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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.06.2008
Aktenzeichen: 12 LA 301/07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 101 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger ist als Erbe seiner Eltern Eigentümer des Grundstücks D. in E. (Flurstück 178 der Flur 2, Gemarkung E.). Das Grundstück mit der (ehemaligen) Hofstelle verfügte früher bei km 3,480 über eine direkte Zufahrt zur Bundesstraße F., die in dem Planfeststellungsverfahren für den vierspurigen Ausbau der B F. seinerzeit lediglich für die Hofstelle (Flurstück 178) gestattet worden war. Auf dem Nachbargrundstück (Flurstück 183/4, Flur 2, Gemarkung E.) betreibt der Kläger einen Gartenbaubetrieb. Die ihm unter dem 15. Oktober 1997 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Gewächshauses und einer Lagerhalle enthält u. a. den Hinweis, dass ein Zugang zu dem Betriebsgrundstück von der B 217 her vermieden werden müsse, das Grundstück daher mit einer 2,50 m hohen stabilen Einfriedung zu versehen sei und der An-, Ausliefer- und Kundenverkehr ausschließlich von der nordöstlichen Einmündung des Wirtschaftsweges in die Stadtstraße "Hauptstraße" rechtsaus- bzw. linkseinbiegend erfolgen dürfe. Bei örtlicher Feststellung, dass zusätzlicher Verkehr über die alte, bei ca. km 3,480 gelegene Zufahrt entstehe, werde diese geschlossen. Im Jahr 1998 wurde das damalige Straßenbauamt G. von der Straßenmeisterei H. darauf aufmerksam gemacht, dass die bezeichnete Zufahrt von Kunden des benachbarten Gartenbaubetriebes genutzt und in dem Abschnitt der B 217 eine durchgezogene Mittelmarkierung sowie das Schließen der Zufahrt mit Schutzplanken aus Gründen der Verkehrssicherheit für erforderlich gehalten werde. Daraufhin wurde die Zufahrt durch Aufstellen von Schutzplanken geschlossen.

Nachdem der Kläger im Jahre 2004 gebeten hatte, die Öffnung der Zufahrt zu prüfen, lehnte die Beklagte dies mit Schreiben vom 2. Februar 2005 ab, weil die Wiederherstellung des früheren Zustandes erneut verkehrsgefährdende Situationen herbeiführen werde und die Nutzung des Grundstücks auch ohne diese Zufahrt gewährleistet sei. Die dagegen und mit dem Antrag erhobene Klage, die Beklagte zu verpflichten, die auf ihre Veranlassung aufgestellte Leitplanke in der Grundstückszufahrt zu beseitigen, hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beseitigung der Leitplanke in der Zufahrt zu dem von ihm genutzten Grundstück I.. Die Erreichbarkeit des Grundstücks und damit der sogenannte Anliegergebrauch seien hinreichend gewährleistet. Das Grundstück D. sei jedenfalls über die bei km 3,850 befindliche Wegeüberfahrt in ausreichendem Maße erschlossen. Mit der Nutzung dieser Zufahrt verbundene Erschwernisse habe der Kläger angesichts der Lage seines Grundstücks außerhalb geschlossener Ortslagen hinzunehmen. Da diese Zufahrt allein das von ihm zu Wohnzwecken genutzte Hausgrundstück verkehrlich erschließe und darüber hinaus allenfalls von landwirtschaftlichem Verkehr der Mitglieder des Realverbandes E. genutzt werde, sei unter Berücksichtigung des Vorranges überregionaler Verkehrsbeziehungen auf der Bundesstraße nach den konkreten Umständen eine angemessenen Nutzung möglich und ausreichend. Auf eine optimale Nutzung seines Grundeigentums durch eine bestimmte Ausstattung der Zufahrt und der damit einhergehenden Erhöhung der Veräußerungschancen habe der Kläger keinen Anspruch. Eine mögliche Verbesserung der verkehrlichen Situation und Verringerung der Gefährdung für die Anlieger des Grundstücks D. liege im Ermessen der zuständigen Straßenbehörde. Bei einer Veräußerung des Grundstücks mit einer Nutzungsänderung habe die Behörde ohnehin unter den dann gegebenen Umständen neu über die ausreichende Zugänglichkeit und eine möglicherweise dann erforderliche Sondernutzungserlaubnis zu entscheiden. Die nach dem unstreitigen Vorbringen ca. 4 m breite für landwirtschaftlichen Verkehr ausgestaltete asphaltierte Wegeüberfahrt ermögliche nach den räumlichen Gegebenheiten erst recht das Befahren mit einem normalen Pkw als verkehrliche Erschließung der nach dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu reinen Wohnzwecken genutzten ehemaligen Hofstelle.

II.

Der gegen dieses Urteil gerichtete Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

Der Kläger rügt - allerdings ohne ausdrückliche Berufung auf einen benannten Zulassungsgrund in § 124 Abs. 2 VwGO - die Verletzung seines Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs und wendet sich gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Es kann dahinstehen, ob der Zulassungsantrag damit den Darlegungserfordernissen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entspricht. Jedenfalls rechtfertigt der Vortrag des Klägers gemessen an den Anforderungen des § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung nicht.

