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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 13 ME 76/09
Rechtsgebiete: GenTG, Richtlinie 2001/18/EG
Vorschriften:
GenTG § 20 Abs. 2 | |
Richtlinie 2001/18/EG Art. 23 Abs. 1 |
2. Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GenTG steht der Exekutive eine weitgehende Einschätzungsprärogative zu, die eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ruhensanordnung zur Folge hat. Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Einschätzungsprärogative kommt es allein auf die verantwortlich getroffene behördliche Letztentscheidung an, nicht aber auf im Verwaltungsverfahren möglicherweise unterschiedliche Bewertungen verschiedener am Verfahren beteiligter Institutionen und Behörden.
3. Bei dem der Behörde in § 20 Abs. 2 GenTG eingeräumten Ermessen ist wirtschaftlichen Interessen jedenfalls dann kein maßgeblicher Stellenwert beizumessen, wenn die wissenschaftliche Diskussion über mögliche vom gentechnisch veränderten Organismus ausgehende Gefahren erkennbar noch im Fluss ist und zuvor bereits mehrfach vom Schutzklauselverfahren Gebrauch gemacht worden ist.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine befristete Anordnung des Ruhens der Genehmigung für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 810, soweit durch diese Genehmigung der Anbau dieser Maissorte gestattet wird ("Anbauverbot"). Andere Formen des Inverkehrbringens, etwa der Import von derartigem Mais als Futtermittel, sind von der Ruhensanordnung nicht betroffen. Die Genehmigung des Inverkehrbringens von Mais der Linie MON 810 wurde mit Geltung für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union 1998 erteilt. Aufgrund eines im Jahre 2007 bei der Europäischen Kommission gestellten Verlängerungsantrags gilt die Genehmigung trotz ihrer mittlerweile abgelaufenen zehnjährigen Geltungsdauer bis zur Entscheidung der Kommission oder des Rates der Europäischen Union fort. Über den Verlängerungsantrag ist noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin befasst sich unter anderem mit der Entwicklung und dem weltweiten Vertrieb gentechnisch veränderten Saatgutes für Mais, der bestimmte ertragssteigernde Eigenschaften wie Herbizidresistenz, spezielle Wetterbeständigkeit oder Schädlingsabwehr aufweist. Bestimmte gentechnisch veränderte Maislinien kombinieren diese Eigenschaften. So wird etwa in den USA Saatgut für Maispflanzen vertrieben, die zum einen Gifte gegen tierische Schädlinge produzieren und zum anderen gegen das ebenfalls von der Antragstellerin entwickelte Totalherbizid "Roundup" resistent sind. Der gentechnisch veränderte Mais der Linie MON 810 - auch "Bt-Mais" genannt - beschränkt sich auf die Produktion eines Schädlingsgifts. Er enthält ein Gen des Bodenbakteriums "Bacillus thuringiensis (Bt)", was in der Maispflanze zur Bildung von "Bt-Toxinen" führt. Diese Bt-Toxine richten sich gegen die Raupen des Maiszünslers, einer Schmetterlingsart. Bei befallenem Mais fressen sich die Maiszünslerlarven langsam im Stängelmark nach unten, wodurch die Maispflanze in ihrer Entwicklung geschwächt wird. Insbesondere bei der Nutzung als Körnermais können die Raupen nach dem Dreschen im Oktober bis Dezember in den Maisstoppeln auf dem Feld verbleiben, dort überwintern und zu weiterem Befall auch im Folgejahr führen. Das von Bt-Mais gebildete Bt-Toxin wird von den Maiszünslerlarven beim Fressen aufgenommen und löst sich in deren Verdauungstrakt aufgrund des dort vorherrschenden alkalischen Milieus. Das Toxin zerstört Zellen im Verdauungstrakt der Insektenlarven und führt dadurch zu deren Tod. Aufgrund des gentechnisch bewirkten "Selbstschutzes" des Bt-Maises kann beim Maisanbau auf die Ausbringung von gegen den Maiszünsler gerichteten Insektiziden oder auf andere Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen (z.B. Unterpflügen nach der Ernte, Einsatz von Schlupfwespen) verzichtet werden.
