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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 20 LD 5/07
Rechtsgebiete: GG, NBG, NDiszG, NSchG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
NBG § 63 S. 3
NBG § 85 Abs. 1 S. 1
NDiszG § 4
NDiszG § 14 Abs. 1
NDiszG § 14 Abs. 2 s. 1
NDiszG § 24 Abs. 1 S. 1
NDiszG § 24 Abs. 1 S. 2
NDiszG § 52 Abs. 1 S. 1
NDiszG § 52 Abs. 1 S. 2
NDiszG § 60 Abs. 1 S. 1
NSchG § 2
VwGO § 130
Die nach dem Nds. Disziplinargesetz vorgesehene Bindungswirkung strafgerichtlicher Urteil erfasst auch nicht ausdrückliche Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts (hier: Schuldfähigkeit des Beamten).

Eine Lösung von bindenden strafgerichtlichen Feststellungen wegen offenkundiger Unrichtigkeit scheidet aus, wenn die Unrichtigkeit allenfalls möglich erscheint oder ihre Feststellung die Durchführung einer Beweisaufnahme erfordert.


Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, in dem das Verwaltungsgericht ihn eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihm deshalb das Ruhegehalt aberkannt hat.

Der am ... geborene Beklagte bestand nach dem Zeugnis vom ... die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an der Volksschule mit der Note "befriedigend". Am ... legte er die Prüfung für Lehrer an Volksschulen mit der Note "gut" ab. Er war zunächst vom ... als Volksschullehrer z. A. im Beamtenverhältnis auf Probe im nordrhein-westfälischen Schuldienst tätig, bevor er im Rahmen einer Versetzung als Lehrer z. A. mit Wirkung vom ... in den Schuldienst des Landes Niedersachsen eintrat. Am ... wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Lehrer und anschließend im September ... unter Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12a LBesG zum Konrektor an der Volksschule mit Förderstufe in D. ernannt. Mit Wirkung vom ... wurde er zum Hauptlehrer an der Katholischen Grundschule D. befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO eingewiesen. Ab dem ... führte er die Amtsbezeichnung Rektor. Mit Ablauf des Monats ... versetzte die Klägerin den Beklagten wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.

Der Beklagte ist seit dem ... verheiratet. Er hat zwei am ... und am ... geborene Kinder.

Am 17. Dezember 2001 führten Vertreter der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit dem Beklagten eine Anhörung wegen eines Amtsführungsverbots durch, weil der Beklagte im Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen stand. Hintergrund waren Beschwerden von Eltern, deren Kinder über Vorfälle berichteten, die Gegenstand dieses Verfahrens sind. Das am Ende der Anhörung mündlich ausgesprochene und mit der Anordnung des Sofortvollzugs verbundene beamtenrechtliche Amtsführungsverbot bestätigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Bescheid vom 2. Januar 2002. Gleichzeitig untersagte sie dem Beklagten das Betreten der Diensträume.

Mit Verfügung vom 1. März 2002 leitete der Regierungsvizepräsident der Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 26 NDO Vorermittlungen wegen des Verdachts massiver körperlicher Übergriffe auf Schülerinnen und Schüler der Grundschule ein, wobei er dem Beklagten die Vorwürfe im Einzelnen unter Darlegung der Zeugenaussagen unterbreitete. Zugleich wies er den Beklagten wegen des dringenden Verdachts eines schweren Dienstvergehens darauf hin, dass die Vorermittlungen abzubrechen seien, wenn sich herausstelle, dass ein förmliches Disziplinarverfahren einzuleiten sei und von einer Untersuchung nicht abgesehen werden könne. Bei der Schwere der dem Beklagten vorzuhaltenden Dienstpflichtverletzungen komme zur Zeit nur eine dem Disziplinargericht vorbehaltene Disziplinarmaßnahme in Betracht. Er beabsichtige daher, die Vorermittlungen abzubrechen, ein förmliches Verfahren einzuleiten und mit der Einleitung des förmlichen Verfahrens den Beklagten unter teilweiser Einbehaltung seiner Dienstbezüge vorläufig des Dienstes zu entheben. Der Beklagte erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Verfügung vom 12. März 2002 brach der Regierungsvizepräsident die Vorermittlungen ab und leitete das förmliche Disziplinarverfahren ein. Gleichzeitig setzte er das Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ... aus, teilte mit, dass die weitere Aussetzung bis zur Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens erfolgen werde, sobald die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage erhoben habe und enthob den Beklagten vorläufig des Dienstes. Zur Begründung führte er an, es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beklagte schuldhaft gegen seine Pflicht zu einem achtungs- und vertrauensgerechten Verhalten verstoßen und damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Die vorläufige Dienstenthebung sei erforderlich und angemessen, da die Verletzung innerdienstlicher Pflichten und das Überschreiten sittlicher Grenzen durch einen Lehrer, der eine besondere Vorbildfunktion für die ihm anvertrauten Schülerinnen und Schüler habe, ihn für den Schuldienst untragbar machten.

Die Rechtvorgängerin der Klägerin ordnete mit Verfügung vom 11. April 2002 die Einbehaltung von 45 vom Hundert der Dienstbezüge des Beklagten an.

Das Landgericht ... verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 14. Januar 2004 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Im Übrigen sprach es den Beklagten frei. Das Urteil wurde rechtskräftig, nachdem der Beklagte das zunächst eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen hatte.

Das Landgericht sah folgenden Sachverhalt aufgrund der Beweisaufnahme als erwiesen an (UA, S. 3 ff.):

"Der Angeklagte hat als Rektor der Grundschule D. auch selbst unterrichtet, hierbei u. a. auch in der Klasse, die im Herbst 2001 die Klasse 3 b war. In dieser waren u. a. die Schüler E., F., G. und H..

In der Zeit von 1998 bis zum Herbst 2001 kam es wiederholt zu sexuellen und körperlichen Übergriffen:

1) Zu einer Zeit, in der die Schülerin E., geboren am 04.09.1991, in der 1. bis 3. Klasse war, wahrscheinlich am Ende der 2. Klasse oder nach den Sommerferien 2001 am Anfang der 3. Klasse, stellte er sich im Unterricht, während sie auf ihrem Platz saß, hinter sie, ging mit seiner Hand unter ihren Pullover und berührte sie an der nackten Brust. Zudem ging er mit seiner Hand in ihre Unterhose bis an die Scheide.

2) Während die Schülerin F., genannt I., geboren am 12. April 1993 in der 2. oder 3. Klasse war, wahrscheinlich ebenfalls im zuvor genannten Zeitraum, rief er diese zu sich nach vorn, wobei er sie Mäuschen nannte, und brachte sie dazu, sich bei ihm auf den Schoß zu setzen. Zudem stellte er sich an ihren Platz hinter sie. Bei dieser Gelegenheit streichelte er sie, wobei er ihr unter den Pullover an die nackte Brust und an den Bauch fasste. Bei einer dieser Gelegenheiten fasste er zudem mit seiner Hand in ihre Unterhose und berührte sie mindestens im unteren Bauchbereich, ob auch direkt an der Scheide, ließ sich nicht sicher feststellen.

