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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: 11 LC 290/03
Rechtsgebiete: GG, Nds. AbgG, Nds. Verf., VersG


Vorschriften:

GG Art. 8
Nds. AbgG § 30
Nds. Verf. § 19
VersG § 15
Das Abhalten von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel (iSd § 14 VersG) stellt keine zulässige Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion dar.
Tatbestand:

Die Klägerin ist die Fraktion "Bündnis 90/Die Grünen" im niedersächsischen Landtag. Sie begehrt jeweils als Hauptantrag die Feststellung der Rechtswidrigkeit der im Zusammenhang mit dem Castor-Transport ergangenen Allgemeinverfügung der Bezirksregierung - Beklagte - vom 10. März 2001, die Feststellung, dass die "Verfügung" der Beklagten vom 23. März 2001 rechtswidrig gewesen sei, sowie die Feststellung, dass die Verhinderung der für den 26., 27. und 28. März 2001 angemeldeten Veranstaltungen rechtswidrig gewesen sei. Daneben hat sie noch zwei Hilfsanträge gestellt.

Nach dem Castor-Transport von 1997 wurde ein weiterer Transport erstmals wieder im März 2001 durchgeführt. Am 10. März 2001 gab die Beklagte die Allgemeinverfügung über eine räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts innerhalb eines Korridors für den Castor-Transport (von Lüneburg nach Gorleben) bekannt. Unangemeldete öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel wurden darin innerhalb des Korridors für den Zeitraum vom 24. März 2001, 0:00 Uhr, bis zum 8. April 2001, 24:00 Uhr, untersagt. Generell alle öffentlichen Versammlungen (seien sie angemeldet oder unangemeldet) unter freiem Himmel wurden innerhalb des Transportkorridors für den Zeitraum vom 27. März 2001, 0:00 Uhr, bis 8. April 2001, 24:00 Uhr, untersagt. Der Transportkorridor, auf den sich diese Allgemeinverfügung bezog, betraf im wesentlichen jeweils 50 m beiderseits der Gleisanlagen bzw. der für den Transport benötigten Straße (vgl. im einzelnen die Allgemeinverfügung in Beiakte B). Ein Begehren der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e. V. und der "Grüne Liste Wendland e. V." auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die für sofort vollziehbar erklärte Allgemeinverfügung blieb ohne Erfolg (Beschl. d. VG Lüneburg v. 22.03.2001 - 7 B 11/01 -; Beschl. d. erk. Sen. v. 23.03.2001 - 11 MA 1128/01 -; Beschl. d. BVerfG v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15.01 -).

Die Klägerin tagte während des Castor-Transportes und im Vorfeld im Gästehaus {B.}, Ortsteil Pisselberg Nr...., Dannenberg und verfolgte von dort das Geschehen, während gleichzeitig die laufende Fraktionsarbeit erledigt wurde.

Unter dem 22. März 2001 meldete die Klägerin zwei öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel nach dem Versammlungsgesetz für Dienstag, 27. März 2001 ab 20:00 Uhr und Mittwoch, 28. März 2001 ab 10:00 Uhr an. Die Klägerin führte hierzu aus, die Fraktion werde auf dem Grundstück in Dannenberg, Ortsteil Pisselberg Nr. ...., Tagungshaus {B.} jeweils eine öffentliche Fraktionssitzung und anschließend eine Bürgerfragestunde unter freiem Himmel abhalten mit den Themen "Castor-Transport" und "Versammlungs-freiheit". Diese Veranstaltungen/Versammlungen sollten hiermit angemeldet werden. Die Fraktion gehe davon aus, dass für alle Personen, die diese Veranstaltung aufsuchen wollten, freier Zugang gewährleistet werde. Als Versammlungsleiterin wurde Frau {C.} benannt.

Dem Verwaltungsvorgang ist zu entnehmen, dass die Beklagte mit dem Bauamt des Landkreises Lüchow-Dannenberg telefonisch Rücksprache nahm und die Auskunft erhielt, dass das gesamte Grundstück innerhalb der "Verbotszone" von 50 m liege (Beiakte A).

Die Beklagte antwortete der Klägerin in einem Schreiben vom 23. März 2001 unter anderem:

"Der Bereich Pisselberg, insbesondere die Bahnlinie und der Bahnübergang ist außerordentlich sensibel. Hier ist die Aktion "Eine Nacht im Gleisbett" durchgeführt worden. Ich bitte daher um Ihr Verständnis, wenn ich nicht in der Lage bin, Ihnen die Anmeldung Ihrer Versammlung positiv zu bestätigen. Vielmehr muss ich Sie darauf hinweisen, dass auch diese Versammlung unter den Geltungsbereich der Allgemeinverfügung vom 10.03.2001 fällt. ... Sehe ich ... durch die Allgemeinverfügung Ihre Rechte als Partei oder Fraktion in keiner Weise eingeschränkt oder gefährdet. ... Ich sehe ... keine andere Möglichkeit, als Ihnen anheim zu stellen, die Fraktionssitzung entweder nicht als öffentliche Versammlung durchzuführen oder aber auf einen anderen Ort oder einen anderen Zeitpunkt zu verlegen". (GA 16, Beiakte A).

Unter dem 24. März 2001 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung vom 10. März 2001 ein und wies darauf hin, dass sie als Fraktion des Niedersächsischen Landtags das Recht habe, ihre Aufgaben im Parlament und in der Öffentlichkeit auszuüben (Artikel 19 Niedersächsische Verfassung) und dass dieses Recht durch die Allgemeinverfügung beeinträchtigt werde. Sie forderte die Beklagte auf sicherzustellen, dass die für den 27. und 28. März 2001 im Tagungshaus {B.} einberufene öffentliche Fraktionssitzung mit anschließender Bürgerfragestunde ungehindert stattfinden könne.

Ebenfalls noch am 24. März 2001 begehrte die Klägerin beim Verwaltungsgericht, der Beklagten im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu untersagen, die für den 27. und 28. März 2001 vorgesehenen Veranstaltungen "unter Berufung auf die Allgemeinverfügung vom 10.03.2001" zu behindern. Zur Begründung führte die Klägerin im wesentlichen aus, die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig. Zudem sei sie in ihren parlamentarischen Rechten sowie in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 21 i. V. m Art. 3 GG verletzt. Die Klägerin hat darüber hinaus vorläufigen Rechtsschutz gegen die Allgemeinverfügung begehrt.

Das Verwaltungsgericht lehnte dieses Begehren mit Beschluss vom 24. März 2001 ab (7 B 21/01), da die Allgemeinverfügung rechtmäßig sei, der Versammlungsort in dem Korridor liege, der von der Allgemeinverfügung erfasst werde und der Status der Klägerin keine abweichende Beurteilung rechtfertige.

Daraufhin hat die Klägerin unmittelbar das Bundesverfassungsgericht angerufen. Im entsprechenden Schriftsatz der Klägerin vom 24. März 2001 heißt es unter anderem:

"Andere Tagungshäuser oder geeignete Veranstaltungsräume sind in der Nähe der Transportstrecke nicht verfügbar zu dieser Zeit. Eine Verlegung an einen anderen Zeitpunkt oder zu einem weiter abgelegenen Ort wird dem Anliegen der Fraktion, öffentlich und zeit- sowie ortsnah zu den Castor-Transporten und der aktuellen Gefährdung der Versammlungsfreiheit Stellung zu nehmen, nicht gerecht. Die Antragstellerin (Klägerin) befürchtet Eingriffe in ihre Versammlungsfreiheit, ihre Meinungsfreiheit und ihre parlamentarischen Rechte, indem nach dem Schreiben der Bezirksregierung (Anmerkung: vom 23.03.2001) mit Behinderungen der Fraktionssitzung und Verhinderung des öffentlichen Zugangs gerechnet werden muss. ... " (Beiakte A).

Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 26. März 2001 gegenüber dem Bundesverfassungsgericht zunächst Zweifel an der Aktivlegitimation der Landtagsfraktion geäußert und darauf hingewiesen, dass die Klägerin zwar eigene parlamentarische Rechte und Pflichten habe, jedoch keine eigenen Rechte und Pflichten hinsichtlich des Versammlungsrechts. Im übrigen hat die Beklagte weiter ausgeführt:

"Mir ist bekannt, dass die Antragstellerin (Klägerin) drei Versammlungen am 26., 27. und 28.03.2001 anstrebt. In allen drei Fällen handelt es sich um sogenannte öffentliche Fraktionssitzungen mit Bürgerfragestunde unter freiem Himmel im Tagungshaus {B.} ... Ortsteil Pisselberg. Das Haus liegt im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung. ... Die Veranstaltung vom 26.03.2001 (Anm. zu dieser Veranstaltung siehe sogleich weiter unten) ist nicht Streitgegenstand. Die Antragstellerin hätte eine solche Versammlung anmelden können. Die Antragsgegnerin, die bewusst im Vorfeld nur unangemeldete Versammlungen untersagt hat, hätte eine Be-stätigung geprüft. Sie (die Klägerin) hat jedoch eine solche Anmeldung bewusst unterlassen und damit die Möglichkeiten, die die Antragsgegnerin ihr einräumt, nicht genutzt. Zwischenzeitlich ist die 48-Stunden-Frist vor Beginn der Versammlung verstrichen. Die Versammlungen (vom 27. und 28.03.2001) hat die Antragstellerin am 22.03. angemeldet. Die Antragsgegnerin hat keinen ablehnenden Verwaltungsakt erlassen, jedoch am 23.03. auf die Geltung der Allgemeinverfügung hingewiesen." (Beiakte A)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 26. März 2001 (1 BvQ 16/01) das Begehren der Klägerin abgelehnt. Gegenstand dieses Beschlusses waren (wie auch zuvor schon beim VG) neben der Allgemeinverfügung nur die Veranstaltungen vom 27. und 28. März 2001. Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem ausgeführt, es könne dahinstehen, ob Fraktionen sich als Einrichtungen des Verfassungslebens und Gliederungen einer parlamentarischen Körperschaft auf ein Grundrecht wie das der Versammlungsfreiheit berufen könnten. Dahinstehen könne auch, ob das Begehren nicht schon deshalb unzulässig sei, weil gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zunächst eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beantragt worden sei. Die Verfügung der Beklagten erweise sich nämlich im Hinblick auf Art. 8 GG als tragfähig. Die von der Klägerin beabsichtigte Veranstaltung am 27. und 28. März 2001 sei als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes anzusehen. Als Versammlung unterliege sie damit den gleichen Beschränkungen wie andere in der Nähe der Strecke des Castor-Transports geplante Versammlungen. Soweit die Versammlung daher den von der Allgemeinverfügung erfassten örtlichen Bereich betreffe, sei sie nicht zulässig. Anderes ergebe sich auch nicht angesichts der Eigenschaft der Klägerin als Fraktion. Die Rüge der Verletzung des Art. 21 GG bleibe wegen Unzulässigkeit außer Betracht.

Während es in dem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Bundesverfassungsgericht (neben dem Angriff auf die Allgemeinverfügung) nur um die Veranstaltungen vom 27. und 28. März 2001 ging, ergibt sich aus dem Verwaltungsvorgang, dass die Klägerin unter dem 23. März 2001 zusätzlich eine öffentliche Fraktionssitzung und anschließende Bürgerfragestunde auch für Montag, den 26. März 2001 angemeldet hatte (Beiakte A). Eine schriftliche Stellungnahme der Beklagten zu diesem weiteren Termin (26.03.2001) ist nicht ergangen. Soweit ersichtlich hat die Beklagte lediglich im Rahmen ihrer o. a. Stellungnahme v. 26. März 2001 gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die dritte Veranstaltung erwähnt.

Nachdem der Castor-Transport am 29. März 2001 beendet und damit auch die Allgemeinverfügung außer Kraft getreten war, teilte die Klägerin unter dem 30. März 2001 mit, dass ihr Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung bestehen bleibe und sie vorsorglich auch Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. März 2001 sowie gegen die nachfolgenden beschränkenden Verfügungen (soweit ersichtlich sind hiermit nach Darlegung der Klägerin ihr gegenüber mündlich ergangene Verfügungen gemeint) einlege. Erstmals unter dem 30. März 2001 erklärte sie weiter, tatsächlich sei die angemeldete Veranstaltung nicht nur in der 50-m-Zone des Transportkorridors, sondern "gänzlich" verhindert worden.

Die Beklagte wies daraufhin, dass eine Entscheidung über die Widersprüche nicht mehr zulässig sei, nachdem sich das Verfahren mit der Beendigung des Castor-Transports erledigt hätte.

Daraufhin hat die Klägerin die vorliegende (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erhoben.

Die Klägerin trug im erstinstanzlichen Verfahren sinngemäß vor: Ihr Begehren sei zulässig. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich aus den Grundrechtseingriffen in Art. 8 und Art. 21 i. V. m. Art. 3 GG. Darüber hinaus bestehe bei zukünftigen Castor-Transporten eine Wiederholungsgefahr.

Die Klage sei auch begründet. Die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig.

Sie beruhe auf einer fehlerhaften Gefahrenprognose. Diese Prognose sei im Wesentlichen mit den Vorfällen beim Castor-Transport 1997 begründet worden. Die politischen Rahmenbedingungen von 1997 ließen sich aber nicht mit denen von 2001 vergleichen. Insbesondere seien die Ereignisse von Splietau 1997 besonders gelagert gewesen, so dass eine Wiederholung nicht zu befürchten sei. Gleiches gelte hinsichtlich der Ereignisse von Quickborn im Jahre 1997. Darüber hinaus sei die für die Allgemeinverfügung zusammengetragene Tatsachensammlung einseitig und unvollständig. Die Beklagte habe die Anzahl der friedlichen Proteste bei der Gefahrenabwägung nicht zureichend berücksichtigt. Die Zahlen angeblicher Straf- und Gewalttaten bei vergangenen Castor-Transporten sei willkürlich aufgebauscht worden. Die Allgemeinverfügung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Polizei nach eigenem Vortrag deutlich zwischen sogenannten autonomen und friedlichen Protestlern habe unterscheiden können. Zudem habe die Polizei durch den Einsatz verdeckter Ermittler weitere Informationen über die gewalttätigen Störer erlangt. Die eigentliche politische Bewegung und deren Motive gegen den Atomtransport und die Atommülllagerung seien bei der Abwägung nicht zureichend berücksichtigt worden. Die Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung ergebe sich auch aus dem Vortrag der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg in dem Verfahren 7 B 11/01 (vgl. dazu Beschl. d. VG v. 22.3.2001 und Beschl. d. Sen. v. 23.03.2001 - 11 MA 1128/01 - sowie Beschl. d. BVerfG v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15.01 -). Die Allgemeinverfügung stelle sich auch deswegen als rechtswidrig dar, weil sie keinerlei Ausnahmen vorsehe sondern unterschiedslos alle Versammlungen in ihrem Geltungsbereich erfasse. Die Schaffung einer derartigen "Sonderrechtszone" stehe aber nicht in Übereinstimmung mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und dem Rechtsstaatsprinzip. Außerdem habe es sich bei der Allgemeinverfügung nur um eine Tarnverfügung gehandelt; denn tatsächlich seien über den in dieser Allgemeinverfügung benannten Transport-Korridor von 50 m hinaus in einem Umkreis von 5 km um die Transportstrecke jegliche Demonstrationen verhindert worden und dieses sei auch politische Absicht gewesen.

