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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.10.2006
Aktenzeichen: 2 NB 410/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4
Eine mit der Beschwerde verfolgte Änderung oder Erweiterung des Streitgegenstandes führt in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Regel zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.
Gründe:

Die Antragsteller wenden sich mit ihren Beschwerden gegen sie betreffende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts, mit denen dieses die Verpflichtung der Antragsgegnerin abgelehnt hatte, die Antragsteller vorläufig zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester außerhalb der durch die festgesetzte Zulassungszahl bestimmten Ausbildungskapazität zuzulassen. Nachdem die Antragsteller ihr Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zuletzt auf eine (Teil-)Zulassung zum Studium im vorklinischen Ausbildungsabschnitt beschränkt hatten, hat das Verwaltungsgericht ihr Begehren bereits mit der Begründung abgelehnt, dass es für ein Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester angesichts der Einführung des Modellstudiengangs HannibaL zum Wintersemester 2005/06 auf den vorklinischen Ausbildungsabschnitt beschränkte Studienplätze nicht mehr gebe, so dass der geltend gemachte Anordnungsanspruch von vornherein ins Leere gehe.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Antragsteller ihre Beschwerde mit dem Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2005/06 zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester zuzulassen, soweit in einem vom Gericht angeordneten Verteilungsverfahren ein entsprechender Losrang auf sie entfallen sollte.

Mit diesen Begehren sind die Beschwerden als unzulässig zu verwerfen, weil mit ihnen nunmehr verfahrensrechtlich nicht statthafte Antragserweiterungen oder -änderungen verfolgt werden. Während sich die auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Anträge in erster Instanz ausschließlich auf die Zulassung zu dem vorklinischen Studienabschnitt beschränkten, zielen sie nunmehr auf eine Zulassung zum Vollstudium und damit nicht nur auf einen erweiterten, sondern sogar auf einen gänzlich anderen Streitgegenstand ab. Denn bei Teilstudienplätzen handelt es sich nicht nur um abgestufte oder geringerwertige Vollstudienplätze, sondern um ein sog. "aliud" (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.10.1981 - 1 BvR 1250/78 -, BVerfGE 59, 172 = NVwZ 1982, 303; ferner dazu Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, RdNr. 381 f.).

Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 7. Juni 2006 - 2 ME 661/06 - ausgeführt hat, ist eine Erweiterung oder Änderung des Streitgegenstandes im Beschwerdeverfahren bei im Wesentlichen gleichbleibender Sach- und Rechtslage nicht statthaft. Das folgt aus der auf die Entlastung des zweiten Rechtszuges abzielenden Regelung des § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO und gilt jedenfalls dann, wenn wie hier mit der Antragserweiterung eine wesentliche Änderung der zu prüfenden Gesichtspunkte einhergeht, das Verwaltungsgericht in dem ersten Rechtszug die dort gestellten Anträge vollständig beschieden hat und das Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, nichts anderes gebietet (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.1.2006 - 11 S 1455/05 -, VBlBW 2006, 285; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 1.9.2004 - 12 S 1750/04 -, VBlBW 2004, 483; OVG Saarl., Beschl. v. 10.11.2004 - 1 W 37/04 -; Hamb. OVG, Beschl. v. 2.10.2002 - 4 Bs 257/02 -, NVwZ 2003, 1529; OVG NRW, Beschl. v. 25.7.2002 - 18 B 1136/02 -, NVwZ-RR 2003, 72; ferner Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Stand: April 2006, § 146 RdNr. 13c; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 146 RdNr. 33; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v.Albedyll, VwGO, 3. Aufl., § 146 RdNr. 34; offen gelassen Hess. VGH, Beschl. v. 5.1.2004 - 9 TG 2872/03 -, DÖV 2004, 444; a.A. Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 146 RdNr. 93). Derartige Umstände, die es ausnahmsweise geboten erscheinen lassen, eine Antragsänderung im Beschwerderecht zuzulassen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Das nunmehr durch die Antragserweiterung erfolgte Begehren würde mit Blick auf die Erörterung der materiellen Rechtslage zu einem deutlich erhöhten Prüfungsumfang führen. Auch hat das Verwaltungsgericht das Begehren der Antragsteller im Hinblick auf die im ersten Rechtszug gestellten Anträge vollständig gewürdigt, und schließlich hätten die Antragsteller effektiven Rechtsschutz gegenüber dem Verwaltungsgericht von vornherein in Anspruch nehmen können, wenn sie die nunmehr verfolgten Anträge in der Vorinstanz gestellt hätten; im Hinblick auf diesen zuletzt genannten Aspekt haben sich die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert. Abweichendes folgt im Übrigen auch nicht aus dem Beschluss des Senats vom 30. November 2004 - 2 NB 430/03 u.a. -, in dem es unter anderem um einen erweiterten und zusätzlichen Tatsachenvortrag der Beteiligten im Beschwerdeverfahren ging, in dem sich darüber hinaus die Frage einer Antragsänderung oder -erweiterung indes nicht stellte.

Ohne Erfolg wenden die Antragsteller gegen die fehlende Statthaftigkeit ihrer Beschwerden ein, dass es das Verwaltungsgericht pflichtwidrig unterlassen habe, sie auf die geänderte Struktur des Studiengangs Humanmedizin bei der Antragsgegnerin und den daraus resultierenden Wegfall der bisher bereit gehaltenen Teilstudienplätze hinzuweisen. Abgesehen davon, dass dieser Einwand nicht erklärt, weshalb die Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren an ihren zunächst gestellten Anträgen auf Zulassung zu jeweils einem Vollstudienplatz nicht festgehalten, sondern ihr Begehren aus freien Stücken in Anträge auf eine Zulassung zu dem vorklinischen Studienabschnitt geändert haben (Schriftsätze vom 18., 27., 28. und 31. Oktober 2005), müssen sich die Antragsteller entgegenhalten lassen, dass die Antragsgegnerin in § 1 Abs. 1 ihrer Studienordnung den Aufbau des vorliegend umstrittenen Modellstudiengangs beschrieben und ausdrücklich auf den künftigen Wegfall der Teilung zwischen einem vorklinischen und klinischen Abschnitt hingewiesen hat. Das Verwaltungsgericht konnte gegenüber den Antragstellern daher voraussetzen, dass sie die Zulassung zu einem Studiengang begehrten, dessen Struktur ihnen bekannt war. Das gilt umso mehr, als auch die Antragsgegnerin im Rahmen der prozessualen Korrespondenz ebenfalls noch einmal Zielsetzung, Aufbau und Organisation des Modellstudiengangs erläutert hatte (vgl. etwa Schriftsatz vom 15.11.2005).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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