3) Zu Beginn des 3. Schuljahres, im Spätsommer 2001, wusch sich der Angeklagte die Hände, während die Schülerin H., geboren am 20.07.1992, mit ihrer Nachbarin J. während einer Stillarbeit schwätzte. Um sie zu maßregeln, nahm der Angeklagte ein Handtuch, zog dieses um H. Hals und zog es derart fest zu, dass ihr für einen kurzen Moment die Luft wegblieb. Hierbei sagte er: "Das mache ich nicht oft, aber immer öfter".

4) Einige Zeit nach dem vorhergehenden Vorfall konnte oder wollte der am 18.01.1993 geborene Schüler G. ihm gestellte Aufgaben nicht zügig erledigen. Der Angeklagte stellte dies fest, packte ihn fest am Nacken und führte ihn so zu mehreren Tischen. Hierbei drückte er dessen Kopf jeweils auf auf den Tischen liegende Hefte mehrerer Mitschüler, um ihm zu zeigen, wie es richtig gemacht werde. Dies tat G. weh. Er verspürte auch am Nachmittag noch Kopfschmerzen."

In rechtlicher Hinsicht führte das Landgericht in dem Urteil unter IV. 2) Folgendes aus (UA, S. 21):

"Hinsichtlich der Vorfälle zum Nachteil der Kinder E. und I. hat sich der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen gem. §§ 174 Abs. 1 Nr. 1, 176 Abs. 1, 52, 53 StGB strafbar gemacht. Er hat diese Kinder unter der Kleidung auf der nackten Haut berührt, ist mit seiner Hand in ihre Unterhose gegangen und hat sie an der Scheide bzw. in unmittelbarer Nähe der Scheide berührt.

Ferner ist er in zwei Fällen der Körperverletzung gem. §§ 223, 53 StGB in Form der körperlichen Misshandlung schuldig. Die Handlungen gegenüber H. und G. stellen eine üble und unangemessene Behandlung dar, die das körperliche Wohlbefinden beider Kinder nicht nur unerheblich beeinträchtigt hat. So ist H. kurz die Luft weggeblieben und G. hat, wenn auch nur kurzfristig, Schmerzen verspürt. Zudem hatte er auch am Nachmittag noch Kopfschmerzen.

Die Körperverletzungen waren auch rechtswidrig. Ein Züchtigungsrecht für Lehrer besteht nicht mehr. Selbst wenn es dies noch gäbe, würden derart entwürdigende Misshandlungen nicht darunter fallen."

Hinsichtlich der weiteren Vorwürfe sprach das Landgericht den Beklagten frei und führte hierzu unter VI. des genannten Strafurteils aus (UA, S. 23 f.):

"1) Dem Angeklagten war zudem in Ziffer 2 der Anklage vorgeworfen worden, die am 07.12.1989 geborene Schülerin K. im Schuljahr 1999/2000 bei einer Fahrradprüfung auf den Schoß genommen, sie an sich gedrückt und während dessen über der Kleidung ihre Knie gestreichelt zu haben. Insoweit war der Angeklagte aus Rechtsgründen freizusprechen. Das ihm zur Last gelegte Verhalten ist zwar gegenüber einer Schülerin unpassend, aber keine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184 c StGB und demnach kein sexueller Missbrauch eines Kindes.

2) Soweit dem Angeklagten unter Ziffer 3 der Anklage zur Last gelegt worden war, die damals 9-jährige Schülerin L. unter dem Pullover im Bauchbereich berührt zu haben, war er aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Dass der Angeklagte der Zeugin L. unter das Unterhemd auf die nackte Haut gegangen war, konnte nicht festgestellt werden. Denn L. hat in der Hauptverhandlung berichtet, dass der Angeklagte sie kurz über dem Unterhemd an der Brust berührt habe. Dies wäre keine erhebliche Handlung im Sinne des § 184 c StGB.

Auch ein Versuch des sexuellen Missbrauchs von Kindern liegt insoweit nicht vor. Es ist nicht erwiesen, dass der Angeklagte bei L. mehr vorhatte, als er tatsächlich getan hat. Dies wäre nur anzunehmen, wenn er Kinder immer nur in sexuell erheblicher Weise berührt hätte. Jedoch hatte der Angeklagte auch anderweitigen körperlichen Kontakt zu Kindern, ohne dass dies einen objektiv sexuellen Aspekt gehabt hätte. Dies mag er auch bei L. vorgehabt haben.

3) In Bezug auf M. (Ziffer 7 der Anklage) war der Angeklagte ebenfalls aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, sich mit dem ganzen Körpergewicht auf dessen Rücken gesetzt zu haben. Dies hat M. so nicht geschildert. Zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte sich nur an M. Rücken angelehnt hat oder so getan hat, als ob er sich darauf setzen will. Dadurch hat er M. Wohlbefinden nur ganz unerheblich beeinträchtigt, so dass die Voraussetzungen des § 223 StGB nicht vorliegen."

Aufgrund dieses Strafurteils stellte das Amtsgericht Cloppenburg mit Beschluss vom 2. Juli 2007 ein weiteres Verfahren gegen den Beklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein.

Mit Verfügung der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 13. September 2004 wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass das ausgesetzte förmliche Disziplinarverfahren nunmehr weitergeführt werde.

Eine zunächst für den 1. Dezember 2005 in Aussicht genommene Ladung des Beklagten zur Vernehmung erfolgte nicht, da der Vertreter der Einleitungsbehörde den Termin nicht hätte wahrnehmen können. Mit Schreiben vom 24. November 2005 wies der Untersuchungsführer den Prozessbevollmächtigten des Beklagten darauf hin, dass nicht beabsichtigt sei, den Beklagten noch im Dezember zu laden. Dies habe zur Folge, dass das Disziplinarverfahren nach neuem Recht, das eine Untersuchung nicht mehr vorsehe, zu Ende zu führen sei. Die begonnene Untersuchung solle abgebrochen und die Akten - ohne Anfertigung eines Untersuchungsberichts - der Landesschulbehörde zur weiteren Veranlassung übersandt werden.

Am 2. März 2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Zu ihrer Begründung hat sie vorgetragen, der Beklagte habe wiederholt Dienstvergehen begangen, indem er Schülerinnen in zwei Fällen sexuell missbraucht, eine Schülerin und einen Schüler in zwei Fällen körperlich verletzt und sich einer Schülerin und einem Schüler gegenüber unangemessen verhalten habe. Der sexuelle Missbrauch und die Köperverletzungen seien bindend durch das rechtskräftige strafgerichtliche Urteil festgestellt. Der Vorwurf des unangemessenen Verhaltens ergebe sich ebenfalls aus den strafgerichtlichen Feststellungen und den diesbezüglichen Zeugenaussagen. Der Beklagte habe wegen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in grober Weise gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 62 Satz 3 NBG verstoßen. Gleiches gelte für die von ihm begangenen Köperverletzungen, wobei dem Beklagten insoweit auch ein Verstoß gegen die Pflicht, allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 63 Satz 3 NBG), vorzuwerfen sei. In Bezug auf das vom Strafgericht weiter festgestellte unangemessene Verhalten des Beklagten gegenüber einer Schülerin und einem Schüler habe er ebenfalls gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen.

