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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 13 KN 52/04
Rechtsgebiete: NDG, WVG


Vorschriften:

NDG § 7
NDG § 9
WVG § 23
WVG § 79
WVG § 88
Deichverbände nach dem Nds. Deichgesetz unterliegen nicht den Regelungen des Wasserverbandsgesetzes
Tatbestand:

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstückes in H. I., J. K., Flurstück L. /M.. Dieses liegt etwa 800 m nordwestlich der "Hunte" und innerhalb des Geltungsbereiches einer Verordnung der Bezirksregierung Oldenburg vom 17. November 1993, mit der diese die Grenzen des "deichgeschützten Gebietes" des II. Oldenburgischen Deichbandes (Beigeladener) neu festgesetzt hat, und zwar unter Änderung einer entsprechenden Verordnung vom 20. September 1977 (§ 2 Abs. 1 lit. b), nach der die Antragstellerin offenbar nicht zu diesem Gebiet gehört hatte. Durch die auf §§ 1, 6 und 9 des Niedersächsischen Deichgesetzes - NDG - (idF vom 16.7.74 - GVBl. S. 387 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.10.93 - GVBl. S. 443 -) gestützte Verordnung wurde die Klägerin "deichpflichtig" ("zur gemeinschaftlichen Deicherhaltung verpflichtet") i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 NDG und als solche Mitglied des Beigeladenen (§ 9 Abs. 1 NDG). Nach dessen Angaben wurde sie in den Jahren 1988 bis 1992 und wird sie ab 1995 zu Mitgliedsbeiträgen veranlagt. (Die frühere Veranlagung beruht auf entsprechenden Vorgängerverordnungen, die jeweils für unwirksam erklärt worden sind.)

Am 28. April 1994 hat die Antragstellerin gegen die o.g. Verordnung einen Normenkontrollantrag gestellt mit dem Ziel, sie (wiederum) (insgesamt, hilfsweise zum Teil) für nichtig zu erklären. Sie hat gemeint, das im Einzugsgebiet der Hunte liegende Gebiet der Stadt Oldenburg sei zu Unrecht in das Verbandsgebiet des Beigeladenen aufgenommen worden. Grund dafür sei das "Huntesperrwerk", das dem Hochwasserschutz der Stadt dienen solle, "um bei hohen Wasserständen in der Nordsee und in der Weser das anfallende Oberwasser in die Weser pumpen zu können und um die Wasserstände in den vorhandenen Überschwemmungsgebieten (Poldern) zu regulieren". Soweit es, wenn es geschlossen sei, darüber hinaus auch die Funktion eines Hauptdeiches erfülle, sei dies nur eine mittelbare Folge, die es nicht erlaube, das im Einzugsbereich der Hunte liegende Oldenburger Stadtgebiet in das Verbandsgebiet des Beigeladenen aufzunehmen, soweit es unterhalb bestimmter Höhenlinien liege. Ihr Grundstück liege unmittelbar am Rande des Donnerschwer Polders gleichsam auf einer künstlich angelegten Warft. Für das dort errichtete Haus sei ein Keller seinerzeit nicht ausgehoben worden, vielmehr habe das Gelände aufgeschüttet werden müssen, weil sonst ein Anschluss an den Schmutzwasserkanal nicht möglich gewesen wäre. Mündlich sei noch verlangt worden, dass der Fußboden oberhalb der Höhe des "maßgeblichen Sturmflutwasserstandes" liege.

Demgegenüber hat der Antragsgegner angegeben, das von der Verordnung vom 17. November 1993 erfasste Gebiet werde durch die Hauptdeiche an Weser und Hunte sowie das Huntesperrwerk ("in Zusammenwirken mit den Poldern") gegen Sturmfluten geschützt. Das Huntesperrwerk diene allein diesem Zweck und habe nicht (auch) die Funktion eines Schöpfwerkes. Das "geschützte Gebiet" nehme den Vorteil der Küstenschutzanlagen insgesamt in Anspruch.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2001 - 7 KN 56/01 - hat der seinerzeit zuständige (7.) Senat des erkennenden Gerichts dem Antrag entsprochen und die Verordnung vom 17. November 1993 (insgesamt) für nichtig erklärt, was er wie folgt begründet hat:

