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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 11 LC 4/08
Rechtsgebiete: Nds.SOG
Vorschriften:
Nds.SOG § 2 Nr. 1a | |
Nds.SOG § 2 Nr. 1b | |
Nds.SOG § 26 Nr. 1 | |
Nds.SOG § 29 |
2. Dabei stellt der Begriff "gegenwärtige Gefahr" hohe Anforderungen an die zeitliche Nähe und den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Eine solche gegenwärtige Gefahr ist anzunehmen, wenn das sichergestellte Bargeld aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse aller Wahrscheinlichkeit nach aus Drogengeschäften stammt und im Falle einer Herausgabe dafür unmittelbar wieder eingesetzt werden soll.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe eines sichergestellten Geldbetrages.
Am 21. Dezember 2005 überprüfte die Mobile Kontrollgruppe des Hauptzollamts Osnabrück an der Bundesautobahn A 30 einen aus den Niederlanden eingereisten PKW Mercedes Benz E 320 mit polnischem Kennzeichen, der von dem Kläger geführt wurde. In dem Fahrzeug befand sich außerdem als Beifahrer A. B., wohnhaft in Warschau, der wie der Kläger polnischer Staatsangehöriger ist. Halter des PKW ist ein ebenfalls in Warschau wohnhafter polnischer Staatsangehöriger. Auf Befragung gaben der Kläger und sein Begleiter an, ca. 27.000,-- Euro bei sich zu führen. Ein vor Ort durchgeführter sogenannter Drugwipe-Test erbrachte bei beiden in den Bereichen Amphetamine und Kokain positive Ergebnisse. Betäubungsmittel wurden in dem PKW nicht gefunden. Von dem Geld befanden sich 5.360,-- Euro in den Hosentaschen des Klägers, 3.905,-- Euro in den Hosentaschen des Beifahrers sowie 18.215,-- Euro in einer Herrenhandtasche, deren Besitzer der Beifahrer war. Die Zollbeamten überließen dem Kläger und seinem Beifahrer einen Betrag von 200,-- Euro für die Rückreise und stellten den Betrag von 27.280,-- Euro wegen des Verdachts der Geldwäsche sicher. Dieser Betrag war wie folgt gestückelt: 18 Geldscheine à 5,-- Euro, 46 Geldscheine à 10,-- Euro, 9 Geldscheine à 20,-- Euro, 289 Geldscheine à 50,-- Euro, 87 Geldscheine à 100,-- Euro, 2 Geldscheine à 200,-- Euro und 6 Geldscheine à 500,-- Euro.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Februar 2006 mit, dass das eingeleitete Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche zunächst gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und das streitbefangene Geld an die Beklagte im Rahmen der von dort veranlassten präventiven Gewinnabschöpfung herausgegeben worden sei.
Im März 2006 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer Vollmacht an die Beklagte und beantragte, den sichergestellten Geldbetrag an den Kläger auszukehren. Er legte in Kopie Übersetzungen von zwei Verkaufsscheinen einer Wechselstube aus C. vor, aus denen sich ergab, dass am 12. Dezember 2005 polnische Zloty in Beträge von 14.000,-- Euro sowie 15.000,-- Euro umgewechselt worden waren. Er führte aus, der Kläger habe ihm erklärt, dass mit dem Geldbetrag von 27.000,-- Euro ein PKW in den Niederlanden erworben werden sollte, was letztlich jedoch nicht zustande gekommen sei.
Mit laut Postzustellungsurkunde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. August 2006 zugestelltem Bescheid vom 24. August 2006 ordnete die Beklagte die Sicherstellung und öffentliche Verwahrung des von der Mobilen Kontrollgruppe des Hauptzollamts Osnabrück in Verwahrung genommenen Bargeldbetrages in Höhe von 27.280,-- Euro an. Zur Begründung gab die Beklagte an, dass der genannte Bargeldbetrag gemäß § 26 Nr. 1 Nds. SOG aus Gründen der Gefahrenabwehr sichergestellt und gemäß § 27 Abs. 1 Nds. SOG in öffentliche Verwahrung genommen werde. Nach § 26 Nr. 1 Nds. SOG könne die zuständige Verwaltungsbehörde u. a. eine Sache, zu der auch Bargeld zähle, sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Die Ermittlungen in dem von der Staatsanwaltschaft u. a. gegen den Kläger wegen Verdachts auf Geldwäsche durchgeführten Strafverfahren begründeten hier die gegenwärtige Gefahr, dass das Bargeld illegal erlangt worden sei. Der Kläger habe bei der polizeilichen Vernehmung angegeben, dass sein Jahreseinkommen als selbständiger Holzhändler bei ca. 36.000,-- Euro liegen würde. Nach den Ermittlungen der polnischen Polizeibehörden habe der Kläger jedoch kein Gewerbe als Holzhändler angemeldet. Nach Aussage seiner Ehefrau betreibe er bereits seit 4 Jahren kein derartiges Gewerbe mehr. Zudem habe der Kläger bei der polizeilichen Vernehmung angegeben, dass von dem Geld 2 oder 3 VW Golf oder VW-Busse zum Weiterverkauf in Polen erworben werden sollten. Zusätzlich habe sein Bekannter, Herr B., für sich selbst noch einen Golf IV erwerben wollen. Dagegen habe Herr B. erklärt, dass in den Niederlanden lediglich ein hochwertiger PKW ab der Klasse Golf IV erworben werden sollte, wobei ein späterer Verkauf in Polen wahrscheinlich gewesen wäre. Sowohl der Kläger als auch sein Begleiter seien in Bezug auf Amphetamine und Kokain durch den Drugwipe-Test positiv getestet worden. Die bei ihnen sichergestellte Bargeldsumme habe sich durch eine drogentypische Stückelung ausgezeichnet. Zudem lägen in Polen gegen Herrn B. polizeiliche Erkenntnisse aufgrund einer Straftat im Bereich von Drogendelikten vor. Die von dem Kläger gemachten Angaben zur Herkunft des Geldes seien nicht geeignet, den Eigentümer zweifelsfrei festzustellen.