Die Dienstpflichtverletzungen stellten für sich gesehen Dienstvergehen dar, weil der Beklagte rechtswidrig und schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe. Aufgrund der Einheit des Dienstvergehens seien die Pflichtverletzungen als Gesamtvergehen zu sehen, wobei allein der sexuelle Missbrauch bereits die Entfernung aus dem Dienst rechtfertige. Hinzu kämen noch die weiteren festgestellten Dienstpflichtverletzungen. Da der Beklagte zwischenzeitlich in den Ruhestand versetzt worden sei, müsse ihm das Ruhegehalt aberkannt werden.

Eine verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten sei nicht gegeben. Er habe sich bislang zu keinem Zeitpunkt auf gesundheitliche Beeinträchtigungen berufen, auch soweit ihre Ursache die Erkrankung seines Enkelkindes sein solle. Wären die gesundheitlichen Auswirkungen derart schwer gewesen, dass sie sich auf die Verfehlungen ausgewirkt hätten, hätte es auf der Hand gelegen, dies auch im strafgerichtlichen Verfahren vorzutragen. Im Übrigen bedeute ein Alkoholproblem nicht zugleich die Einschränkung der Einsichtsfähigkeit, das gegenüber seinen Schülern begangene Unrecht zu erkennen. Die vorgetragenen besonderen Verdienste des Beklagten könnten nicht dazu führen, von einer Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen, da er im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt habe. Selbst wenn seine Taten im strafrechtlichen Sinne vergleichsweise leichte Übergriffe darstellten, sei zu berücksichtigen, dass ein minderschwerer Fall nicht vorliege. Die Dauer eines Disziplinarverfahrens rechtfertige ein Absehen von der Aberkennung des Ruhegehalts nicht, zumal es dem Beklagten jederzeit freigestanden habe, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen.

Die Klägerin hat beantragt,

dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen entgegnet, dass die Verteidigung im Strafverfahren vorrangig das Ziel eines Freispruchs gehabt habe und vor allem aus diesem Grunde den Aspekten der einschränkten Schuldfähigkeit/Schuldminderungsgründen keine nach Lage der Dinge an sich notwendige und hinreichende Aufmerksamkeit seitens der Verteidigung und des Gerichts gewidmet worden sei. Ein solcher Vortrag hätte im Widerspruch dazu gestanden, die Tatbestandsbegehung zu bestreiten. Beweisanträge im Disziplinarverfahren, in denen es um die verminderte Schuldfähigkeit bzw. Schuldminderungsaspekte bei einem Beamten gehe, seien durch die gesetzlich normierte Bindungswirkung nicht ausgeschlossen. Deshalb beantrage er, durch fachärztliches Gutachten seine psychologisch-gesund-heitliche Situation im fraglichen Zeitraum zu klären. Er sei durch die Übernahme der Lehrverpflichtung eines erkrankten Lehrers und durch die Erkrankung seines Enkelkindes im Tatzeitraum sehr belastet gewesen. Dies werde durch die Ermittlungsergebnisse, die die Klägerin in ihrer Disziplinarklageschrift wiedergebe, bestätigt, wonach er in dieser Zeit häufig geschwitzt und nach Alkohol gerochen habe. Nach der Stellungnahme des ihn behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie U. bestehe der Verdacht eines Alkoholproblems zum damaligen Zeitpunkt. Er habe seinerzeit mindestens schwerwiegende Persönlichkeitsprobleme gehabt, die eine verminderte Steuerungsfähigkeit möglich bzw. sogar wahrscheinlich erscheinen ließen. Im Übrigen sei die für einen völligen Vertrauensverlust notwendige Schwere des Dienstvergehens nicht gegeben. Er sei weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich vorbelastet und habe kurz vor seiner regulären Pensionierung gestanden. Sein gesellschaftliches und politisches Engagement sowie seine Verdienste um das Gemeinwohl müssten Berücksichtigung finden. Die Medienberichte hätten seine familiäre Situation sehr belastet. Die zu seinen Gunsten sprechenden Ausführungen in dem Strafurteil vom 24. Januar 2004 seien bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu beachten. Das Landgericht habe eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten nicht aussprechen wollen. Bei den Körperverletzungen habe er zugestanden, dass er diese infolge einer Überforderung begangen habe. Die Aberkennung des Ruhegehalts erweise sich in Anbetracht aller Umstände als unangemessen.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 23. März 2007 eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihm das Ruhegehalt aberkannt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:

Mit Blick auf die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil vom 14. Januar 2004 habe der Beklagte in der Zeit von 1998 bis zum Herbst 2001 wiederholt sexuelle und körperliche Übergriffe auf Schülerinnen und Schüler verübt. Das Strafgericht habe den sexuellen Missbrauch der Schülerinnen E. und F. festgestellt. Auch stehe fest, dass der Beklagte bei der Schülerin H. und dem Schüler G. durch sein Verhalten den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt habe. Des Weiteren sei in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass er die Schülerin K. im Schuljahr 1999/2000 bei einer Fahrradprüfung auf den Schoß genommen, sie an sich gedrückt und über der Kleidung ihre Knie gestreichelt und dass er sich an den Rücken des Schülers M. gelehnt und dabei so getan habe, als ob er sich darauf setzen wolle.

Anhaltspunkte für eine offenkundige Unrichtigkeit der aufgrund der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen in dem rechtskräftigen Strafurteil seien nicht ersichtlich, weshalb eine erneute Prüfung der festgestellten Tatsachen nicht in Betracht komme.

Der Beklagte habe ein einheitlich zu würdigendes Dienstvergehen begangen und durch die sexuellen Übergriffe und die begangenen Körperverletzungen schwerwiegend gegen das Gebot zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb des Dienstes verstoßen. Darüber hinaus habe er gegen diese Dienstpflicht durch das unangemessene Verhalten gegenüber der Schülerin K. und M. verstoßen, auch wenn diese Verstöße deutlich weniger schwer wögen. Der Beklagte habe im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt. Ihm sei wegen seiner zwischenzeitlichen Versetzung in den Ruhestand das Ruhegehalt abzuerkennen. Eine mildere Beurteilung sei wegen des Eintritts in den Ruhestand nicht gerechtfertigt. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei maßgebend, dass der Beklagte durch die sexuellen Übergriffe in eklatanter Weise gegen den Bildungsauftrag der Schule, den Lehrer zu erfüllen hätten, und die Vorbildfunktion von Lehrern verstoßen habe. Gerade von einem Lehrer sei zu erwarten, nicht gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, insbesondere solchen, die gerade zum Schutz der Menschenwürde und des allgemeines Persönlichkeitsrechts von Kindern erlassen worden seien, zu verstoßen. Der Beklagte habe die Situation, dass ihm Kinder im Grundschulalter anvertraut gewesen seien, genutzt und die Unterrichtssituation, in der regelmäßig davon auszugehen sei, dass sich Kinder in einem besonders geschützten Umfeld befänden, ausgenutzt, um in der strafrechtlich abgeurteilten Art und Weise auf die Schülerinnen und Schüler einzuwirken. Die Handlungen seien in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Dies gelte auch für die begangenen Körperverletzungen, da es ihm oblegen habe, die körperliche Unversehrtheit seiner ihm anvertrauten Schüler zu wahren. Das unpassende Verhalten gegenüber der Schülerin K. und dem Schüler M. stelle eine Dienstpflichtverletzung dar, weil er die notwendige körperliche Distanz zu den Schülern nicht gewahrt habe. Nach Maßgabe dessen habe der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn, der Schüler und ihrer Eltern in seine Zuverlässigkeit und moralische Integrität verloren. Auch die Allgemeinheit habe kein Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung, wenn ein Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs und Köperverletzung rechtskräftig verurteilt worden sei, auch wenn die familiären Probleme und der übermäßige Weinkonsum bekannt seien.

Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Dies ergebe sich aus den bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Urteils, auch wenn in dem Urteil hierzu keine näheren Ausführungen enthalten seien. Wäre das Landgericht nicht von der Schuldfähigkeit des Beklagten ausgegangen, wäre es nicht zu einer Verurteilung gekommen. Eine Lösung von diesen Feststellungen aufgrund der Einlassungen des Beklagten und der von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahme komme nicht in Betracht. Unabhängig davon, dass sich dem Vorbringen eine offensichtliche Unrichtigkeit oder eine inzwischen als unzutreffend erkannte Feststellung nicht entnehmen lasse, genüge eine Alkoholsucht nicht für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit oder gar einer Schuldunfähigkeit. Erforderlich sei, dass die Erkrankung zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt haben müsse, dass es sich um Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gehandelt habe oder dass die Taten im Zustand eines akuten Rausches verübt worden seien. Anhaltspunkte hierfür lägen nicht vor. Der Beklagte habe vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt. Milderungsgründe seien nicht gegeben. Die Indizwirkung der Schwere des Dienstvergehens, die für eine Aberkennung des Ruhegehalts spreche, werde durch die sonstigen Umstände nicht entkräftet.

Das Urteil ist dem Beklagten am 4. Mai 2007 zugestellt worden.

Er hat am 9. Mai 2007 hiergegen Berufung eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 6. Juni 2007 begründet. Nach seiner Auffassung sei zu berücksichtigen, dass nach den Ausführungen im Strafgerichtsurteil sich die sexuellen Handlungen im unteren Bereich der möglichen Handlungen bewegten, sie vergleichsweise leichte Übergriffe darstellten und er auch anderweitigen körperlichen Kontakt zu Kindern ohne sexuelle Aspekte gehabt habe. Sein unangemessenes Verhalten habe daher wohl nur "gerade" sexuell motivierten Charakter, ohne sein Verhalten völlig marginalisieren zu wollen. Die im Strafurteil unausgesprochene Feststellung seiner Schuldfähigkeit sei offenkundig unrichtig. Das Strafgericht habe nicht zu seiner (psychologischen) Persönlichkeitsstruktur und seiner psychologischen Situation zur Tatzeit ermittelt. Grund hierfür dürfte sein, dass seine Verteidigung auf seine Veranlassung hin nur auf das Nichtvorliegen der Tatbestände plädiert habe. Die Ermittlung der Persönlichkeitsstruktur und damit schuld- und/oder strafmildernder Umstände sei aber "offenkundig" gewesen. Dies folge aus der Art der Delikte und den Tatumständen, die im Strafurteil keinerlei Berücksichtigung gefunden hätten. Nach den Zeugenaussagen habe er zeitweise sehr geschwitzt und nach Alkohol gerochen. Insoweit verweise er auch auf die bereits vorgelegte, aber im Disziplinarverfahren unberücksichtigt gebliebene Stellungnahme des ihn behandelnden Facharztes, wonach er zum damaligen Zeitpunkt eine erhebliche Alkoholproblematik gehabt habe, die nach dessen Einschätzung der Situation wesentlich an den ihm zur Last gelegten Übergriffen "beteiligt" gewesen sei. Der Facharzt halte eine umfassende nervenärztliche Begutachtung für erforderlich. Die Bindungswirkung des Strafurteils erstrecke sich nicht auf Schuldausschließungsgründe, eine verminderte Schuldfähigkeit und Milderungsgründe. Sie könne sich nur auf ausdrückliche Sachverhaltsumstände im Urteil beschränken. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht seinen im Schriftsatz vom 28. April 2006 diesbezüglich gestellten Beweisantrag nicht beschieden. Hinsichtlich der Bemessung der Disziplinarmaßnahme halte er es für gut vertretbar, noch von einem Restvertrauen auszugehen, vor allem vor dem Hintergrund seiner langjährigen Verdienste als Pädagoge und Schulleiter, engagierter Kommunalpolitiker und seines Dienstalters. Die völlige Gleichsetzung eines aktiven Beamten und eines Ruhestandsbeamten überzeuge angesichts unterschiedlicher Einstellungen und Beurteilungen in Bezug auf die Fragen des Vertrauensverlustes und der beabsichtigten Warnfunktion nicht. Es sei nicht notwendig, die disziplinare Höchstmaßnahme auszusprechen, zumal er "gestraft genug" sei und gerade auch im Bereich sexueller Verfehlungen doch noch ganz "andere", schwerwiegendere Verstöße vorstellbar und Gegenstand auch disziplinarrechtlicher Urteile seien, in denen dann "angemessen" das Ruhegehalt aberkannt werde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, dass die Bindungswirkung auch die Schuldfeststellung umfasse. Diese Feststellung sei nicht offensichtlich unrichtig, da keinerlei Anhaltspunkte für Zweifel an der Schuldfähigkeit des Beklagten bestünden. Die Zeugenaussagen ließen den Schluss, der Beklagte sei schuldunfähig gewesen, nicht zu. Auch wenn der Beklagte zur Tatzeit alkoholisiert gewesen sei, läge aufgrund der Zeugenaussagen nicht der Verdacht nahe, dass dessen Handlungs- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei. Dies ergebe sich auch nicht aus der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme. Der Umstand, dass schwerwiegendere Verstöße im Bereich sexueller Verfehlungen zu höheren Strafen und gegebenenfalls unmittelbar kraft Gesetzes zum Verlust der Beamtenrechte führten, könne den Beklagten nicht entlasten. Die Schwere des begangenen Dienstvergehens rechtfertige die ausgesprochene Maßnahme. Der Beklagte habe die Taten im Dienst begangen. Das Vertrauensverhältnis sei endgültig zerstört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge (Beiakten A - H) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten rechtsfehlerfrei eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihm deshalb das Ruhegehalt aberkannt.

Hinsichtlich der gegen den Ruhestandbeamten erhobenen Vorwürfe ist mit dem Verwaltungsgericht von denjenigen tatsächlichen Feststellungen auszugehen, die das Landgericht Oldenburg in seinem rechtskräftigen Strafurteil vom 14. Januar 2004 getroffen hat. Die von dem Verwaltungsgericht festgestellten Dienstpflichtverletzungen werden vollumfänglich von dem strafgerichtlichen Urteil erfasst und sind gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 NDiszG für die Disziplinarbehörde und gemäß §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 1 NDiszG für die gerichtliche Entscheidungsfindung bindend. Dies gilt für sämtliche von dem Strafgerichtsurteil erfassten Vorwürfe, unabhängig davon, ob der Beklagte insoweit verurteilt oder freigesprochen worden ist (vgl. Bieler/Lukat, NDiszG, Stand: Dezember 2007, § 24, Rn. 5).