Der Antrag sei zulässig, da die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung erfülle, wonach Voraussetzung für einen Normenkontrollantrag sei, dass durch die zu überprüfende Rechtsvorschrift ein Nachteil erlitten oder zu erwarten sei; denn die Antragstellerin sei durch die streitige Verordnung oder - wie der Antragsgegner annehme - durch ihre Anwendung Mitglied des Beigeladenen geworden. Nach § 9 Abs. 1 NDG seien Mitglieder eines Deicherhaltungsverbandes die nach § 6 Abs. 1 NDG "Deichpflichtigen", d.h. die "Eigentümer aller im Schutz der Deiche und Sperrwerke gelegenen Grundstücke" (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NDG). Der Umfang des "geschützten Gebietes" werde dabei durch eine Verordnung der oberen Deichbehörde bestimmt (§ 6 Abs. 2 und 3 NDG). Die dingliche Mitgliedschaft der Antragstellerin sei entweder durch die streitige Verordnung selbst begründet worden oder (was der Antragsgegner annehme) durch deren Anwendung, indem sie "in einem wasserverbandsrechtlichen Heranziehungsverfahren gemäß § 23 Abs. 2 WVG begründet" werde. Auch im letzteren Falle stehe der Antragstellerin ein Antragsinteresse zur Seite, da bei Nichtigkeit der Verordnung vom 17. November 1993 die Voraussetzung für einen "Heranziehungsbescheid des Landkreises Wesermarsch" entfallen würde.

Der Antrag sei auch begründet. Die streitige Verordnung beruhe auf einer unwirksamen gesetzlichen Grundlage. Soweit § 6 Abs. 3 Satz 1 NDG die Ermächtigung enthalte, (durch Verordnung) die Grenzen des deichgeschützten Gebietes der durch das NDG gegründeten Deichverbände zu ändern, sei diese Bestimmung mit Inkrafttreten des Wasserverbandsgesetzes - WVG - (vom 12.2.91, BGBl. I S. 405) am 1. Mai 1991 gemäß Art. 31 GG "derogiert" worden. Denn diese Bestimmung verstoße gegen die Vorschriften des WVG "über die Heranziehung von Personen zur Mitgliedschaft in einen Wasser- und Bodenverband, die Erweiterung einer bestehenden Mitgliedschaft oder die Aufhebung der Mitgliedschaft von Verbandsmitgliedern".

Nach den Regelungen des § 6 NDG bewirke jede Änderung der Grenzen des geschützten Gebietes durch Verordnung unmittelbar eine Änderung des Mitgliederbestandes eines Deichverbandes; einer zusätzlichen Maßnahme nach Wasserverbandsrecht in Gestalt einer Zuweisung durch Verwaltungsakt bedürfe es (entgegen der Annahme des Antragsgegners) nicht. Danach seien durch die Verordnung vom 17. November 1993 die Grundstückseigentümer "zur Mitgliedschaft herangezogen" worden, deren Grundstücke nach der (vorhergehenden) Verordnung vom 20. September 1977 außerhalb belegen gewesen seien (Erhöhung der "Höhenlinie" von 5 m auf 6 m sowie Einbeziehung des durch das Hunte-Sperrwerk geschützten Gebietes). Diese Begründung der Mitgliedschaft widerspreche § 23 WVG. Danach könne ein "Dritter" auf Antrag durch Entscheidung des Verbandsvorstandes als Mitglied in einen Verband aufgenommen (Abs. 1) oder dazu gegen seinen Willen - durch die Aufsichtsbehörde - herangezogen (Abs. 2) werden, also durch Verwaltungsakt. Eine Befugnis des Landesgesetzgebers, die Heranziehung zur Mitgliedschaft in einem Deichverband davon abweichend zu regeln, bestehe nicht, da der Bund insoweit von seiner Zuständigkeit im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe. Die Übergangsvorschrift des § 79 WVG stehe der Anwendung von § 23 WVG nicht entgegen.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht diese zugelassen, da der Frage, "ob die Heranziehung von Personen gegen ihren Willen zur Mitgliedschaft in einem bestehenden Deichverband gemäß § 23 Abs.2 WVG durch Verwaltungsakt erfolgen muss oder aufgrund ergänzender landesrechtlicher Regelung durch Verordnung geschehen kann", grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Mit Urteil vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 7 CN 3.02 - (Parallelurteil 7 CN 2.02 = NVwZ-RR 2003, 334 = NUR 2004, 452) hat es das Urteil vom 20. Dezember 2001 dann aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die angenommene Unvereinbarkeit bestehe nicht.

