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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 11 ME 297/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 81 b 2. Alt
Zur Prognose einer Wiederholungsgefahr unter Einbeziehung sog. "jugendtypischer Verfehlungen".
Gründe:

Der Antragsteller wehrt sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 30.7.2008 stattgegeben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Polizeiinspektion B. vom 25. April 2008 wiederhergestellt. Es hat die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung dem ebenfalls anhängigen Klageverfahren überlassen und aufgrund einer Abwägung der privaten und öffentlichen Belange entschieden, dass bei einer Gesamtschau das Interesse des Antragstellers, von einer erkennungsdienstlichen Behandlung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an einer sofortigen Durchführung der angeordneten Maßnahmen überwiege. Hierzu hat es ausgeführt: Maßgeblich könne voraussichtlich allein auf die Anlasstat abgestellt werden. Es könne jedoch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt - soweit hinsichtlich der Vorfälle noch keine Einstellung erfolgt sei - in zureichendem Maße ermittelt worden und der strafrechtliche Verstoß nicht nur im unteren Bereich anzusiedeln sei. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller dem "rechten Spektrum" zurechne, rechtfertige für sich allein nicht die erkennungsdienstliche Behandlung, da dies keinen hinreichend sicheren Schluss auf die künftige Begehung strafrechtlicher Verfehlungen zulasse.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin Beschwerde erhoben und diese wie folgt begründet: Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, hinsichtlich der Anlasstaten sei der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Die Anordnung sei auf drei Anlasstaten gestützt. Ausweislich der Ermittlungsvorgänge sei der Sachverhalt aufgeklärt worden bzw. eine weitere Sachaufklärung nicht möglich und notwendig gewesen. Die Negativprognose habe sich inzwischen bereits bestätigt. Es seien polizeiliche Ermittlungen wegen einer am 25.7.2008 erfolgten Sachbeschädigung bzw. gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr geführt worden. Die Eilbedürftigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung ergebe sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt erneuter Ermittlungen wegen Sachbeschädigung. Nach den polizeilichen Feststellungen habe der Antragsteller grundlos gegen ein vorbeifahrendes Fahrzeug getreten. Aufgrund der Gruppenzugehörigkeit des Antragstellers zum rechten Spektrum und der Häufigkeit der polizeilichen Ermittlungen - allein viermal im Jahr 2008 - sowie kriminalpolizeilicher Erfahrungswerte lägen ausreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass er auch künftig polizeilich wieder in Erscheinung treten werde.

Der Antragsteller trägt vor: Die zum Anlass genommenen Ermittlungsverfahren seien eingestellt worden bzw. sei aufgrund der in Bezug genommenen Einlassung die Einstellung zu erwarten. Der in einem neuerlichen Ermittlungsverfahren angenommene Sachschaden von 250.- € sei durch nichts belegt; er habe auch nicht - wie ihm vorgeworfen werden - gegen den Pkw getreten. Grund für die Anzeige sei die politisch linke Einstellung der Anzeigeerstatterin. Wegen Bagatelldelikten dürfe eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht erfolgen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.

Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts wird sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen, so dass das private Interesse des Antragstellers, vorläufig von den Wirkungen der Entscheidung der Antragsgegnerin verschont zu bleiben, hinter den gegenläufigen öffentlichen Interessen zurückzutreten hat.

