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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.08.2008
Aktenzeichen: 11 ME 1/08
Rechtsgebiete: AufenthG, GG
Vorschriften:
AufenthG § 2 Abs. 3 S. 1 | |
AufenthG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 | |
AufenthG § 30 Abs. 3 | |
AufenthG § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 | |
AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 2 | |
AufenthG § 60 a Abs. 2 S. 1 | |
GG Art. 6 Abs. 1 |
Gründe:
Die am 1. Januar 1958 geborene Antragstellerin ist türkische Staatsangehörige. Sie reiste am 7. Juli 2004 mit einem Visum zur Familienzusammenführung zu ihrem seit Mai 1992 in Deutschland lebenden Ehemann ein, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist. Die Ehe wurde am 21. März 2000 geschlossen. Dem Ehemann der Antragstellerin war am 27. März 2003 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt worden, die seit dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgilt.
Zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann hatte schon in der Türkei eine Ehe bestanden, die aber im Jahr 1992 geschieden worden war. Nach Angaben der Antragstellerin sind aus der Ehe vier Kinder hervorgegangen (B., geb. 1.3.1977; C., geb. 18.10.1984; D., geb. 19.11.1986; E., geb. 15.4.1990). Der jüngste Sohn E. wohnt bei seinen Eltern in F.. Die Tochter D. soll verheiratet sein und in G. leben. Der Wohnort der beiden ältesten Kinder ist nicht bekannt.
Die Antragsgegnerin erteilte der Antragstellerin am 16. September 2004 eine bis zum 15. September 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis, die u. a. folgende Nebenbestimmung enthielt:
"Die Aufenthaltsgenehmigung erlischt bei Bezug von Sozialhilfeleistungen für sich oder unterhaltsberechtigte Familienangehörige und/oder Inanspruchnahme von Wohngeld".
Am 5. September 2006 beantragte die Antragstellerin die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. September 2007 ab und drohte der Antragstellerin für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Sie führte zur Begründung u. a. aus: Zwar bestehe die eheliche Lebensgemeinschaft weiterhin, doch könne die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert werden, weil der Lebensunterhalt der Antragstellerin und ihrer Familie aufgrund des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II und nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht gesichert sei. Auch hätten die Antragstellerin und ihr Ehemann keine ausreichenden Bemühungen nachgewiesen, den Leistungsbezug zu vermeiden. Die Antragstellerin habe eine gesicherte Aufenthaltsposition nur vorübergehend innegehabt. Die Aufenthaltserlaubnis sei durch den Eintritt der auflösenden Bedingung (Bezug von Arbeitslosengeld II) am 1. Oktober 2005 erloschen. Bei der nach § 30 Abs. 3 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung müsse das persönliche Interesse der Antragstellerin am Verbleib im Bundesgebiet hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten, dass Ausländer ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könnten. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den zugleich gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren zu gewähren, lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 5. Dezember 2007 ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der nunmehr in der Sache beantragt wird, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die Abschiebung der Antragstellerin auszusetzen.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, aber nicht begründet.
Gegen die Änderung des Antrags bestehen keine Bedenken. Die Antragstellerin hat damit folgerichtig die Konsequenz aus der Feststellung des Verwaltungsgerichts gezogen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft sei und vorläufiger Rechtsschutz lediglich mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erlangt werden könnte. Dem Verwaltungsgericht, das den Antrag entsprechend umgedeutet hat, ist auch darin zu folgen, dass die Antragstellerin den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht.
Nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Auch wenn im vorliegenden Fall eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG nicht eingetreten ist, da die der Antragstellerin erteilte Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 erloschen ist (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), kann die rechtliche Unmöglichkeit einer Abschiebung im Sinne von § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gleichwohl zu bejahen sein (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.4.2008 - 11 S 100/08 -, juris; OVG NRW, Beschl. v. 12.2.2008 - 18 B 230/08 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 11.8.2008 - 13 ME 128/08 -, www.dbovg.niedersachsen.de). Denn die Erteilung einer Duldung soll sicherstellen, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status (hier: Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 3 AufenthG) auch vom Inland aus verfolgt werden kann. Voraussetzung ist aber, dass ernsthafte Aussichten auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels bestehen. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.