1. Der Kläger erblickt eine Verletzung seines Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs darin, dass das Verwaltungsgericht nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 23. August 2006 ohne weitere Verhandlung ein Urteil verkündet habe. Da die Frage der Behelfszufahrt bei km 3,850 erst nach der mündlichen Verhandlung problematisiert worden sei, hätte dieser Vortrag ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung unberücksichtigt bleiben müssen. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt darin ein Verfahrensmangel nicht.

Der Kläger bezieht sich zur Begründung seiner Auffassung u. a. auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 1.3.1995 - 8 C 36.92 -, NJW 1995, 2303), in der es heißt, ein Gericht verstoße gegen den Grundsatz der Mündlichkeit, wenn es nach Schluss der mündlichen Verhandlung in dem dort anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung die Ablehnung förmlicher Beweisanträge verkünde, den Beteiligten eine Äußerungsfrist setze, in deren Rahmen neue Tatsachen vorgebracht würden, und dann dieses neue Vorbringen ohne weitere mündliche Verhandlung seinem Urteil zugrunde lege. Um eine derartige Fallgestaltung handelt es sich hier nicht. Der Kläger übersieht dabei insbesondere, dass er und die Beklagte am Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. August 2006 ausdrücklich den Verzicht auf eine weitere mündliche Verhandlung erklärt haben, nachdem der Beklagten die Vorlage eines Schriftsatzes zu den Eigentumsverhältnissen an den betroffenen Wegeparzellen nachgelassen worden war und die Beteiligten erklärt hatten, sich um eine einvernehmliche Lösung hinsichtlich einer möglichen Wiederherstellung der geschlossenen Zufahrt bemühen zu wollen. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO ist eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung. Allerdings bezieht er sich seinem Inhalt nach lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird - wenn diese kein abschließendes Urteil ist - dadurch verbraucht. Eine derartige Zwischenentscheidung des Verwaltungsgerichts ist hier nicht ergangen. Im Übrigen steht es im Ermessen des Gerichts, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang dafür einzustehen, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erforderlich sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.3.2006 - 7 B 90.05 -, juris). So verhielt es sich hier nicht. Die Beklagte hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung mit Schriftsatz vom 13. September 2006 die nachgelassene Stellungnahme zu den Eigentumsverhältnissen an den Wegeparzellen des Realverbandweges abgegeben. Sie hat ferner in diesem und in weiteren Schriftsätzen vom 15. Oktober 2006 und 26. Januar 2007 die Auffassung vertreten, dass das Grundstück des Klägers D. in ausreichendem Maße über die Wegeüberfahrt bei km 3,850 erschlossen werde. Es kann dahinstehen, ob diese Zufahrtsmöglichkeit bereits - wie die Beklagte vorträgt - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Jedenfalls führte eine - unterstellte - Änderung der Prozesslage nicht von selbst zur Unwirksamkeit eines einmal erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung. Namentlich ist im Verwaltungsprozess nicht über § 173 Satz 1 VwGO die Vorschrift des § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO anwendbar, wonach bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage der Verzicht auf mündliche Verhandlung widerruflich ist. Für eine Anwendung des § 128 ZPO ist angesichts der eigenständigen Regelung in § 101 Abs. 2 VwGO über das Verfahren der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung kein Raum (vgl. BVerwG, a. a. O., m. w. N.).

Überdies hatte der Kläger Gelegenheit, sich zu diesem Vortrag der Beklagten auch ohne weitere mündliche Verhandlung schriftlich zu äußern. Davon hat er mit Schriftsätzen vom 18. Dezember 2006 und 14. Mai 2007 Gebrauch gemacht. Dass der Kläger mit Schriftsätzen vom 14. Mai und 12. Juni 2007 um Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins gebeten und in dem erstgenannten Schriftsatz zudem die Durchführung eines Ortstermins angeregt hat, deutet nicht darauf hin, dass er zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs eine mündliche Verhandlung erforderlich gehalten hat. Vielmehr ging es dem Kläger zum einen offenbar darum, dass das Verwaltungsgericht sich einen Eindruck von den örtlichen Verhältnissen verschaffe. Im Vordergrund stand zum anderen der Wunsch, nunmehr baldmöglichst eine Entscheidung zu erhalten; dafür spricht auch, dass in dem Schriftsatz vom 12. Juni 2007 der Sachverhalt als ausreichend aufgeklärt und der Rechtsstreit als entscheidungsreif bezeichnet wird. Wenn das Verwaltungsgericht unter diesen Umständen und unter Hinweis auf eigene Ortskenntnis einen Ortstermin und auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat, kann diese Beurteilung nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, zumal - wie dargelegt - nicht erkennbar war, dass bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren das rechtliche Gehör des Klägers beeinträchtigt sein könnte.