Nach einem Aktenvermerk der Beklagten bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 24. August 2006 telefonisch um Übersendung des Sicherstellungsbescheides per Fax. Die Übermittlung des Bescheides per Fax erfolgte am gleichen Tage. Auf der ersten Seite des per Fax übermittelten Bescheides befand sich folgender handschriftlicher Zusatz: "Vorab per Fax an RA Thumser, 040/670488-110, Original befindet sich auf dem Postweg (per ZU)." Der Vermerk ist mit dem Namenskürzel des zuständigen Sachbearbeiters unter dem Datum 24. 8. 2006 abgezeichnet.
Der Kläger hat am 28. September 2006 Klage erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen:
Er habe die Klagefrist eingehalten habe. Der Bescheid sei zwar am 24. August 2006 per Fax im Büro seines Prozessbevollmächtigten eingegangen. Bei Zustellungen an Rechtsanwälte sei jedoch das Datum des Empfangsbekenntnisses bzw. der Stempel auf der Postzustellungsurkunde entscheidend und nicht der Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs.
Die angefochtene Verfügung, die sich auf § 26 Nr. 1 Nds. SOG stütze, sei rechtswidrig. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 (NJW 2005, 2603) seien verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannte Bestimmung gegeben. Das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, dass das Land Niedersachsen seine Gesetzgebungskompetenzen überschritten habe, soweit es in § 33 Nds. SOG die Telekommunikationsüberwachung "zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten" vorgesehen habe. Denn die Vorsorge noch gar nicht begangener, sondern in ungewisser Zukunft bevorstehender Straftaten gehöre zum Strafverfahren, für welches der Bundesgesetzgeber die Kompetenz habe. Außerdem könnten Überlegungen zur Vereinbarkeit der genannten Bestimmung mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angebracht sein, weil die Vorschrift die Sicherstellung ermögliche, ohne dass die Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Person künftig Straftaten begehen werde, durch den Wortlaut des Gesetzes näher eingegrenzt und spezifiziert würden. Im Übrigen seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er künftig Straftaten begehen werde. Er und sein Beifahrer hätten angegeben, dass ihnen jeweils die Hälfte des Geldes gehöre. Er habe mit der ihm zustehenden Hälfte des sichergestellten Geldbetrages drei relativ günstige PKW und Herr B. für seinen Betrag einen etwas höherwertigen PKW der Marke VW Golf erwerben wollen. Die von der Beklagten bezeichnete szenetypische Stückelung resultiere nicht etwa aus einem Drogendelikt, sondern sei deshalb erfolgt, weil auch im europäischen Ausland die Zahlung mit Banknoten der Stückelung von 200,-- Euro oder 500,-- Euro nahezu unmöglich sei. Es sei mit seinem Persönlichkeitsrecht, der ihm zustehenden Unschuldsvermutung und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar, wenn er aufgrund diffuser Anhaltspunkte pauschal verdächtigt und unter strafrechtlichen Generalverdacht gestellt werde. Gerade aufgrund des Umstandes, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück keinen Anlass gesehen habe, weitergehende Ermittlungen anzustellen, wäre es in besonderem Maße notwendig gewesen, im Einzelnen darzulegen, welche weiteren Verdachtsmomente gegen ihn bestehen würden und in welcher Hinsicht die Sicherstellung und Verwahrung des Geldbetrages zur präventiv-polizeilichen Gefahrenbekämpfung beitragen könne. Daran fehle es hier jedoch.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Geldbetrag in Höhe von 27.280,-- Euro an Rechtsanwalt Thumser, Wandsbeker Allee 77, 22041 Hamburg, auszukehren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, dass die Klage bereits verfristet sei. Der angefochtene Bescheid sei unstreitig am 24. August 2006 im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen. Die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers sei unerheblich, da es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme ankomme. Die Zustellung des Bescheides sei auch keine Wirksamkeitsvoraussetzung, weil es sich hier um einen Erstbescheid handele, der nach Ermessen der Behörde bekannt zu geben sei.
