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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.05.2008
Aktenzeichen: 4 LA 611/07
Rechtsgebiete: RGebStV
Vorschriften:
RGebStV § 1 Abs. 1 S. 1 | |
RGebStV § 1 Abs. 1 S. 2 |
Gründe:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hat keinen Erfolg, weil die von dem Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt worden sind.
Entgegen der Annahme des Beklagten bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit der Begründung stattgegeben, der angefochtene Gebührenbescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, soweit für den Zeitraum August 2003 bis November 2004 Rundfunkgebühren für ein weiteres Rundfunkempfangsgerät nebst Säumniszuschlag und Rücklastschriftkosten festgesetzt worden seien. Nach § 4 Abs. 1 RGebStV löse das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang die Gebührenpflicht aus. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV werde ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen empfangen werden können. Zur Empfangsbereitschaft gehöre nach einhelliger Rechtsprechung nicht, dass der Rundfunkteilnehmer das Gerät tatsächlich nutze oder beabsichtigte, das betriebsbereite Gerät auch tatsächlich in Betrieb zu setzen. Nach Sinn und Zweck der rundfunkgebührenrechtlichen Vorschriften sei das Abstellen auf die bloße Möglichkeit der Nutzung eines Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang allerdings in den Fällen nicht gerechtfertigt, in denen die § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV zugrunde liegende typisierende Annahme, ein vorhandenes Rundfunkempfangsgerät werde auch tatsächlich zum Empfang genutzt, regelmäßig nicht zutreffe. Es widerspräche dem Grundsatz der Gebührengerechtigkeit, auch dann ausschließlich auf die Möglichkeit des Empfangs abzustellen, wenn nach den objektiven Gegebenheiten der Eigentümer oder Besitzer bei ihm vorhandene Rundfunkempfangsgeräte typischerweise nicht zum Empfang nutze. Das sei u. a. dann der Fall, wenn ein Unternehmer Rundfunkgeräte in seinen öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen für jedermann sichtbar nur zum Verkauf anbiete, die Geräte nach seiner Verkaufspraxis nicht vorführe oder prüfe und sie in der Regel originalverpackt an seine Kunden abgebe. Ausgehend davon halte die Klägerin die in ihrem Tankstellen-Shop zum Verkauf angebotenen Fernseher und Radios nicht zum Empfang bereit. Soweit sich Geräte ausgepackt in einer Glasvitrine befänden, seien diese weder an eine Stromquelle noch an eine Antenne angeschlossen. Die Glasvitrine sei zudem abgeschlossen. Den Kunden würden die Geräte auch nicht auf Wunsch vorgeführt; hierfür halte die Klägerin kein Personal vor. Die Kunden könnten die Geräte auch nicht selbst auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüfen. Wolle ein Kunde ein Gerät erwerben, erhalte er das entsprechende Gerät aus einem Nebenraum originalverpackt ausgehändigt. Da die Geräte nur über einen 12 bzw. 24 Volt-Anschluss verfügten, wäre eine Inbetriebnahme der Geräte zudem nur unter größerem besonderem technischem Aufwand möglich. Mangels Rundfunkgebührenpflicht der Klägerin sei der Beklagte auch nicht berechtigt gewesen, einen Säumniszuschlag und Rücklastschriftkosten zu verlangen.
Diese Entscheidung begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Inbetriebnahme der von der Klägerin in ihrem Tankstellen-Shop zum Verkauf angebotenen Rundfunkempfangsgeräte nur unter besonderem technischem Aufwand möglich wäre, weil die Geräte nur über einen 12 bzw. 24 Volt-Anschluss verfügen, zutreffend ist. Denn die Klägerin ist für diese Geräte unabhängig davon nicht gebührenpflichtig.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 27. Juni 2006 (10 UE 43/06) zu einem vergleichbaren Fall Folgendes ausgeführt:
"Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ist Rundfunkteilnehmer, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages wird ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen Aufwand Rundfunkdarbietungen empfangen werden können. Danach ist die Möglichkeit der Nutzung für den Empfang von Rundfunksendungen für die Gebührenpflicht entscheidend und ausreichend. Dadurch, dass auf die Nutzungsmöglichkeit abgestellt wird, wird bezweckt, aus Gründen der Praktikabilität des Massenverfahrens "Rundfunkgebühreneinzug" Schutzbehauptungen Gebührenpflichtiger vorzubeugen, man habe zwar ein Gerät im Besitz, es werde aber weder genutzt, noch sei dies beabsichtigt. In diesen Fällen ist es zulässig, die Gebührenpflicht allein an das Vorhandensein eines Empfangsgerätes zu knüpfen. Denn im privaten Bereich kann typisierend angenommen werden, dass der Besitz des Gerätes auf dessen bestimmungsmäßigen Gebrauch gerichtet ist. Die objektive Zweckbestimmung des Besitzes besteht hier gerade in der Nutzung des Gerätes zum Rundfunkempfang (ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Juli 2005 - 12 A 10203/05 -).
