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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.02.2007
Aktenzeichen: 4 LA 94/07
Rechtsgebiete: UVG, BGB
Vorschriften:
UVG § 1 Abs. 1 | |
BGB § 1603 |
2. Ein planwidriger Ausfall von Unterhaltsleistungen liegt nicht vor, wenn der das Kind betreuende Elternteil den anderen Elternteil von seiner Unterhaltspflicht freistellt.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS
Aktenz.: 4 LA 94/07
Datum: 12.02.2007
Gründe:
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil der von ihr beabsichtigte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Einstellung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihren Sohn und die Rückforderung bereits erbrachter Unterhaltsvorschussleistungen wendet, mit der Begründung abgewiesen, der Sohn der Klägerin habe in dem Zeitraum vom 10. Dezember 2003 bis zum 31. März 2004 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gehabt. Die Klägerin habe ihren geschiedenen Ehemann, den Vater des Kindes, in einem am 10. Dezember 2003 vor dem Amtsgericht B. geschlossenen Vergleich von der Unterhaltspflicht freigestellt. Eine derartige Freistellung stehe im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Unterhaltsvorschussgesetzes - UVG - der Zahlung des Unterhalts durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil gleich. In einem derartigen Fall sei davon auszugehen, dass der freistellende Elternteil den gesamten Unterhalt sicherstelle. Das habe zur Folge, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem freigestellten Elternteil für die Vergangenheit durch Erfüllung erlösche. Damit trete ein durch Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auszugleichender Ausfall von Unterhalt nicht ein. Stelle der das Kind betreuende Elternteil den anderen Elternteil von der Unterhaltspflicht frei, erfülle er nicht eine erweiterte Leistungspflicht nach § 1607 BGB, sondern eine freiwillig eingegangene Verpflichtung auf der Grundlage der mit dem anderen Elternteil getroffenen Vereinbarung. Damit fielen die Unterhaltsleistungen nicht planwidrig aus. Die Klägerin könne dem nicht entgegenhalten, dass die Freistellung allein mit Rücksicht darauf erfolgt sei, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht leistungsfähig gewesen sei und für die Freistellung von der Unterhaltspflicht keine Gegenleistung erbracht habe, weil in dem Vergleich ein einklagbarer Anspruch der Klägerin auf umfangreiche Betreuungsleistungen, denen Geldwert zukomme, begründet worden sei.
Entgegen der Annahme der Klägerin bestehen bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 30.10.1991 - 1 BvR 1386/91 - NJW 1992 S. 889) keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Folglich kann der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg beigemessen werden kann, zumal andere Berufungszulassungsgründe nicht geltend gemacht worden, aber auch nicht ernstlich zu erwägen sind.
Nach § 1 Abs. 1 UVG setzt ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss oder -ausfallleistungen u. a. voraus, dass das bei einem seiner Elternteile lebende Kind von dem anderen Elternteil nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt in bestimmter Mindesthöhe erhält. Das gilt jedoch nur dann, wenn erwartete Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils planwidrig ausbleiben (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 1.7.2004 - 10 UZ 1802/03 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 8.11.1995, NJW 1996, S. 946). Ansonsten kommt die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen nicht in Betracht (vgl. Senatsurt. v. 6.4.2004 - 4 LC 266/03 -).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein planwidriger Ausfall von Unterhaltsleistungen nicht vorliegt, wenn der das Kind betreuende Elternteil den anderen Elternteil von seiner Unterhaltspflicht freigestellt hat. Denn in einem derartigen Fall ist davon auszugehen, dass der freistellende Elternteil den gesamten Barunterhalt sicherstellt. Die zwischen den Eltern verabredete Freistellung von Unterhaltsansprüchen eines gemeinschaftlichen Kindes ist nämlich als Erfüllungsübernahme anzusehen; aufgrund einer solchen Abrede kann der von dem Kind auf Unterhalt in Anspruch genommene Elternteil von dem anderen verlangen, dass er den Anspruch des Kindes befriedigt (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.1986 - IV b ZR 6/85 -, NJW 1986, S. 1167).