Nach § 30 Abs. 3 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 (Sicherung des Lebensunterhalts) und § 29 Abs. 1 Nr. 2 (ausreichender Wohnraum) verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Der stammberechtigte Ehemann der Antragstellerin besitzt eine Niederlassungserlaubnis (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 a AufenthG). Es ist auch unstreitig, dass die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht. Nicht gesichert ist jedoch der Lebensunterhalt der Familie. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Die Antragstellerin stellt nicht in Abrede, dass sie und ihre Familie seit längerer Zeit Leistungen nach dem SGB II und nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Sie ist aber der Auffassung, dass in ihrem Fall eine Ausnahme von dem Grundsatz der Sicherung des Lebensunterhalts zu machen sei. Dies habe die Antragsgegnerin bei der Ausübung ihres Ermessens verkannt. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.
Allerdings kommt nach der Wertung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 82) dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft, die rechtmäßig im Bundesgebiet geführt wird, ein besonderes Gewicht zu. Dementsprechend sieht die Vorläufige Niedersächsische Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (Stand: 31.7.2008) in Nr. 30.3.1 vor, dass die Aufenthaltserlaubnis im Wege des Ermessens auch dann verlängert werden darf, wenn der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert ist (vgl. auch Hailbronner, AuslR, Stand: April 2008, § 30 AufenthG Rn. 67 ff.; Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2008, § 30 AufenthG, Rn. 238; Eberle, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/ Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 30 AufenthG Rn. 28 ff). Das Ermessen ist am Wert der ehelichen Lebensgemeinschaft und dem nach Art. 6 GG gebotenen Schutz des Ehelebens im Inland auszurichten. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang, für welche Dauer und aus welchen Gründen der notwendige Unterhalt nicht zur Verfügung steht (vgl. Renner, AuslR, 8. Aufl., § 30 AufenthG Rn. 14). Denn die Sicherung des Lebensunterhalts gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern. Dadurch sollen die öffentlichen Haushalte davor bewahrt werden, den Lebensunterhalt von Ausländern mit öffentlichen Mitteln sichern zu müssen (vgl. Renner, a.a.O., § 2 AufenthG Rn. 14 und § 5 AufenthG Rn. 13). Eine Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kommt etwa in Betracht, wenn der Ausländer und/oder sein Ehegatte keine Anstrengungen unternimmt, den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen (vgl. Marx, a.a.O., § 30 AufenthG Rn. 238; Hailbronner, a.a.O., § 30 AufenthG Rn. 68). Letztlich kommt es darauf an, ob der Ausländer in Zukunft den Lebensunterhalt dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel erbringen kann. Im Rahmen dieser Prognose ist die bisherige Erwerbsbiographie zu berücksichtigen. Hiervon ausgehend spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.
Der Antragstellerin und ihrem Ehemann ist es seit dem 1. Oktober 2005 nicht gelungen, ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu sichern. Dies wird auch von der Antragstellerin nicht bestritten. Es liegen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich dies in Zukunft grundlegend ändern wird.
Die Antragstellerin war nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin zuletzt vom 15. Oktober 2006 bis zum 31. März 2007 in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis als Raumpflegerin beschäftigt. Seitdem ist sie offenbar keiner weiteren Erwerbstätigkeit nachgegangen. Trotz ihrer Ankündigung in der eidesstattlichen Versicherung vom 11. Januar 2008, weiterhin alles zu versuchen, um für sie persönlich Sozialleistungen zu vermeiden, hat sie entsprechende Bemühungen im Laufe des Beschwerdeverfahrens nicht belegt. Dass sie Analphabetin ist, steht der Aufnahme einer minderqualifizierten Beschäftigung nicht von vornherein entgegen. Dass sie dazu grundsätzlich auch in der Lage ist, zeigt sich daran, dass sie vorübergehend als Aushilfskraft in Reinigungsfirmen beschäftigt war. Außerdem kann von der Antragstellerin, die seit Juli 2004 im Bundesgebiet lebt, erwartet werden, dass sie an sog. Alphabetisierungskursen regelmäßig teilnimmt. Wie aber der fachpsychiatrischen Stellungnahme der Region Hannover vom 26. Juni 2008 zu entnehmen ist, soll sie der deutschen Sprache bisher kaum mächtig sein. Dass die mangelnden Deutschkenntnisse der Antragstellerin mitverantwortlich für ihre schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind, liegt in ihrem Verantwortungsbereich. Ebenso wenig kann sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang darauf berufen, dass die Antragsgegnerin sie daran gehindert habe, eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen. Denn sämtliche ihr seit dem 5. September 2006 erteilten Duldungen waren mit der Nebenbestimmung "Unselbständige Erwerbstätigkeit gestattet" versehen. Aus Rechtsgründen konnte der Antragstellerin eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG nicht ausgestellt werden, weil ihre Aufenthaltserlaubnis bereits vor Stellung des Verlängerungsantrages - wie erwähnt - erloschen war.