Die angefochtene Verfügung sei auch rechtmäßig. Anhand der ausgewerteten Indizien habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestanden, dass das mitgeführte Geld aus Drogengeschäften stammte und hierfür wieder eingesetzt werden sollte. Die damaligen Angaben des Klägers und seines Beifahrers seien widersprüchlich gewesen. So werde häufig zur Verschleierung von Drogengeschäften angegeben, dass mitgeführte Geldbeträge zum Erwerb von Fahrzeugen dienen sollten. Es fehle eine schlüssige Erklärung für das Verhalten des Klägers und seines Begleiters dafür, dass diese angeblich mit der Hälfte ihres jeweiligen Jahresverdienstes in die Niederlande gefahren seien, um ein bzw. mehrere Autos zu kaufen. Zudem stelle sich die Frage, warum der aufgefundene Geldbetrag in einer Art und Weise aufgeteilt gewesen sei, die eine komplizierte Abrechnung erforderte. Zwar bestünden keine Zweifel mehr an der Echtheit der vom Kläger vorgelegten Belege der Wechselstube in C.. Aus der Mitteilung des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Danzig vom 17. August 2007 ergebe sich aber auch, dass ein Identitätsnachweis des Wechselnden nicht erforderlich gewesen sei.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8. November 2007 den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, von dem sichergestellten Geldbetrag einen Betrag in Höhe von 13.640,-- Euro an den Prozessbevollmächtigten des Klägers auszukehren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klage zulässig und insbesondere fristgemäß erhoben worden sei. Die Übermittlung des angefochtenen Bescheides an den Prozessbevollmächtigten des Klägers habe die Klagefrist nicht in Gang gesetzt. Die Beklagte habe bei der Auswahl der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes das ihr zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt, dass der Verwaltungsakt förmlich zugestellt werden sollte. Entscheide sich aber eine Behörde dafür, einen Bescheid förmlich zuzustellen, so müsse sie die dafür gesetzlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachten, auch wenn sie berechtigt gewesen wäre, den Verwaltungsakt statt in der gewählten Form auch formlos bekannt zu geben. Eine derartige Zustellung sei aber erst am 28. August 2006 erfolgt. Die Übermittlung des Bescheides am 24. August 2006 per Telefax stelle keine Zustellung dar. Dabei könne offen gelassen werden, ob ein Bescheid an einen Rechtsanwalt per Telefax und mit Hilfe eines Empfangsbekenntnisses überhaupt zugestellt werden könne. Voraussetzung dafür sei aber in jedem Fall, dass der Empfänger die Übermittlung des Bescheides per Fax zweifelsfrei als Zustellung des Bescheides erkennen könne. Daran fehle es hier jedoch. So sei dem per Telefax übermittelten Bescheid ein Empfangsbekenntnisformular nicht beigefügt gewesen. Auch der auf dem übermittelten Bescheid enthaltene Zusatz "Vorab per Fax" habe für eine bloße informatorische Mitteilung des Bescheides gesprochen.
Die Klage sei auch zum Teil begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Dieser habe den geltend gemachten Anspruch auf Auskehrung eines Geldbetrages in Höhe von 27.280,-- Euro aber nur in hälftiger Höhe. Die Beklagte könne den angefochtenen Bescheid nicht mit Erfolg auf § 26 Nr. 1 Nds. SOG stützen. Diese Vorschrift finde bereits deshalb keine Anwendung, weil es an einer gegenwärtigen Gefahr fehle. Diese sei nur dann gegeben, wenn die Einwirkungen des schädigenden Ereignisses in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorstehen. Diese Qualifizierung des Gefahrenbegriffs verlange damit eine besondere zeitliche Nähe der Gefahrverwirklichung und ein gesteigertes Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit sei allerdings zu differenzieren. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden sei, umso geringer seien die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden könnten. Von diesen Grundsätzen ausgehend seien vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr gegeben. Zwar stehe der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsverfügung nicht von vornherein entgegen, dass die Staatsanwaltschaft in dem betreffenden Ermittlungsverfahren die Freigabe der zunächst für Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens beschlagnahmten Geldscheine verfügt habe. Bei präventiv-polizeilicher Betrachtung komme sogar trotz Einstellung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens allein aufgrund verbliebener Verdachtsmomente ein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung von polizeilichem Gewahrsam am beschlagnahmten Geld bestehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergäben sich jedoch vorliegend aus dem Gesamtzusammenhang keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der sichergestellte Geldbetrag deliktischer Herkunft sei, insbesondere aus Drogengeschäften stamme und auch hierfür wieder eingesetzt werden sollte. Allerdings weise die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Angaben des Klägers und seines Begleiters in erheblichem Umfang Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten aufwiesen. Vorliegend sei aber kein konkreter Anhaltspunkt dafür gegeben, dass der sichergestellte Geldbetrag aus Drogengeschäften stamme und hierfür wieder verwendet werden solle. Es gäbe keinen Nachweis dafür, dass der Kläger und/oder Herr B. illegal mit Drogen gehandelt haben oder im Besitz von Drogen gewesen seien. Der Drugwipe-Test lasse keinen sicheren Schluss zu, dass die betreffende Person tatsächlich Drogen konsumiert oder bewusst mit Drogen körperlichen Kontakt gehabt habe. Die aufgrund des positiven Testergebnisses durchgeführte Untersuchung des vom Kläger seinerzeit geführten Fahrzeugs habe auch nicht zum Auffinden von Drogen geführt. Außerdem habe der Kläger zum Beleg seines Vorbringens, das sichergestellte Geld sei zuvor in Polen gegen polnische Zloty eingetauscht worden, zwei Wechselquittungen einer Wechselstube in C. vorgelegt. Dieses Vorbringen könne nicht widerlegt werden. Da somit die Voraussetzungen für eine Sicherstellung des Geldbetrages nicht gegeben seien, habe die Auskehrung des Betrages im Wege der Folgenbeseitigung zu erfolgen. Dabei könne allerdings der Kläger nicht den gesamten sichergestellten Betrag für sich beanspruchen, da er nach eigenem Vortrag nur hinsichtlich des hälftigen Geldbetrages Eigentümer sei.
Die Beklagte hat am 14. Dezember 2007 die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das ihr am 16. November 2007 zugestellte Urteil eingelegt.
Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass sie weiterhin die Auffassung vertrete, die Klage sei verfristet. Zudem habe sie zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des § 26 Nr. 1 Nds. SOG handeln dürfen. Nach kriminalistischen Erkenntnissen stehe fest, dass durch die organisierte Drogenkriminalität die Niederlande als Drogenumschlagsplatz genutzt werden. Dabei würden nicht nur Drogen aus den Niederlanden in die umliegenden EU-Länder exportiert, sondern, wie mutmaßlich auch im vorliegenden Fall, Drogen mit Herkunft aus den Ländern des nahen Ostens über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland importiert werden. Die Drogen würden in den Niederlanden verkauft und das erlöste Geld in der szenetypischen Stückelung zum Erwerb weiterer Drogen benutzt werden. Das Ziel der präventiven Gewinnabschöpfung sei es, diese Gelder dem Drogenkreislauf zu entziehen und somit weitere Straftaten zu verhindern. Die von ihr zusammengetragenen Indizien reichten aus, um eine den Wahrscheinlichkeitsanforderungen des § 26 Nr. 1 Nds. SOG entsprechende Gefahrenprognose anzunehmen. Die vorgetragenen Anhaltspunkte reichten aus, die Herkunft des Geldes aus Drogendelikten nachzuweisen. Der Kläger und sein Begleiter hätten unterschiedliche Angaben über die An- bzw. Verkaufsgeschäfte von Personenkraftwagen gemacht. Der Kläger habe gegenüber den Zollbeamten angegeben, dass er mit seinem hälftigen Anteil des Gesamtbetrages zwei oder drei VW-Golf oder VW-Busse erwerben wolle. Ein Weiterverkauf sei vorgesehen. Sein Begleiter habe für sich selbst noch einen VW-Golf IV erwerben wollen. Dieser habe jedoch erklärt, es habe insgesamt nur ein hochwertiger PKW ab der Klasse Golf IV erworben werden sollen, wobei ein späterer Verkauf wahrscheinlich gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei nicht gewürdigt worden, dass weder der Kläger noch sein Begleiter Angaben dazu gemacht haben, wie sie die drei bis vier Fahrzeuge nach Polen zurücktransportiert hätten. Außerdem hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Erwerb von Fahrzeugen häufig zur Verschleierung von Drogengeschäften angegeben werde. Darüber hinaus besitze der Kläger selbst offenbar gar kein eigenes Auto, mache aber dennoch geltend, mit Autos zu handeln. Es sei auch keine Erklärung dazu abgegeben worden, weshalb es gewinnbringend sei, Fahrzeuge in Hochpreisländern anzukaufen und sodann in Niedrigpreisländern zu verkaufen. Nicht hinreichend berücksichtigt worden seien die widersprüchlichen Angaben zu der Vermischung des Geldes des Klägers und des Geldes seines Begleiters. Das Verwaltungsgericht sei weiterhin nicht auf die Tatsache der szenetypischen Stückelung des Bargeldbetrages eingegangen. Der Verkauf einer größeren Hartdrogenmenge im Wert von ca. 30.000,-- Euro werde in den Niederlanden regelmäßig über Verbindungsleute zu den Dealern abgewickelt. Die Dealer verkauften die Drogen in Konsumentenportionen an die Endverbraucher weiter, wobei diese nach kriminalistischen Erkenntnissen typischerweise in Größenordnungen von 50,-- Euro aufgeteilt werden. Mit diesem sogenannten "Straßengeld" würden die Importeure bezahlt, die dann ihrerseits das Geld in der zusammengetragenen drogentypischen Stückelung zum Ankauf weiterer Drogen nutzten. Da der An- und Verkauf der Drogen ein geschlossener Kreislauf sei, bei dem typischerweise weder Dritte noch Banken beteiligt seien, sei bei einer auffälligen Häufung von 50,-- Euro-Noten von einer szenetypischen Stückelung auszugehen. Das Verwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang zu Unrecht die vom Kläger vorgelegten Belege dahingehend eingestuft, dass eine deliktische Herkunft des Geldes ausscheide. Wenn der Wechselstubeninhaber schon eine undatierte Erklärung verfasse, damit der Vorwurf der szenetypischen Stückelung entkräftet werde, liege es nahe, dass auch die ebenfalls beigefügten Kaufscheine zielgerichtet zur Entkräftung des Vorwurfs der deliktischen Herkunft gefertigt worden seien. Nach Mitteilung der gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen Polizei/Zoll sei im Übrigen der Begleiter des Klägers am 18. Februar 2003 im Besitz von Amphetaminen in Warschau verhaftet worden. Dieser sei zudem am 9. Oktober 2008 am Tatort einer Wohnung in Amsterdam neben einer nicht identifizierten Leiche, die in einer Reisetasche verstaut gewesen sei, aufgefunden und festgenommen worden. Diese Tat sei dem innereuropäischen Drogenhandel zugeordnet worden. Herr B. sei zudem im Zusammenhang mit Ermittlungen zum Schmuggel der Betäubungsmittelvorläufersubstanz Phenyl-2 Propanon (BMK) von Ost- nach Westeuropa (vor allem u. a. in die Niederlande) in Erscheinung getreten. Er habe einem deutschen Staatsangehörigen ein gemietetes Auto zur Verfügung gestellt, welcher Tatverdächtiger bei Ermittlungen im Zusammenhang mit MDMA- und Amphetaminschmuggel aus den Niederlanden nach Großbritannien sei. Herr B. solle zudem in einem von diesem deutschen Staatsangehörigen gemieteten Haus in Amsterdam wohnen. Der Bezug von ihm zum organisierten Drogenhandel sei daher offenkundig. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass das Opfer des Tötungsdelikts wie der Kläger aus C. in Polen stamme. Die gemeinsame Finanzermittlungsgruppe Polizei/Zoll habe mit Fax vom 2. Februar 2009 mitgeteilt, dass sich der Kläger zwischenzeitlich in Polen in Gewahrsam befinde und kein Fahrzeug und keine Firma mehr besitze. Als Haftgrund sei "connection to narcotics offence in 2008" angegeben worden. Nach einer Mitteilung der Hauptkommandantur der Polizei in Gdansk - Abteilung für Bekämpfung der Organisierten Drogenkriminalität - vom 18. Mai 2009 sei der Kläger am 21. November 2008 wegen des Verdachts der Begehung von Straftaten mit Drogenhintergrund festgenommen worden und befinde sich seitdem in dem Untersuchungsamt zur Verhandlung der Strafsache.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und macht geltend, dass er die Klage fristgemäß erhoben habe. Die Beklagte könne vorliegend keinen einzigen Anhaltspunkt dafür geben, dass der sichergestellte Geldbetrag aus Drogengeschäften stamme und hierfür erneut eingesetzt werden sollte. Es gebe keinen Nachweis dafür, dass er oder Herr B. mit Drogen handelten oder im Besitz von Drogen gewesen seien. Bei der Stückelunge des Geldbetrages habe es sich nicht um eine sogenannte szenetyische Stückelung gehandelt. Er habe insofern eine Bestätigung der Wechselstube eingereicht. Soweit er vorgetragen habe, dass er von seinem hälftigen Betrag zwei oder drei VW-Golf oder VW-Busse erwerben wollte, sei dies unwiderlegt geblieben. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Preisvergleich über Anschaffungswerte für Neuwagen im Rahmen der EU-Mitgliedstaaten könne nicht auf Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt geschlossen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben.