Mit § 23 WVG habe der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Küstenschutzes (Art. 74 Nr. 17 GG) "nicht in einem Regelungsbereich abschließend Gebrauch gemacht, der Gegenstand der Ermächtigung in § 6 Abs. 3 Satz 1, § 9 Abs. 3 Satz 1 NDG ist". § 23 bestimme, wer unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise Mitglied in einem bereits bestehenden Wasser- und Bodenverband werde (organisations- und mitgliedschaftsrechtliche Regelung). Dagegen regele § 6 Abs. 3 Satz 1 NDG als Vorschrift des materiellen Deichrechts mit Bezug auf die nach § 6 Abs. 1 NDG Deichpflichtigen, wer in welcher Form das Gebiet festlegen dürfe, das von einem Deich oder Sperrwerk geschützt werde. Der durch Deiche und Sperrwerke geschützte Bereich habe (als solcher?) "noch keinen Bezug zu einem bestimmten Deichverband". § 6 Abs. 3 Satz 1 NDG ordne nicht an, dass die Eigentümer von Grundstücken im geschützten Bereich "Mitglieder des Deichverbandes werden und ermächtigt den Verordnungsgeber auch nicht zu einer solchen Regelung". Dass die Änderung der Grenzen des geschützten Gebietes "zugleich und ohne weiteres" die Mitgliedschaft in einem Deichverband begründe, leite das Oberverwaltungsgerichts aus der Dinglichkeit der Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband her, die in § 4 Abs.1 Nr.1 WVG geregelt sei. Aus der "bundesrechtlich geordneten" Dinglichkeit der Mitgliedschaft folge "indes nicht, dass die deichpflichtigen Eigentümer schon deshalb Mitglieder eines Deichverbandes sind". Die "Verdinglichung" sage nichts darüber aus, auf welche Weise ein Eigentümer (erstmals) Mitglied in einem Wasser- und Bodenverband werde. Das WVG kenne eine Mitgliedschaft kraft Gesetzes nicht. Dass die Grundstückseigentümer im geschützten Gebiet Mitglieder der Deichverbände seien, ordne (in Niedersachsen) vielmehr § 9 Abs. 1 Satz 1 NDG an. Erst diese Norm regele damit einen Gegenstand, der möglicherweise in § 23 Abs. 2 WVG eine abschließende bundesgesetzliche Regelung gefunden habe. Nur insoweit könne sich die Frage nach der Nichtigkeit stellen. Eine etwaige Nichtigkeit von § 9 Abs. 1 Satz 1 NDG erstrecke sich aber nicht auf § 6 Abs. 3 Satz 1 NDG, da beide Vorschriften nicht untrennbar miteinander verbunden seien. Eine Verordnung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 NDG konkretisiere (lediglich) für den Einzelfall die materielle Deichpflicht. Bei einer etwaigen Unvereinbarkeit des § 9 Abs. 1 Satz 1 NDG mit § 23 Abs. 2 WVG regele die Verordnung nach § 6 Abs.3 "im Zusammenwirken mit § 6 Abs. 1 NDG für die dann erforderliche Heranziehung nach § 23 WVG verbindlich, auf welche Personen die materiellen Voraussetzungen ihrer Heranziehung zutreffen", eine Frage, die "zuvörderst eine solche des jeweiligen Fachrechts, hier des Deichrechts, (sei), das im Wasserverbandsgesetz nicht geregelt" sei.

In dem nach Zurückverweisung wieder eröffneten Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht, das den betreffenden Deichverband beigeladen hat, tragen die Beteiligten nunmehr folgendes vor:

Die Antragstellerin ist weiterhin der Meinung, dass die Verordnung vom 17. November 1993 nichtig sei. Das ergebe sich aus der Nichtigkeit des § 9 Abs. 1 NDG, wo im Widerspruch zu § 23 WVG bestimmt sei, dass die nach § 6 NDG Deichpflichtigen Verbandsmitglieder seien. Mit der Festlegung der konkreten Deichpflicht regele die streitige Verordnung auch die Verbandsmitgliedschaft, indem sie "unausgesprochenermaßen, aber zwingend" an § 9 Abs. 1 NDG anknüpfe. Sie schaffe die "Voraussetzungen für die Konkretisierung der 'gesetzlichen' Mitgliedschaft im Einzelfall" und nehme deshalb an der Unwirksamkeit des § 9 Abs. 1 NDG teil. Diese bedeute, dass "ausschließlich die Aufsichtsbehörde nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 WVG unter bestimmten Voraussetzungen Personen gegen ihren Willen zur Mitgliedschaft in einem bestehenden Verband ... heranziehen" könne. Soweit entsprechende Heranziehungsbescheide hier ergangen seien, - und nicht zugleich Beitragsbescheide -, sei das nicht ausreichend, da damit "einfach nur die Rechtsverordnung nach (ge)zeichnet" worden sei, ohne Prüfung des Einzelfalles und Anhörung des Betroffenen. Dadurch könne gegen das "Vorteilsprinzip", das auch in § 23 Abs. 2 WVG enthalten sei, verstoßen worden sein. Das gelte auch im Hinblick auf die Verordnung vom 17. November 1993.