Demzufolge werden nicht nur die Tatumstände des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen zum Nachteil der Kinder E. und M. sowie die Tatumstände der Körperverletzungen der Schülerin H. und G. von der Bindungswirkung erfasst, sondern auch die tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich des von der Disziplinarklage umfassten unpassenden Verhaltens des Beklagten gegenüber den Schülern K. und M.. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Feststellung der Schuldfähigkeit des Beklagten im Tatzeitraum, denn bindend sind sämtliche tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, also diejenigen inneren und äußeren Tatsachen, die das erkennende Strafgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Unerheblich ist dabei, ob das Strafgericht die tatsächlichen Feststellungen ausdrücklich oder nur stillschweigend getroffen hat, weil ein Eingehen hierauf nicht erforderlich schien (vgl.: Bieler/Lukat, a. a. O., § 24, Rn. 6 u. a. m. Hinweis auf NDH, Urt. v. 14.11.1991 - 1 NDH L 7/89 -). Anhaltspunkte dafür, dass die Bindungswirkung nach Inkrafttreten des Niedersächsischen Disziplinargesetzes nur die ausdrücklichen Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil erfassen soll, sind allein wegen der geänderten sprachlichen Fassung der §§ 52 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 1 Satz 1 NDiszG gegenüber § 18 Abs. 1 Satz 1 NDO entgegen der Auffassung des Beklagten nicht ersichtlich. Die Vorschriften unterscheiden hinsichtlich des Umfangs der Bindungswirkung nicht zwischen ausdrücklich und stillschweigend getroffenen Tatsachenfeststellungen. Eine solche Unterscheidung widerspräche den Gesetzeszwecken der Bindungswirkung, die der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz dient und die verhindern will, dass zu demselben Sachverhalt in verschiedenen Verfahren unterschiedliche Feststellungen getroffen werden. Dies gilt auch für das gerichtliche Disziplinarverfahren, das nach Maßgabe des Niedersächsischen Disziplinargesetzes durchzuführen ist (vgl.: LT-Drs. 15/1130, S. 63 und 78).

Die Bindungswirkung umfasst aus diesen Gründen die Feststellung der Schuldfähigkeit, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht ausdrücklich verhält. Es besteht regelmäßig für ein Strafgericht keine Veranlassung, die Schuldfähigkeit einer erwachsenen Person zu erörtern, weil sie die Regel ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte gegeben sind, die gegen die Schuldfähigkeit des Beamten sprechen. Schweigt das Gericht indes zur Frage der Schuldfähigkeit, kann hieraus geschlossen werden, dass es insoweit keinen Anhaltspunkt für eine Ausnahme von dieser Regel sah. Bereits aus der Tatsache der Verurteilung ist zwingend auf die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortung des Beamten zu schließen, weil andernfalls eine Verurteilung nicht zulässig wäre (vgl.: BVerwG, Urt. v. 29.11.1989 - BVerwG 1 D 71.88 -, DokBer B 1990, 96 <97>).

Entgegen der Auffassung des Beklagten lagen keine Anhaltspunkte vor, die das Strafgericht hätten veranlassen müssen, zu seiner Schuldfähigkeit Stellung zunehmen. Der Beklagte war nicht gehindert, seine Überforderungssituation und seine Alkoholproblematik bereits im Strafverfahren geltend zu machen, obwohl er die Tatvorwürfe als solche bestritten hatte. Er hätte die Vorfälle aus seiner Sicht schildern und die Tatvorwürfe bestreiten und dabei - ohne Widerspruch - seine persönliche Situation, in der er sich zum Tatzeitraum aus seiner Sicht befunden hatte, darlegen können. Insoweit wäre es dann dem Strafgericht überlassen gewesen, die sich hieraus ergebenden Rückschlüsse auf die Schuldfähigkeit zu ziehen. Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen hinsichtlich seiner Schuldfähigkeit musste das Strafgericht auch nicht den von dem Beklagten zitierten Zeugenaussagen entnehmen, wonach er - der Beklagte - im Tatzeitraum sehr geschwitzt und häufig nach Alkohol gerochen habe. Allein aus diesen Aussagen musste das Strafgericht nicht auf eine erhebliche psychische Erkrankung des Beklagten wegen einer Belastungssituation oder einer Alkoholabhängigkeit schließen, die zu einer Einschränkung seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit führt. Es hat sich im Gegenteil in Kenntnis dieser schriftlichen Zeugenaussagen, die sich in den Strafakten befinden, nicht veranlasst gesehen, zur Frage der Schuldfähigkeit weitere Ermittlungen vorzunehmen, sondern seiner Entscheidung stattdessen die Schuldfähigkeit des Beklagten zugrunde gelegt.

Die Voraussetzungen für eine Lösung von den bindenden strafgerichtlichen Feststellungen sind nicht gegeben. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 NDiszG hat die Disziplinarbehörde eine Prüfung solcher Feststellungen vorzunehmen, die offenkundig unrichtig sind. Dies ist auch im gerichtlichen (Berufungs-)Verfahren gemäß §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 2 NDiszG zu beachten. Eine Lösung von bindenden strafgerichtlichen Feststellungen ist hiernach nur ausnahmsweise und nur unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich. Das Disziplinargericht darf die eigene Entscheidung nicht an die Stelle derjenigen des Strafgerichts setzen. Strafgerichtliche Feststellungen sind daher auch dann für die Disziplinargerichte bindend, wenn diese aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Eine Lösung kommt nur dann in Betracht, wenn das Disziplinargericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden, wenn etwa Feststellungen im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder jeder Lebenserfahrung stehen oder aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig sind. Nur dies soll durch die Lösungsmöglichkeit verhindert werden; die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen auch anders gewesen sein könnte, reicht für einen Lösungsbeschluss nicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.5.1993 - BVerwG 1 D 52.91 -, DokBer B 1993, 206, m. w. N.; NDH, Urt. v. 13.1.2005 - 2 NDH L 10/03 -; Nds. OVG, Urt. v. 6.3.2008 - 20 LD 11/06 -). Eine Lösung kommt zudem nur in Betracht, wenn ohne weitere Beweisaufnahme zweifelsfrei erkennbar ist, dass eine entscheidungserhebliche Feststellung im Strafurteil falsch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.3.1982 - BVerwG 1 D 80.80 -, ZBR 1983, 208; Bieler/Lukat, a. a. O., § 24, Rn. 8). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch mit Blick auf die Neuregelungen in §§ 24 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 Satz 2, 60 Abs. 1 Satz 1 NDiszG fest. Denn der Landesgesetzgeber hat mit dem Begriff der "Offenkundigkeit" an die bisherige Rechtsprechung anknüpfen und die bisherigen Voraussetzungen für eine Lösung von der Bindungswirkung nicht ändern, sondern lediglich präzisieren wollen (vgl.: LT-Drs. 15/2243, S. 23 und 15/2260, S. 9).