Wenn ein Unternehmen aber Rundfunkempfangsgeräte von vornherein bestimmungsgemäß nur zum Verkauf bereithält und die Konzeption des Verkaufs dahin geht, die Geräte gerade nicht vorzuführen, also in der Verkaufsstelle vor dem Verkauf nicht den Empfang von Rundfunksendungen zu ermöglichen, so ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages nicht erfüllt (ebenso OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.)."
Ergänzend dazu hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 2. März 2007 (19 A 378/06) Folgendes ausgeführt:
"Allerdings ist nach dem Sinn und Zweck der rundfunkgebührenrechtlichen Vorschriften das Abstellen auf die (bloße) Möglichkeit der Nutzung eines Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang in den Fällen nicht gerechtfertigt, in denen die § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV zugrunde liegende typisierende Annahme, ein vorhandenes Rundfunkempfangsgerät werde auch tatsächlich zum Empfang genutzt, regelmäßig nicht zutrifft. Es widerspräche dem Grundsatz der Gebührengerechtigkeit, auch dann ausschließlich auf die Möglichkeit des Empfangs abzustellen, wenn der Eigentümer oder Besitzer typischerweise bei ihm vorhandene Rundfunkempfangsgeräte nicht zum Empfang nutzt. Das ist im Bezug auf die Klägerin der Fall. Unstreitig bietet die Klägerin die Geräte in ihren öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen für jedermann sichtbar nur zum Verkauf an. Sie führt die Geräte nach ihrer Verkaufspraxis nicht vor. Auch eine Prüfung der Geräte findet nicht statt. Die Klägerin gibt die Geräte in der Regel noch originalverpackt an ihre Kunden ab. Die Möglichkeit mit diesen Geräten Rundfunkempfang zu nutzen, verschafft die Klägerin sich oder anderen in ihren Geschäftsräumen damit nicht. ...
Mit diesem Verständnis von § 1 Abs. 2 RGebStV wird vermieden, dass Unternehmen, die in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit in Besitz der Rundfunkempfangsgeräte gelangen, nur aufgrund dieses Besitzes mit einer Rundfunkgebühr belastet werden, die dann eine bloße Besitzabgabe darstellte. ...
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch nicht allein der subjektive Wille der Klägerin, mit den zum Verkauf angebotenen Geräten keinen Rundfunkempfang zu wollen, dafür entscheidend, dass sie nicht rundfunkgebührenpflichtig ist. Maßgeblich ist außerdem, dass bei dem Verkaufskonzept der Klägerin die in anderen Bereichen bestehende Gefahr, dass vorhandene Geräte unter Umgehung der Rundfunkgebührenpflicht doch zum Rundfunkempfang genutzt werden, typischerweise und für jedermann sichtbar ausgeschlossen ist."
Diese von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz und dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vertretene Rechtsauffassung teilt auch der beschließende Senat. Demnach ist die Klägerin für die in ihrem Tankstellen-Shop zum Verkauf angebotenen Rundfunkempfangsgeräte nicht rundfunkgebührenpflichtig.
Die Berufung kann entgegen der Annahme des Beklagten auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen werden. Denn die vorliegende Rechtssache wirft keine Rechtsfragen auf, die sich nur unter besonderen, d. h. überdurchschnittlichen Schwierigkeiten beantworten lassen.
Schließlich kommt auch eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in Betracht. Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 124 Rn. 30 ff., m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 124 a Rn. 103 ff., m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift nicht. Denn der Beklagte hat keine konkrete Rechtsfrage formuliert, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch den Senat bedarf. Die Ausführungen des Beklagten beschränken sich auf den Vortrag, das sog. "Händlerprivileg" und dessen Voraussetzungen seien von grundlegender Bedeutung, da zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und zur Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben eine gesicherte Finanzierung unerlässlich sei, und den Hinweis, der Frage der Rechtsverfolgung von Gebührenforderungen komme grundsätzliche Bedeutung zu, da die Rundfunkgebühr die vorrangige Finanzierungsquelle sei und eine gleichmäßige Verteilung der Gebührenlast für alle Rundfunkteilnehmer anzustreben sei. Es liegt auf der Hand und bedarf daher keiner näheren Begründung, dass diese Ausführungen zur Darlegung des geltend gemachten Berufungszulassungsgrundes unzureichend sind.
Ende der Entscheidung
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