Die Klage ist allerdings, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat, zulässig.
Ist ein Widerspruchsbescheid wie im vorliegenden Fall nicht erforderlich, muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Behörde entscheidet grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen, ob sie den Verwaltungsakt dem Betroffenen oder einem von ihm bestellten Bevollmächtigten gegenüber bekannt gibt. Wählt die Behörde, obwohl sie das Gesetz dazu nicht verpflichtet, die Zustellung als Bekanntgabeform (vgl. § 2 NVwZG), so ist sie auch den einschlägigen Zustellungserfordernissen unterworfen. Erfolgt daher die vom Gesetz nicht vorgeschriebene Zustellung fehlerhaft, so ist die Klagefrist aufgrund dieser Selbstbindung der Verwaltung nicht in Lauf gesetzt (Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 74 Rn. 15; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 74 Rn. 4). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat sich die Beklagte hier im Rahmen ihres Ermessens für die förmliche Zustellung des Bescheides an den Prozessbevollmächtigten des Klägers entschieden. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Zusatz "Per Zustellungsurkunde" auf dem Bescheid oberhalb der Anschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Somit ist erst durch die diesem gegenüber erfolgte Zustellung per Postzustellungsurkunde am 28. August 2006 die Klagefrist in Lauf gesetzt worden, so dass die Klage am 28. September 2006 rechtzeitig erhoben worden ist. Dass die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers den Bescheid auf dessen Bitte außerdem bereits am 24. August 2006 vorab per Fax übermittelt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn durch diese Übermittlung per Fax konnte wegen des fehlenden Empfangsbekenntnisses weder eine förmliche Zustellung erfolgen noch hat die Beklagte hinreichend deutlich gemacht, dass sie statt der zuvor gewählten förmlichen Zustellung nunmehr nur noch eine einfache Bekanntgabe vornehmen wollte. Sowohl der bereits genannte Zusatz auf dem Bescheid "Per Zustellungsurkunde" als auch der handschriftliche Zusatz "Vorab per Fax an RA Thümser ... Original befindet sich auf dem Postweg (per ZU)" lassen aus Sicht des Empfängers vielmehr darauf schließen, dass die Faxübersendung lediglich vorab zur Information erfolgen und für den Lauf von Fristen die förmliche Zustellung maßgebend sein sollte.
Die Klage ist aber nicht begründet. Denn die Sicherstellungsverfügung der Beklagten vom 24. August 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat auch keinen Anspruch auf (teilweise) Herausgabe des sichergestellten Geldbetrages.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid der Beklagten ist § 26 Nr. 1 Nds. SOG. Danach kann die Verwaltungsbehörde eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die vom Kläger im Klageverfahren vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die genannte Vorschrift im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 (- 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603) teilt der Senat nicht. Mit diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der Telekommunikationsüberwachung zwischen der Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten und der des Landesgesetzgebers zur Regelung der Verhütung von Straftaten als landesrechtliche Aufgabe der Gefahrenabwehr unterschieden. Da § 26 Nr. 1 Nds. SOG gerade nicht die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten, sondern die Sicherstellung zu Zwecken der Gefahrenabwehr regelt, ist die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers unzweifelhaft gegeben. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Vorschrift gegen den Bestimmtheitsgrundsatz oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen könnte. Denn die Sicherstellung als Maßnahme der Gefahrenabwehr setzt eine gegenwärtige Gefahr (vgl. dazu die Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 1 b Nds. SOG) und damit eine gesicherte Tatsachengrundlage voraus, so dass die Regelung hinreichend bestimmt ist und daher auch nicht das Risiko in sich birgt, dass die rechtsstaatliche Begrenzungsfunktion des Abwägungsgebots verfehlt wird.
Der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsverfügung steht weiterhin nicht von vornherein entgegen, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück das gegen den Kläger geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs der Geldwäsche im Oktober 2006 zunächst nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat, weil die Ermittlungen keine Anhaltspunkte für eine konkrete Geldwäschevortat ergeben haben. Bei präventiv-polizeilicher Betrachtung kann trotz Einstellung eines Ermittlungsverfahrens allein aufgrund verbliebener Verdachtsmomente ein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung von polizeilichem Gewahrsam an beschlagnahmtem Geld bestehen. Ein solches Bedürfnis besteht hier erst recht, weil das strafrechtliche Ermittlungsverfahren in der Zwischenzeit wieder aufgenommen worden ist.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip sowie in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Unschuldsvermutung zwar den Schutz des Beschuldigten auch vor Nachteilen erfordert, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung vorausgegangen ist. Die Unschuldsvermutung steht präventiv-polizeilichen Maßnahmen jedoch regelmäßig dann nicht entgegen, wenn trotz eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung die gegen den Betroffenen gerichteten Verdachtsmomente nicht ausgeräumt sind. Denn die Feststellung eines Tatverdachts ist etwas substantiell anderes als eine Schuldfeststellung. Der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung bleiben andererseits nicht ohne Auswirkungen auf die Entscheidung über die Vornahme präventiv-polizeilicher Maßnahmen. Diese Umstände sind vielmehr im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der Maßnahme und insoweit insbesondere bei der Frage zu berücksichtigen, ob die konkrete Maßnahme dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.5.2002 -1 BvR 2257/01-, NJW 2002, 3231 (zur fortdauernden Datenspeicherung trotz Freispruchs); BVerwG, Beschl. v. 6.7.1988 -1 B 61.88-, NJW 1989, 2640 (zur weiteren Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen trotz Freispruchs)).