Die Antragstellerin beantragt,

die "Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Festsetzung der Grenzen des deichgeschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes vom 20.9.1977 (ABl Nds. VB OL S. 546)" vom 17. November 1993 (AB RB W-E S. 1299) für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, dass das Grundstück der Antragstellerin eindeutig unterhalb der "6-m-Höhenlinie" liege (und damit zurecht in die Verordnung vom 17.11.93 einbezogen worden sei); auch wenn es höher läge, wäre das unerheblich (§ 6 Abs. 1 Satz 3 NDG). - Zur Heranziehung der Deichpflichtigen (§ 6 Abs. 1 NDG) zu Beiträgen gibt der Antragsgegner an, dass es 1994 streitig gewesen sei, ob die Mitgliedschaft beim Beigeladenen bereits kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 1 NDG) begründet worden sei, oder ob es dafür noch eines "Einzelaktes im Sinne des § 23 Abs. 2 WVG" bedurft habe. Deshalb habe der Landkreis Wesermarsch (als Untere Deichbehörde) vorsichtshalber allen Deichpflichtigen - auch der Antragstellerin - gegenüber einen Heranziehungsbescheid "auf der Grundlage der §§ 9 Abs. 1 NDG und § 23 Abs. 2 WVG" erlassen; insoweit seien noch zahlreiche Widerspruchsverfahren anhängig, über die erst nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens entschieden werden solle. Daneben habe der Beigeladene Beitragsbescheide erlassen. -Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003 meint der Antragsgegner, dass die Verordnung vom 17. November 1993 nicht weiter für nichtig erklärt werden könne, da die im Urteil vom 20. Dezember 2001 - 7 KN 56/01 - festgestellte Unvereinbarkeit mit § 23 WVG allenfalls § 9 Abs. 1 NDG betreffe, eine Bestimmung, die nicht Grundlage der Verordnung sei. Die Frage einer Rechtswidrigkeit des § 9 Abs. 1 stelle sich vorliegend daher nicht.

Der Beigeladene, der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, tritt dem Vorbringen des Antragsgegners bei.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag bleibt erfolglos. Er ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

Die Zulässigkeit des von der Antragstellerin am 28. April 1994 gestellten Normenkontrollantrages richtet sich nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.d.F. vom 23. November 1991 (BGBl I S. 686, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. November 1994 - BGBl I S. 3486). Danach (Abs. 1 Nr. 2) entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von "anderen im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt". Letzteres ist der Fall. Denn § 7 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur VwGO i.d.F. vom 1. Juli 1993 (GVBl. S. 175) bestimmt, dass das Oberverwaltungsgericht nach Maßgabe des § 47 VwGO auf Antrag über die Gültigkeit u.a. einer landesrechtlichen Verordnung entscheidet. Die Verordnung vom 27. November 1993 ist eine solche Verordnung und kann danach Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein.

Hinsichtlich der Antragsbefugnis setzt § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO voraus, dass der Antragsteller durch die betreffende Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Dieses ist hier der Fall.

