der Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 16.3.2003) mangels Erheblichkeit abzulehnen.

Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang der Vorhalt der Klägerin, durch die Einbeziehung der Verbindungsstraßen in das räumlich beschränkte Versammlungsverbot sei der Zugang zu dem gesamten Gebiet zwischen der Nord- und der Südroute unterbunden und ein über viele Quadratkilometer reichendes "Sonderrechtsgebiet" geschaffen worden. Die Allgemeinverfügung erstreckt sich ausschließlich auf die bezeichneten Bereiche und untersagt allein die Durchführung von Versammlungen. Sie hat keine Ermächtigung begründet, den Zugang zu dem Gebiet zwischen der Nord- und der Südroute insgesamt, also etwa auch für Anwohner, zu unterbinden und innerhalb der gesamten Fläche gegen Versammlungen vorzugehen. Dementsprechend ist die Allgemeinverfügung insoweit auch nicht als "Scheinverfügung" anzusehen, die tatsächlich allein dem Zweck diente, ein möglichst weit reichendes Gebiet in der Umgebung der für den Straßentransport in Betracht kommenden Nord- und Südroute für Versammlungen zu sperren, um Protestbekundungen in der Nähe des Castor-Transports zu behindern. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Verbindungsstraßen nur deshalb in die Allgemeinverfügung einbezogen worden wären, weil die Klägerin auf einer dieser Straßen zuvor eine Versammlung angemeldet hatte.

Hervorzuheben ist im Übrigen, dass durch die Allgemeinverfügung die Durchführung von Versammlungen, wie der von der Klägerin angemeldeten, nicht vollständig verboten worden ist. Begrenzt worden sind allein die Modalitäten der Durchführung von Versammlungen sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Dieser Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, Zeit und Ort der Versammlung eigenständig festzulegen, stellt gegenüber dem vollständigen Verbot einer Versammlung das mildere Mittel dar. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt zwar grundsätzlich das Interesse des Veranstalters, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu erzielen, und damit auch das Interesse an einer größtmöglichen Nähe zu den symbolhaltigen Örtlichkeiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, a. a. O.; Beschl. v. 24.10.2001, a. a. O.). Durch die Verlagerung von Versammlungen in einen in Hör- und Sichtweite gelegenen Bereich werden der kommunikative Zweck der Versammlung und das anzuerkennende Interesse des Veranstalters an einem Beachtungserfolg aber nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.3.2001, a. a. O.).

Für die von der Klägerin mit dem bereits beim Verwaltungsgericht gestellten Beweisantrag 4 aufgestellte Behauptung, dass außerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung keine geeigneten Versammlungsorte verblieben seien (vgl. Anlage zum Protokoll der Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 16.3.2003), sind greifbare tatsächliche Anhaltspunkte nicht gegeben. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats erläuternd geltend gemacht hat, sämtliche außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung in Hör- und Sichtweite der Transportstrecke gelegene Flächen seien entweder für polizeiliche Zwecke beschlagnahmt worden oder als landwirtschaftliche Flächen Anfang November 2004 feucht gewesen, ist im Übrigen unabhängig von der Frage, ob diese Behauptung zutrifft, zunächst darauf hinzuweisen, dass die während des Castor-Transports zu erwartenden erheblichen Störungen der öffentlichen Sicherheit die Veranstaltung von Versammlungen unmittelbar auf der Transportstrecke selbst bzw. im näheren Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben nicht zugelassen haben. Das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin hinsichtlich Zeit und Ort der von ihr geplanten Versammlung hatte deshalb nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Güterabwägung hinter das berechtigte Interesse an der Durchführung des behördlich genehmigten Castor-Transports und dessen Abwicklung ohne gezielt herbeigeführte erhebliche Behinderungen zurückzutreten. Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters einer Versammlung ist nicht vorbehaltlos geschützt. Bei zu erwartenden unmittelbaren Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit hat es vielmehr gegebenenfalls im Zuge einer Güterabwägung zurückzustehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, a. a. O.; Beschl. v. 26.3.2001, a. a. O.; Beschl. v. 24.10.2001, a. a. O.). Insoweit waren der Klägerin auch gewisse Einschränkungen hinsichtlich der Beschaffenheit in Hör- und Sichtweite der Transportstrecke verbleibender Versammlungsorte, wie insbesondere von Äckern und Wiesen zuzumuten. Dass angesichts der Länge der Transportstrecke auch unter Inkaufnahme gewisser Einschränkungen bei der Wahl des Versammlungsorts überhaupt keine geeigneten Plätze für die Durchführung von Versammlungen verblieben wären, wird durch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gestützt. Dies gilt umso mehr, als außerhalb des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung immerhin 42 angemeldete Versammlungen durchgeführt worden sind (vgl. Pressemitteilung der Polizeidirektion Lüneburg v. 9.11.2004). Entsprechend dem an die Klägerin gerichteten Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 waren unter den als durchführbar bestätigten Versammlungen auch solche der Klägerin. Dem Schriftsatz der Beklagten vom 14. März 2005 ist ferner zu entnehmen, dass beispielsweise in den Ortslagen von Langendorf und Groß Gusborn und damit entlang der Straßentransportstrecke des Castor-Transports Dauermahnwachen als Versammlungen bestätigt worden sind. Konkrete Bemühungen der Klägerin, auch durch Rückfrage bei der Bezirksregierung Lüneburg einen anderen Versammlungsort entlang der Transportstrecke zu finden, sind nicht ersichtlich. Der von der Klägerin bereits in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts gestellte Beweisantrag 4 war zudem auch deshalb abzulehnen, weil er mit der unter Beweis gestellten Behauptung, es seien keine "medienwirksamen Orte" in Sichtweite des Geschehens verblieben, eine Wertung beinhaltet, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich ist.

Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der räumlichen Reichweite des angeordneten Versammlungsverbots ist weiterhin zu berücksichtigen, dass sich die Allgemeinverfügung neben den begrenzten Bereichen im Umfeld der Verladestation in Dannenberg und des Zwischenlagers in Gorleben entlang der Transportstrecke mit einer Breite von 100 m auf einen relativ schmalen Korridor beschränkte (so ausdrücklich zur Allgemeinverfügung für den Castor-Transport im März 2001: BVerfG, Beschl. v. 26.3.2001, a. a. O.). Die Reichweite der räumlichen Beschränkung des Versammlungsrechts anlässlich des Castor-Transports 2004 ist insbesondere nicht mit der Ausdehnung des anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm Anfang Juni 2007 angeordneten räumlich beschränkten Versammlungsverbots vergleichbar, das mehrere Kilometer um den Veranstaltungsort herum gelegene Flächen umfasste (vgl. zum G8-Gipfel: BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, a. a. O.). Auch wurde in der angegriffenen Allgemeinverfügung ergänzend angekündigt, räumlich bestimmte Flächenabschnitte freizugeben, wenn diese nicht mehr für den Transport benötigt werden. Die angeordnete räumliche Beschränkung stellt sich dementsprechend im Rahmen einer Güterabwägung als das mildeste Mittel dar, um sowohl das anzuerkennende Interesse an der sicheren und ohne erhebliche Behinderungen verlaufenden Abwicklung des behördlich genehmigten Castor-Transports als auch das berechtigte Interesse an der öffentlich wahrnehmbaren Bekundung von Protest durch Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zur Geltung zu bringen.

Art und Weise der Pressearbeit der Polizei sind für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der räumlichen Beschränkung des Versammlungsrechts nicht von Belang und bedürfen entgegen dem von der Klägerin bereits beim Verwaltungsgericht gestellten und gegenüber dem Senat wiederholten Beweisantrag 3 zu g) keiner näheren Aufklärung.