Gegen die Sicherstellung von Bargeld bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken. Bargeld ist eine Sache und damit tauglicher Gegenstand einer Sicherstellung nach § 26 Nr. 1 Nds. SOG. Die Gefahrenlage braucht nicht in einer Eigenschaft der sicherzustellenden Sache begründet sein (wie beispielsweise bei Waffen), sondern kann sich aus dem Verhalten des Besitzers ergeben (Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., Kap. F Rn. 743). Dazu gehört auch die Sicherstellung im Rahmen der sog. "Präventiven Gewinnabschöpfung" (vgl. Böhrenz/Unger/Siefken, Nds. SOG, 9. Aufl., § 26 Rn. 8; Waechter, Präventive Gewinnabschöpfung, NordÖR 2008, 473, 477 ff.; Hunsicker, Präventive Gewinnabschöpfung, NordÖR 2009, 62). Diese dient dem Zweck Sachen, die ganz offensichtlich deliktischer Herkunft sind, nicht berechtigten Personen zu entziehen. Allerdings ist der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der "Gewinnabschöpfung" missverständlich. Es geht nicht vorrangig darum, dass der Erlös aus diesen Sachen bzw. der betreffende Geldbetrag letztlich an den Staat (Fiskus) fällt, sondern die Sicherstellung nach § 26 Nr. 1 Nds. SOG soll verhindern, dass mit Hilfe der vermutlich illegal erworbenen Werte neue Straftaten vorbereitet und begangen werden. Im Vordergrund steht deshalb der präventive Charakter der Maßnahme.
Die Beklagte hat weiterhin zu Recht angenommen, dass die Sicherstellung des bei dem Kläger gefundenen Bargeldes zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich gewesen ist.
Unter (konkreter) Gefahr ist nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 1 a Nds. SOG eine Sachlage zu verstehen, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird. Die Gefahr ist nach § 2 Nr. 1 b Nds. SOG gegenwärtig, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Eine bereits eingetretene, in ihrer Wirkung noch andauernde Störung ist immer eine gegenwärtige Gefahr (vgl. Hunsicker, Präventive Gewinnabschöpfung in Theorie und Praxis, 3. Aufl., S. 48). In den Fällen, in denen der Schaden noch nicht eingetreten ist, bedarf es zur Feststellung einer gegenwärtigen Gefahr einer Wahrscheinlichkeitsprognose, der das Tatsachenwissen, das der Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt ihres Einschreitens bekannt war, zugrunde zu legen ist. Anhand dieses Tatsachenwissens muss aus Sicht eines objektiven, besonnenen Amtswalters das Vorliegen einer Gefahr bejaht werden können (Urt. d. Sen. v. 22.9.2005 - 11 LC 51/04 -, NVwZ 2006, 391, zur Wahrscheinlichkeitsprognose bei einer konkreten Gefahr). Hieran wird deutlich, dass der Begriff "gegenwärtige Gefahr" hohe Anforderungen an die zeitliche Nähe und den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts stellt. Es kommt insoweit aber auch auf die Schwere des drohenden Schadens und die Intensität des Eingriffs an (vgl. Böhrenz/Unger/Siefken, a.a.O., § 2 Rn. 5).
Daran gemessen lagen bei Erlass der Sicherstellungsverfügung hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme vor, es bestehe die gegenwärtige Gefahr, der Kläger werde das zuvor beschlagnahmte Geld im Falle einer Herausgabe unmittelbar zur Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz verwenden und daher wegen der Verletzung von Rechtsnormen gegen die öffentliche Sicherheit verstoßen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts besteht nach Überzeugung des Senats - auch aufgrund neuerer Erkenntnisse - kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Kläger und sein Begleiter die am 21. Dezember 2005 bei ihnen sichergestellten 27.280,-- Euro durch Drogenhandel erworben haben und dafür wieder einsetzen wollten. Die gegenwärtige Gefahr des Drogenhandels bestand auch noch im Zeitpunkt des Erlasses der Sicherstellungsverfügung vom 24. August 2006 und besteht im Übrigen auch zum jetzigen Zeitpunkt weiter.
Das für die Wahrscheinlichkeitsprognose heranzuziehende Tatsachenwissen kann sich aus verschiedenartigen Erkenntnissen unterschiedlichen Gewichts zusammensetzen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Beklagte aufgrund einer Gesamtschau des vorliegenden Tatsachenmaterials zu der Einschätzung gelangt ist, die Sicherstellung des Barbetrages sei zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich. Dabei kommt dem Umstand, dass das sichergestellte Bargeld nach Würdigung der vorliegenden Erkenntnisse aus Drogengeschäften stammt, erhebliches Gewicht zu.