Gemäß § 81b 2. Alt. StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

Derartige erkennungsdienstliche Unterlagen werden nicht für Zwecke eines gegen den Betroffenen gerichteten oder irgendeines anderen konkreten Strafverfahrens erhoben. Ihre Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung in kriminalpolizeilichen Sammlungen dient nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten zugewiesen sind (BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 m. w. Nachw.). Es handelt sich nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei § 81 b 2. Alt. StPO nicht um eine Regelung im Bereich der Strafverfolgung, sondern um die Ermächtigung zu Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge im Sinne präventiv-polizeilicher Tätigkeit. Die Vorschrift dient der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich dementsprechend danach, ob der Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, währenddessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (BVerwG, Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192 ff. = NJW 1983, 772 ff.; Urt. v. 23.11.2005, a.a.O.). Notwendig für Zwecke des Erkennungsdienstes ist die Erhebung von solchen erkennungsdienstlichen Unterlagen, die für zukünftige Ermittlungen geeignet sind und diese fördern könnten. Wegen der Begrenzung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf das notwendige Maß darf im konkreten Einzelfall die Schwere des mit der konkreten erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses namentlich an der Aufklärung künftiger Straftaten stehen (vgl. Urt. des Senats v. 28.6.2007 - 11 LC 372/06 -, juris, und v. 28.9.2006 - 11 LB 53/06 -, Nds. VBl. 2007, 42).

Aufgrund der präventiv-polizeilichen Ausrichtung als Strafverfolgungsvorsorge entfällt die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen i.S.d. § 81b 2. Alt. StPO jedoch nicht bereits dadurch, dass die Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller eingestellt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Nds. OVG, B. v. 12.8.2008 - 11 LA 257/08 - m. w. Nachw.) kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, ein Tatvorwurf - auch hinsichtlich der Anlasstat - selbst dann berücksichtigt werden, wenn das Ermittlungsverfahren nach §§ 153 ff. StPO oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urt v. 23.11.2005, a.a.O.). Die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügenden Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden "Anfangsverdachts" sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Vielmehr ist unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles die Frage zu beantworten, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens der Tatverdacht gegen den Beteiligten vollständig entfallen ist oder ob ein "Restverdacht" gegeben ist, weshalb begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beteiligte auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könne.

In Anwendung dieser Grundsätze wird sich die gegenüber dem am 18. Oktober 1989 geborenen Antragsteller ergangene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage hat die Antragsgegnerin zu Recht angenommen, dass nach kriminalistischer Erfahrung tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Antragsteller künftig als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte.

Anlass für die Anordnung der Antragsgegnerin waren die im Juli 2008 eingestellten Ermittlungsverfahren bezüglich des Geschehens vom 29.2.2008 in C. vor dem Haus "D. 21". Aufgrund des im Wesentlichen auf Zeugenaussagen beruhenden Ermittlungsergebnisses bestehen tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller in einer Gruppe Gleichgesinnter vor dem Haus lärmend und randalierend zusammengerottet und lautstark das Herauskommen des Mieters E. gefordert hat. Dabei wurde der Briefkasten beschädigt, ohne dass allerdings insoweit eine Täterschaft des Antragstellers festzustellen war. Nach den im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnissen bezog diese Gruppe ihr Zusammengehörigkeitsgefühl aus dem gemeinsamen Empfinden einer als "rechts" bezeichneten politischen Gesinnung. Ihr Auftreten war von einer entsprechenden Motivation geleitet, da sich ihre Aktion gegen einen - auch nach Selbsteinschätzung des Betroffenen E. - als politisch "links" angesehenen Bewohner des Hauses richtete. Durch lautstarkes Rufen nach diesem Bewohner ließ die Gruppe keine Zweifel aufkommen, wem ihre Aktion galt. Es ist auch nicht erkennbar, dass die weitgehend übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen von deren Beziehung zum Betroffenen beeinflusst worden wären. Teilweise haben die Zeugen ausdrücklich ihrer Einordnung in das von den unmittelbar Beteiligten praktizierte "rechts-links"-Schema widersprochen wie auch sich von einer besonderen persönlichen Nähe zu dem Betroffenen distanziert. Auch hinsichtlich der Zeugin E. ist nicht zu erkennen, dass diese aufgrund einer bestehenden bzw. zwischenzeitlich beendeten persönlichen Beziehung zum Antragsteller oder aufgrund ihrer geschwisterlichen Beziehung zum Betroffenen die Unwahrheit gesagt hätte. Wie die Zeugin F. schildert die Zeugin E. ihre mit einer persönlichen Beziehung einhergehenden Kontakte zu der als politisch "rechts" stehend verstandenen Gruppe des Antragstellers, wobei keine besondere Identifikation mit deren Gesinnung erkennbar wird. Ebenso wenig geben die sachlich-distanzierten Bekundungen Anlass zu der Annahme einer Parteinahme zugunsten Person oder Gesinnung ihres Bruders. Dementsprechend verbleibt aufgrund der Bekundungen der Zeugin E. auch ein Restverdacht, dass der Antragsteller anlässlich des Vorfalls mehrere Schüsse aus einer in seinem Besitz befindlichen Schreckschusswaffe abgegeben hat, zumal mehrere schussähnliche Geräusche von anderen Zeugen bestätigt werden. Dass die Waffe bei dem Antragsteller im Rahmen einer späteren Durchsuchung nicht aufgefunden werden konnte, räumt diesen Restverdacht nicht aus. Gleiches gilt für die Einlassungen des Antragstellers und des Weiteren Beschuldigten G.. Ihre Angaben, den ganzen Abend auf einer Party gewesen zu sein, wurden nicht durchgreifend bestätigt, weil niemand auszuschließen vermochte, dass sich die Beschuldigten zwischenzeitlich von der Party entfernt haben könnten.