Gemessen hieran ist die Feststellung der Schuldfähigkeit des Beklagten nicht offenkundig unrichtig im Sinne der §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 2 NDiszG. Aufgrund der von dem Beklagten zitierten Zeugenaussagen und den Ausführungen im strafgerichtlichen Urteil, dass der Beklagte seit 1998 überlastet und überfordert gewirkt habe, auch aufbrausender gewesen sei und dass er die Körperverletzungen begangen habe, weil er sich überlastet gefühlt habe, lässt sich eine Lösung von den bindenden strafgerichtlichen Feststellungen nicht rechtfertigen. Denn diese Ausführungen lassen eine nur eingeschränkte Schuldfähigkeit allenfalls als möglich erscheinen. Gleiches gilt für die Äußerung in der ärztlichen Stellungnahme des N. vom 24. April 2006 (GA, Bl. 43 f.), wonach es einige Anhaltspunkte gebe, dass der Beklagte im Tatzeitraum, angestoßen durch die Erkrankung des Enkelkindes, eine erhebliche Alkoholproblematik gehabt habe. Diese Vermutung wird letztlich nicht substantiiert, sodass auch insoweit eine andere Beurteilung des Geschehens wegen einer verminderten Schuldfähigkeit allenfalls als möglich erscheint. Hinzu kommt, dass der Beklagte im Verfahren der vorläufigen Dienstenthebung zwar die Erkrankung seines Enkelkindes, nicht aber einen dadurch bedingten erhöhten Alkoholkonsum und die Überforderungssituation geltend gemacht hatte. Die in der ärztlichen Stellungnahme erwähnten besonderen Umstände des Gerichtsverfahrens und der Verurteilung als Ursache für die festgestellte depressive Symptomatik können bereits aus zeitlichen Gründen die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt nicht rechtfertigen. Schließlich scheidet eine Lösung von den bindenden Feststellungen aus, weil es für die Feststellung einer nur verminderten Schuldfähigkeit der Durchführung einer Beweisaufnahme bedürfte. Dies folgt aus der ärztlichen Stellungnahme, in der der den Beklagten behandelnde Arzt es für erforderlich hält, wegen der nach seiner Ansicht vorliegenden Anhaltspunkte für eine durch den Alkoholmissbrauch gegebenen eingeschränkten Schuldfähigkeit eine umfassende nervenärztliche Begutachtung vorzunehmen. Der Beklagte hat sich dieser Auffassung angeschlossen und in dem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens beantragt. Bedarf es aber, weil allenfalls Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen, noch der gutachterlichen Feststellung, liegen die Voraussetzungen für eine Lösung nicht vor, da die Feststellung der Schuldfähigkeit des Beklagten weder im Widerspruch zu den Denkgesetzen noch jeder Lebenserfahrung steht und auch aus sonstigen Gründen nicht offenbar unrichtig ist. Da die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nicht vorliegen, scheidet auch die Annahme eines Schuldminderungsgrundes nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" aus.

Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang mit seiner Berufung geltend macht, das Verwaltungsgericht habe seinen fristgerecht gestellten Beweisantrag nicht beschieden, führt dieser geltend gemachte Verfahrensmangel ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Eine Zurückverweisung der Sache aus diesem Grunde kommt mangels Antragstellung nach § 4 NDiszG, § 130 Abs. 2 VwGO nicht in Betracht. Im Übrigen hat nach § 4 NDiszG, § 130 Abs. 1 VwGO das Oberverwaltungsgericht die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Nach den vorstehenden Ausführungen ist jedoch wegen fehlender offenkundiger Unrichtigkeit der bindend festgestellten Schuldfähigkeit des Beklagten die beantragte Beweiserhebung nicht entscheidungserheblich und damit nicht erforderlich (vgl. dazu auch: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 130, Rn. 9).

Der Beklagte hat durch das festgestellte Verhalten ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 NBG begangen und schuldhaft die ihm obliegende Pflicht zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb des Dienstes (§ 62 Satz 3 NBG) verletzt. Zu den Dienstpflichten der Lehrer, die den umfassenden Bildungsauftrag der Schule (§ 2 NSchG) zu erfüllen haben, gehören der Unterricht und die Erziehung der ihnen anvertrauten Schüler unter Beachtung der Elternrechte. Die Lehrer sollen die Schüler mit dem geltenden Wertesystem und den Moralvorstellungen der Gesellschaft bekannt machen und sie zu deren Einhaltung anhalten. Damit der Erziehungsauftrag mit der notwendigen Überzeugung und Glaubwürdigkeit erfüllt werden kann, ist von einem Lehrer besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit auf sittlichem Gebiet zu verlangen. Diesen Anforderungen wird ein Lehrer nicht gerecht, wenn er gravierend gegen geltende Moralvorstellungen verstößt und Straftatbestände erfüllt. Hierdurch macht er sich als Erzieher und Vorbild der ihm anvertrauten Schüler untragbar (vgl. auch NDH, Beschl. v. 21.2.2005 - 1 NDH M 10/04 -, NJW 2005, 1387 f.; Nds. OVG, Urt. v. 17.7.2007 - 19 LD 13/06 -). Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist hierbei durch körperliche Distanz geprägt, d. h. es besteht für den Lehrer die Pflicht, die Distanz zu wahren, die - bei aller zulässigen Zuwendung und Hilfsbereitschaft - zur Erfüllung des Bildungsauftrags und der Wahrung der Elternrechte unerlässlich ist (vgl. zum Vorstehenden auch: Nds. OVG, Urt. v. 17.7.2007 - 19 LD 13/06 -; NDH, Beschl. v. 11.6.2003 - 2 NDH M 6/02 -; BayVGH, Urt. v. 27.10.2004 - 16a D 03.2067 -, zitiert nach juris Langtext). Ein Lehrer, der die gebotene körperliche Distanz zu seinen Schülern vermissen lässt und sich nicht entsprechend seiner hohen Verantwortung insbesondere für die sittlichen Wertempfindungen in sexueller Hinsicht absolut korrekt verhält, indem er die ihm anvertrauten Schüler sexuell missbraucht, zu ihrem Nachteil den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllt oder sich auf sonstige unpassende und unangemessene Weise den Schülern körperlich nähert, begeht daher schwere Verletzungen der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten.

Das von dem Beklagten begangene Dienstvergehen wäre, wenn er sich noch im aktiven Dienst befände, mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu ahnden. Dem Beklagten ist deshalb das Ruhegehalt abzuerkennen (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 NDiszG). Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 NDiszG). Sie ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG), wobei nach § 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen ist und ferner berücksichtigt werden soll, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl.: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 <259>; Urt. v. 30.11.2006 - BVerwG 1 D 6.05 -, zitiert nach juris Langtext; Nds. OVG, Urt. v. 17.7.2007 - 19 LD 13/06 -). Bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinarmaßnahme ist eine disziplinarische Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände vorzunehmen (vgl. nur: Nds. OVG, Urt. v. 6.3.2008 - 20 LD 10/06 -, m. w. N.).

Ergibt die Gesamtwürdigung, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn endgültig zerstört ist, ist ein aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG) bzw. einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerkennen. So verhält es sich hier.

