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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.03.2007
Aktenzeichen: 4 LC 16/05
Rechtsgebiete: DVO-NPflegeG, NPflegeG, SGB X, VwVfG


Vorschriften:

DVO-NPflegeG § 11 Abs. 2
NPflegeG § 10
NPflegeG § 14
SGB X § 27
VwVfG § 32
Auslegung einer Antragsfrist als Ausschlussfrist.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG URTEIL

Aktenz.: 4 LC 16/05

Datum: 14.03.2007

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Förderung nach dem Niedersächsischen Pflegegesetz (NPflegeG) für den von ihm betriebenen ambulanten Pflegedienst.

Mit einem nach den Angaben des Klägers am 31. Oktober 2002 ausgefüllten und unterzeichneten Antragsformular beantragte der Kläger bei der Beklagten die Auszahlung eines Förderbetrags für das 3. Quartal 2002 in Höhe von 11.653,83 EUR gemäß § 10 NPflegeG i. V. m. § 11 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Niedersächsischen Pflegegesetzes (DVO-NPflegeG). Eine Kopie dieses Antrags ging nach dem Eingangsstempel der Beklagten am 10. Januar 2003 bei dieser ein. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Januar 2003 mit der Begründung ab, dass die Auszahlung des Förderbetrags für das 3. Quartal 2002 nach § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG bis zum 31. Dezember 2002 hätte beantragt werden müssen. Die vom Kläger übersandte Kopie seines Antrages vom 31. Oktober 2002 sei erst nach Fristablauf bei ihr eingegangen, nachdem dem Kläger zuvor in zwei Telefonaten Anfang Januar und am 9. Januar 2003 mitgeteilt worden sei, dass ein Antrag für das 3. Quartal nicht vorliege.

Den mit Schreiben vom 6. Februar 2003 dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei und deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantrage. Er habe den Antrag bereits am 31. Oktober 2002 bearbeitet und zum einfachen Postversand in das zentrale Postausgangsfach seines Sekretariats gelegt. Dort habe ihn seine Mitarbeiterin, bei der es sich um eine seit längerem bei ihm beschäftigte verlässliche Kraft handele, entnommen und in den unmittelbar beim Büro befindlichen Postbriefkasten geworfen. Bei der Antragsfrist nach § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG handele es sich nicht um eine Ausschlussfrist, die aus Gründen der Rechtssicherheit geboten sei. Denn das Gesamtvolumen der Förderung sei durch das Haushaltsbegleitgesetz 2002 der Höhe nach begrenzt worden. Der Förderbetrag für die jeweilige Einrichtung werde auf der Grundlage der zum jeweiligen Stichtag ermittelten Punktzahl errechnet. Damit sei das Fördervolumen grundsätzlich auch dann kalkulierbar, wenn nicht alle Anträge fristgerecht eingegangen seien und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werde.

Die Bezirksregierung Weser-Ems wies den Widerspruch mit Bescheid vom 22. Mai 2003 zurück und führte zur Begründung an, dass es sich bei der Frist des § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG um eine Ausschlussfrist handele. Die alte Fassung dieser Vorschrift habe eine solche Fristenregelung noch nicht enthalten. Dies habe in der Praxis dazu geführt, dass die Förderbeträge zum Teil säumig und unter Umständen über mehrere Kalenderjahre rückwirkend angefordert worden seien. Dadurch sei eine einigermaßen zutreffende Schätzung des Haushaltsansatzes für diese Leistungen nicht möglich gewesen. Als Konsequenz hieraus sei § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG nach der Begründung des Verordnungsentwurfs ausdrücklich als Ausschlussfrist formuliert worden. Dass die Förderleistungen inzwischen gedeckelt worden seien, führe nicht dazu, dass diese Vorschrift ihren Charakter als Ausschlussfrist verliere. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bei Ausschlussfristen nicht in Betracht.