Bereits im Juni 1999 ordnete die Republik Österreich das Ruhen der Genehmigung für den Anbau und den Import von Mais der Linie MON 810 an. In der Folgezeit traten weitere Ruhensanordnungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Ungarn im Januar 2005, Griechenland im Februar 2006, Frankreich im Februar 2008, Luxemburg im März 2009) hinzu. Die Republik Österreich erneuerte im Mai 2008 die Ruhensanordnung und beschränkte sich auf ein Anbauverbot, nachdem sie zuvor durch die Kommission verpflichtet worden war, das Importverbot aufzuheben. In Deutschland wurde erstmalig mit Bescheid vom 27. April 2007 das Ruhen der Genehmigung des Inverkehrbringens unter der auflösenden Bedingung angeordnet, dass eine Abgabe von Saatgut zum Anbau wieder erfolgen darf, wenn die Antragstellerin einen Plan zur Beobachtung der Umweltauswirkungen ("Monitoring") vorgelegt hat. Nachdem die Antragsgegnerin diese Bedingung als erfüllt ansah, wurde dies mit Bescheid vom 5.Dezember 2007 festgestellt und dementsprechend der Anbau in Deutschland wieder gestattet. In der Folgezeit wurden neue wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, die sich u. a. mit der Ausbreitung von Maispollen sowie mit möglichen Auswirkungen von Bt-Toxinen auf Nichtzielorganismen wie Wasserflöhe (Daphnia magna) und Zweipunktmarienkäfer (Adalia bipunctata) befassten und solche im Ergebnis nicht ausschlossen. Obwohl das fachlich zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - BVL -, die Auffassung vertrat, dass die Ergebnisse der Studien aus wissenschaftlicher Sicht nicht die Annahme einer Gefahr für die Umwelt rechtfertigen, wies das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - BMELV - das BVL unter dem 15. April 2009 an, von der Schutzklausel des § 20 Abs. 2 GenTG erneut Gebrauch zu machen und eine Ruhensanordnung zu erlassen.
Daraufhin ordnete das BVL mit Bescheid vom 17. April 2009 das Ruhen der Genehmigung des Inverkehrbringens unter Beschränkung auf den Maisanbau bis zu einer Entscheidung der Kommission oder des Rates im Schutzklauselverfahren an. Die Ruhensanordnung wurde mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen. Die Antragstellerin hat entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen Bescheides am 21. April 2009 Klage erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Auf den Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass vor Erhebung der Anfechtungsklage ein Widerspruchsverfahren durchzuführen sei, hat die Antragstellerin am 27. April 2009 zusätzlich Widerspruch eingelegt. Den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2009 abgelehnt. Dagegen richtet sich die von der Antragstellerin am 8. Mai 2009 eingelegte Beschwerde.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 4. Mai 2009 hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine vom Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichende Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. April 2009 zu Recht abgelehnt. Richtigerweise geht es dabei allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des auf gerichtlichen Hinweis am 27. April 2009 eingelegten Widerspruchs, sondern allein um die aufschiebende Wirkung der Klage vom 21. April 2009. Ein Widerspruch ist nämlich nach §§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 8a Nds. AG VwGO gesetzlich nicht vorgesehen und damit nicht statthaft. Nach der gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässigen landesrechtlichen Regelung in § 8a Abs. 1 Nds. AG VwGO ist derzeit vor Erhebung einer Anfechtungsklage bei einem niedersächsischen Verwaltungsgericht abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine Nachprüfung des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren erforderlich. Ein Ausnahmetatbestand nach § 8a Abs. 2 oder 3 Nds. AG VwGO liegt ersichtlich nicht vor. Der landesrechtliche Ausschluss eines Vorverfahrens als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine verwaltungsgerichtliche Klage ist auch in der hier vorliegenden Konstellation der Entscheidung einer Bundesoberbehörde einschlägig. Hier greift lediglich § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO nicht ein, wonach ein Vorverfahren bei Erlass eines Bescheides durch eine oberste Bundesbehörde nicht erforderlich ist, weil es sich bei dem für die Antragsgegnerin handelnden BVL nicht um eine oberste Bundesbehörde, sondern um eine Bundesoberbehörde handelt (vgl. dazu Fetzer in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch: Recht der Gentechnik und Biomedizin, Loseblatt, Stand: März 2009, § 20 GenTG Rdnr. 59). Der weitergehende landesrechtliche Ausschluss des Widerspruchsverfahrens als Voraussetzung eines zulässigen Klageverfahrens vor einem niedersächsischen Verwaltungsgericht bleibt dadurch unberührt. Auch der Umstand, dass für Freisetzungsgenehmigungen in § 16 Abs. 7 GenTG ein spezialgesetzlicher Ausschluss des Vorverfahrens geregelt ist, lässt nicht den Schluss zu, dass bei Ruhensanordnungen nach § 20 Abs. 2 GenTG ein Widerspruchsverfahren trotz des landesrechtlichen Ausschlusses des Vorverfahrens durchzuführen wäre.