Entgegen der Annahme der Klägerin beinhaltet der am 10. Dezember 2003 vor dem Amtsgericht B. geschlossene Vergleich eine Freistellung des Vaters des Kindes von der Pflicht zur Leistung von Barunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB. Dass der Vater des Kindes zuvor keinen Barunterhalt geleistet hatte, ändert daran nichts. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es zu dem Vergleich nur gekommen sei, weil der Vater ihres Sohnes nicht leistungsfähig gewesen sei. Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass eine Vereinbarung des Inhalts, dass der Vater des Kindes bis zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Kindesunterhalt zahlt, keine Freistellung von Unterhaltsansprüchen beinhaltet, wenn eine Verpflichtung zum Barunterhalt des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils ausnahmsweise nicht besteht. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn der Umstand, dass der Vater des Sohnes der Klägerin bei Abschluss des Vergleichs und in der Folgezeit lediglich Arbeitslosenhilfe bezogen hat, hat nicht zum Wegfall der Unterhaltspflicht geführt. Zum einen gehört auch die Arbeitslosenhilfe zu den unterhaltsrechtlich relevanten Einnahmen (vgl. Palandt, BGB, Komm., 64. Aufl., § 1603 Rdnr. 7), die für den Kindesunterhalt einzusetzen sind, wenn und soweit sie den für den barunterhaltspflichtigen Elternteil maßgeblichen Selbstbehalt übersteigen (Palandt, § 1603 Rdnr. 31 ff., m.w.N.). Zum anderen trifft den Vater eines minderjährigen Kindes, der arbeitslos ist und über für den Barunterhalt des Kindes ausreichende Einkünfte oder ausreichendes Vermögen nicht verfügt, nach § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht und damit eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit (vgl. Palandt, § 1603 Rdnr. 57 f.; BGH Urt. v. 9.7.2003 - XII ZR 83/00 - FamRZ 2003 S. 1471). Dies hat zur Folge, dass sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht nach seinen tatsächlichen Einkünften, sondern nach den zumutbarerweise erzielbaren Einkünften bestimmt (vgl. Palandt, § 1603 Rdnr. 58, m.w.N.). Arbeitslosigkeit zwingt einen unterhaltspflichtigen Elternteil zu besonders intensiven Bemühungen um einen Arbeitsplatz. Der Unterhaltspflichtige muss auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen und notfalls Beschäftigungen annehmen, die seinem bisherigen Werdegang nicht entsprechen (Palandt, § 1603, Rdnr. 58, m.w.N.). Bei einem Verstoß gegen diese Erwerbsobliegenheit ist dem Unterhaltsverpflichteten das Einkommen fiktiv zuzurechnen, das er durch eine zumutbare vollschichtige Erwerbstätigkeit, u. U. auch im Wege eines Orts- und Berufswechsels, hätte erzielen können (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2000 - XII ZR 119/98 - FamRZ 2000, S. 1358). Außerdem hat der unterhaltspflichtige Elternteil vorhandenes Vermögen zum laufenden Unterhalt einzusetzen. Das gilt auch für Grundvermögen, das zu belasten oder zu veräußern ist (Palandt, § 1603 Rdnr. 59, m.w.N.).
Ausgehend davon besteht kein Grund für die Annahme, der Vater des Kindes der Klägerin sei bei Abschluss des Vergleichs nicht unterhaltspflichtig gewesen. Das Amtsgericht Goslar hat ihn durch Urteil vom 12. April 2005 (12 F 520/04 UK) verurteilt, an die Klägerin für deren Sohn 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle unter Anrechnung des anteiligen Kindergeldes ab dem 1. Januar 2005 zu zahlen, und die weitergehende Klage bezüglich des Unterhalts für das Jahr 2004 abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass dem Vater des Kindes der Klägerin fiktives Erwerbseinkommen zuzurechnen sei, weil seine Erwerbsbemühungen trotz der zur Zeit schlechten Arbeitsmarktlage ungenügend gewesen seien, außerdem müsse er ihm gehörendes Vermögen für den Unterhalt einsetzen. Wegen der mit dem Vater des Kindes der Klägerin zuvor getroffenen Vereinbarung könne rückständiger Unterhalt für das Jahr 2004 jedoch nicht verlangt werden. Angesichts dieser Urteilbegründung ist davon auszugehen, dass der Vater des Kindes der Klägerin bei Abschluss des Vergleichs am 10. Dezember 2003 unterhaltspflichtig gewesen ist. Denn das Amtsgericht hat die Unterhaltsklage für das Jahr 2004 nicht mangels Unterhaltspflicht bzw. Leistungsfähigkeit, sondern ausschließlich wegen des Inhalts des mit dem Vater des Kindes der Klägerin geschlossenen Vergleichs abgewiesen. Außerdem besteht kein Grund für die Annahme, dass sich die für die Unterhaltspflicht maßgeblichen Umstände - sieht man von dem Abschluss des Vergleichs ab - zwischen dem 10. Dezember 2003 und dem 1. Januar 2004 bzw. dem 1. Januar 2005 geändert haben.
Hat die Klägerin den Vater ihres Sohnes aber trotz bestehender Unterhaltspflicht von Unterhaltszahlungen freigestellt, sind Unterhaltsleistungen nicht planwidrig ausgeblieben. Daher ist der Unterhaltsvorschuss zu Unrecht gezahlt worden. Mithin bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, so dass auch die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht ernstlich zu bezweifeln ist.
Ende der Entscheidung
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