Der Kläger hat am 13. Juni 2003 Klage erhoben und zu deren Begründung vorgetragen, dass eine Ausschlussfrist als solche im Gesetz zu kennzeichnen sei, da sie zur Präklusion eines subjektiven Rechts führe. § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG enthalte einen solchen Hinweis nicht. Zur Erzielung der in der Begründung des Verordnungsentwurfs angesprochenen Haushaltsgenauigkeit habe es der Einführung einer Ausschlussfrist auch nicht bedurft. Doch selbst wenn der Verordnungsgeber eine Ausschlussfrist hätte schaffen wollen, wäre diese Regelungsabsicht jedenfalls durch die Beschränkung der Förderung auf einen bestimmten Betrag durch das Haushaltsbegleitgesetz 2002 überholt. Eine Auslegung des § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG als Ausschlussfrist wäre für ihn mit extremen finanziellen Nachteilen verbunden, da er die ungedeckten Kosten wegen der fehlenden Zustimmung der zuständigen Landesbehörde nach § 82 Abs. 3 SGB XI nicht nachträglich auf die Pflegebedürftigen abwälzen könne. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien zudem gegeben. Er habe sich bereits Anfang Januar 2003 bei einer Sachbearbeiterin der Beklagten nach dem Stand der Bearbeitung seines Antrages erkundigt. Da die Sachbearbeiterin den Eingang des Antrages weder habe bestätigen noch ausschließen können, habe er am 9. Januar 2003 nochmals telefonisch bei einer anderen Sachbearbeiterin nachgefragt, die ihm mitgeteilt habe, dass sein Antrag nicht eingegangen sei. Daraufhin habe er den Antrag unverzüglich erneut abgesandt. In der erneuten Übersendung der Antragsunterlagen liege ein konkludenter Antrag auf Wiedereinsetzung, der auch innerhalb der Zwei - Wochen - Frist des § 27 Abs. 2 SGB X bei der Beklagten eingegangen sei.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2003 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 22. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für das 3. Quartal 2002 Fördermittel in Höhe von 11.653,82 EUR zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass auch nach der Änderung des § 10 NPflegeG zum 1. Januar 2002 ein regelmäßiger und der Höhe nach planbarer Mittelabfluss durch eine Ausschlussfrist sicherzustellen sei. Darüber hinaus habe der Kläger den Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der Zwei - Wochen - Frist des § 27 Abs. 2 SGB X unter Angabe der hierfür maßgebenden Gründe gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 3. Dezember 2004 einen Bescheid der Beklagten vom 21. März 2003, gemeint gewesen ist offensichtlich der Bescheid vom 21. Januar 2003, und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 22. Mai 2003 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für das 3. Quartal 2002 Fördermittel in Höhe von 11.653,82 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, für eine Auslegung der in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG enthaltenen Fristenregelung als Ausschlussfrist spreche der Wortlaut dieser Regelung, ihre Entstehungsgeschichte und die Begründung des Verordnungsentwurfs. Diese Rechtslage habe jedoch durch das Haushaltsbegleitgesetz 2002 eine maßgebliche Änderung erfahren, weil die Förderung ihrem Gesamtumfang nach begrenzt worden sei und der auf die einzelne Einrichtung entfallende Förderungshöchstbetrag bereits zu Beginn des Haushaltsjahres festgestanden habe. Die Berechenbarkeit der Haushaltsplanung, welche für den Verordnungsgeber das maßgebliche Regelungsmotiv gewesen sei, habe nach der Deckelung der Förderung ambulanter Pflegeeinrichtungen nur noch untergeordnete Bedeutung gehabt. Deshalb könne nicht mehr angenommen werden, dass der Gesetzgeber die vom Verordnungsgeber geschaffene Rechtslage unverändert habe fortbestehen lassen. Dem stehe insbesondere entgegen, dass § 10 Abs. 2 Satz 3 NPflegeG i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2002 eine eigene Antragsfrist vorsehe, und zwar für das gesamte Jahr 2002 als Förderzeitraum. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass daneben die quartalsbezogene Antragsfrist des § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG im Sinne einer Ausschlussfrist habe weiter gelten sollen. Vielmehr enthalte § 10 Abs. 1 Satz 3 NPflegeG eine gesonderte Ermächtigung für entsprechende Ausführungsbestimmungen. Angesichts der grundsätzlich veränderten gesetzlichen Ausgangslage habe ein Anpassungsbedarf hinsichtlich der Ausführungsbestimmungen bestanden, den der Gesetzgeber mit der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebracht habe. Deshalb handele es sich bei der quartalsbezogenen Antragsfrist unter der Geltung des § 10 NPflegeG i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2002 nicht mehr um eine Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht komme. Der Kläger erfülle auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X. Der Kläger habe mit der Fertigstellung des Antrages unter dem 31. Oktober 2002 und dessen zeitnaher Absendung an die Beklagte hinreichend Sorge dafür getragen, dass dieser rechtzeitig bei der Beklagten eingehe. Einer ausdrücklichen Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe es nicht bedurft, weil der Kläger die versäumte Handlung innerhalb der Zwei - Wochen - Frist des § 27 Abs. 2 SGB X nachgeholt habe. Darüber hinaus habe der Kläger in den Telefongesprächen im Januar 2003 den für eine Wiedereinsetzung maßgeblichen Sachverhalt dargelegt.