Aber selbst wenn die Allgemeinverfügung dem Grunde nach als rechtmäßig anzusehen sei, könne sie nach Sinn und Zweck zumindest nicht für die Klägerin Geltung beanspruchen. Die Allgemeinverfügung richte sich nämlich gegen öffentliche Versammlungen von Castor-Gegnern, nicht jedoch gegen öffentliche Versammlungen unter der Schirmherrschaft parlamentarischer Organe wie der Klägerin. Zumindest habe hinsichtlich der von der Klägerin beantragten Versammlung eine konkrete individuelle Gefahrenprognose erfolgen müssen. Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, dass die Klägerin als Landtagsfraktion im Vergleich zu allen sonstigen Veranstaltungen die besondere Gewähr für einen friedlichen Verlauf geboten habe. Indizien gegen einen friedlichen Verlauf der von der Klägerin beabsichtigten Veranstaltung habe die Beklagte nicht benennen können. Es hätte daher eine Ausnahme von dem allgemeinen Verbot erteilt werden müssen. Hintergrund der angemeldeten Veranstaltung sei gewesen, dass die Klägerin sich vor Ort der Empörung und Frustration der Anhänger der "Grünen" und der Bürger aus dem Wendland über den auch von den "Grünen" mit zu vertretenen sogenannten "Atomkonsens" habe stellen wollen. Dafür habe sich das Gästehaus {B.} in Pisselberg angeboten. Diese besondere Stellung der Klägerin im Rahmen der politischen Auseinandersetzung über den Atomtransport habe berücksichtigt werden müssen. Die "Grünen" hätten nach dem umstrittenen Atomkonsens gerade in der Kritik der Atomkraftgegner gestanden. Gewaltbereite Autonome wären mithin Gegner der "Grünen" gewesen und daher als Teilnehmer der beabsichtigten Veranstaltung gar nicht in Frage gekommen. Auch der Verweis auf die Aktion "Eine Nacht im Gleisbett" am 03. März 2001 in Pisselberg habe der Versammlung nicht entgegengehalten werden können. Es habe sich bei der "Nacht im Gleisbett" um eine friedliche Demonstration der Bürgerinitiative gehandelt mit einem anschließenden Bahnspaziergang. Eine Gefährdung des Bahnverkehrs sei nicht eingetreten. Der damaligen Aufforderung von BGS-Kräften, die Gleise zu verlassen, sei Folge geleistet worden. Es habe sich mithin um einen harmlosen Vorfall gehandelt, der die von der Beklagten vorgetragene Argumentation, die Bahnlinie und der Bahnübergang in Pisselberg seien außerordentlich sensibel, gerade weil hier die Aktion "Eine Nacht im Gleisbett" stattgefunden habe, nicht trage.

Zumindest erweise sich die ablehnende Entscheidung der Beklagten als rechtswidrig, weil die Beklagte ihrer Kooperationspflicht nicht nachgekommen und sich nicht um eine alternative Gestaltung der angemeldeten Versammlungen bemüht habe. Das von der Klägerin benannte Gelände habe nämlich entgegen der Darstellung der Beklagten in ihrem im Verwaltungsvorgang enthaltenen Vermerk nur zum Teil innerhalb der 50-m-Linie gelegen. Die Klägerin habe zwar eine Veranstaltung in Pisselberg und nicht etwa in Lüchow oder Dannenberg für sinnvoll angesehen. Innerhalb Pisselbergs hätten sich jedoch andere Alternativen angeboten. So sei in Telefonaten mit der Beklagten noch während des laufenden Eilverfahrens von Seiten der Klägerin angeboten worden, die Veranstaltung außerhalb der 50-m-Zone auf dem Privat-Gelände des Hauses {B.} in Pisselberg oder auf öffentlichem Gelände (Straße, Dorfplatz) oder auch außerhalb des zeitlichen Geltungsbereiches der Allgemeinverfügung durchzuführen. Die Beklagte habe jedoch auch diesen Überlegungen nicht zugestimmt und eine Verlegung der Veranstaltung außerhalb Pisselbergs gefordert. Über diese Telefonate, die u. a. zwischen der Fraktionsvorsitzenden der Klägerin, der damaligen Präsidentin der Beklagten sowie dem Gesamteinsatzleiter der Beklagten stattgefunden hätten, befänden sich in den Verwaltungsakten allerdings keine Vermerke.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Allgemeinverfügung der Beklagten vom 10. März 2001 rechtswidrig gewesen ist,

2. festzustellen, dass die Verfügung der Beklagten vom 23. März 2001 rechtswidrig gewesen ist,

3. festzustellen, dass die Verhinderung der für den 26., 27. und 28. März 2001 angemeldeten Veranstaltungen rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin verkenne, dass nach dem Wesen der Allgemeinverfügung nicht für jede einzelne Versammlung eine besondere Gefahrenprognose zu erstellen sei. Da die von der Klägerin beabsichtigte Veranstaltung für jedermann frei zugänglich sein sollte, habe auch angesichts des Fraktionsstatus der Klägerin keine Gewähr für deren Friedlichkeit bestanden. Der Vortrag der Klägerin, ihr sei ohne jegliche Differenzierung untersagt worden, die beabsichtigte Veranstaltung überhaupt in Pisselberg durchzuführen, unabhängig davon, ob die Versammlungsverbotszone berührt werde, treffe nicht zu. Der Klägerin sei im Schreiben vom 23. März 2001 mitgeteilt worden, dass die von ihr geplante Versammlung unter die Allgemeinverfügung falle. Ihr sei aber gleichzeitig anheim gestellt worden, die Versammlung an einen anderen Ort oder auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen. Der Klägerin sei es aber gerade auf diesen bestimmten Versammlungsort angekommen. Von der Absicht der Klägerin, die Versammlung außerhalb des Verbotskorridors zu verlegen, sei der Beklagten nichts bekannt gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. Juli 2003 hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, sie wolle auch in Zukunft auf dem Hof {B.} bei Pisselberg Fraktionssitzungen abhalten mit Bürgerfragestunde und freiem Zugang aller Interessierten. Angesichts der politischen Situation seien ihre Präsenz und ein Dialog mit den Bürgern wichtig. Das Grundstück {B.} sei gegen die Bahnstrecke durch eine Buschreihe, einen Zaun und den Bahndamm abgegrenzt. Es sei daher nicht ohne weiteres möglich, von dem Grundstück auf die Bahngleise zu kommen. Etliche Bürger und Fraktionsmitglieder, die in das Gästehaus {B.} hätten kommen wollen, seien abgewiesen und erst nach Einschreiten der Fraktionsvorsitzenden durchgelassen worden. Eine Bereitschaft, das Anliegen auf dem Hof {B.} zu verwirklichen, sei auf Seiten der Behörden nicht vorhanden gewesen. Die Klägerin sei gleichsam im Hause eingekesselt gewesen. Auf telefonische Hinweise, dass der Hof nicht vollständig innerhalb der Verbotszone liege, sei nicht reagiert worden. Lediglich der Marktplatz in Dannenberg sei als Alternativstandort angeboten worden.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat mit Urteil vom 10. Juli 2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei schon unzulässig. Der Klägerin stehe keine Klagebefugnis zu. Eine Beeinträchtigung ihrer im einzelnen in der Niedersächsischen Verfassung, dem Nds. Abgeordnetengesetz und der Geschäftsordnung des Landtages niedergelegten Fraktionsrechte scheide aus; denn derartige Rechte seien durch das ausgesprochene Verbot der Versammlung nicht berührt. Auf eine Verletzung von Grundrechten (hier insbesondere von Art. 8 GG) könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie als Landtagsfraktion nicht Trägerin von Grundrechten aus Art. 8 GG sei.

Hilfsweise hat das Verwaltungsgericht die Klaganträge zu 1) und 2) auch als unbegründet angesehen, weil die angefochtene Allgemeinverfügung von einer zutreffenden Gefahrenprognose ausgehe (Klagantrag zu 1) und das Schreiben der Beklagten vom 23. März 2001 nicht zu beanstanden sei. Da die von der Klägerin angemeldeten Versammlungen vom 27. und 28. März 2001 im zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung stattfinden sollten, habe sich das Verbot der Versammlung bereits aus der Allgemeinverfügung ergeben, ohne dass noch eine individuell konkrete Einzelfallprüfung erforderlich gewesen sei (Klagantrag zu 2)). Ob über den zeitlichen und örtlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung hinaus die angemeldeten Veranstaltungen der Klägerin rechtswidrig behindert worden seien (Nichtbescheidung der Anmeldung v. 26. 3. 2001; kein Eingehen auf telefonische Angebote der Klägerin, die Versammlung außerhalb des 50-m-Raumes zu verlegen), könne nicht abschließend beurteilt werden; für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts habe anlässlich der Unzulässigkeit der Klage auch kein Anlass bestanden (Klagantrag zu 3)). Wegen der weiteren Einzelheiten wird im übrigen auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Hiergegen hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Die Klägerin trägt u. a. vor:

Es liege eine verwaltungsrechtliche und keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor. Im Streit seien nämlich nicht die parlamentarischen Rechte der Klägerin gegenüber dem Parlament oder der Regierung, sondern das Verhältnis der Fraktion zur allgemeinen (nicht parlamentarischen) Verwaltung.