Durch sein festgestelltes Verhalten hat der Beklagte in schwerwiegender Weise aus den aufgezeigten Gründen gegen die ihm obliegende Pflicht verstoßen, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert. Der Beklagte hat damit zugleich sein Ansehen und das der Beamtenschaft beeinträchtigt und sich erheblichen Zweifeln an seiner Vertrauenswürdigkeit gegenüber seinem Dienstherrn ausgesetzt. Ein Lehrer, der ihm anvertraute Schüler im Unterricht bzw. während schulischer Veranstaltungen sexuell missbraucht, in strafrechtlich relevanter Weise am Körper verletzt und in unangemessener Weise unter Missachtung der gebotenen körperlichen Distanz berührt, genießt nicht mehr die Achtung und das Vertrauen, das einerseits sowohl die Allgemeinheit, insbesondere die Schüler und ihre Eltern, und andererseits die Vorgesetzten und Mitarbeiter in einen Lehrer setzen. Angesichts des Erziehungsauftrags haben sexuell motivierte Übergriffe wie auch körperliche Gewalt eines Lehrers einen endgültigen Verlust seines Ansehens als Erzieher und Vorbild zur Folge. Erheblich belastend wirkt dabei, dass der Beklagte im Tatzeitraum Rektor der Grundschule war und er damit das in ihn aufgrund seiner Vorgesetztenfunktion gesetzte besondere Vertrauen in seine Selbstbeherrschung, Zuverlässigkeit und moralische wie persönliche Integrität durch sein Verhalten enttäuscht und von Grund auf erschüttert hat.

Zu berücksichtigen ist bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu Lasten des Beklagten des Weiteren, dass sexuell motivierte Handlungen zum Nachteil von Kindern gerade im Grundschulalter in doppelter Hinsicht persönlichkeits- und sozialschädlich sind. Sie stellen einen unnatürlichen Eingriff in die sittliche Entwicklung des Kindes dar, den dieses wegen seiner noch nicht ausreichend fortgeschrittenen Reife intellektuell und gefühlsmäßig in aller Regel nicht verarbeiten kann; der Eingriff ist deshalb geeignet, die natürliche Entwicklung nachhaltig zu stören. Zudem benutzt der Täter die Person des Kindes als Mittel zur Befriedigung seiner geschlechtlichen Triebe und macht es damit in einer die Menschenwürde verachtenden Weise zum Objekt seiner Sexualität (vgl. auch: Nds. OVG, Urt. v. 17.7.2007 - 19 LD 13/06 -).

Als weiterer belastender Umstand ist bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu beachten, dass der Beklagte nicht nur einmalig in eklatanter Weise gegen seine ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sondern mehrmals gegenüber verschiedenen ihm anvertrauten Kindern die Tatbestände des sexuellen Missbrauchs und der Körperverletzung erfüllt sowie die körperlich gebotene Distanz nicht gewahrt hat. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass sich das Verhalten des Beklagten gegenüber der Schülern K. und M. unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit bewegt und damit nicht das Gewicht hat, dass dem übrigen Verhalten des Beklagten zuzumessen ist. Die fortgesetzte Dauer der überwiegend schweren Dienstpflichtverletzungen rechtfertigt angesichts der aufgezeigten Umstände jedoch die Annahme, dass das zur Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Beklagten und seinem Dienstherrn nicht nur beeinträchtigt, sondern zerstört ist.

Dieser Einschätzung stehen entlastende Gesichtspunkte, die das Verhalten des Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, nicht gegenüber. Weder kann sich der Beklagte auf Milderungsgründe berufen noch ergibt eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens einen Anhaltspunkt für ein Restvertrauen des Dienstherrn in den Beklagten.

Soweit der Beklagte der Auffassung ist, sein Eintritt in den Ruhestand sei bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd zu berücksichtigen, da sich insoweit der Maßstab für die Allgemeinheit und die mit der Disziplinarmaßnahme verbundene Warnfunktion geändert hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Er verkennt, dass der Maßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts generalpräventive Erwägungen zugrunde liegen. Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandbeamter, der wegen eines schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehenen Titel zu führen. Es kommt hinzu, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Beamter, der nach Begehung eines zur Auflösung des Beamtenverhältnisses führenden Dienstvergehens in den Ruhestand tritt, nicht besser gestellt wird als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (so bereits: Nds. OVG, Urt. v. 6.3.2008 - 20 LD 11/06 -; siehe auch BVerwG, Urt. v. 24.5.2007 - BVerwG 2 C 25.06 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 17; Beschl. v. 28.8.2007 - BVerwG 2 B 26.07 -, zitiert nach juris Langtext).

Ebenso wenig ist zur Entlastung des Beklagten zu berücksichtigen, dass nach den Ausführungen des Strafgerichts in dessen Urteil sich die sexuellen Handlungen im unteren Bereich der möglichen Handlungen bewegten, es sich um vergleichsweise leichte Übergriffe gehandelt habe und der Beklagte auch anderweitigen körperlichen Kontakt zu Kindern gehabt habe, ohne dass dies einen objektiven sexuellen Aspekt gehabt hätte. Hierbei handelt es sich um Strafzumessungserwägungen des Strafgerichts, die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme keine ausschlaggebende Bedeutung haben. Denn die mit dem Strafverfahren einerseits und mit dem Disziplinarverfahren andererseits verfolgten Zwecke unterscheiden sich in deutlichem Maße. Während die Kriminalstrafe neben Abschreckung und Besserung der Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, die Funktionsfähigkeit und das Ansehen des öffentlichen Dienstes aufrecht zu erhalten (vgl.: BayVGH, Urt. v. 1.6.2005 - 16a D 04.3502 -, BayVBl. 2006, 187 ff., zitiert nach juris Langtext, Rn.59 m. w. N.; Nds. OVG, Urt. v. 22.3.2007 - 19 LD 4/06 -). Der Unterschied zeigt sich daran, dass der Beamte bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten kraft Gesetzes entlassen ist, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob der jeweilige Strafrahmen des Strafgesetzes auch eine Freiheitsstrafe von weit über einem Jahr vorsieht und damit andere Handlungen, die zur einer Ausschöpfung des Strafrahmens führen, abdeckt. Das Strafmaß, soweit es unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegt, mag allenfalls ein Indiz für die Schwere des Dienstvergehens sein, ausschlaggebend ist es indes nicht.

Mildernd kommen schließlich nicht die von dem Beklagten im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Alkoholproblematik und seine berufliche sowie familiäre Belastungssituation in Betracht. Anerkannte Milderungsgründe sind vor diesem Hintergrund nicht gegeben. Angesichts der Häufigkeit der Dienstpflichtverletzungen kann das Verhalten des Beklagten nicht als einmalige persönlichkeitsfremde Tat angesehen werden, da insoweit Voraussetzung ist, dass der Beamte einmal spontan ohne hinreichende Überlegung quasi kurzschlussartig gehandelt hat (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - BVerwG, 1 D 19.89 -, Dok. Ber. 1990, 149). Überdies können auch die Voraussetzungen für den Milderungsgrund einer psychischen Beeinträchtigung als Folge einer negativen Lebensphase nicht angenommen werden. Dieser Grund erfordert, dass die Dienstpflichtverletzungen als Entgleisungen während einer negativen Lebensphase anzusehen sind, die der Beamte infolge einer psychischen Erkrankung begangen hat, und zu erwarten ist, dass er zukünftig entsprechende dienstliche Verfehlungen unterlassen wird (vgl.: BVerwG, Urt. v. 10.11.1987 - BVerwG 1 D 24.87 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 17). Zunächst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die dargelegte Alkoholproblematik und die Überforderungssituation des Beklagten im Tatzeitraum bereits ein derartiges Ausmaß angenommen hätten, das von einer psychischen Erkrankung ausgegangen werden müsste. Die Aussage des den Beklagten behandelnden Arztes, dass die Alkoholproblematik aus seiner Sicht wesentlich an den dem Beklagten zur Last gelegten Übergriffen beteiligt gewesen sei, lässt ebenso wenig wie die Bewertung im strafgerichtlichen Urteil, dass der Beklagte die Körperverletzungen begangen hat, weil er sich überfordert gefühlt hat, einen solchen Rückschluss zu. Entscheidend ist hierbei, dass der Beklagte gegen leicht einsehbare Kernpflichten verstoßen hat und daher selbst bei einer nur eingeschränkten Steuerungs- und Handlungsfähigkeit von ihm verlangt werden konnte und durfte, seine Dienstpflichten zu beachten.