Dem Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 17. April 2009 kann ein Rechtsschutzbedürfnis auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass offenbar eine Vielzahl von Landwirten anstelle des ursprünglich geplanten Anbaus von Mais der Linie MON 810 mittlerweile konventionellen Mais ausgesät hat, nicht abgesprochen werden. Zum einen wird von der Antragstellerin nachvollziehbar vorgetragen, dass immer noch einige Landwirte mit der Aussaat zuwarten wollen oder gegebenenfalls sogar bereits ausgesäten konventionellen Mais wieder umbrechen würden, um wegen erwarteter höherer Erträge doch noch auf Mais der Linie MON 810 umzusteigen. Zum anderen kann ein Aussetzungsinteresse auch im Hinblick auf kommende Anbauperioden nicht verneint werden. Zwar könnte sich das Hauptsacheverfahren infolge des sich an die Ruhensanordnung anschließenden gemeinschaftsrechtlichen Prüfungs- und Entscheidungsprozesses erledigen. Voraussetzung für ein daraus resultierendes Entfallen des Aussetzungsinteresses ist allerdings, dass dieses gemeinschaftsrechtliche Verfahren noch vor Beginn der Anbauperiode 2010 abgeschlossen wird. Dies erscheint indessen ebenso zweifelhaft, wie eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren über die Ruhensanordnung noch vor diesem Zeitpunkt.
In materieller Hinsicht kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherstellen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes hinter das Interesse des Adressaten an einem Aufschub des Vollzugs desselben zurücktritt. Im Rahmen der Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs einen entscheidenden Stellenwert. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen.
Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass Überwiegendes dafür spricht, dass die Klage gegen die Ruhensanordnung erfolglos sein wird und bereits deshalb die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausgeht.
Die von der Antragstellerin gegen die Ruhensanordnung geltend gemachten formellen Einwendungen der fehlenden Anhörung vor Bescheiderlass (§ 28 Abs.1 VwVfG) und einer unzureichenden Begründung der Entscheidung (§ 39 Abs. 1 VwVfG) werden offensichtlich nicht zu einem Erfolg ihrer Klage führen können. Selbst wenn man davon ausginge, dass auf eine Anhörung nicht nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG hätte verzichtet werden dürfen, wäre dies nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG unbeachtlich, weil die Antragstellerin mittlerweile Gelegenheit zur Äußerung hatte und davon auch umfänglich Gebrauch gemacht hat. Hinsichtlich der Begründung der Ruhensanordnung hat der Senat keine Zweifel daran, dass bereits die Ausführungen in dem Bescheid vom 17. April 2009 dem Begründungserfordernis nach § 39 Abs. 1 VwVfG hinreichend Rechnung tragen. Für das formelle Begründungserfordernis kommt es nicht auf die objektive Richtigkeit oder Vollständigkeit der Ausführungen an, sondern nur auf die Mitteilung der Gründe, die die Behörde subjektiv zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Im Übrigen wäre aufgrund der im Rahmen des Klageverfahrens und des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes erfolgten weiteren Ausführungen der Antragsgegnerin selbst eine ursprünglich unzureichende Begründung mittlerweile nachgeholt worden und daher eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG eingetreten.
Die - schwerpunktmäßig erörterungsbedürftigen - materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Ruhensanordnung nach der Schutzklausel des § 20 Abs. 2 GenTG sind vom Verwaltungsgericht nach Auffassung des Senats zutreffend bejaht worden. Bei der Ruhensanordnung nach § 20 Abs. 2 GenTG handelt sich um eine der Abwehr abstrakter Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt und zugleich auch der Gefahrenvorsorge dienende Maßnahme (dazu unten 1.), deren tatbestandliche Voraussetzungen einem weitgehenden behördlichen Beurteilungsspielraum unterliegen, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden kann (2.). Die Grenzen dieses Beurteilungsspielraums sind hier nicht überschritten worden (3.). Die Ruhensanordnung stellt sich auch nicht als ermessensfehlerhaft dar (4.).
1.