Hinsichtlich der Klaganträge zu 1) und 2) sei die Fortsetzungsfeststellungsklage die zulässige Klageart, da es sich in beiden Fällen um durch Zeitablauf erledigte Verwaltungsakte handele. Hinsichtlich des Klagantrages zu 3) sei von einer Feststellungsklage auszugehen, denn dieser Klagantrag richte sich gegen die faktische Verhinderung der Veranstaltungen der Klägerin (soweit sie zeitlich bzw. örtlich außerhalb des Geltungsbereiches der Allgemeinverfügung stattfinden sollten). Hilfsweise könne noch eine verwaltungsrechtliche Organklage nach § 43 VwGO angenommen werden.

Die Klagebefugnis sei zu bejahen. Gehe man davon aus, dass das Versammlungsgesetz auf die geplante Veranstaltung der Fraktion anzuwenden sei, sei die Fraktion gleichzeitig auch Adressatin der Allgemeinverfügung und als solche klagebefugt. Hinsichtlich der Verfügung vom 23. März 2001 ergebe sich die Klagebefugnis daraus, dass die Fraktion ausdrücklich als Adressat dieses Bescheides genannt worden sei. Eine Klagebefugnis ergebe sich zudem aus Art. 19 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 8 und 5 GG. Nach Art. 19 Abs. 3 GG seien juristische Personen Grundrechtsträger, sofern das Grundrecht dem Wesen nach auf die entsprechende kollektive Organisation anwendbar sei. Das sei bei einer Fraktion anzunehmen, wenn die Fraktion als Zusammenschluss einzelner Parlamentsmitglieder außerhalb des Parlaments tätig werde, z. B. bei einer fraktionseigenen Öffentlichkeitsarbeit. Ohne die Freiheit der kollektiven Meinungsäußerung könne eine Fraktion keine Öffentlichkeitsarbeit entfalten und werde dann an der Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Aufgaben gehindert. Dieses politische Wirken in der Öffentlichkeit umfasse nicht nur althergebrachte parlamentarische Formen der Informationsbeschaffung (wie z. B. eine Anhörung in den Räumen des Landtages), sondern auch innovative Formen des Austausches zwischen Repräsentanten und Volk (wie im vorliegenden Fall durch eine öffentliche Fraktionssitzung mit öffentlicher Fragestunde unter freiem Himmel in Pisselberg). Gerade mit der umstrittenen Veranstaltung habe die Fraktion bewusst den parlamentarischen und räumlichen Rahmen des Landtages in Hannover verlassen wollen. Sie habe ihr Handeln quasi in die "private" staatsbürgerliche Sphäre verlagert. Die umstrittene Veranstaltung sei daher nicht als innerparlamentarische/organschaftliche Tätigkeit zu bewerten, sondern als eine Tätigkeit, wie sie auch von anderen privaten Gruppierungen hätte wahrgenommen werden können. In diesem Rahmen sei die Fraktion daher gegenüber Eingriffen der Exekutive genau so schutzbedürftig wie sonstige Dritte. Sie müsse sich daher auch auf Art. 8 GG und Art. 5 GG berufen können. Könnten sich Abgeordnete und Fraktionen nicht mehr auf diese politische Freiheitssphäre berufen, sei eine freie Willensbildung von Volk und Parlament nicht mehr gewährleistet.

Und selbst wenn man aufgrund des Doppelcharakters der Fraktion davon ausgehe, dass die Fraktion im Zusammenhang mit den umstrittenen Veranstaltungen nicht wie ein "normale Bürger" am Rechtsverkehr teilnehme, sondern die Fraktion auch insoweit als Staatsorgan ansehe, sei die Klagebefugnis aus dem ihr dann zustehenden Selbstverwaltungsrecht als Organ abzuleiten. Nach Art. 19 Abs. 2 Nds. Verf und § 30 Abs. 3 Nds. AbgG sei die Fraktion als Gruppe handlungsfähig und mit eigenen Rechten ausgestattet. Diese Rechte umfassten einmal den inneren parlamentarischen Bereich, aber auch den außerparlamentarischen Rechtsverkehr und dabei insbesondere das politische Wirken in der Öffentlichkeit. Die Beklagte habe mit der Verhinderung der öffentlichen Fraktionssitzung in ihr Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeit und Gestaltung ihrer Fraktionsarbeit eingegriffen und die Öffentlichkeitsarbeit, die Informationsbeschaffung und das Mitwirken an der politischen Willensbildung beschränkt. Dabei sei das verfassungsrechtlich und einfach gesetzlich verankerte Selbstbestimmungsrecht der Fraktion betroffen. Zu dem Selbstverwaltungsrecht gehöre auch das Organrecht zur Öffentlichkeitsarbeit. Gehe man davon aus, dass die Fraktion vorliegend als Staatsorgan gehandelt habe, könne sie zudem gar nicht Adressatin von belastenden Bescheiden sein. Allenfalls die Parlamentsverwaltung (nicht die Versammlungsbehörde) hätte dann die Tätigkeit der Fraktion beschränken können. Einem etwaigen Eingriff der Parlamentsverwaltung hätte dann aber wiederum eine Einzelfallprüfung vorausgehen müssen. Auf die Allgemeinverfügung hätte nicht verwiesen werden können, weil diese nicht an Staatsorgane adressiert sei.

Die Klage sei auch begründet. Die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig. Ihr liege eine unzureichende Gefahrenprognose zugrunde. Das zeige sich bereits daran, dass der an sich zuständige Landkreis Lüchow-Dannenberg sich gegen eine Allgemeinverfügung ausgesprochen, die Gefahrenprognose also nicht geteilt habe. Der Einschätzung des Landkreises komme aufgrund seiner Nähe zum Castor-Transport-Gebiet ein besonderes Gewicht zu.

Die Verfügung vom 23. März 2001 sei ebenfalls rechtswidrig. Auf die Allgemeinverfügung habe sie schon deswegen nicht gestützt werden können, weil die Allgemeinverfügung Versammlungen zum kollektiven Informationsaustausch zwischen Fraktion und Bürgern nicht erfasse. Auch habe die von der Klägerin angemeldete Versammlung nicht in vollem Umfang im zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung gelegen. Die umfassende Ablehnung der geplanten Veranstaltungen verstoße daher gegen das Übermaßverbot. Es hätten der Klägerin von der Beklagten zudem Alternativangebote unterbreitet werden müssen. Gehe man davon aus, dass die Klägerin ausschließlich als Staatsorgan gehandelt habe, sei die Allgemeinverfügung ohnehin auf sie nicht anwendbar. Die Verfügung vom 23. März 2001 erweise sich dann schon deswegen als rechtswidrig, weil es der Beklagten an einer Eingriffsermächtigung gegenüber einem Verfassungsorgan fehle.