Die Beklagte hat am 30. Dezember 2004 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung angeführt, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, durch die Änderungen in § 10 NPflegeG habe sich die Rechtslage maßgeblich geändert, nicht überzeugend sei. Wenn der Verordnungsgeber einen Anpassungsbedarf gesehen hätte, so hätte er die Fristenregelung in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG aufgehoben. Stattdessen habe der Verordnungsgeber in der Änderungsverordnung vom 17. Januar 2005 nunmehr auch im Wortlaut dieser Regelung den Begriff Ausschlussfrist verwendet. Auch würde das Prinzip der Rechtssicherheit berührt, wenn allein durch die Änderung einer anderen Rechtsvorschrift eine Fristenregelung in einer Rechtsvorschrift ihren Charakter als Ausschlussfrist verlöre. Darüber hinaus bestehe trotz der Deckelung der Förderung weiterhin ein öffentliches Interesse an einem planbaren und geregelten Mittelabfluss, um zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Überblick über die zu gewährenden Leistungen zu erhalten. Die Deckelung bedeute auch keineswegs, dass die Höchstbeträge jeweils ausgeschöpft werden müssten. Auch der vorliegende Fall zeige die Notwendigkeit einer Ausschlussfrist. Denn nachdem der Kläger seine Leistungen auch für das 4. Quartal 2002 abgerechnet habe, stünde ihm für das 3. Quartal 2002 nicht mehr die mit der Klage begehrte Summe, sondern allenfalls noch ein Betrag in Höhe von 11.075,17 EUR zu. Der Kläger habe zudem die Frist des § 27 Abs. 2 SGB X nicht gewahrt, da er erst in seinem Widerspruchsschreiben vom 6. Februar 2003 die Gründe für das Fristversäumnis dargelegt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 3. Dezember 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründung seines Urteils und bekräftigt diese.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Denn es handelt sich hier nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten des SGB XI, für die nach § 51 Abs. 2 Satz 3 SGG die Sozialgerichte zuständig sind. Nach § 9 SGB XI ist die Förderung der Pflegeeinrichtungen keine Aufgabe der Pflegeversicherung. Nach dieser Vorschrift sind vielmehr die Länder hierfür verantwortlich und wird diese Förderung durch Landesrecht - im Land Niedersachsen durch das Niedersächsische Pflegegesetz - geregelt. Für Streitigkeiten über die landesgesetzlich geregelte Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen sind daher die Verwaltungsgerichte zuständig (BVerwG, Beschluss vom 23.12.1998 - 3 B 22.98 -, NVwZ-RR 1999, 316; Nds. OVG, Beschluss vom 12.2.2004 - 12 OB 391/03 -).