Bezüglich dieser Anlasstat macht sich der Senat die kriminalpolizeiliche Einschätzung der Antragsgegnerin zu eigen, dass die Gesamtumstände aufgrund des gruppenbezogenen "politischen" Hintergrunds des Tatgeschehens und der Einbindung des Antragstellers in ein zugehöriges soziales Umfeld die Erwartung begründen, dieser werde auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben. Denn die Umstände sprechen nicht dafür, dass anstelle gegensätzlicher politischer Überzeugungen vielmehr eine aufgrund der Beziehung des Antragstellers zur Zeugin E. entstandene persönliche Abneigung gegen deren Bruder die Motivation des Antragstellers bestimmt hätte. Zwar gefiel es nach den übereinstimmenden Angaben der hierzu vernommenen Personen dem Antragsteller bzw. den Angehörigen seiner Gruppe nicht, dass der Bruder Fotos der Zeugin und des Antragstellers bzw. - so die Zeugin E. - von "Rechten" ins Internet stellte. Bestimmendes Motiv für das Einstellen der Bilder war nach allgemeiner Auffassung jedoch die auf gegensätzlicher politischer Gesinnung beruhende Ablehnung des Antragstellers. Sämtliche Einlassungen legen nahe, dass der Antragsteller bzw. Mitglieder seiner Gruppe ihrerseits diesen Umstand in gleicher Weise verstanden. Dementsprechend ordnet sich die persönliche Beziehung - möglicherweise konfliktverschärfend - einer bereits anderweitig bestehenden Konfrontation unter.

Das Ermittlungsergebnis hinsichtlich des "Hitlergrußes" bestätigt die kriminalpolizeiliche Einschätzung. Die den Antragsteller belastende Angabe wurde von der Zeugin nicht widerrufen. Vielmehr erklärten die Zeugin wie auch deren Mutter die spätere Verweigerung von Angaben ausschließlich mit den guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu den Eltern des Antragstellers. Der Antragsteller hat im Ermittlungsverfahren diesen Vorwurf zwischenzeitlich im Kern eingeräumt und wendet letztlich schuldmindernde Umstände ein.

Die Ermittlungsverfahren aus den Jahren 2005 und 2006 sind in die Prognose, ob der Antragsteller auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben wird, einzubeziehen. Diese Vorgänge bekräftigen die Annahme einer der kriminalpolizeilichen Einschätzung entsprechenden inneren Einstellung bzw. charakterlichen Veranlagung des Antragstellers.

Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, das es sich um Delikte im Zusammenhang mit Kleinkrafträdern handelt, die sich als "jugendtypische" Verfehlungen bewerten lassen. Dies bringt indes nur zum Ausdruck, dass derartige Verfehlungen von Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen besonders häufig begangen werden und lenkt den Blick auf die hierfür bestehenden Gründe, insbesondere einem ausgeprägten Wunsch nach motorisierten Fahrzeugen einerseits sowie fehlenden Fahrerlaubnissen bzw. finanziellen Mitteln andererseits. Eine das vorwerfbare Verhalten relativierende Bewertung stellt dies nicht dar. Auch kann dieses Moment für die Würdigung, ob die Verfehlungen einen Rückschluss auf eine innere Einstellung oder charakterliche Veranlagung des Täters bezüglich künftig von ihm zu erwartender Rechtstreue zulassen, erst nach Abschluss dieser Lebensphase bei entsprechend fortgeschrittenem Lebensalter des Betreffenden Bedeutung gewinnen. Im vorliegenden Zusammenhang ist aber das Verhalten des gerade neunzehnjährigen Antragstellers zeitnah zu bewerten. Der Umstand, dass sich der Antragsteller zur Tatzeit erst im 16. Lebensjahr befunden hat, schmälert die Aussagekraft der Schlussfolgerung auf seine charakterliche Veranlagung und seine Einstellung gegenüber der Rechtsordnung deshalb nicht. Auch zum Zeitpunkt der Anlasstat war der Antragsteller noch Jugendlicher (17 Jahre), so dass alle Ermittlungsverfahren dieselbe Sozialisationsphase des Antragstellers betreffen. Zwischen den Tatgeschehen liegt somit weder ein besonders langer Zeitraum noch besteht Anlass zu der Annahme, die persönliche Entwicklung des Antragstellers zeige keinen kontinuierlichen Verlauf. Vielmehr ist festzustellen, dass sich seine Verfehlungen maßgeblich von den Verhaltensweisen der weit überwiegenden Mehrheit der Jugendlichen unterschieden haben. Insoweit ist es ein der Bewertung zugänglicher besonders gelagerter Sachverhalt, dass der Antragsteller ein nicht versichertes und nicht zugelassenes Kleinkraftrad ohne Fahrerlaubnis unter Verwendung eines fremden Kennzeichens im Straßenverkehr gefahren hat, bei dem die Betriebserlaubnis aufgrund technischer Veränderungen erloschen war. Dieser Vorfall gibt zudem in besonderer Weise zu der Vermutung Anlass, dass der Antragsteller auch zukünftig bereit sein wird, aus Eigeninteresse auch gegen Strafvorschriften zu verstoßen, weil er aus diesem Vorfall entgegen seiner Beteuerung bei der Vernehmung nichts gelernt hat. Dies hat er bereits wenige Monate später bewiesen, indem er abermals ein nicht zugelassenes Kleinkraftrad im Straßenverkehr führte, ohne zwischenzeitlich eine Fahrerlaubnis erworben zu haben. Der Antragsteller hat somit wiederholt die Bereitschaft gezeigt, sich auch über strafbewehrte Verhaltensnormen hinweg zu setzen. In der Zusammenschau mit der Anlasstat trägt dies - da Umstände fehlen, die eine grundlegende Verhaltensveränderung nahe legen könnten - die Befürchtung, dass sich der Antragsteller auch künftig so verhalten wird.

Die dem Antragsteller zur Last gelegten Vorfälle lassen sich auch nicht als Bagatelldelikte abtun. Dies verbietet sich aufgrund der in den zugrunde liegenden Tatgeschehen zum Ausdruck gelangenden nicht unerheblichen kriminellen Energie einerseits sowie seinem von ausgeprägter Intoleranz getragenen Verhalten gegenüber Andersdenkenden andererseits. Auch scheint die Erwartung unbegründet, ein Verzicht auf erkennungsdienstliche Maßnahmen könne zu künftig rechtstreuem Verhalten des Antragstellers beitragen.