Soweit der Beklagte zu seinen Gunsten auf seine langjährigen Verdienste als Pädagoge und Schulleiter sowie sein Dienstalter verweist, ist zu berücksichtigen, dass die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten bis zur Versetzung in den Ruhestand das normale Verhalten eines Beamten darstellt und daher nicht geeignet ist, die Schwere des Dienstvergehens so zu relativieren, dass deshalb bei einem Beamten, der sich untragbar gemacht hat, von einer Dienstentfernung bzw. bei einem Ruhestandsbeamten von einer Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen. Entsprechendes gilt für das Vorbringen des Beklagten, bei der Bemessung seien seine langjährigen Verdienste als engagierter Kommunalpolitiker zu würdigen. Solche außerhalb des Dienstes erworbenen Verdienste können die Schwere der begangenen Dienstpflichtverletzungen ebenfalls nicht aufwiegen, sodass noch von einem Restvertrauen des Dienstherrn ausgegangen werden könnte. Einem Restvertrauen stehen insbesondere die mit der Dienstpflichtverletzung verbundenen Auswirkungen auf die hiervon betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie auf den Dienstbetrieb entgegen.

Rechtsfehlerfrei hat das Verwaltungsgericht zudem die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht als Milderungsgrund berücksichtigt. Denn in den Fällen, in denen es wegen des Verhaltens des Beamten - wie hier - zu einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gekommen ist, ist es nicht möglich, aufgrund der Dauer des Disziplinarverfahrens eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen (vgl.: Nds. OVG, Urt. v. 6.3.2008 - 20 LD 10/06 -; NDH, Urt. v. 14.7.2005 - 1 NDH L 1/04 -, m. w. N.).

Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, wäre er noch aktiver Beamter, verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insoweit kommt es nicht auf die finanziellen oder sozialen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beamten an. Auch sind nicht die Auswirkungen auf die Familie des Beamten in den Blick zu nehmen, die diese bereits durch die strafgerichtliche Verurteilung in Kauf nehmen musste. In das Verhältnis zu setzen sind vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die dementsprechend verhängte Maßnahme. Hat ein Beamter - wie hier - durch ein vorwerfbares Verhalten die Vertrauensgrundlage zerstört, dann ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden bzw. das Ruhegehalt abzuerkennen. Die allein darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig; sie beruht vielmehr auf einem ihm zurechenbaren Verhalten (vgl.: Nds. OVG, Urt. v. 6.3.2008 - 20 LD 10/06 -, m. N.).

Der Umstand, dass im Bereich der von dem Beklagten verwirklichten Straftatbestände noch andere, im oberen Bereich der Strafbarkeit liegende Handlungen verwirklicht werden können, vermag ebenfalls nicht die Unverhältnismäßigkeit der ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme zu begründen. Denn das Strafmaß hat insoweit - wie bereits ausgeführt wurde - keine für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme und damit deren Verhältnismäßigkeit ausschlaggebende Bedeutung.

Die Schwere des Dienstvergehens, die aufgezeigten belastenden Gesichtspunkte und das Fehlen erheblicher mildernder Umstände lassen den Schluss zu, dass das Vertrauen des Dienstherrn in den Beklagten zerstört und ihm deshalb das Ruhegehalt abzuerkennen ist. Hierbei führt auch die Einbeziehung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten nicht zu einer anderen Einschätzung. Der Beklagte hat im Tatzeitraum ein Verhalten gezeigt, das davon zeugt, nicht in der Lage zu sein, die gebotene körperliche Distanz zu den ihm anvertrauten Schülern zu wahren und damit seiner Funktion als Erzieher und Vorbild gerecht zu werden. Das Landgericht ... hat in seinem Strafurteil (UA, S. 23) ausgeführt, dass der Beklagte auch anderweitigen Kontakt zu Kindern gehabt habe, ohne dass dies einen sexuellen Aspekt gehabt hätte. Die Missachtung der gebotenen körperlichen Distanz des Beklagten zu seinen Schülern erweist sich demnach nicht als persönlichkeitsfremd. Auch wenn das Verhältnis der Lehrer zu Grundschülern von einer gewissen Nähe geprägt sein mag, vermag dieses eine Aufhebung der dennoch gebotenen körperlichen Distanz in der hier von dem Beklagten praktizierten Weise nicht zu rechtfertigen. Den Zeugenaussagen lässt sich entnehmen, dass der Beklagte regelmäßig Schülerinnen auf seinen Schoß gesetzt und sie auf die Wange geküsst hat, seinen Finger in den Mund von Schülern gesteckt hat um zu kontrollieren, ob die Zähne geputzt sind, die Beine von Schülerinnen gestreichelt oder seine Nase an die Nase der Schülerinnen ("Nase-an-Nase") gehalten hat. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Köperverletzungen als "Spaß" zu bagatellisieren versucht (vgl.: Urteil des LG ..., UA, S. 18) und die Auffassung vertreten hat, dass ihm insoweit als Rechtfertigungsgrund ein Züchtigungsrecht zustehe. Dass dieses nach den deutlichen Ausführungen des Strafgerichts in seinem Urteil nicht der Fall ist, sollte gerade dem Rektor einer Grundschule bekannt sein. Zudem hat der Beklagte die Schüler nach Begehung der Körperverletzung zum Nachteil von G. aufgefordert, über diesen Vorfall Schweigen zu bewahren, damit seine Straftatbegehung nicht bekannt wird. Die Ausübung eines solchen Druckes auf die Schüler offenbart ebenfalls - wie die Begehung der Straftaten selbst - ein Persönlichkeitsbild, das mit dem von einem Lehrer zu erwartenden Persönlichkeitsbild nicht zu vereinbaren ist. Dass der Beklagte demgegenüber geltend macht, sich zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt zu haben, was für sein soziales Engagement spricht, reicht nicht aus, um von der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen. Dies gilt auch für den Umstand, dass er sich in fachärztliche Behandlung begeben hat, da diese nach den Ausführungen des Facharztes im Wesentlichen ihren Grund in der Alkoholproblematik und den Auswirkungen des Strafverfahrens hatte und nicht in der Erkenntnis des Beklagten lag, sein Verhalten ändern zu müssen.

Ende der Entscheidung

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