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger als Inhaber einer ambulanten Pflegeeinrichtung hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Fördermitteln nach §§ 8, 9 und 10 NPflegeG vom 22. Mai 1996 (Nds. GVBl. S. 245) in der hier maßgeblichen Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2002 vom 18. Dezember 2001 (Nds. GVBl. S. 806) für das verfahrensgegenständliche 3. Quartal des Jahres 2002. Denn der Kläger hat die Frist nach § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG vom 20. Juni 1996 (Nds. GVBl. 280) in der hier maßgeblichen, am 1. Juli 2000 in Kraft getretenen Fassung (Fassung 1.7.2000) der Verordnung zur Änderung der DVO-NPflegeG vom 26. Juni 2000 (Nds. GVBl. S. 146) für die Beantragung der Auszahlung des Förderbetrages nicht eingehalten.

In § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 ist geregelt: "Die Träger ambulanter Pflegeeinrichtungen berechnen die auf sie entfallenden Förderbeträge jeweils zum Quartalsende; eine Auszahlung erfolgt nur, wenn sie bis zum Ende des Folgequartals bei der zuständigen Behörde beantragt wird." Bei dieser Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gestattet.

Es kann dahinstehen, ob hier für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 27 SGB X oder § 32 VwVfG gelten würde. Denn sowohl nach § 27 Abs. 5 SGB X als auch nach § 32 Abs. 5 VwVfG ist die Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Dies ist der Fall bei einer Ausschlussfrist, deren Versäumung zur Folge hat, dass der Betreffende seine materielle Rechtsposition verliert, auch wenn ihn insoweit kein Verschulden trifft. Eine Ausschlussfrist in diesem Sinne liegt vor, wenn entweder der Ausschluss der Wiedereinsetzung ausdrücklich in der gesetzlichen Fristenregelung bestimmt ist oder deren Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte, Gesetzesmaterialien und Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen - einerseits dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Frist, andererseits dem Interesse des Einzelnen an ihrer nachträglichen Wiedereröffnung bei unverschuldeter Fristversäumung - ergibt, dass der materielle Anspruch mit der Einhaltung der Frist "steht und fällt", ein verspäteter Antragsteller also materiellrechtlich seine Anspruchsberechtigung endgültig verlieren soll (BVerwG, Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38.95 -, NJW 1997, 2966; BSG, Urteile vom 25.10.1988 - 12 RK 22.87 -, BSGE 64, 153, vom 21.2.1991 - 7 RAr 74.89 - und vom 5.2.2003 - B 6 KA 27.02 R -; OVG NRW, Urteil vom 26.2.2002 - 15 A 527/00 -, ZKF 2002, 233; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl. 2005, § 31 Rn. 9 ff.). Ein Hauptanwendungsbereich ist das Subventionsrecht, bei dem die Ausschlussfrist u. a. dazu dient, eine Verteilung haushaltsmäßig begrenzter Subventionsmittel in angemessener Zeit zu gewährleisten (OVG NRW, Urteil vom 26.2.2002, a. a. O.).

Die DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 und mithin auch die Fristenregelung in § 11 Abs. 2 dieser Verordnung ist auf Grund von § 14 Nr. 1 NPflegeG, wonach die Landesregierung durch Verordnung das Nähere über das Antrags- und das Abrechnungsverfahren bei einer Förderung nach den §§ 10 bis 13 NPflegeG regelt, erlassen worden. Diese Vorschrift stellt eine im Hinblick auf die einschneidenden Folgen einer Ausschlussfrist notwendige (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, a. a. O., § 31 Rn. 10), aber auch ausreichende (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.1987 - NC 9 S 247/87 u. a. -, DVBl. 1988, 406) rechtliche Grundlage für die Bestimmung einer Ausschlussfrist im Bereich der Leistungsverwaltung dar.