Mit der Verordnung vom 17. November 1993 sind (gemäß § 6 Absätze 2 und 3 NDG) die Grenzen eines Gebietes erweitert worden, in dem die Grundstückseigentümer zur "gemeinschaftlichen Deicherhaltung verpflichtet" sind (§ 6 Abs.1 NDG). Die Antragstellerin ist von § 2 Abs. b der Verordnung erfasst worden, was sie bisher (Verordnung vom 20.9.77) nicht war. Die damit auf die Antragstellerin überkommenen Pflichten ergeben sich aus § 5 NDG und könnten insoweit als "Nachteil" i.S. von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO angesehen werden, wenn nicht § 7 NDG besondere "Träger der Deicherhaltung" (Deichverbände für Hauptdeiche, Wasser- und Bodenverbände für Hochwasserdeiche) bestimmte, die die Aufgaben der Deicherhaltung wahrnehmen und den "Deichpflichtigen" damit ihre Pflichten abnehmen. Insoweit liegt ein Nachteil der Antragstellerin durch die Verordnung danach tatsächlich nicht vor. Auch ihr Hinweis auf § 17 und § 22 Abs. 3 NDG vermag einen Nachteil nicht darzulegen. Denn die Duldungspflicht nach § 17 NDG ist nicht an die Deichpflicht gebunden. § 22 Abs. 3 Satz 1 NDG betrifft die Entnahme von "Deichboden" aus Flächen innerhalb des Gebietes eines Deichverbandes, die dieser dazu bestimmt hat und die zu diesem Zwecke vom Eigentümer zu erhalten sind (§ 22 Abs. 3 Satz 2 iVm § 21 Abs. 1 Satz 2 NDG); dass die Antragstellerin für ihr in Oldenburg gelegenes Grundstück dies (und damit einen Nachteil) "in absehbarer Zeit zu erwarten" hätte, ist aber nicht ersichtlich.

Indessen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 NDG die nach § 6 Deichpflichtigen gesetzliche Mitglieder der Deichverbände, so dass die Antragstellerin mit ihrer Einbeziehung in das vom Beigeladenen "deichgeschützte" Gebiet dessen Mitglied geworden ist. Damit ist sie dessen Regelungen unterworfen, insbesondere der Pflicht zur Leistung von Beiträgen. Insofern kann ihr Antrag als zulässig angesehen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Vorschrift des § 9 Abs.1 NDG rechtens ist oder nicht. Denn sie wird jedenfalls praktiziert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es zu einer Beitragserhebung erst kommen würde (gekommen ist), nachdem die Antragstellerin einen Bescheid nach § 23 Abs. 2 WVG erhalten hat, d.h. ihre Mitgliedschaft auf einem "Heranziehungsbescheid" der Aufsichtsbehörde beruhen würde. Denn es ist davon auszugehen, dass sich ein solcher ebenso auf die durch die Verordnung vom 17. November 1993 begründete Deichpflicht stützen würde (gestützt hat) wie die - zur unmittelbaren Beitragserhebung führende - Annahme einer schon durch die Verordnung selbst begründeten Mitgliedschaft.

Der damit zulässige Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Verordnung vom 17. November 1993 ist nicht (ganz oder teilweise) unwirksam.

Offensichtlich unstreitig entspricht sie der gesetzlichen Ermächtigung der § 6 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 9 Abs. 3 NDG. Danach (§ 6 Abs. 2 Satz 1 NDG idF vom 15.10.93 - GVBl. S. 443) bestimmt die obere Deichbehörde durch Verordnung (§ 6 Abs. 3 Satz 1 NDG) die Grenzen des durch "Hauptdeiche" und "Sperrwerke" geschützten Gebietes nach der Höhe des maßgeblichen Sturmflutwasserstandes (sowie den Verlauf der Grenze zwischen nebeneinanderliegenden Verbänden nach den örtlichen Gegebenheiten - § 9 Abs. 3), indem das geschützte Gebiet beschrieben wird. Das ist hier geschehen; der Verlauf der Grenze des betreffenden Gebietes ist im Einzelnen genau festgelegt worden; etwaige Unklarheiten sind weder dargetan noch ersichtlich. Gleiches gilt für die Frage, ob dieser Grenzverlauf den gesetzlichen Vorgaben (§ 7 Abs. 3 NDG iVm Abschnitt II der Anlage zu § 7; jetzt: § 7 Abs. 1 Satz 1 NDG idF vom 23.2.04 - GVBl. S. 83 - iVm Nr. 10 der Anlage zu § 7) entspricht.