Die Ruhensanordnung nach § 20 Abs. 2 GenTG dient der Abwehr abstrakter Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, ragt dabei aber auch in den Bereich der Gefahrenvorsorge hinein, ohne dass insoweit fallübergreifend eine trennscharfe Abgrenzung möglich wäre. Der Feststellung einer konkreten oder gar dringenden Gefahr bedarf es dafür nicht. Bei einer - wie hier - auf neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Ruhensanordnung nach § 20 Abs. 2 GenTG steht der Gefahrenbegriff im engen Zusammenhang mit dem Grad der Gewissheit, der für die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu fordern ist. Insoweit sind schon wegen der nur temporären Funktion der Ruhensanordnung und ihrem erkennbaren Unterschied zu einem endgültigen Widerruf der Genehmigung nach Auffassung des Senats keine abgesicherten und unangreifbaren Erkenntnisse zu fordern. Dementsprechend bedarf es auch nicht der Feststellung einer konkreten Gefahr. Ausreichend ist vielmehr die auf (neue) Informationen oder wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte Prognose einer abstrakten Gefahr, wobei im Hinblick auf den zu fordernden Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für die Rechtsgüter der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt auch Gesichtspunkte der Gefahrenvorsorge zu berücksichtigen sind. Im Einzelnen:
a) Wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne des § 20 Abs. 2 Alt. 2 GenTG als Grundlage einer Neubewertung müssen nach Auffassung des Senats nicht bereits abgesichert und unangreifbar sein (in diese Richtung argumentierend aber: Fetzer, a.a.O., § 20 GenTG Rdnr. 47). In der Norm selbst wird zwischen Informationen einerseits und wissenschaftlichen Erkenntnissen andererseits differenziert. Allenfalls die "neuen oder zusätzlichen Informationen" sind den in Widerrufstatbeständen anderer Rechtsgebiete (so etwa dem von Fetzer in Bezug genommenen § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG) genannten "nachträglich eingetretenen Tatsachen", die einen Widerruf rechtfertigen können, strukturell vergleichbar. "Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse" als Basis für eine Neubewertung vorliegender Informationen setzen demgegenüber keine Unangreifbarkeit voraus, sondern bedingen nach der Normstruktur gerade eine wertende Betrachtung des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnungsprozesses als "Momentaufnahme" zum Zeitpunkt der Gefahrenprognose. Zudem handelt es sich bei der Ruhensanordnung um ein "Minus" zu einem Widerruf, der bei einer durch die Antragsgegnerin selbst erteilten Genehmigung des Inverkehrbringens nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht durch das Schutzklauselverfahren nicht ausgeschlossen ist. Auf eine Ruhensanordnung ist die Antragsgegnerin nur dann von vornherein beschränkt, wenn - wie hier - ein anderer Mitgliedstaat die Genehmigung des Inverkehrbringens erteilt hat. Ein solcher Widerruf würde indessen nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG den nachträglichen Eintritt von gegen den Erlass der Genehmigung sprechenden "Tatsachen" erfordern. Dieses Stufenverhältnis zwischen Ruhensanordnung und Widerruf spricht dagegen, dass bei der als wesentlich niederschwelliger zu betrachtenden Anordnung nach § 20 Abs. 2 GenTG ebenfalls nur feststehende Tatsachen die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen können. Auch im Zusammenhang mit dem sich an eine nationale Ruhensanordnung anschließenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungsverfahren bei der Kommission und gegebenenfalls dem Rat nach Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 i.V.m. Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18/EG stellt die Ruhensanordnung lediglich den Einstieg in eine weitere Überprüfung dar, die nach § 5 Abs. 2 Gentechnik-Beteiligungsverordnung - GenTBetV - in einen (endgültigen) Widerruf oder aber in eine Aufhebung der Ruhensanordnung münden kann. Das sich aus dem dargestellten Normengefüge ergebende systematische (Stufen-)Verhältnis von einer nur temporär geltenden Ruhensanordnung, einem weiteren gemeinschaftsrechtlichen Prüfungs- und Entscheidungsprozess sowie einer sich daran anknüpfenden Entscheidung über den Widerruf einer Genehmigung oder der Aufhebung der Ruhensanordnung gilt in gleicher Weise, wenn es - wie hier - um die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Genehmigung des Inverkehrbringens geht. Auch insoweit folgt aus einem Vergleich zwischen Ruhensanordnung und Widerruf, dass eine Ruhensanordnung eine deutlich geringere Eingriffsschwelle hat und dementsprechend neue oder wissenschaftliche Erkenntnisse mit Aussagen über mögliche Schäden für die Schutzgüter menschliche Gesundheit oder Umwelt nicht bereits als "Tatsachen" feststehen müssten. Diese Klärung ist gerade dem sich anschließenden gemeinschaftsrechtlichen Prüfungs- und Entscheidungsprozess vorbehalten.