Der Wortlaut der Fristenregelung in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 charakterisiert diese als Ausschlussfrist. Denn danach erfolgt die Auszahlung des Förderbetrages für das betreffende Quartal "nur" dann, wenn diese bis zum Ende des Folgequartals bei der zuständigen Behörde beantragt wird. Daraus ergibt sich, dass bei einer Versäumung dieser Frist die Auszahlung in jedem Falle ausgeschlossen sein soll. Damit ist die für die Annahme einer Ausschlussfrist erforderliche Rechtsfolge des Verlustes der materiellen Rechtsposition in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 bestimmt. Insofern kann dahingestellt bleiben kann, ob auch der Förderanspruch nach den §§ 8 bis 10 NPflegeG selbst erlischt, da jedenfalls der Anspruch auf Auszahlung des Förderbetrages für das betreffende Quartal und damit die für ein auf Gewährung von Fördermitteln nach dem NPflegeG gerichtetes Verpflichtungsbegehren - wie hier - entscheidende materielle Rechtsposition entfällt.

Dass der Verordnungsgeber in § 11 Abs. 5 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 die Möglichkeit der Vereinbarung einer längeren Frist für "Abrechnungen nach Absatz 2" vorgesehen hat, steht der sich bereits aus dem Wortlaut ergebenden Auslegung der Frist für die Beantragung der Auszahlung des Förderbetrages nach § 11 Abs. 2, 2. Hs. DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 als Ausschlussfrist nicht entgegen, da der für eine Ausschlussfrist typische irreversible Verlust der materiellen Rechtsposition nach Fristablauf von der Möglichkeit der Verlängerung der Frist unberührt bleibt, sofern nicht die Verlängerung der Abrechnungsfrist rechtzeitig - vor Fristablauf - beantragt wird.

Auch die Entstehungsgeschichte und die Begründung der Fristenregelung in § 11 Abs. 2 der DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 durch das Niedersächsische Sozialministerium sprechen für deren Auslegung als Ausschlussfrist. Die Regelung in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG a. F. lautete: "Die Träger ambulanter Pflegeeinrichtungen berechnen die auf sie entfallenden Förderbeträge jeweils zum Quartalsende und teilen sie bis zum Ende des Folgequartals der zuständigen Behörde mit". Diese Regelung enthielt demnach noch keine Fristenregelung mit der Notwendigkeit, einen Antrag innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen, um den Verlust der materiellen Rechtsposition abzuwenden. Es war darin lediglich von der Mitteilung der errechneten Förderbeträge die Rede. Nach der Begründung des Entwurfs der hier maßgeblichen Änderungsverordnung vom 26. Juni 2000 durch das Niedersächsische Sozialministerium vom 12. Oktober 1999 (Az.: 107.1 - 43 590/1.1 -) führte dies dazu, dass des Öfteren Auszahlungsanträge für einen Zeitraum von mehreren Quartalen gestellt wurden; nach dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 22. Mai 2003 wurden sogar Förderbeträge über mehrere Kalenderjahre rückwirkend angefordert mit der Folge, dass eine hinreichende Schätzung des Haushaltsansatzes für diese Leistungen nicht möglich gewesen ist. Aus diesem Grunde ist die Fristenregelung in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 ausweislich der Begründung des Verordnungsentwurfs im Interesse der "Haushaltsgenauigkeit" als "Ausschlussfrist formuliert" worden.

Hieraus ergibt sich auch der die Ausschlussfrist rechtfertigende Zweck, im Interesse der Rechtssicherheit zu bestimmten Zeitpunkten endgültig Klarheit über die für das jeweilige Quartal gestellten Anträge zu erhalten, um schnell zu wissen, welche Haushaltsmittel benötigt werden, und eine Verteilung der Mittel in angemessener Zeit zu gewährleisten. Dieser Zweck ist - wie auch die vor Erlass der hier maßgeblichen Änderungsverordnung gewonnenen Erfahrungen zeigen - nur mit einer Ausschlussfrist zu erreichen gewesen.