Soweit der 7. Senat des erkennenden Gerichts in seinem Urteil vom 20. Dezember 2001 darauf abgestellt hat, dass durch die streitige Verordnung die Frage der Mitgliedschaft in einer Weise geregelt worden sei, die gegen § 23 Abs. 2 WVG verstoße, lässt sich diese Rechtsansicht nach dem Revisionsurteil vom 11. Dezember 2003 nicht mehr aufrechterhalten. Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. NVwZ-RR 2004, 334) hat dargelegt, dass die Verordnung vom 17. November 1993 lediglich den Kreis der Deichpflichtigen festlege, während sich die Folgen für die Mitgliedschaft aus § 9 Abs. 1 NDG ergeben, was fraglos zutrifft. Mangels Regelung der Mitgliedschaft kann daher in der Tat schon im Ansatz ein Widerspruch zwischen den Vorschriften, auf denen die Verordnung beruht (§ 6 und § 9 Abs. 3 NDG), und den Regelungen des § 23 WVG nicht in Betracht kommen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das niedersächsische Recht die Deichpflicht mit der Deichverbandsmitgliedschaft in der Weise verknüpft, dass das eine das andere zur Folge hat (§ 9 Abs. 1 NDG). Der auf diese Verknüpfung gestützten Argumentation der Antragstellerin, die im Grunde weiterhin die Position des 7. Senats im Urteil vom 20. Dezember 2001 vertritt, kann danach nicht gefolgt werden. Vielmehr muss der Antrag erfolglos bleiben.

Angesichts der Tatsache, dass § 9 Abs. 1 (a.F. und n.F.) für die Frage nach der Rechtmäßigkeit der hier angegriffenen Verordnung nach zutreffender Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, nichts hergibt, braucht auf diese Vorschrift an sich nicht weiter eingegangen zu werden. Insoweit sei indessen zum einen bemerkt, dass die Antragstellerin zu Unrecht davon ausgeht, dass diese Bestimmung nichtig sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat das auch nicht gesagt, sondern lediglich angemerkt, dass es diese Norm sei, die einen Gegenstand regele, "der möglicherweise in § 23 Abs. 2 WVG eine abschließende bundesrechtliche Regelung gefunden" habe. Damit hat es an die vom 7. Senat im Urteil vom 20. Dezember 2001 zum Ausdruck gebrachten Bedenken angeknüpft und insoweit - gewissermaßen außerhalb der Entscheidung - gemeint, "nur mit Blick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 NDG" könne "sich die Frage einer Nichtigkeit mangels (fortbestehender) Gesetzeskompetenz des Landes stellen." Zwar ist die Klärung dieser Frage - offenbar entgegen der Ansicht der Antragstellerin - nicht Aufgabe des vorliegenden Normenkontrollverfahrens und hat der Senat auch nicht die Absicht, sie hier endgültig zu entscheiden. Indessen sei (zum anderen) darauf hingewiesen, dass die insoweit geäußerten Bedenken durchaus nicht zwingend sind. Vielmehr dürfte § 23 WVG auf Verbände wie den Beigeladenen nicht anwendbar sein. Dazu im Einzelnen:

§ 9 Abs. 1 Satz 1 NDG (idF vom 16.7.74 und 23.2.04 - GVBl. S.83) regelt die Frage der Mitgliedschaft in einem Deichverband (§ 7 NDG a.F. und n.F.). Dieses ist ein Bereich, der in § 79 Abs. 2 Satz 2 WVG angesprochen worden ist, wo für bei Inkrafttreten des WVG am 1. Mai 1991 bereits bestehende Wasser- und Bodenverbände - sog. "Altverbände" - bestimmt ist, dass diese zwar allgemein ihre Satzung und ihre Organisation den Vorschriften des WVG anpassen müssen, dieses aber nicht für die Bestimmungen u.a. darüber gilt, "wer Verbandsmitglied ist". Danach soll "aus Gründen der Kontinuität der Verbände und des Rechtsfriedens" die "Grundstruktur" der Altverbände unverändert bleiben (s. die amtliche Begründung, BT-Drucks. 11/6764, S. 35). Die Mitgliedschaft in den "Altverbänden" darf sich danach weiterhin nach den dafür maßgeblichen (Satzungs-)Bestimmungen richten.

Die Satzung des Beigeladenen (vom 10.11.84 - AB RB W-E S. 1159 - und vom 27.6.95) sieht in §§ 3, 4 vor, dass die Eigentümer (und Erbbauberechtigten) der in seinem Verbandsgebiet liegenden Grundstücke (dingliche) Mitglieder des Verbandes sind, wobei das Verbandsgebiet das "geschützte Gebiet" nach § 6 Abs. 1 NDG umfasst, welches nach § 6 Abs. 3, § 9 Abs. 3 NDG durch Verordnung der Bezirksregierung Weser-Ems festgelegt worden ist. Diese Regelung der Mitgliedschaft entspricht § 9 Abs. 1 Satz 1 NDG. Die Fortgeltung dieser Satzungsbestimmungen dürfte zugleich auch die Fortgeltung der Gesetzesbestimmungen bedeuten, auf denen sie beruhen, also auch eine Fortgeltung des § 9 Abs. 1 Satz 1 NDG, der mithin hier nicht durch anderslautende Vorschriften des WVG "derogiert" worden sein kann.