Der Ehemann der Antragstellerin ging zwar in der Vergangenheit verschiedenen Erwerbstätigkeiten nach, doch ist er bereits seit über einem Jahr arbeitslos. Sein letztes Arbeitsverhältnis als Helfer bei einer Personalservice GmbH mit 25 Stunden Wochenarbeitszeit dauerte lediglich vom 18. Mai bis zum 11. Juni 2007. Bis auf diese Tätigkeit erzielte er seit Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II am 1. Oktober 2005 kein Erwerbseinkommen. In dem angefochtenen Bescheid hat die Antragsgegnerin im Einzelnen dargelegt, dass der Ehemann der Antragstellerin auch keine oder nicht geeignete Unterlagen über intensive Bemühungen um eine Arbeitsstelle vorgelegt habe. Dies ist auch nicht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nachgeholt worden.
Der seit einigen Monaten wieder im Haushalt der Antragstellerin und ihres Ehemanns lebende 18-jährige Sohn E. geht nach Angaben der Antragsgegnerin ebenfalls keiner Erwerbstätigkeit nach, so dass auch er auf Sozialleistungen angewiesen ist.
Nach alledem besteht die ernsthafte Gefahr, dass der Lebensunterhalt der dreiköpfigen Familie der Antragstellerin auch in Zukunft nur unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden kann.
Ein Absehen von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts ist vorliegend auch gleichheitsrechtlich nicht geboten. Das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 11.5.2007 - 2 BvR 2483/06 -, InfAuslR 2007, 336 = NVwZ 2007, 1302) vertritt die Auffassung, einem Ausländer dürfe bei fortbestehender ehelicher Lebensgemeinschaft eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 3 AufenthG dann nicht versagt werden, wenn dem Ausländer bei aufgelöster ehelicher Lebensgemeinschaft eine Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gewährt werden müsste. Anderenfalls träte eine mit dem besonderen Schutz der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Schlechterstellung ein. Allerdings ist einschränkend darauf hinzuweisen, dass der Ehegatte nach Ablauf des ersten Verlängerungsjahres (vgl. § 31 Abs. 4 AufenthG) eine eigene wirtschaftliche Existenz gefunden haben muss (Renner, a.a.O., § 31 AufenthG Rn. 38; Eberle, a.a.O., § 31 AufenthG Rn. 31 ff.). Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist hier aber nicht anwendbar, weil die Antragstellerin zur Zeit ihres Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 5. September 2006 nicht über zwei Jahre in ehelicher Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet gelebt hatte. Die ihr am 16. September 2004 erteilte Aufenthaltserlaubnis war - wie bereits mehrfach dargestellt - schon vor Stellung des Verlängerungsantrags gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erloschen, da die auflösende Bedingung des Bezugs von Sozialleistungen am 1. Oktober 2005 eingetreten war. Ab diesem Zeitpunkt war der Aufenthalt der Antragstellerin im Bundesgebiet nicht mehr rechtmäßig, die Antragstellerin ist vielmehr gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig.
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen auch hinreichend berücksichtigt, dass der Ehemann der Antragstellerin sowie zwei ihrer Kinder ebenfalls im Bundesgebiet leben. Allerdings handelt es sich nicht - wie von der Antragsgegnerin und vom Verwaltungsgericht angenommen - bei dem am 19. November 1987 geborenen Kind D. um einen Sohn, sondern vielmehr um eine Tochter, die in G. verheiratet ist. Auch der Sohn E. ist inzwischen volljährig. Zwar wohnt er wieder bei seinen Eltern, doch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass er auf den persönlichen Beistand seiner Mutter angewiesen ist.
Die Antragstellerin macht ferner vergeblich geltend, dass eine Rückkehr in die Türkei für sie "unvorstellbar große Härten" mit sich bringen würde. Da sie keine Angehörigen in der Türkei besitze, wäre sie auf sich allein gestellt und würde bei einer Abschiebung buchstäblich "auf der Straße landen". Für die Berechtigung dieser Befürchtungen fehlen jedoch konkrete Anhaltspunkte.
Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich, dass die Antragstellerin in dem Zeitraum von 1992 bis 2000, während sie von ihrem Ehemann geschieden war, und auch im anschließenden Zeitraum bis zu ihrer Einreise in das Bundesgebiet am 7. Juli 2004 in ihrem Heimatort H. in der Türkei lebte. Sie gab bei ihrer Befragung durch die deutsche Auslandsvertretung in Ankara am 9.Oktober 2002 an, dass ihr Ehemann die Kinder bei den Großeltern besuchen würde. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren trifft es also nicht zu, dass keine Verwandte in der Türkei leben. Möglicherweise leben auch ihre beiden ältesten Kinder noch in der Türkei. Es fällt in ihre Sphäre, wenn sie dazu keine weiteren Angaben macht, sondern aktenwidrig lediglich behauptet, keine Angehörigen in der Türkei zu haben. Da sie also in der Türkei jahrelang ohne ihren Ehemann zurechtgekommen ist und offenbar dort auch der Lebensunterhalt für sie und ihre Kinder gesichert war, ist nicht erkennbar, weshalb nunmehr eine Rückkehr in die Türkei unzumutbar sein könnte. Außerdem muss sie sich darauf verweisen lassen, dass sie bei ihrer Einreise und auch anschließend nicht darauf vertrauen konnte, auf Dauer in Deutschland bleiben zu dürfen. Sie musste damit rechnen, dass sie bei Bezug von Sozialleistungen ihr Aufenthaltsrecht verlieren würde
Nach alledem ist es bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Ermessens dem öffentlichen Interesse, eine weitere Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts der Antragstellerin zu vermeiden, den Vorrang vor dem persönlichen Interesse der Antragstellerin am Verbleib im Bundesgebiet eingeräumt hat.
Ein Anspruch der Antragstellerin auf Aussetzung ihrer Abschiebung nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ergibt sich auch nicht aus gesundheitlichen Gründen. Sie macht unter Vorlage eines Attestes des praktischen Arztes Dr. I. (F.) vom 19. Februar 2008 geltend, dass sie unter einer schweren Depression leide und deshalb zurzeit nicht reisefähig sei. Dieses Attest reicht aber zur Glaubhaftmachung nicht aus.
Abgesehen davon, dass das Attest wenig aussagekräftig ist, da es von einem praktischen Arzt stammt und sich auf zwei Sätze beschränkt, ohne die Befundtatsachen aus der Anamnese, die Methode der Tatsachenerhebung und die prognostische Diagnose anzugeben (vgl. zu diesen Erfordernissen etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, 213), ist es durch die fachpsychiatrische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie J. im Fachbereich Gesundheit der Region Hannover vom 26. Juni 2008 überholt. Diese ist aufgrund zweier Untersuchungen vom 5. Mai und 16. Juni 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Antragstellerin "von einem ausgeprägten am ehesten reaktiv bedingtem ängstlich depressivem Stimmungsbild im Sinne einer ausgeprägten Anpassungsstörung auszugehen" sei. Diese Symptomatik sei aufgetreten, nachdem die Ordnungsbehörde entschieden habe, der Antragstellerin künftig offensichtlich nur noch extrem kurze Verlängerungsintervalle für die Duldung auszusprechen. Der Antragstellerin sei empfohlen worden, eine entsprechende antidepressive Medikation sowie ein schlafanstoßendes Medikament zu sich zu nehmen. Bei dem zweiten Gespräch am 16. Juni 2008 habe die Antragstellerin auf Nachfragen hin berichtet, etwas besser zu schlafen, auch sei die Unruhe etwas zurückgegangen; allerdings habe sie noch immer massive Ängste davor, ausgewiesen zu werden. Dieser fachpsychiatrischen Stellungnahme lassen sich keine Hinweise auf die angebliche Reiseunfähigkeit der Antragstellerin entnehmen. Eine Reiseunfähigkeit, die einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit begründen würde, ist nämlich nur dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.2.2008, a.a.O. m.w.N. aus d. Rechtspr.). Der Senat vermag ein solches Risiko aber angesichts der fachpsychiatrischen Stellungnahme vom 26. Juni 2008, gegen die die Antragstellerin keine Einwände erhoben hat, derzeit nicht zu erkennen. Allerdings besteht Anlass zu dem Hinweis, dass die Antragsgegnerin bei einer Durchführung der Abschiebung dem Gesundheitszustand der Antragstellerin angemessen Rechnung tragen und die notwendigen Vorkehrungen treffen muss (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 -, NVwZ-Beil. 2002, 91 u. Beschl. v. 26.2.1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAusR 1998, 241).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 und 52 Abs. 2 VwGO. Da die Antragstellerin eine Duldung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren anstrebt, hält der Senat den vollen Auffangwert von 5.000,-- Euro für angemessen.
2. Prozesskostenhilfe kann für das Beschwerdeverfahren nicht bewilligt werden, weil die Rechtsverfolgung aus den obigen Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
3. Nach den Ausführungen des Senats unter 1. ist der Antragstellerin auch zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht versagt worden.
Ende der Entscheidung
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