Soweit faktisch (durch polizeiliche Totalabsperrung des Ortes Pisselberg) auch die zeitlich vorverlegte Veranstaltung vom 26. März 2001 verhindert worden sei, sei dieses rechtswidrig geschehen. Das Verbot der Veranstaltung für den 26. März 2001 ergebe sich weder aus der Allgemeinverfügung noch aus der Einzelverfügung vom 23. März 2001.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 3. Kammer - vom 10. Juli 2003 aufzuheben und festzustellen,

1. dass die Allgemeinverfügung der Beklagten vom 10. März 2001 rechtswidrig war,

2. dass die Verfügung der Beklagten vom 23. März 2001 rechtswidrig war,

3. dass die Verhinderung der für den 26., 27. und 28. März 2001 angemeldeten Veranstaltungen der Klägerin rechtswidrig gewesen ist,

hilfsweise,

festzustellen, dass auf "öffentliche Fraktionssitzungen mit Bürgerfragestunde" das Versammlungsgesetz nicht anwendbar ist sowie

festzustellen, dass die Fraktion sich gegen Beschränkungen ihrer Fraktions- und Öffentlichkeitsarbeit durch Verfügungen der Beklagten auf die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 GG und auf Abwehrrechte aus ihrem parlamentarischen Status als Fraktion sowie der in ihr zusammengeschlossenen Abgeordneten und deren Selbstbestimmungsrecht bei Ort, Zeit und Gestaltung von Fraktionssitzungen, Bürgerkontakten und Öffentlichkeitsarbeit berufen kann (GA Bl. 194).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt im wesentlichen aus: Das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Die Fraktion sei nicht in ihr zustehenden subjektiven Rechten verletzt worden. Abzustellen sei dabei ausschließlich auf die Fraktion, da die Fraktion geklagt habe und nicht einzelne Abgeordnete der Fraktion. Die maßgebenden niedersächsischen Vorschriften (Art. 19 Abs. 2 Nds. Verf., § 30 Abs. 3 Nds. AbgG) räumten der Fraktion lediglich innerparlamentarische Rechte ein. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehe dahin, dass Fraktionen von der Verfassung anerkannte Teile eines Verfassungsorgans seien, Rechtsbeziehungen jedoch nur innerhalb des Parlamentes bestünden, nicht aber gegenüber dem Bürger. Daraus folge, dass den Fraktionen grundsätzlich keine außerparlamentarischen Rechte zustehen sollten. Aufgabe der Fraktion sei es, an der Erfüllung der Aufgaben des Land- bzw. Bundestages mitzuwirken. Lediglich die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlichen Rechte würden einer Fraktion zugesprochen. Bei der von der Klägerin geplanten Bürgerfragestunde handele es sich nicht um eine innerparlamentarische Tätigkeit zur Unterstützung des Landtages; Öffentlichkeitsarbeit gehöre nicht zu den Aufgaben von Fraktionen sondern sei Aufgabe der dahinterstehenden Partei. Die Klägerin sei auch nicht Trägerin des Grundrechtes aus Art. 8 GG. Bei Art. 8 GG handele es sich um ein Individualgrundrecht. Auf die Klägerin als rechtliche Vereinigung sei es daher nicht anzuwenden. Allerdings könnten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch juristische Personen des öffentlichen Rechts unter bestimmten Umständen Grundrechtsträger sein. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor. Weder handele es sich bei der Klägerin um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, noch seien Fraktionen unmittelbar dem Lebensbereich der Bürger zuzuordnen, der durch die als verletzt gerügten Grundrechte geschützt werde. Das setze nämlich voraus, dass es sich - wie z. B. bei Kirchen, Universitäten und Rundfunkanstalten - um juristische Personen handele, die den Bürgern zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte dienten und als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen Bestand hätten. Diese Vorgaben träfen auf eine Fraktion nicht zu. Könne sich die Klägerin mithin nicht auf Art. 8 GG (und entsprechend auch nicht auf Art. 5 GG) stützen, greife zu ihren Gunsten auch nicht § 1 VersG ein.

Im übrigen sei die Allgemeinverfügung nicht zu beanstanden, die darin aufgestellte Gefahrenprognose begegne keinen Bedenken.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist erörtert worden, dass die Beklagte 2003 anlässlich des Castor-Transportes 2003 eine gleichartige Veranstaltung der Klägerin zugelassen hat. Damals konnte die Fraktionssitzung im Gästehaus {B.}, das - wie sich inzwischen herausgestellt hat - gerade (noch) außerhalb des 50 m-Korridors liegt, stattfinden; gestattet wurde auch eine Grundstücksnutzung hinter dem Haus (Richtung Bahnkörper) in einer Tiefe bis zu ca. 10 m, obgleich unmittelbar nach dem Haus die 50 m-Begrenzung beginnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21. September 2004 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

1. Da sich die Klägerin gegen Maßnahmen der Bezirksregierung, also einer Verwaltungsbehörde, wendet bzw. Feststellungen der Pflichten einer Verwaltungsbehörde begehrt und nicht mit einem obersten Verfassungs-, Staats- oder Landesorgan um ihre Statusrechte streitet, liegt ein verwaltungsrechtliches und kein verfassungsrechtliches Rechtsverhältnis vor (vgl. hierzu allg. BVerfG, Urt. v. 30. 7. 2003 - 2 BvR 508/01 - u. 2 BvR 1/01 -, DVBl. 2003, 1316 ; Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz des Bundes, 2001. S. 505). Eine Zuständigkeit des Nds. Staatsgerichtshofes nach Art. 54 Nr. 1 Nds. Verf. (verfassungsrechtliche Organklage) kommt daher nicht in Betracht.

2. Die Klägerin ist an einem Rechtsstreit grundsätzlich beteiligtenfähig, wie sich aus § 30 Abs. 3 Nds. AbgG ergibt.

3. Zulässige Klageart für die Hauptanträge zu 1 - 3 ist die Fortsetzungsfeststellungsklage, da Anlass dieser Begehren der im März 2001 durchgeführte Castor-Transport ist, für die Hilfsanträge die Feststellungsklage.

4. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin eine Klagebefugnis aus der (von ihr behaupteten) Beeinträchtigung ihrer Fraktionsrechte ableiten kann - die Klägerin macht hierzu geltend, die Fraktion habe ein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich Ort, Zeit und Gestaltung von Fraktionssitzungen, Aufnahme von Bürgerkontakten und Ausführung der Öffentlichkeitsarbeit; dieses Selbstbestimmungsrecht ergebe sich u. a. aus § 30 Abs. 2 Nds. AbgG -. Denn für das vorliegende Verfahren fehlt es zumindest an einem (Fortsetzungs-)Fest-stellungsinteresse.

5. Hinsichtlich der Hauptanträge zu 1-3 liegt ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht vor.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist deutlich geworden, dass es der Klägerin zum einen darum geht, ihre eigentliche (nichtöffentliche) parlamentarische Arbeit für den Landtag, die sie auch in Zukunft während eines Castor-Transportes in das Gästehaus {B.} in Pisselberg Nr. ... bei Dannenberg verlegen will, dort ungehindert fortführen zu können. Dafür sei erforderlich, dass Mitglieder der Fraktion und Mitarbeiter der Fraktion ungehinderten Zugang zum Gästehaus {B.} hätten. Zum anderen geht es ihr darum, während des Castor-Transportes auch als Ansprechpartner für die Bürger vor Ort da zu sein, also auch in Zukunft wiederum öffentliche Fraktionssitzungen mit anschließender öffentlicher Bürgerfragestunde unter freiem Himmel durchführen zu können.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist in der Regel dann zu bejahen, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht, ein Rehabilitationsinteresse gegeben ist oder die erstrebte Feststellung für einen Schadensersatzprozess von Bedeutung ist. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet es zudem, auch in an sich erledigten Verfahren die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Hauptsacheentscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3. 3. 2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822).

a) Unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr besteht kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. In versammlungsrechtlichen Verfahren setzt das Erfordernis der Wiederholungsgefahr zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung/Veranstaltung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (BVerfG, Beschl. v. 3. 3. 2004, a. a. O.).

Vorliegend ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerin auch weiterhin während eines Castor-Transportes Fraktionssitzungen an der Castor-Strecke abhalten wird. Dagegen ist nicht ersichtlich, dass die Behörde weiterhin an ihrer 2001 geäußerten Rechtsauffassung festhalten wird, also eine derartige Veranstaltung allein unter Hinweis auf die Allgemeinverfügung ablehnen wird.

Zum einen ist die Beklagte bei ihrer ablehnenden Haltung im Jahre 2001 noch davon ausgegangen, dass sich das gesamte Grundstück in Dannenberg, Ortsteil Pisselberg Nr. .... innerhalb des von der Allgemeinverfügung erfassten 50-m-Korridors befindet. Erst später hat sich herausgestellt, dass nur der hintere Grundstücksteil innerhalb der 50-m-Linie liegt, das Gebäude selbst aber (gerade eben) schon außerhalb der 50-m-Linie liegt. Ein "Verbot" gleichartiger Versammlungen ausschließlich unter Hinweis auf einen in einer zukünftigen Allgemeinverfügung festgelegten 50-m-Korridor wird daher in Zukunft von der Beklagten erklärtermaßen nicht mehr erfolgen.