b) Bei der nach § 20 Abs. 2 GenTG anzustellenden Gefahrenprognose bedarf es nicht der Feststellung einer konkreten Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt. Vielmehr ist die Prognose einer abstrakten Gefahr ausreichend, wobei im Rahmen dieser Prognose auch Vorsorgegesichtspunkte zu berücksichtigen sind (vgl. dazu Fetzer, a.a.O., § 20 GenTG Rdnr. 48, der allerdings nicht auf Vorsorgegesichtspunkte abstellt). Bloße Verdachtsmomente reichen indessen nicht aus. Schon der Wortlaut des § 20 Abs. 2 GenTG, der nicht die Feststellung einer konkreten Gefahr fordert, sondern lediglich einen "berechtigten Grund zur Annahme einer Gefahr", legt ein solches Verständnis nahe. Dass andererseits bloße Verdachtsmomente nicht ausreichen können, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 2 GenTG. Nach der Fassung des Gentechnikgesetzes vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I, 186) war Voraussetzung für die Anordnung des Ruhens einer Genehmigung der "begründete Verdacht" des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für das Inverkehrbringen. Schon der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem vorstehend bezeichneten Gesetz ließ einen "begründeten Verdacht" nicht mehr ausreichen (BT-Drs. 15/3088, S. 15, 29). Der Bundesrat hatte sich in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf dafür ausgesprochen, die dort gewählte Formulierung "berechtigter Grund zu der Annahme" durch die Wörter "begründeter Verdacht" zu ersetzen (BT-Drs. 15/3088, S. 15, 29). Dieser Vorschlag ist jedoch gerade nicht Gesetz geworden. Die Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 2 GenTG in der gegenwärtig gültigen Fassung schließt es daher aus, die Schutzklausel dahin auszulegen, dass schon ein bloßer Verdacht einer Schutzgutgefährdung ausreicht. Dies bedeutet aber nicht, dass von einem berechtigten Grund zur Annahme einer Gefahr erst dann ausgegangen werden kann, wenn die Schwelle einer konkreten Gefahr - also eines bereits absehbaren Schadenseintritts für die Schutzgüter - bereits überschritten ist. Vielmehr reicht schon eine abstrakte Gefahr aus, also eine mögliche Sachlage, die im Fall ihres - nicht notwendig gewissen - Eintritts eine konkrete Gefahr darstellen würde. Nur dies entspricht dem unter a) skizzierten Gewissheitsgrad, der im Hinblick auf neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse zu fordern ist. Wegen des hohen Stellenwertes der in § 20 Abs. 2 GenTG geschützten Rechtsgüter der menschlichen Gesundheit und der Umwelt einerseits und der noch ausstehenden abschließenden wissenschaftlichen Klärung der herangezogenen wissenschaftlichen Erkenntnisse andererseits sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. In diesem Sinne dient die Schutzklausel entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch der Gefahrenvorsorge. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragstellerin, dass nur gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse die Eingriffsschwelle des § 20 Abs. 2 GenTG zu überschreiten vermögen und Gesichtspunkte der Gefahrenvorsorge keine Rolle spielen dürften. Die Antragstellerin berücksichtigt bei ihrer Argumentation nicht hinreichend, dass es sich bei der Ruhensanordnung konstruktiv um eine nur temporäre Maßnahme handelt und eine abschließende Klärung erst noch erfolgen muss. Auch ist nicht ihrer Auffassung zu folgen, dass das bei der streitgegenständlichen Ruhensanordnung allein in Rede stehende Schutzgut der Umwelt im Rahmen des § 20 Abs. 2 GenTG von deutlich geringerem Gewicht sei, als die menschliche Umwelt und deshalb das Vorsorgeprinzip nicht einschlägig sein könne. Für diese "anthropozentrische" Sichtweise bieten weder § 20 Abs. 2 GenTG noch die durch diese Norm in nationales Recht umgesetzte Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG Anhaltspunkte. Der Hinweis auf eine verfassungsrechtliche Differenzierung zwischen dem Grundrechtsschutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG einerseits und der bloßen Einordnung des Umweltschutzes als Staatsziel nach Art. 20a GG andererseits lässt keine andere Beurteilung zu. Dem Gesetzgeber steht es vielmehr ohne weiteres frei, in einzelnen Regelungsbereichen diese Schutzgüter gleich zu gewichten. Genau dies hat er in Umsetzung entsprechender europarechtlicher Vorgaben in § 20 Abs. 2 GenTG getan. Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zur Frage der Eingriffsschwelle bei § 20 Abs. 2 GenTG zutreffend auch auf die Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 09.09.2003 in der Rechtssache C-236/01 - Monsanto Agricoltura Italia SpA u. a. gegen Presidenza del Consiglio die Ministri u. a. -) zu der ähnlich strukturierten Schutzklausel in der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten ("Novel-Food-Verordnung") hingewiesen.