Die Nichtgeltung der Vorschriften des WVG für Altverbände wie den Beigeladenen hinsichtlich der Frage der Mitgliedschaft bedeutet zugleich auch, dass die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage nach ihrem "Vorteil" aus der Verbandstätigkeit des Beigeladenen (vgl. dazu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Abs.1 WVG) unerheblich ist (vgl. auch Urteil des Senats vom 31.3.04, - 13 LB 47/03 -, Nds. Rpfl. 2004, 196).

Die Nichtgeltung des § 23 WVG dürfte sich hier ferner aus § 80 WVG ergeben. Denn danach findet das WVG auf Verbände, die "durch besonderes Gesetz" errichtet worden sind, nur dann Anwendung, "wenn dies durch Rechtsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist", wenn also in dem - außerhalb des Wasserverbandsrechtes als solchem - dazu ergangenen und insoweit "besonderen" Gesetz die Geltung des WVG ausdrücklich angeordnet worden ist. Die niedersächsischen Deichverbände sind durch § 7 NDG gegründet worden (der Beigeladene im Wege der Ausdehnung, § 7 Abs. 3 NDG), insofern durch ein "besonderes Gesetz" (so offenbar auch Rapsch, Wasserverbandsrecht, 1993, Rdnr. 31). Davon ist offenbar auch der niedersächsische Landesgesetzgeber ausgegangen, der in § 4 des Ausführungsgesetzes zum WVG (vom 9.6.94 - GVBl. S. 238) unter der Überschrift "Verbände auf besonderer gesetzlicher Grundlage" bestimmt hatte, dass das WVG u.a. "auch" auf Deichverbände Anwendung finde, die durch § 7 Abs. 2 NDG gegründet worden sind, woraus ersichtlich ist, dass der Landesgesetzgeber hinsichtlich der gemäß § 7 Abs. 2 NDG gegründeten Deichverbände von "auf besonderer gesetzlicher Grundlage" gegründeten Verbänden ausgegangen ist (s. auch die Entwurfsbegründung, LT-Drucks. 11/6764 S. 11). Indessen galt das Recht der Wasser- und Bodenverbände, "soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt", bereits nach § 9 Abs. 2 NDG 1963 (= NDG 1974; jetzt § 9 Abs. 8 NDG 2004) ohnehin für alle Deichverbände des NDG. Die Frage der Mitgliedschaft war (und ist) im NDG jedoch anders geregelt, so dass insoweit ein Rückgriff auf § 23 WVG auszuscheiden hat. Auch insoweit käme eine Anwendung des § 23 Abs. 2 WVG auf niedersächsische Deichverbände daher nicht in Betracht.

Danach ist unerheblich, dass die in § 23 Abs. 2 WVG geregelte "Heranziehung" Dritter zur Mitgliedschaft in einem schon bestehenden Verband schon im Ausgangspunkt einen anderen Fall betreffen dürfte, als den durch die Verordnung vom 17. November 1993 geregelten. Denn mit Erlass der streitigen Verordnung ging es nicht um die Zuweisung einzelner Personen, sondern um die Festlegung des (erweiterten) Verbandsgebietes des Beigeladenen insgesamt - und damit - über § 9 Abs. 1 NDG - um die Mitglieder des Beigeladenen überhaupt. Die Folge der Festlegung des deichgeschützten Gebietes betraf nämlich eine Vielzahl von Personen, ausgewählt lediglich nach der Höhenlage ihres Grundstückes und ohne die in § 23 Abs. 2 WVG vorausgesetzte besondere Beziehung i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 WVG (Vorteil des Herangezogenen, nachteilige Auswirkungen seiner Anlagen oder Grundstücks oder Duldungsverpflichtung). Insoweit ist daher auch fraglich, ob bei einer generellen Neuregelung des Verbandsgebiets eines Deichverbandes überhaupt nach § 23 Abs. 2 WVG vorgegangen werden könnte.

Ende der Entscheidung

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