Die Ausschlussfrist des § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar sind mit dem Verlust des Anspruchs auf Auszahlung des Förderbetrages für das betreffende Quartal erhebliche finanzielle Folgen für die Pflegeeinrichtung verbunden, da zum einen die Förderung nach §§ 8 bis 10 NPflegeG für dieses Quartal entfällt - eine im Bereich der Subventionsverwaltung allerdings typische Folge im Falle der Versäumung einer Ausschlussfrist - und zum anderen eventuell auch eine Inanspruchnahme der Pflegebedürftigen nach § 82 Abs. 3 SGB XI nicht mehr möglich ist, wie dies der Kläger in seinem Falle geltend macht. Doch ist zu berücksichtigen, dass nach der hier maßgeblichen Fassung des § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG der Träger der ambulanten Pflegeeinrichtung ein volles Quartal und damit in jedem Falle ausreichend Zeit zur Verfügung gehabt hat, um die Auszahlung des für das vorhergehende Quartal berechneten Förderbetrages zu beantragen und sicherzustellen, dass der Antrag auch rechtzeitig bei der zuständigen Behörde eingeht. Erst durch die Änderungsverordnung vom 2. Januar 2004 (Nds. GVBl. S. 4) ist die Antragsfrist auf einen Monat verkürzt worden. Darüber hinaus hat der Träger der Pflegeeinrichtung auch noch die Möglichkeit gehabt, nach § 11 Abs. 5 DVO-NPflegeG die Verlängerung der Abrechnungsfrist nach Absatz 2 zu beantragen. Diese Möglichkeit ist ebenfalls erst durch die Änderungsverordnung vom 2. Januar 2004 entfallen. Daher bestehen auch im Hinblick auf das bei der Regelung einer Ausschlussfrist zu beachtende Verhältnismäßigkeitsprinzip (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, a. a. O., § 31 Rn. 10) und die danach erforderliche Abwägung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der Frist und des Interesses des Einzelnen an ihrer nachträglichen Wiedereröffnung keine materiell-rechtlichen Bedenken gegen die in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 enthaltene Ausschlussfrist.

Davon ist auch unter der Geltung des NPflegeG in der hier maßgeblichen Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2002 (Fassung 2002) auszugehen. Zwar ist durch § 10 Abs. 1 Satz 1 NPflegeG Fassung 2002 der Gesamtumfang der Zuschüsse für ambulante Pflegeeinrichtungen auf jährlich 20,5 Millionen EUR begrenzt worden, ergibt sich der Anteil des einzelnen Trägers an den Fördermitteln im Jahr 2002 nach Absatz 2 Satz 1 dieser Regelung aus dem Verhältnis der von ihm im Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 erbrachten Komplexleistungspunkte zu der Gesamtzahl der von allen Trägern im genannten Zeitraum erbrachten Komplexleistungspunkte und darf die Förderung nach Absatz 2 Satz 2 einen Betrag je Komplexleistungspunkt von 0,00317 EUR nicht übersteigen, so dass der Höchstbetrag der Förderung für die einzelne Pflegeeinrichtung und das maximale Volumen der Förderung im Jahr 2002 im Unterschied zu den vorhergehenden Jahren von vornherein festgestanden haben. Damit ist die Rechtfertigung für die Ausschlussfrist in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 jedoch nicht entfallen. Zwar ist die Fristenregelung in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 im Jahr 2002 nicht mehr erforderlich gewesen, um einen raschen Überblick über die bereit zu stellenden Haushaltsmittel zu erhalten. Es bleibt jedoch der im Bereich der Subventionsverwaltung für eine Ausschlussfrist typische und hier auch nach Abwägung der widerstreitenden Interessen die Ausschlussfrist in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 rechtfertigende Zweck bestehen, im Interesse der Rechtssicherheit zu bestimmten Zeitpunkten endgültig Klarheit über die im jeweiligen Quartal angeforderten Mittel zu erhalten, um nicht benötigte Haushaltsmittel schnell für andere Zwecke freigegeben zu können und eine Verteilung der Mittel in angemessener Zeit zu gewährleisten. Denn auch unter der Geltung des § 10 NPflegeG Fassung 2002 hat erst mit dem Eingang der Auszahlungsanträge nach Maßgabe der Fristenregelung in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 festgestanden, wie die Mittel für das jeweilige Quartal zu verteilen sind und ob der Höchstbetrag der in § 10 NPflegeG Fassung 2002 für das betreffende Jahr insgesamt vorgesehenen Fördermittel tatsächlich abgerufen wird. Die zeitnahe Schaffung eines Überblicks über die tatsächlich abfließenden Haushaltsmittel und die Verteilung dieser Mittel in angemessener Zeit sind daher auch im Jahr 2002 nur durch die quartalsweise greifenden Ausschlussfristen des § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 gewährleistet gewesen.