2.
Hinsichtlich der vorstehend näher umschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen steht der Exekutive - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - eine weitgehende Einschätzungsprärogative bzw. ein Beurteilungsspielraum zu, was eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit der Maßnahme zur Folge hat.
a) Bereits der Wortlaut des § 20 Abs. 2 GenTG in der hier maßgeblichen zweiten Alternative impliziert eine Einschätzungsprärogative der entscheidungsbefugten Exekutive, da es zunächst maßgeblich auf die "Bewertung" neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse ankommen soll. Die Bestimmung ist insoweit vergleichbar mit anderen Normen - etwa im Atomrecht -, die für eine Prognoseentscheidung auf den Stand von Wissenschaft und Technik abstellen und dabei einen Beurteilungsspielraum für die entscheidungsbefugte Behörde eröffnen. Gleiches gilt für die erforderliche Prognose einer abstrakten Gefahr. Der Wortlaut stellt insoweit auf einen "berechtigten Grund zu der Annahme" einer Gefahr für die Schutzgüter ab und bringt bereits damit einen Beurteilungsspielraum zum Ausdruck. Die Einschätzungsprärogative der Exekutive hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GenTG folgt zudem aus der systematischen Stellung der Schutzklausel im Rahmen eines sich anschließenden gemeinschaftsrechtlichen Prüfungs- und Entscheidungsprozesses. Die Entscheidung über das Ruhen der Genehmigung des Inverkehrbringens stellt - wie bereits ausgeführt - eine nur temporäre Maßnahme bis zu einer weiteren Entscheidung der Kommission oder des Rates dar. Dieser temporäre Charakter der Ruhensanordnung legt einen Beurteilungsspielraums sowohl bei der Neubewertung der neuen oder zusätzlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse als auch bei der anzustellenden Gefahrenprognose nahe, weil es inkonsistent wäre, eine erst im anschließenden Verfahren bei der Kommission und gegebenenfalls beim Rat vorzunehmende endgültige Prüfung der Sache nach bereits im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der Ruhensanordnung durch eine uneingeschränkte gerichtliche Überprüfung der behördlichen Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der Gefahrenprognose vorwegzunehmen. Die Verfahrensausgestaltung spricht vielmehr sogar für einen relativ weitgehenden Beurteilungsspielraum der Exekutive, weil bei einer anderen Sichtweise die der Kommission und dem Rat im gemeinschaftsrechtlichen Regelungsverfahren zugeordneten Kompetenzen zu den nationalen Gerichten verschoben würden, obwohl gerade der europarechtlich vorgesehene Konfliktlösungsmechanismus greifen soll. In Anbetracht des sich an eine Ruhensanordnung nach § 20 Abs. 2 GenTG anschließenden gemeinschaftsrechtlichen Prüfungs- und Entscheidungsprozesses wirft die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums bzw. einer Einschätzungsprärogative auch nicht die Problematik einer Einschränkung des nach Art. 19 Abs. 4 GG zu gewährleistenden effektiven Rechtsschutzes auf.
b) Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Einschätzungsprärogative kommt es allein auf die verantwortlich getroffene behördliche Letztentscheidung an, nicht aber auf im Verwaltungsverfahren möglicherweise unterschiedliche Bewertungen verschiedener am Verfahren beteiligter Institutionen und Behörden. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die nach außen handelnde Behörde im Verhältnis zu der ihr übergeordneten Behörde zunächst eine andere Auffassung hatte und der Erlass des Bescheides letztlich auf einer Weisung beruht. Der Beurteilungsspielraum ist nämlich nicht in dem Sinne teilbar, dass schon von einer Überschreitung auszugehen wäre, wenn der erlassene Bescheid nicht der zunächst vertretenen Auffassung der fachlich zuständigen Behörde entspricht. Der Beurteilungsspielraum steht vielmehr der Exekutive insgesamt zu. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht ausgeführt, dass es in der Zuständigkeit des aufsichtführenden Ministeriums liegt, der nach außen tätig werdenden Behörde Weisungen für das weitere Vorgehen zu erteilen, wenn hinsichtlich möglicher gentechnischer Risiken divergierende Beurteilungen von Fachbehörden bestehen.