Zum anderen hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass auch in Zukunft gegenüber der Polizei sichergestellt werde, dass Angehörigen der Fraktion und Mitarbeitern der Fraktion der Zugang zu dem Gästehaus {B.} ermöglicht werde, soweit dort erneut eine Fraktionssitzung während des Castor-Transportes stattfinden sollte, wenn sich die Betreffenden als Mitglieder/Mitarbeiter der Fraktion der Klägerin ausweisen könnten. Anhaltspunkte, dass Mitarbeiter/Mitglieder der Fraktion bei zukünftigen Castor-Transporten durch Handlungen der Beklagten von der Teilnahme an der Fraktionsarbeit ausgeschlossen werden, sind daher nicht gegeben. Die Ausweispflicht ist zumutbar.

Auch soweit es bei öffentlichen Fraktionssitzungen und öffentlichen Bürgerfragestunden um die Bürgerbeteiligung geht, ist eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben. Dies zeigt sich bereits darin, dass die Beklagte eine vergleichbare Veranstaltung der Klägerin im Jahre 2003 im Gästehaus einschließlich einer Grundstücksnutzung bis ca. 10 m in den 50-m-Korridor hinein genehmigt hat. Die Vertreterin der Beklagten hat im Termin deutlich gemacht, dass bei zukünftigen Castor-Transporten eine ähnliche Haltung eingenommen werde wie 2003, dass also bei gleichartigen Verhältnissen wie im Jahr 2003 eine öffentliche Fraktionssitzung mit öffentlicher Bürgerfragestunde außerhalb des Verbotskorridors der Transportstrecke zugelassen wird, und zwar entweder wie im Jahre 2003 auf dem Grundstück Pisselberg Nr. .... (dann ggf. auch bis 10 m in den Korridor hinein) oder aber auf Grundstücken, die vergleichbare Grundstücksverhältnisse wie in Pisselberg aufweisen.

Die Beklagte hat damit insgesamt in zureichendem Maße deutlich gemacht, dass eine generelle Untersagung der Veranstaltungen wie im Jahre 2001 nicht mehr erfolgen wird, sondern dem Begehren der Klägerin soweit wie möglich entsprochen werden soll. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beklagte sich bei zukünftigen Castor-Transporten entgegen diesen Erklärungen verhalten wird, sind nicht gegeben. Dass die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Einschränkung vorgenommen hat, "es komme im Einzelfall auf die örtliche Lage an", rechtfertigt es nicht, eine Wiederholungsgefahr zu bejahen; denn diese Einschränkung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass naturgemäß jeder Castor-Transport eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt und eine endgültige verbindliche Entscheidung jeweils nur im konkreten Einzelfall getroffen werden kann.

b) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches oder unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitierungsinteresses scheidet aus.

c) aa) Schließlich liegt auch kein Grundrechtseingriff vor, der ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen könnte.

Die Rechte und Pflichten der Klägerin als Fraktion sind im Wesentlichen in Art. 19 Nds. Verf., § 30 Nds. AbgG und § 2 Abs. 1 GeschäftsO des Nds. Landtages geregelt.

Obgleich in diesen Bestimmungen festgelegt ist, dass die Fraktionen am allgemeinen Rechtsverkehr teilnehmen und unter ihrem Namen klagen und verklagt werden können, ist die rechtstheoretische Einordnung des Status der Fraktionen nach wie vor umstritten (Neumann, Die Nds. Verf., 3. Aufl., Art. 19 Rdnr. 3). Schon früher wurde darauf hingewiesen, dass die Fraktionen praktisch eine Doppelstellung einnehmen. Sie seien einerseits freie Vereinigungen von Abgeordneten, die sich in Formen zusammenfänden, die denen eines bürgerlich-rechtlichen Vereins ähnelten, andererseits seien sie ausschließlich dazu bestimmt, gemeinsame Aufgaben und Funktionen der Abgeordneten wahrzunehmen, die sich aus dem Verfassungsauftrag ergäben. Weder die Form des rechtsfähigen Vereins des bürgerlichen Rechts noch die einer Körperschaft des öffentlichen Rechts treffe auf Fraktionen zu (vgl. z. B. Moecke, Die Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, NJW 1965, 276; Schönberger, Die Rechtsstellung der Parlamentsfraktionen, 1990, S. 89 f, 176f.). Die gesetzliche Regelung in den Abgeordnetengesetzen des Bundes und der Länder hat ebenfalls keine Klarstellung gebracht (vgl. hierzu Stevens, Die Rechtsstellung der Bundestagsfraktion 1999, 2000, S. 60). Teilweise wird vom Status einer juristischen Person ausgegangen (vgl. Braun/ Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz des Bundes, 2001, S. 501; Wolters, Der Fraktions-Status, Eine verfassungsrechtliche Neubestimmung, Parlamentsrechtliche Studien, 1996, S. 156) teilweise wird ein bürgerlich-rechtlicher nicht rechtsfähiger Verein angenommen (OLG Stuttgart, B. v. 22.7.2003 - 4 W 32/03 - juris; OLG Schleswig, Urt. v. 3.5.1995 - 15 U 16/94 - juris) oder die Fraktion als wird als rechtsfähige Vereinigung besonderer Art angesehen (vgl. Stevens, aaO, S. 35, 60 f., 75f,). Auch das Nds. AbgG trifft keine klare Zuordnung sondern bezeichnet die Fraktionen als "rechtsfähige Vereinigungen".

Fraktionen sind eng verbunden mit den hinter ihnen stehenden Parteien. Aus diesem Grund wird die Fraktion teilweise auch als "Partei im Parlament" bezeichnet (Stevens aaO, S. 46 m. w. N.). Im Tatsächlichen besteht zwischen Fraktion und Partei auch eine Abhängigkeit. In rechtlicher Hinsicht ist jedoch zwischen Partei und Fraktion zu trennen. Während die Partei als Mitwirkende bei der Volkswillensbildung im gesellschaftlich-politischen Bereich tätig wird, gehört die Fraktion als Mitträgerin der Staatswillensbildung dem organisiert-staatlichen Bereich an (Schönberger, aaO, S. 169; Stevens, aaO, S. 52; BVerfGE 1, 208, 229; 20, 56, 104; insb. BVerfGE 43, 142, 149: Die Parlamentsfraktionen sind notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens ... Sie sind von der Verfassung anerkannte Teile eines Verfassungsorgans ... Rechtsbeziehungen bestehen für sie grundsätzlich nur innerhalb des Parlaments nicht aber gegenüber dem Bürger; BVerfGE 70, 324, 351; 102, 224, 242; Korte/Rebe, Verfassung u. Verwaltung des Landes Niedersachsen, 1986, S. 219; Wolters a. a. O.). Trotz enger faktischer Bindung an die Partei ist die Fraktion eine von der Partei rechtlich selbstständige Institution. Die rechtliche Selbstständigkeit ergibt sich aus der Unterschiedlichkeit der Wirkbereiche, insbesondere aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, aus dem über die Unabhängigkeit der fraktionsangehörigen Abgeordneten auch die Unabhängigkeit der Fraktion abzuleiten ist (Stevens, aaO, S. 55). Andererseits kann die Fraktion aber auch nicht als (echter) Teil / (echtes) Organ des Parlamentes angesehen werden, da ihr Handeln nicht ohne weiteres dem Bundestag/Landtag in seiner Gesamtheit zuzurechnen ist (Stevens, aaO, S. 59).

Um ihren parlamentarischen Aufgaben nachzukommen, müssen die Fraktionen nicht nur innerparlamentarisch tätig werden, sondern auch am allgemeinen Rechtsverkehr teilnehmen (außerparlamentarische Tätigkeit). Zum Beispiel müssen sie Kaufverträge zur Beschaffung von Sachmitteln oder Mietverträge zum Anmieten von Büroräumen sowie Arbeitsverträge abschließen, Eigentum erwerben, das Vermögen verwalten. Soweit die Fraktionen innerparlamentarisch tätig sind, werden sie überwiegend als rechtlich selbstständige Gliederungen des Parlaments angesehen (Braun/Jantsch/Klante, AbgG, 2001, S. 501). Sie gehören als solche zur Legislative, nicht zur Exekutive. Ihre Entscheidungen sind keine Verwaltungsakte, die vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden können, sondern Parlamentsakte, die allein dem Parlamentsrecht unterworfen sind (Braun/Jantsch/Klante, aaO, S. 506). Neben der innerparlamentarischen Arbeit und der außerparlamentarischen Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr haben die Fraktionen aber auch das Recht, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit zu unterrichten.