Auf das erneute Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung kommt es damit nach alledem nicht an. Es kann dahingestellt bleiben, ob der in jenem Verfahren verfolgte, vom Antragsteller in Abrede gestellte Tatvorwurf gegenwärtig bereits hinreichend ermittelt ist.

Es bestehen keine Zweifel an der Eignung der dem Antragsteller abverlangten erkennungsdienstlichen Unterlagen, künftige - den Betroffenen schließlich überführende oder entlastende - Ermittlungen zu fördern. Die zu erhebenden Daten entsprechen dem aus kriminalpolizeilicher Erfahrung erwachsenen erkennungsdienstlichen Standard. Eine deliktstypische oder schutzgutspezifische Gefährdungslage, die die Erhebung einzelner Merkmale überflüssig erscheinen ließe, ist nach Lage der Dinge nicht festzustellen.

Die Antragsgegnerin hat die Maßnahmen im Einzelnen benannt und - mit der Begrenzung auf erkennungsdienstliche Standardmaßnahmen - auf das notwendige Maß beschränkt, so dass die Schwere des mit diesen Maßnahmen verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses namentlich an der Aufklärung künftiger Straftaten steht. (vgl. Urt. des Senats v. 28.6.2007 - 11 LC 372/06 -, juris, und v. 28.9.2006 - 11 LB 53/06 -, Nds. VBl. 2007, 42).

Soweit die Antragsgegnerin auf der Grundlage ihrer Anordnung die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale des Antragstellers beabsichtigt, wird zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass als Maßnahmen nach § 81 b StPO alle Identifizierungsmaßnahmen in Betracht kommen, die - ohne dass es einer körperlichen Untersuchung im Sinne des § 81 a Abs. 1 StPO bedarf - der Feststellung der körperlichen Beschaffenheit dienen. Es dürfen das Aussehen, Körperteile und -merkmale sowie sonstige für die Individualität einer Person signifikante dauerhafte Persönlichkeitsgegebenheiten fotografiert, vermessen oder in anderer Weise registriert werden (vgl. BGH, Urt. v. 9.4.1986 - 3 StR 551/85 -, NJW 1986, 2261 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.1.2006 - 2 O 198/05 -, V. n. b.). Die Feststellung äußerlich ohne Weiteres erkennbarer körperlicher Merkmale kann dementsprechend grundsätzlich auch eine Betrachtung des Körpers umfassen, die ein Entkleiden des Beschuldigten erfordert, solange nähere Untersuchungen des Körpers, insbesondere des Intimbereichs, nicht erfolgen (Nds. OVG, Urt. v. 28. Juni 2007 - 11 LC 372/06 -; B. v. 14.2.2008 - 11 LB 332/07 -).

Zutreffend hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die der Anordnung zugrunde liegende Gefahrprognose typischerweise die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit in sich trägt. Die Gefährdungslage besteht bereits bei Erlass der Anordnung. Schon für die Dauer des Klageverfahrens besteht das öffentliche Interesse an der effektiven Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Dahinter muss das Interesse des Antragstellers, einstweilen von der angefochtenen Maßnahme verschont zu bleiben, regelmäßig zurück treten. Erweist sich die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung im Klageverfahren als rechtswidrig, werden die erkennungsdienstlichen Unterlagen alsbald vernichtet, so dass keine fortdauernde Beeinträchtigung des Betroffenen abzusehen ist. Ebenso wenig steht zu erwarten, dass die (vorläufige) Verwendung der erkennungsdienstlichen Unterlagen - rechtstreues Verhalten des Betroffenen unterstellt - zu einer anhaltenden bzw. nicht wieder gut zu machenden Beeinträchtigung führt. Vorliegend sind keine Umstände erkennbar, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlass gäben.

Ende der Entscheidung

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