Dafür, dass es sich bei dem sichergestellten Barbetrag um aus Drogengeschäften stammendes Geld handelt, liegen nach Auffassung des Senats aus folgenden Gründen hinreichende Anhaltspunkte vor:
Bei der Kontrolle durch Beamte des Hauptzollamtes Osnabrück am 21. Dezember 2005 führten der Kläger und sein Begleiter, die mit einem Pkw aus den Niederlanden eingereist waren, das dann sichergestellte Bargeld in Höhe von rund 27.000,-- Euro mit sich. Nach den von der Beklagten vorgetragenen kriminalistischen Erkenntnissen, an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, werden die Niederlande durch die organisierte Drogenkriminalität als Drogenumschlagplatz genutzt und dabei auch Drogen aus dem Nahen Osten u.a. über Polen und Deutschland eingeführt und in den Niederlanden abgesetzt. Dabei verkaufen die Dealer die Drogen typischerweise portionsweise in Größenordnungen von 50,-- Euro an die Konsumenten und bezahlen mit diesem Geld in den szenetypischen Stückelungen die Importeure, die das Geld ihrerseits zum Kauf weiterer Drogen verwenden. Da somit der An- und Verkauf von Drogen regelmäßig in einem geschlossenen Kreislauf stattfindet, ist bei einer auffälligen Häufung von 50,-- Euro - Scheinen von einer im Drogenhandel üblichen Stückelung auszugehen. Dies ist hier der Fall. Das bei dem Kläger und seinem Begleiter sichergestellte Bargeld begründet aufgrund der Gesamthöhe und vor allem aber aufgrund der auffälligen Häufung von 50,-- Euro - Scheinen - es wurden 289 Scheine à 50,-- Euro und damit insgesamt 14.450,-- Euro in dieser Stückelung gefunden - den dringenden Verdacht der Herkunft aus Drogenhandel.
Gegen eine legale Herkunft des sichergestellten Bargeldes sprechen auch die widersprüchlichen Angaben des Klägers und seines Begleiters zu den beabsichtigten Autokäufen in den Niederlanden. Während der Kläger gegenüber den Zollbeamten ausgesagt hat, er habe mit seinem Anteil des Geldes zwei oder drei VW-Golf oder VW-Busse zum Weiterverkauf erwerben wollen und sein Begleiter habe für sich einen VW-Golf IV kaufen wollen, hat dieser demgegenüber erklärt, dass nur ein hochwertiger Pkw ab Klasse Golf IV erworben und in Polen weiterverkauft werden sollte. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wie ein von dem Kläger behaupteter Kauf von drei bis vier Autos abgewickelt werden sollte, d.h. wie der Kläger und sein Begleiter mit insgesamt vier bis fünf Autos nach Polen zurückkehren wollten.
Dass der Kläger zum Zeitpunkt der Sicherstellung des Geldes einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist, aus der er legale geregelte Einkünfte bezogen hat, aus denen sein Anteil an dem sichergestellten Bargeld stammen könnte, hat er nicht nachvollziehbar vorgetragen und belegt. Seine Angaben gegenüber den Zollbeamten, er betreibe seit 1995 in Polen einen Holzhandel und verdiene daraus ca. 3.000,-- Euro monatlich, treffen offensichtlich nicht zu. So hat nach einer Mitteilung der Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen Polizei/Zoll vom 23. Mai 2006 die Ehefrau des Klägers 2006 gegenüber der örtlichen Polizei in Polen erklärt, dass dieser derzeit keine Geschäfte führe, die Gewinn abwerfen würden. Den Holzhandel habe er vor vier Jahren eingestellt und handele seitdem mit Kfz, die er nach Polen zum Weiterverkauf einführe. Nach einer weiteren Mitteilung der Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen Polizei/Zoll vom 2. Februar 2009 hat der Kläger in Polen allerdings gar keine Firma angemeldet, so dass auch nicht ersichtlich ist, dass er legal mit Autos gehandelt hat. Wenn der Kläger tatsächlich seit 2002 einen Autohandel in Polen betrieben hätte, wäre im Übrigen nicht verständlich, warum er dies dann nicht gegenüber den Zollbeamten im Dezember 2005 angegeben, sondern stattdessen erklärt hat, er sei selbständiger Holzhändler. Zudem hat der Kläger bei seiner Vernehmung durch die polnische Polizei am 21. November 2008 erklärt, gar keine eigenen Einkünfte zu haben und von seiner Frau, die in einem Schneidersalon arbeite, unterhalten zu werden, wobei er allerdings nicht angeben konnte, wie viel seine Frau verdient.
Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Geld, von dem nach Angaben des Klägers und seines Begleiters jedem die Hälfte gehören sollte, so aufgeteilt war, dass sich 5.360,-- Euro in den Hosentaschen des Klägers, 3.905,-- Euro in den Hosentaschen seines Begleiters und 18.215,-- Euro in einer dem Begleiter gehörenden Herrenhandtasche befunden haben. Der Kläger und sein Begleiter haben keine plausible Erklärung dafür liefern können, warum sie ihre angeblichen Ersparnisse überhaupt vermischt haben und wie das Geld, aus dem der Kläger nach seinem Vorbringen auch noch größere Weihnachtseinkäufe getätigt haben will, in Polen wieder aufgeteilt werden sollte.