3.
Die Grenzen des vorstehend beschriebenen (weitgehenden) Beurteilungsspielraums sind vorliegend nicht überschritten worden. Prägend für den Beurteilungsspielraum und die damit verbundene eingeschränkte Überprüfbarkeit ist, dass es nicht Aufgabe der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Bewertung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die behördliche Entscheidung im Hinblick auf die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen willkürfrei ist bzw. ob die Behörde die Überzeugung, die sie sich gebildet hat, "von Rechts wegen haben durfte" (vgl. dazu im Kontext atomrechtlicher Genehmigungsverfahren: BVerwG, Urt. v. 10. April 2008 - 7 C 39/07 -, juris Rdnrn. 25, 34; ferner zur strukturellen Vergleichbarkeit des Beurteilungsspielraums im Atomrecht und im Gentechnikrecht: BVerwG, Beschl. v. 15.04.1999 - 7 B 278/98 -, juris Rdnr. 7). Für den Senat sind bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche die Heranziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und die darauf gestützte Bewertung und Gefahrenprognose als willkürlich erscheinen lassen würden.
a) Zu Recht hat die Antragsgegnerin bei ihrer Bewertung sowohl frühere wissenschaftliche Studien herangezogen, die bereits vor dem Erlass der Bescheides vom 5. Dezember 2007 veröffentlicht worden waren, mit dem die erste Ruhensanordnung aufgehoben wurde, als auch später veröffentlichte Arbeiten. Durch eine frühere Ruhensanordnung, die nicht abschließend im Regelungsverfahren bei der Kommission und gegebenenfalls beim Rat überprüft worden ist, werden zeitlich davor gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse für eine spätere Ruhensanordnung nicht "verbraucht" bzw. "präkludiert". Für die Annahme einer solchen Präklusion sind keine durchgreifenden Gründe erkennbar. Es wäre nach Auffassung des Senats vielmehr widersinnig, wenn bei der Bewertung neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse ältere Studien ausgeblendet werden müssten, die bereits Gegenstand einer nicht im Regelungsverfahren überprüften früheren Ruhensanordnung gewesen sind. Eine solche Präklusion ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die frühere Ruhensanordnung im Regelungsverfahren überprüft und von der Kommission oder dem Rat beanstandet worden ist, weil dies einem originären Genehmigungsverfahren zumindest vergleichbar wäre.
b) Aus dem Umstand, dass die fachliche Bewertung einer untergeordneten Behörde zunächst von der Auffassung eines aufsichtführenden Ministeriums abgewichen ist, kann nicht bereits eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums abgeleitet werden. Demzufolge ist es unerheblich, dass hier die Ruhensanordnung letztlich auf einer im Wege der Aufsicht ausgesprochenen Weisung des BMELV gegenüber dem für die Antragsgegnerin nach außen handelnden BVL beruht. Zwar mag der wissenschaftliche Sachverstand zum Gentechnikrecht - wie die Antragstellerin vorträgt - im BVL konzentriert sein. Das hat aber keineswegs zur Folge, dass die Einschätzungsprärogative ausschließlich dieser Behörde zugeordnet werden kann. Es sind durchaus im Rahmen der Neubewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Gefahrenprognose zulässige Erwägungen vorstellbar, die sich nicht unmittelbar aus der wissenschaftlichen Beurteilung der Fachbehörde ergeben. Dies drängt sich nach Auffassung des Senats etwa für den hier bedeutsamen Umstand auf, dass vor der Bundesrepublik Deutschland bereits zahlreiche andere EU-Mitgliedstaaten von der Schutzklausel Gebrauch gemacht haben. Wenn bei einem ohnehin in weiten Teilen europäisierten Prüfungs- und Entscheidungsverfahren ein Mitgliedstaat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums in Erwägung zieht, dass bereits andere Mitgliedstaaten eine der beabsichtigen Entscheidung entsprechende oder zumindest vergleichbare Maßnahme getroffen haben, ist dies rechtlich jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn diese früheren Entscheidungen nicht offensichtlich selbst rechtsfehlerhaft erfolgt sind. Die Vereinheitlichung divergierender Auffassungen ist dann gerade Aufgabe der Kommission oder des Rates im Verfahren nach Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18/EG.