Dieses den Fraktionen eingeräumte Recht wirft zum Teil schwierige Abgrenzungsfragen auf, da eine Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen für ihre Parteien nicht zulässig ist. Der Ausschuss des Bundestages für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat den Aufgabenkreis dieser "Öffentlichkeitsarbeit" mit seiner doppelten Zielrichtung nach innen und außen seinerzeit mit folgenden Worten skizziert: "Nicht zuletzt fällt unter die Aufgaben der Fraktionen, die Öffentlichkeit über die Willensbildung innerhalb der Fraktionen und des Parlamentes zu unterrichten, um das parlamentarische Geschehen für den Bürger durchschaubar zu gestalten, die Akzeptanz parlamentarischer Entscheidungen zu fördern und die offen gebliebenen Entscheidungsprobleme zu benennen. Zu dieser Aufgabe gehört sowohl die Information der Fraktion und ihrer Gremien über die politischen Vorhaben und Leistungen der Fraktionen selbst wie auch ihrer Mitglieder als auch die Information der Fraktionsmitglieder an die Öffentlichkeit über ihre eigene Arbeit in der Fraktion oder über die Arbeiten ihrer Fraktion und zuständigen Fraktionsgremien. Formen und Mittel solcher Öffentlichkeitsarbeit sind vielfältig. Zu ihnen zählen nicht nur Interviews und Presseerklärungen oder Broschüren, sondern auch Darstellungen der Inhalte jedweder politischen Willensbildung innerhalb der Fraktion und der Gremien der Fraktion, um nur einige Beispiele zu nennen" (zitiert nach Braun/Jantsch/Klante, aaO, S. 509). Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen wird wegen der "ausgeprägten Affinität" der Fraktionen zu den Parteien teilweise als problematisch empfunden. Die Darstellung der eigenen politischen Arbeit unterscheide sich von der der Partei nur durch den Autor, nicht aber durch Tendenz und Ziel. Dies gefährde im Vorfeld von Wahlen die Geltung des Gleichheitsgrundsatzes für den politischen Wettbewerb, vor allem für bislang nicht im Parlament vertretene Parteien (da die Fraktionen für ihre Öffentlichkeitsarbeit ebenfalls Geld erhalten). Dieser Sorge hat der Gesetzgeber mit der Zweckbindung der staatlichen Geldleistungen (nur für Fraktionsaufgaben, nicht für Parteiaufgaben) begegnen wollen. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass eine klare Trennung zwischen Partei- und Fraktionsbezug bei einer Öffentlichkeitsmaßnahme im Einzelfall oft nicht möglich ist (Braun/Jantsch/Klante, aaO, S. 509 f.).Was im einzelnen noch zu einer zulässigen Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion gehört und wann eine unzulässige Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion zugunsten der hinter der Fraktion stehenden Partei vorliegt, ist nach wie vor umstritten (vgl hierzu Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, Rheinbreitbach, S. 604 ff; Kretschmer, Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen im Spannungsfeld von Idealtypik und Realitätsdruck, ZG 2003, S. 1 f; Wolters, aaO, S. 241 f).

Ausgehend von diesen Überlegungen kann sich die Klägerin auf einen Grundrechtseingriff, hier in Art. 5, 8 GG, nicht berufen.

Dabei kann an dieser Stelle noch offen bleiben, ob die umstrittenen Veranstaltungen als Versammlungen im Sinne des Versammlungsrechts mit der Möglichkeit eines Eingriffs in Art. 8, 5 GG anzusehen sind, denn in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Verwaltungsgericht zur Klagebefugnis ist festzuhalten, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 8, 5 GG ist.

Grundrechte sind in erster Linie individuelle Abwehrrechte des einzelnen gegenüber staatlichen Eingriffen. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte zwar nicht nur für natürliche, sondern auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Es kann dahinstehen, ob eine Fraktion überhaupt als juristische Person des öffentlichen Rechts in diesem Sinne anzusehen ist (vgl. dazu oben). Denn die Klägerin kann unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung schon deswegen nicht als Grundrechtsträger angesehen werden, weil sie bei den öffentlichen Veranstaltungen als Teil des Parlamentes und damit Teil des Staates gehandelt hat (wenn auch - wie aus den nachfolgenden Gründen zu erkennen - unter Überschreitung ihrer Kompetenzen). Öffentlich-rechtliche Vereinigungen sind aber aufgrund von Kompetenzen und nicht in Wahrnehmung von Freiheiten tätig (Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. Art. 19 Rdn. 18). Nach der "Konfusionstheorie" kann sich eine staatliche Organisation als Teil des Staates nicht auf Abwehrrechte gegenüber dem Staat berufen; denn der Staat im engeren Sinne kann in ein und demselben Rechtsverhältnis durch die Grundrechte nicht gleichzeitig berechtigt und verpflichtet werden (Windthorst, Zur Grundrechtsfähigkeit der Deutschen Telekom AG, VerwArch 2004, 377, 393, 393; Stevens, aaO. S. 209; Maunz-Dürig-Herzog, Komm. zum GG Art. 19 Abs. 3 Rdn. 33, 53 f; aA wohl OLG Stuttgart, B. v. 22.7.2003 - 4 W 32/03 - juris). Lediglich wenn die Fraktion im außerparlamentarischen Bereich am "allgemeinen Rechtsverkehr" teilnimmt, kann sie sich auf Grundrechte berufen. Diesem "allgemeinen Rechtsverkehr" unterfallen - wie oben dargelegt - jedoch nur Handlungen, die zur Ausübung von innerparlamentarischen Aufgaben notwendig sind, wie z.B. der Abschluss von Kaufverträgen, Mietverträgen, Arbeitsverträgen. In diesem Bereich kommt zwar eine Verletzung von Grundrechten in Betracht, in der Regel dürfte es sich aber nur um die Verletzung von Prozessgrundrechten (z.B. rechtliches Gehör) handeln (Braun/Jantsch/Klante, aaO, S. 505).

Die im vorliegenden Fall umstrittenen Veranstaltungen stellen keine bloße Teilnahme der Fraktion am "allgemeinen Rechtsverkehr" dar. Die Klägerin kann nicht darauf verweisen, sie habe "wie ein Bürger" eine Demonstration anmelden wollen; denn eine Demonstration/Versammlung ist nicht erforderlich, damit eine Fraktion ihren eigentlichen innerparlamentarischen Aufgaben (Teilnahme an der Staatswillensbildung) nachkommen kann. Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft von mehreren Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations-und Versammlungsfreiheit, 13. Aufl, S. 20; BVerfGE 104, 92) .Durch Demonstrationen/Versammlungen will eine Anzahl von Bürgern mithin auf den Staat einwirken, um ein bestimmtes politisches Ziel zu erreichen Diese Möglichkeit steht der Fraktion nach Sinn und Zweck nicht offen, da sie selbst bereits Teil des Staates ist und die Politik als Landtagsfraktion unmittelbar ohne Einschaltung des Bürgers mit beeinflussen kann.

Bei den umstrittenen Veranstaltungen hat die Fraktion vielmehr als "Teil des Staates" gehandelt. Dieses folgt schon daraus, dass sie die öffentliche Bürgerfragestunde im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer öffentlichen Fraktionssitzung - also einer staatlichen Tätigkeit der Fraktion - gestellt hat. Damit hat die Klägerin ihren staatlichen Status als Anknüpfungspunkt der Veranstaltungen gewählt. Auch soweit man die umstrittenen Veranstaltungen als "Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen" bewertet, ist diese Tätigkeit dem staatlichen Bereich zuzuordnen. Zwar gehört die Öffentlichkeitsarbeit nicht direkt zum eigentlichen innerparlamentarischen Aufgabenbereich der Fraktion, sie ist mit diesem aber eng verbunden, da es bei der Öffentlichkeitsarbeit um die Vermittlung der innerparlamentarischen Arbeit der Fraktion geht. Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit handelt die Fraktion daher als Teil des Parlamentes (vgl. hierzu Kretschmer, Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion im Spannungsfeld von Idelatypik und Realitätsdruck, ZG 2003, S. 1f).

bb) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann auch nicht mit der Beeinträchtigung der Fraktionsrechte der Klägerin begründet werden, unabhängig von der Frage, ob eine derartige Beeinträchtigung überhaupt einem Grundrechtsverstoß gleichzusetzen ist; denn eine Beeinträchtigung der Fraktionsrechte lag nicht vor.