Dass das sichergestellte Bargeld aus dem Drogenhandel stammt, wird auch durch weitere Indizien bestätigt. Der Kläger und sein Begleiter sind zwar in Deutschland nicht wegen Drogenhandels vorbestraft. Inzwischen liegen jedoch hinreichende polizeiliche Erkenntnisse der Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen Polizei/Zoll darüber vor, dass beide Kontakte zur Drogenszene haben und gegen sie wegen Straftaten im Drogenmilieu ermittelt worden ist und wird. Danach ist der Begleiter des Klägers u.a. 2003 in Polen wegen des Besitzes von Amphetamin verhaftet worden, 2006 im Zusammenhang mit Ermittlungen zum Schmuggel von Betäubungsmitteln von Ost- nach Westeuropa in Erscheinung getreten und im Oktober 2008 als Tatverdächtiger eines Tötungsdeliktes verhaftet worden, als er am Tatort einer Wohnung in Amsterdam angetroffen worden ist. Als Tatverdächtiger dieses Tötungsdeliktes ist inzwischen ein im innereuropäischen Drogenhandel aktiver deutscher Staatsangehöriger inhaftiert worden, zu dem der Begleiter des Klägers nach den polizeilichen Erkenntnissen offenbar seit Jahren Verbindungen hat und in dessen angemietetem Haus in Amsterdam er derzeit leben soll. Auffällig ist zudem, dass sowohl der Kläger als auch das Mordopfer aus C. in Polen stammen und der tatverdächtige deutsche Staatsangehörige dort ebenfalls mit Wohnsitz gemeldet ist. Wie sich aus der Mitteilung der Hauptkommandantur der Polizei in Gdansk - Abteilung für Bekämpfung der Organisierten Drogenkriminalität - vom 18. Mai 2009 ergibt, prüft diese, ob der Kläger, der mit dem im Drogenhandel tätigen Mordopfer in Kontakt stand, an dem Verbrechen beteiligt war. Ganz entscheidende Bedeutung für das vorliegende Verfahren hat zudem der Umstand, dass der Kläger nach der Mitteilung der Hauptkommandantur der Polizei in Gdansk am 21. November 2008 von der polnischen Polizei wegen des Verdachts der Begehung von Straftaten mit Drogenhintergrund festgenommen worden ist und sich seitdem in dem "Untersuchungsamt" zur Verhandlung der Strafsache befinde. Gerade diese aktuellen Ermittlungen der polnischen Polizei zeigen, dass der Kläger nach wie vor mit Straftaten im Drogenmilieu in Verbindung zu bringen ist.
Angesichts der vorliegenden eindeutigen Hinweise auf die deliktische Herkunft des Geldes reichen die von dem Kläger vorgelegten Belege einer Wechselstube in seiner Heimatstadt nicht aus, eine andere Bewertung der Sachlage herbeizuführen. Diese Quittungen belegen lediglich, dass in dieser Wechselstube am 12. und 14. Dezember 2005 53.900,-- und 57.225,-- polnische Zloty in 14.000,-- bzw. 15.000,-- Euro gewechselt worden sind. Wer den Geldwechsel vorgenommen hat, ergibt sich daraus jedoch nicht. Wie die Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen Polizei/Zoll mit Schreiben vom 2. Februar 2009 aufgrund einer Mitteilung der polnischen Behörden ausgeführt haben, werden von dem Besitzer der Wechselstube keine Personaldaten von den Kunden erhoben und kann sich dieser auch nicht erinnern, ob der Kläger oder sein Begleiter jemals seine Kunden gewesen waren. Ein Identitätsnachweis ist nach der Mitteilung der Hauptkommandantur der Polizei in Gdansk vom 18. Mai 2009 nur für Transaktionen ab 20.000,-- Euro erforderlich. Da die vom Kläger vorgelegten Belege Beträge unter dieser Grenze betreffen, dürften weitere Ermittlungen dazu, wer die Beträge tatsächlich getauscht hat, keinen Erfolg versprechen. Der undatierten Bescheinigung der Wechselstube, wonach die Euro - Geldscheine auf Bitten des Kunden in Kleingeld verkauft worden seien, kann daher ebenfalls keine maßgebende Bedeutung zukommen.
Vor diesem Hintergrund passt auch ins Bild, dass der Kläger und sein Begleiter bei den anlässlich der Kontrolle am 21. Dezember 2005 durchgeführten Drugwipe-Tests beide positiv auf Kokain und Amphetamine getestet wurden. Wenn dieser Test auch Fehlerquoten aufweisen und nicht den vollen Beweis eines Drogenkonsums bzw. -kontakts erbringen mag, sind die gewonnenen Ergebnisse neben den übrigen eindeutigen Hinweisen aber zumindest ein weiteres Indiz für die deliktische Herkunft des sichergestellten Geldes.
Dass das somit mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Drogengeschäften herrührende Geld ohne die angeordnete Sicherstellung erneut in Drogengeschäfte investiert werden würde, liegt nach den vorstehenden Ausführungen zum Drogenhandel und den insofern weiterhin bestehenden Kontakten des Klägers und seines Begleiters auf der Hand. Durchgreifende Indizien, die eine andere Einschätzung der Sachlage rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch angesichts des hohen Wertes der durch die diese Straftaten gefährdeten Rechtsgüter ist von dem Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit auszugehen.
Das Verwaltungsgericht hat weiterhin zu Unrecht dem Herausgabeanspruch des Klägers teilweise stattgegeben.
Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG sind, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, die Sachen an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden sind. Die Herausgabe ist nach § 29 Abs. 1 Satz 4 Nds. SOG ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung eintreten würden. Danach kann der Kläger keine - auch nur teilweise - Herausgabe des sichergestellten Bargeldes verlangen. Denn wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind die Voraussetzungen für die Sicherstellung nicht weggefallen. Vielmehr sind durch die neueren polizeilichen Erkenntnisse weitere aktuelle Indizien zu Tage getreten, die die gegenwärtige Gefahr begründen, dass das sichergestellte Geld bei einer Herausgabe im Drogenhandel eingesetzt werden würde. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger inzwischen im November 2008 im Zusammenhang mit Drogendelikten in Polen verhaftet worden ist und das Verfahren gegen ihn auch derzeit noch läuft, zeigt die nach wie vor bestehenden Verbindungen des Klägers zum Drogenhandel und die daraus resultierende gegenwärtige Gefahr eines Einsatzes des sichergestellten Geldes für Zwecke des Drogenhandels.
Ende der Entscheidung
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