Im Übrigen setzt die erfolgreiche Rüge der Gehörsverletzung voraus, dass der Kläger darlegt, was er bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen und inwiefern dies zu einer ihm günstigen Entscheidung geführt hätte. Daran fehlt es hier (vgl. dazu nachfolgend unter 2.).

2. Soweit sich der Kläger unter Berufung auf materielle Mängel gegen den Inhalt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wendet, werden ernstliche Zweifel an deren Richtigkeit nicht im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beseitigung der Leitplanke und Wiederherstellung der Zufahrt in Höhe des Grundstücks D. bei km 3,480, weil die ausreichende Erschließung dieses Grundstücks auf anderem Wege, nämlich über die bei km 3,850 befindliche Wegeüberfahrt, gewährleistet sei. Dem hält der Kläger entgegen, dass diese Zufahrt mit 4 m nicht breit genug sei und überdies ein erhebliches Gefährdungspotenzial aufweise. Damit benennt der Kläger indes keine Umstände, die das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen hätte.

Dass die ca. 4 m breite, insbesondere dem landwirtschaftlichen Verkehr dienende Wegeüberfahrt und Zuwegung bei km 3,850 nicht geeignet sein soll, die verkehrliche Erschließung des Grundstücks D. im erforderlichen Rahmen zu gewährleisten, überzeugt nicht. Auf den Umstand, dass der Kläger dieses Grundstück auch für seinen Gartenbaubetrieb nutzt, kommt es nicht an, weil dieser Betrieb über den im Eigentum des Realverbandes J. stehenden, Richtung Nordosten verlaufenden Wirtschaftsweg erschlossen wird.

Davon abgesehen hat die Beklagte wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, die Wegeüberfahrt - auf maximal 8 m - zu verbreitern (siehe dazu bereits Schriftsatz vom 15.10.2006) und damit die Zugänglichkeit wie im Übrigen auch die Sichtverhältnisse durch Rückschnitt der vorhandenen Bäume zu verbessern. Die Beklagte verkennt dabei ersichtlich nicht, dass die Überfahrt, die offenbar seit langem vor allem von landwirtschaftlichen Fahrzeugen benutzt wird, wie jede Zufahrt an einer Bundesstraße ein gewisses Gefahrenpotenzial mit sich bringt. Sie sieht darin jedoch eine vertretbare, der Verkehrssicherheit genügende Lösung, weil durch die Reduzierung der Zufahrten und die Beschränkung der Abbiegemöglichkeiten die Gefahren vermindert werden. Das ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Demgegenüber war Anlass für die Schließung der früheren Zufahrt in Höhe des Grundstücks D. bei km 3,480 gerade der Befund, dass es durch eine genehmigungswidrige Nutzung durch Kunden und Lieferanten des Gartenbaubetriebs des Klägers wiederholt zu gefährlichen Situationen gekommen war. Gerade diese Gefahren, die nach dem Inhalt der dem Kläger unter dem 15. Oktober 1997 erteilten Baugenehmigung von vornherein hatten vermieden werden sollen, waren für die Straßenbaubehörde Anlass, die streitige Zufahrtsmöglichkeit im Interesse der Verkehrssicherheit zu beseitigen. Mit ähnlichen Gefahren müsste aber wieder gerechnet werden, wenn die Zufahrt erneut geöffnet würde, zumal wenn das Grundstück D. - wie der Kläger erneut klargestellt hat - auch für seinen Gartenbaubetrieb genutzt wird. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass eine der Baugenehmigung entsprechende und die Gefahrensituationen an der bezeichneten Stelle vermeidende Lage auch bei Öffnung der Zufahrt zuverlässig sichergestellt wäre. Dass sich die Sichtverhältnisse in Höhe der Wegeüberfahrt bei km 3,850 (erheblich) ungünstiger darstellen, als dies im Bereich der streitigen vormaligen Zufahrt der Fall ist, erschließt sich dem Senat im Übrigen auch unter Berücksichtigung des vorliegenden Kartenmaterials und der vom Kläger eingereichten fotografischen Aufnahmen nicht. Zudem hat - wie erwähnt - die Beklagte angeboten, die Sichtverhältnisse durch Rückschnitt der vorhandenen Bäume zu verbessern.

Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen auch nicht insoweit, als das Verwaltungsgericht ferner festgestellt hat, der Kläger habe auf eine optimale Nutzung seines Grundeigentums durch eine bestimmte Ausstattung der Zufahrt und eine damit einhergehende Erhöhung der Veräußerungschancen keinen Anspruch, sondern müsse Erschwernisse angesichts der Lage an der Bundesstraße außerhalb geschlossener Ortschaften hinnehmen. Gleichermaßen zutreffend ist die weitere Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass bei einer Veräußerung des Grundstücks mit einer beabsichtigten Nutzungsänderung die zuständige Behörde unter den dann gegebenen Umständen ohnehin über die sich stellenden Fragen zu befinden hätte.

Ende der Entscheidung

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