Daraus ergibt sich zugleich, dass § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 10 NPflegeG Fassung 2002 nach seinem Sinn und Zweck nicht anders ausgelegt werden kann als in den vorhergehenden Jahren. Dafür spricht ferner, dass der Wortlaut der Fristenregelung in § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG im hier entscheidungserheblichen Zeitraum unverändert geblieben ist. Zwar ist die Landesregierung in § 10 Abs. 1 Satz 3 NPflegeG Fassung 2002 ermächtigt worden, eine Verordnung zu erlassen, in der das Nähere bestimmt wird. Doch hat die Landesregierung von dieser Ermächtigung für das hier maßgebliche Jahr 2002 keinen Gebrauch gemacht. Außerdem hätte eine solche Verordnung - wie der Zusammenhang des § 10 Abs. 1 Satz 3 NPflegeG Fassung 2002 mit Absatz 1 Satz 2 und den Absätzen 2 und 3 dieser Vorschrift ergibt - lediglich die "Verteilung der Zuschüsse nach einheitlichen Maßstäben" und nicht etwa das Antrags- und Abrechnungsverfahren zum Gegenstand gehabt, das bereits in der auf Grund der (ebenfalls unverändert gebliebenen) Ermächtigung in § 14 Nr. 1 NPflegeG erlassenen DVO-NPflegeG geregelt worden ist.

§ 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 ist schließlich auch nicht durch die Fristenregelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 NPflegeG Fassung 2002 verdrängt worden. Soweit diese Vorschrift bestimmt, dass die Förderung nur auf Antrag erfolgt, der bis zum 31. März 2002 zu stellen ist, so betrifft sie den grundlegenden Antrag auf Förderung nach §§ 8 bis 10 NPflegeG. Davon zu unterscheiden ist der Auszahlungsantrag nach § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000, der nach wie vor innerhalb der dort genannten Frist zu stellen gewesen ist, deren Nichteinhaltung unverändert den Verlust der materiellen Rechtsposition, also des Anspruchs auf Auszahlung des Förderbetrages für das betreffende Quartal, zur Folge gehabt hat.

Hier ist der Auszahlungsantrag des Klägers für das 3. Quartal 2002 erst am 10. Januar 2003 und damit nach Ablauf der am 31. Dezember 2002 endenden Ausschlussfrist nach § 11 Abs. 2 DVO-NPflegeG Fassung 1.7.2000 bei der Beklagten eingegangen. Gründe für eine eventuelle Ausnahme von der Ausschlusswirkung der Frist, wie beispielsweise deren Nichtvereinbarkeit mit Treu und Glauben, höhere Gewalt oder staatliches Fehlverhalten, wobei dahingestellt bleiben kann, ob in letzterem Fall überhaupt eine Ausnahme von der Ausschlusswirkung unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gerechtfertigt ist (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, a. a. O., § 31 Rn. 13), sind hier nicht ersichtlich.

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