c) Eine solche Situation exemplarischer Vorentscheidungen anderer Mitgliedstaaten ist hier gegeben. Daher sieht der Senat im Rahmen des Eilverfahrens auch keinen Anlass, sich mit dem wissenschaftlichen Disput über die Tragfähigkeit der von der Antragsgegnerin zur Begründung der ausgesprochenen Ruhensanordnung herangezogenen wissenschaftlichen Untersuchungen näher auseinanderzusetzen. Betrachtet man die (erste) von der Republik Österreich bereits im Juni 1999 ausgesprochene (und im Mai 2008 erneuerte) Ruhensanordnung, ergibt sich, dass das Anbauverbot, welches zumindest auch mit den Auswirkungen von Bt-Toxinen auf Nichtzielorganismen begründet wurde und wird, in dem sich anschließenden Regelungsverfahren nach Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18/EG Bestand hatte. Die Kommission hat nämlich nach einem längeren Verfahren mit der Entscheidung Nr. 2008/495/EG vom 7. Mai 2008 (ABl. d. EU Nr. L 172/25 v. 02.07.2008) lediglich das von der Republik Österreich ausgesprochene Importverbot beanstandet, so dass das Anbauverbot aufrecht erhalten und erneuert werden konnte. Dies spricht nach Auffassung des Senats deutlich gegen eine Überschreitung der Willkürgrenzen durch die Antragsgegnerin. Die (letzte) vor der Entscheidung der Antragsgegnerin ausgesprochene Ruhensanordnung Luxemburgs, die von ihr ausdrücklich als Anlass zum kurzfristigen Handeln bezeichnet wurde, legt ähnliche Erwägungen nahe, ohne dass dies im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes einer näheren Überprüfung bedarf. Davon abgesehen nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den von der Antragsgegnerin herangezogenen Studien. Eine Überschreitung der Willkürgrenze vermag der Senat auch insoweit nicht festzustellen.
4.
Die ausgesprochene Ruhensanordnung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Schutzklausel als erfüllt anzusehen sind, ist bei der im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmenden Abwägung in Anbetracht der Bedeutung der geschützten Rechtsgüter im Zweifel eine Ruhensanordnung auszusprechen (so auch: Fetzer, a.a.O, § 20 GenTG Rdnr. 50). Dies ergibt sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 2 GenTG. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des im Bundestag federführenden Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft heißt es insoweit (BT-Drs. 15/3344, S. 41):
"Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe und insbesondere bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen ist, dass je nach Fallkonstellation die große Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter den Handlungsspielraum der Behörde einschränken und auch auf Null reduzieren kann. Insbesondere wenn ein gentechnisch veränderter Organismus im Vergleich mit dem Ausgangsorganismus ein höheres Invasionspotenzial hat, sich dauerhaft in der Natur etablieren kann, natürliche Populationen beeinträchtigt oder zu schwer abbaubaren Substanzen im Naturhaushalt führt, wird regelmäßig ein Einschreiten der Behörde geboten sein."
Die von der Antragstellerin gegen die Ruhensanordnung ins Feld geführten eigenen wirtschaftlichen Interessen sowie diejenigen der Lizenznehmer und Landwirte, die gentechnisch veränderten Mais der Linie MON 810 anbauen wollen und entsprechende Dispositionen getroffen haben, sind demgegenüber nur von eingeschränktem Gewicht. Wenn - wie hier - die wissenschaftliche Diskussion über mögliche vom gentechnisch veränderten Organismus ausgehende Gefahren erkennbar noch im Fluss ist und zuvor bereits mehrfach vom Schutzklauselverfahren Gebrauch gemacht worden ist, konnte nämlich trotz des Bestandes der Genehmigung des Inverkehrbringens kein Vertrauen dahingehend gebildet werden, dass gentechnisch veränderter Mais der Linie MON 810 in jedem Fall vertrieben und angebaut werden darf. Dies gilt umso mehr, als es in Deutschland tatsächlich bislang nur kurzzeitig und auf verhältnismäßig wenigen Flächen zu einem Anbau von Mais der Linie MON 810 gekommen ist. Die Antragstellerin, ihre Lizenznehmer und die betroffenen Landwirte haben vor diesem Hintergrund vielmehr "auf eigenes Risiko" gehandelt. Dies schließt es nach Auffassung des Senats aus, den von der Antragstellerin dargestellten wirtschaftlichen Interessen im Rahmen der Überprüfung der Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin einen maßgeblichen Stellenwert beizumessen.
Ende der Entscheidung
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