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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 20 ZD 11/07
Rechtsgebiete: NBG, NDiszG
Vorschriften:
NBG § 85 | |
NDiszG § 38 Abs. 1 Nr. 1 | |
NDiszG § 38 Abs. 2 | |
NDiszG § 58 Abs. 2 | |
NDiszG § 71 |
Gründe:
Der Antragsteller wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Juli 2007, mit dem dieses es abgelehnt hat, die Verfügung des Antragsgegners vom 12. April 2007 über die Einbehaltung von Dienstbezügen auszusetzen.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 62 Abs. 1 NDiszG zulässig, aber unbegründet. Denn an der Rechtmäßigkeit der mit der Verfügung des Antragsgegners vom 12. April 2007 angeordneten Einbehaltung von 30 % der Dienstbezüge des Antragstellers bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 58 Abs. 2 NDiszG.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 58 Abs. 2 NDiszG sind dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung nicht erfüllt sind, mindestens ebenso groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.3.2006 - 19 MD 8/06 -).
Die Einbehaltung von Dienstbezügen in Höhe von 30 % ist nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig.
Nach § 38 Abs. 2 NDiszG i.V.m. § 38 Abs. 1 Nr. 1 NDiszG, kann die Klagebehörde - das ist die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 34 Abs. 2 NDiszG) - gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50 vom Hundert der Bezüge der Beamtin oder des Beamten einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Die Einbehaltung der Dienstbezüge verlangt eine realistische Prognose über den mutmaßlichen Ausgang des Disziplinarverfahrens. Insoweit genügt es nicht, dass das dem Antragsteller vorgeworfene Dienstvergehen generell geeignet ist, die Höchstmaßnahme zu rechtfertigen. § 38 Abs. 1 Nr. 1 NDiszG setzt vielmehr voraus, dass im Disziplinarverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Eine solche Maßnahme muss nach der in dem Antragsverfahren nach § 58 Abs. 2 NDiszG gebotenen, ihrer Natur nach nur überschlägig möglichen Prüfung des Sachverhalts wahrscheinlicher sein als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung (vgl. entsprechend zu § 92 Abs. 1 NDO NDH, Beschl. v. 23.5.2005 - 2 NDH V 8/04; Beschl. v. 7.7.2004 - 2 NDH M 3/04 -; Beschl. v. 11.06.2003 - 2 NDH M 6/02 -; Beschl. v. 16.01.2003 - 1 NDH M 5/02 -). Wenn eine Entfernung des Beamten aus dem Dienst erkennbar nicht zu erwarten ist, bedarf es vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit des Vorliegens und der Darlegung besonderer, die vorläufige Dienstenthebung rechtfertigender Gründe (BVerwG, Beschl. v. 16.5.1994 - 1 DB 7.94 -, DÖD 1995, 61; Beschl. v. 21.9.2000 - 1 DB 7.00 -, IÖD 2001, 101; NDH, Beschl. v. 21.10.2005 - 2 NDH M 3/05 -).
Die Voraussetzungen für die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge sind vorliegend gegeben.
Das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ist mit Verfügung vom 22. März 2007 eingeleitet worden. In der Einleitungsverfügung ist der Sachverhalt bezeichnet, aus dem der Verdacht des Dienstvergehens hergeleitet wird. Ferner ist angegeben, wie der Verdacht begründet wird. Damit genügt die Einleitungsverfügung in formeller Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen. Mit Verfügung vom selben Tage hat der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 NDiszG vorläufig des Dienstes enthoben.
Bei der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung gemäß §§ 62, 58 NDiszG, ist darüber, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen, von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auszugehen (BVerwG, Beschl. v. 22.7.2002 - 2 WDB 1.02 -). In diesem Zeitpunkt bestehen solche ernstlichen Zweifel nicht. Vielmehr ist der beschließende Senat mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass in dem eingeleiteten Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst erkannt werden wird. Für die Prognose der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme genügt die Feststellung, dass der Antragsteller das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit begangen hat. Es ist nicht erforderlich, dass das Dienstvergehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist.