Die von der Klägerin 2001 beabsichtigte Veranstaltung ist nicht als öffentliche Fraktionssitzung oder zumindest als Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion einzustufen. Allerdings ist die Argumentation der Klägerin, die Veranstaltungen 2001 seien als Öffentlichkeitsarbeit zu verstehen, man habe sich als Fraktion dem Unmut der Bürger vor Ort stellen und die von der Fraktion mit getragene Atompolitik der Bundesregierung vor Ort erklären wollen, nachvollziehbar. Auch ist das Anliegen der Klägerin, durch die Maßnahmen unmittelbar vor Ort dem Verdruss der Bürger über die Atompolitik entgegenzuwirken, verständlich.

Es kann dahinstehen, ob diese Zielsetzung in der Fraktion überhaupt noch eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion darstellt oder ob die Klägerin hier nicht schon eine nur den Parteien vorbehaltene Öffentlichkeitsarbeit wahrnehmen wollte (Zum Streitstand vgl. z.B. Verf-Gerichtshof Rheinl-Pfalz, Urt. v. 19.8.2002 - VGH O 3/02 -NVwZ, 2003,75; Hölscheidt, aaO, 604 ff.; Wolters, aaO, S. 241, 247: Dieser ist z.B. der Auffassung, für eine von der öffentlichen Plenardebatte losgelöste Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion, die ausschließlich als Werbung in eigener Sache fungiere, sei kein Raum. Dieses sei nicht nur keine Aufgabe der Fraktion, sondern auch keine legitime Tätigkeit. Es handele sich dabei nämlich um einen Eingriff in den Prozess gesellschaftlicher Willensbildung, der den Fraktionen verwehrt und den Parteien vorbehalten sei; denn der Prozess der Meinungs- und Willensbildung habe sich nach dem Urt. des BVerfG in BVerfGE 20, 56 vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt zu vollziehen. Den Staatsorganen sei es also grundsätzlich verwehrt, sich in bezug auf diesen Prozess zu betätigen. Es bleibe daher den Parteien vorbehalten, um Zustimmung für die Arbeit der jeweiligen Fraktion in der Gesellschaft zu werben; den Fraktionen als Teil der Staatsorganisation sei die Öffentlichkeitsarbeit im Sinne gesellschaftlicher Überzeugungsarbeit strikt verwehrt; nach Kretschmer, aaO S. 9, 13 f. und 21 f. gehört zur Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion dagegen nicht nur die Darlegung der Sacharbeit einer Fraktion sondern auch das Streben nach Zustimmung zur Fraktionsarbeit; zur Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion gehörten daher auch Diskussionsforen, Straßen- und Standaktionen). Dem theoretischen Wunsch der Klägerin, die Veranstaltung als bloße Öffentlichkeitsarbeit darzustellen, steht nämlich die Tatsache entgegen, dass Ort und Ausgestaltung dieser Öffentlichkeitsarbeit (Nähe zum Castor-Transport im März 2001, öffentliche Veranstaltung für alle Bürger, unter freiem Himmel) zumindest bezogen auf die im März 2001 vorliegenden, im Wesentlichen in der Allgemeinverfügung vom 10. März 2001 niedergelegten Erkenntnisse über Anzahl und Verhalten von "Castor-Gegnern" ein Umschlagen in eine Versammlung nahe legten. Thema der Veranstaltung sollte zudem nicht nur die Atompolitik der Fraktion sein. Der Erklärung der Klägerin im Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist vielmehr zu entnehmen, dass sie mit der Veranstaltung auch zu der aktuellen Gefährdung der Versammlungsfreiheit Stellung nehmen wollte. Ort, Zeitpunkt und Thema der Veranstaltung sprechen daher für das Vorliegen einer Versammlung. Dieses ist auch von der Klägerin selbst so gesehen worden, was sich daraus ergibt, dass sie die Veranstaltungen als "zwei öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel nach § 14 Abs. 1 VersG" angemeldet und einen Versammlungsleiter benannt hat. Fraktionssitzungen oder Öffentlichkeitsdarstellungen der Fraktion bedürfen aber keiner Anmeldung. Um Fraktionssitzungen/Öffentlichkeits-veranstaltungen handelte es sich damit nach Inhalt und Ziel dieser Veranstaltung nicht (vgl. auch Kretschmer aaO, wonach an sich zulässige Veranstaltungen einer Fraktion durch die besonderen Bedingungen, unter denen sie stattfinden, in unzulässige Aktionen umschlagen können, S. 24, 33 f). Auch das Bundesverfassungsgericht ist in dem vorangegangenen Eilverfahren 1 BvQ 16/01 vom Vorliegen einer Versammlung ausgegangen. Es hat insoweit ausgeführt: "Die Anmeldung gilt hier offenbar dem über eine Fraktionssitzung hinausgehenden Teil der Veranstaltung ... Insofern handelt es sich um Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG ... Die rechtliche Einordnung als Versammlungen ändert sich nicht dadurch, dass die Veranstaltungen ort- und weitgehend zeitgleich sowie inhaltlich beschränkt mit Fraktionssitzungen durchgeführt werden sollen". Geht man daher davon aus, dass es sich bei den Veranstaltungen gar nicht um Fraktionssitzungen/Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion handelt, sondern um Versammlungen gleichsam unter dem "Deckmantel" einer öffentlichen Fraktionssitzung/einer Öffentlichkeitsarbeit, liegt eine Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechtes von Fraktionen schon deswegen nicht vor, weil das Abhalten von Versammlungen - wie oben dargelegt - iSd § 15 VersG, Art. 8 GG - nicht Aufgabe einer Fraktion ist.

6. Die Hilfsanträge sind mangels Feststellungsinteresses ebenfalls unzulässig.

a) Der erste Hilfsantrag ist unzulässig, weil die Klägerin kein schützenswertes Interesse an der Feststellung hat, dass auf "öffentliche Fraktionssitzungen mit Bürgerfragestunde" das Versammlungsgesetz nicht anwendbar ist; denn eine entsprechende Behauptung ist von der Beklagten nicht aufgestellt worden. Vielmehr geht es um die Abgrenzungsfrage, ob es sich bei den von der Klägerin in der Vergangenheit angemeldeten und in Zukunft geplanten Veranstaltungen überhaupt um öffentliche Fraktionssitzungen mit Bürgerfragestunde bzw. um eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit handelt oder ob nach Zeit, Ort und Gestaltung dieser Veranstaltungen vom Vorliegen einer Versammlung im Sinne des Versammlungsrechtes auszugehen ist.

b) Der zweite Hilfsantrag ist unzulässig, weil der Senat schon oben dargelegt hat, dass die Klägerin sich im Rahmen ihrer Fraktions- und Öffentlichkeitsarbeit als "staatliches" Organ betätigt und sich daher nicht auf Grundrechte (Art. 5, Art. 8 GG) berufen kann.

Soweit die Klägerin weiter sinngemäß festgestellt haben möchte, dass die Beklagte sie nicht in ihren Fraktionsrechten beeinträchtigen kann, fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse an dieser Feststellung, weil derartige Handlungen der Beklagten nicht im Raum stehen. Entscheidend ist auch hier wieder die Frage, ob die von der Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeiten Ausfluss ihrer Fraktionsrechte sind oder ob es sich um darüber hinausgehende, vom Fraktionsstatus nicht geschützte Rechte (wie z. B. das Abhalten einer Versammlung) handelt. Dazu hat der Senat aber ebenfalls bereits im Rahmen der Behandlung der Hauptanträge der Klägerin Stellung genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird wegen der grundsätzlich klärungsbedürftigen Fragen im Zusammenhang mit dem Umfang der Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).



Ende der Entscheidung

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