Die Reichweite der Allgemeinverfügung ist auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das unter Ziffer II. der Allgemeinverfügung angeordnete Versammlungsverbot beschränkte sich unter Berücksichtigung des zeitlichen Beginns am 8. November 2004 und der zum Endzeitpunkt unter Ziffer III. getroffenen Regelung auf die Zeitspanne, innerhalb derer die Abwicklung des Castor-Transports auf den bezeichneten Strecken und in den beschriebenen räumlichen Bereichen zu erwarten war. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erscheint auch die für unangemeldete öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge (sogenannte Spontanversammlungen) erfolgte Erstreckung des Versammlungsverbots auf das Wochenende vor dem Castor-Transport (6. und 7.11.2004) sachgerecht. Wie der Senat bereits im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Allgemeinverfügung ausgeführt hat, war damit zu rechnen, dass der Castor-Transport in der Nacht von Sonntag, den 7. November, auf Montag, den 8. November 2004, im Bahnhof in Lüneburg eintreffen und anschließend nach Dannenberg weiterfahren würde (Beschl. des Senats v. 6.11.2004, a. a. O.). Angesichts dieser zeitlichen Nähe und im Hinblick auf den für Reparaturarbeiten nach Beschädigungen von Gleisanlagen oder des Straßenkörpers erforderlichen Zeitbedarf war es gerechtfertigt, unangemeldete Versammlungen, die behördlich zunächst nicht bekannt sind, also nicht von Beginn an polizeilich begleitet werden können, und bei denen eine verantwortliche Person, der gegenüber behördliche Anordnungen erfolgen können, erst ermittelt werden muss, sofern sie überhaupt vorhanden ist, bereits für das Wochenende vor dem Castor-Transport räumlich beschränkt zu untersagen. Die Auftaktdemonstration der Protestinitiativen sollte am 6. November 2004 erfolgen, so dass anschließend bereits mit einer erheblichen Zahl vor Ort befindlicher Demonstranten zu rechnen war. Auch wenn der Einsatz moderner technischer Geräte die Entdeckung von Beschädigungen oder Unterhöhlungen von Gleisanlagen oder Straßenabschnitten erleichtern mag, stand nach den vorliegenden Erkenntnissen zu befürchten, dass aus einem aktuellen Anlass oder unter Vorwand eines solchen initiierte Versammlungen jedenfalls von einem Teil von Demonstranten als Gelegenheit genutzt worden wären, ohne Begleitung von Einsatzkräften die Transportstrecke zu erreichen, um dort Beschädigungen vorzunehmen, die nicht ohne wesentliche zeitliche Verzögerung des nahe bevorstehenden Castor-Transports hätten behoben werden können. Der bloße Umstand, dass Beschädigungen der Transportstrecke durch den Einsatz technischer Geräte leichter zu erkennen sind, schließt aus Beschädigungen der Transportwege resultierende erhebliche Behinderungen des Castor-Transports nicht hinreichend aus, da auch der für Reparaturen bzw. Ausbesserungen der Transportstrecke notwendige Zeitbedarf zu berücksichtigen ist. Soweit im Vorbringen der Klägerin zum Ausdruck kommt, dass Beschädigungen der Transportstrecke hingenommen werden müssten, sofern sie nur durch Einsatzkräfte der Polizei und Zuhilfenahme technischer Mittel (rechtzeitig) erkannt und anschließend behoben werden könnten, ist diese Einschätzung im Übrigen verfehlt. Beschädigungen der Schienenwege und des Straßenraums sind nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Als strafbewehrte Sachbeschädigungen stellen sie Störungen der öffentlichen Sicherheit dar, denen - wie hier - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit versammlungsbeschränkenden Maßnahmen begegnet werden kann. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin gestellten Beweisanträge zu c) des Beweisantrags 3, zu II 1. des Schriftsatzes vom 23. April 2008 und zu a), b), c) und f) des bereits beim Verwaltungsgericht gestellten Beweisantrags 3 waren demzufolge abzulehnen, da sie auf Tatsachenfeststellungen gerichtet sind, die für die Entscheidung nicht erheblich sind. Die mit Schriftsatz vom 23. April 2008 zu II 1. unter Beweis gestellten Hilfstatsachen, dass "einerseits die Strecke mit speziellen Infrarotgeräten tagelang überwacht wurde, andererseits der Transport immer erst dann aus der Umladestation wegfahren durfte, wenn die Strecke frei und kontrolliert war", rechtfertigen des Weiteren nicht den Schluss auf die unter Beweis gestellte Haupttatsache, dass "Straßenbeschädigungen, die den Transport gefährdet hätten, nicht zu erwarten waren". Die Klägerin lässt insoweit den im Falle von Beschädigungen für Ausbesserungen der Transportwege erforderlichen Zeitbedarf außer Acht, durch den die Abwicklung des Castor-Transports erheblich hätte verzögert und das Erreichen des Zwischenlagers in Gorleben angesichts der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte letztlich auch hätte gefährdet werden können. Auf die Frage, ob entsprechend dem mit Schriftsatz der Klägerin vom 23. April 2008 zu II 2. formulierten Beweisantrag im Jahre 2003 Traktoren, die an Demonstrationen oder versuchten Blockaden beteiligt waren, schon einige Tage vor dem Straßentransport beschlagnahmt wurden, und dies auch im Jahre 2004 beabsichtigt gewesen sei, kommt es weder in diesem noch in anderem Zusammenhang an, denn Beschädigungen und Blockaden der Transportwege können auch auf andere Weise als durch den Einsatz von Traktoren herbeigeführt werden. Im Übrigen hat die Beklagte diese Frage in der mündlichen Verhandlung des Senats hinreichend beantwortet (vgl. Seite 9 der Sitzungsniederschrift v. 29.5.2008), so dass es auch von daher keiner Beweiserhebung bedurfte.

2) Soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schreibens der Bezirksregierung Lüneburg vom 26. Oktober 2004 sowie der Verfügung vom 5. November 2004 hinsichtlich der Untersagung der von ihr für den 8. November 2004 angemeldeten Versammlung begehrt, ist die erhobene Klage gleichfalls unbegründet.

Keiner Entscheidung bedarf dabei, ob es sich bei dem Schreiben vom 26. Oktober 2004 um einen Verwaltungsakt oder - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - um einen bloßen Hinweis auf die Allgemeinverfügung ohne Regelungscharakter i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG handelt. Da die Allgemeinverfügung als rechtmäßig anzusehen ist und die von der Klägerin angemeldete Versammlung in ihren zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich fällt, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bezirksregierung Lüneburg die Klägerin zu der von ihr angemeldeten Versammlung auf das verfügte generelle Versammlungsverbot verwiesen hat. Einer individuellen Prüfung der Versammlung der Klägerin bedurfte es insoweit nicht (vgl. Beschl. des Senats v. 6.11.2004, a. a. O.).

Auch die mit Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 2004 verfügte Untersagung der angemeldeten Versammlung der Klägerin begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Soweit der Bescheid vom 5. November 2004 entsprechend der vom Verwaltungsgericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit Beschluss vom 3. November 2004 (3 B 66/04) ausgesprochenen Verpflichtung auf eine individuelle Gefahrenprognose gestützt worden ist, bedarf diese keiner Überprüfung. Da die von der Klägerin geplante Versammlung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits durch die in vollem Umfang rechtmäßige Allgemeinverfügung verboten war, kommt es nicht darauf an, ob (auch) individuelle Gründe eine Untersagung der Versammlung ermöglicht hätten. Die Zulassung einer Ausnahme von dem mit Allgemeinverfügung angeordneten Versammlungsverbot kam nicht in Betracht, denn entsprechend der Anzeige der Klägerin in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 3. November 2004 schien auch die Klägerin gezielte Behinderungen des Castor-Transports durch Sitzblockaden nicht auszuschließen. Hinzu kommt, dass sie sich von den geplanten Blockadeaktionen der Initiativen "X-tausendmal quer" und "Widersetzen" nicht distanziert hatte, wie die Aufnahme dieser Aktionen in das von der Klägerin herausgegebene Flugblatt "Grüne Wochen im Wendland" verdeutlicht. Dementsprechend stand zu befürchten, dass auch aus der von der Klägerin geplanten Versammlung insbesondere nicht durch Art. 8 GG geschützte Verhinderungsblockaden hätten hervorgehen können.

3) Eines Eingehens auf die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts bedarf es nicht. Da über die Rechtmäßigkeit der von der Bezirksregierung Lüneburg ergriffenen Maßnahmen vom Senat abschließend entschieden werden kann, kommt eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Verwaltungsgericht gemäß § 130 Abs. 2 VwGO nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

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