Dass der Antragsteller die ihn vorgeworfenen Verfehlungen begangen und damit den Tatbestand eines Dienstvergehens gemäß § 85 NBG erfüllt hat, wird von ihm selbst nicht bestritten. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass daran angesichts des Umstandes, dass die entsprechenden Auszahlungsanordnungen unter seiner Kennung getätigt wurden und sie sich auf private Zahlungsverpflichtungen bezogen, die dem Antragsteller bzw. seiner Ehefrau oblagen, kein Zweifel besteht. Ebenso bestehen keine Zweifel, dass der Antragsteller vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt hat. Die Verfehlungen sind dem Antragsteller nach derzeitigem Erkenntnisstand auch als schuldhaftes Verhalten subjektiv vorwerfbar. Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit oder eine Schuldunfähigkeit des Antragstellers im Sinne der entsprechend anwendbaren §§ 20, 21 StGB ergeben sich weder aus den ärztlichen Bescheinigungen der Fachärztin für Psychiatrie D. vom 23. April 2007 und vom 7. August 2007 noch aus dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren vorgelegten Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie E. (F.), das in dem denselben Sachverhalt betreffenden Ermittlungsverfahren auf Grundlage einer am 18. September 2007 durchgeführten ärztlichen Untersuchung erstellt worden ist.
Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ist im vorliegenden Fall mit Blick auf die Ausführungen in dem genannten Gutachten des Facharztes E. auch nicht noch ein ein Restvertrauen rechtfertigender Milderungsgrund aufgrund einer besonderen Konfliktsituation - wie etwa das Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage in einer psychischen Ausnahmesituation - anzunehmen (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. v. 24.05.2007 - BVerwG 2 C 25/06 -, Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 4 ; Nds. OVG, Urt. v. 12.04.2007 - 19 LD 4/06).
Besteht mithin ein hinreichender Tatverdacht und kommt demnach mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der Höchstmaßnahme in Betracht, so sind an die im Rahmen der nach § 38 NDiszG zu treffenden Ermessensentscheidung gebotene Interessenabwägung und ihre Darstellung in der Verfügung grundsätzlich keine übermäßigen Anforderungen zu stellen (BVerwG, Beschl. v. 21.9.2000 - 1 DB 7.00 -, IÖD 2001, 101). Die Verfügung vom 12. April 2007 enthält insoweit die erforderlichen Darlegungen. Bei hinreichendem Verdacht eines derart schweren Dienstvergehens wird durch die Einbehaltung der Dienstbezüge auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 69 Abs. 1 NDiszG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 71 Abs. 1, 3 Satz 3 NDiszG i.V.m. §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 3 GKG. Hinsichtlich der Einbehaltung von Dienstbezügen ist in Anlehnung an Verfahren, in denen ein sog. Teilstatus im Streit ist (vgl. hierzu: BVerwG, Beschl. v. 13.09.1999 - BVerwG 2 B 53.99 -, NVwZ-2000, 188 ff.), als Streitwert von dem zweifachen Jahresbetrag des Kürzungsbetrags der aktuellen Dienstbezüge auszugehen, der wegen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.
Für die Streitwertberechnung bei der vorläufigen Dienstenthebung als statusrechtlicher Angelegenheit ist dagegen für die Streitwertberechnung gemäß § 38 Abs. 1 NDiszG in Anlehnung an § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG das 13fache Endgrundgehalt des Beamten zuzüglich ruhegehaltfähiger Zulagen zugrunde zulegen. Der Senat bemisst den Streitwert mit einem Viertel dieses Betrages. Diese Kürzung beruht zum einen darauf, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt (§ 58 Abs. 1 NDiszG). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass bei der Streitwertbemessung nach § 52 Abs. 5 Satz 1Nr. 1 GKG die besoldungsrechtlichen Folgen einer Entlassung bereits enthalten sind, während im Disziplinarrecht die Einbehaltung von Dienstbezügen gesondert nach § 38 Abs. 2 NDiszG angeordnet wird.
Da im vorliegenden Fall nur die Anordnung der Einbehaltung von Dienstbezügen im Streit ist, war der Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf 13.315,50 EUR (30 % von <3.522,25 € + 105,28 € + 71,22 €> x 24 Monate x 1/2) festzusetzen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 NDiszG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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